Was Sie über die Inflation unbedingt wissen sollten

19. Januar 2022 – von Thorsten Polleit

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Thorsten Polleit

Das Wort „Inflation“ fällt dieser Tage zwar häufig, aber nicht immer ist ganz klar, was damit eigentlich gemeint ist. Das Wort Inflation stammt vom lateinischen Wort „inflare“ ab, das so viel heißt wie aufblähen, ausweiten. Heutzutage verstehen die Menschen unter Inflation das Ansteigen der Güterpreise im Zeitablauf. Inflation in diesem Sinne bedeutet: Die Güter werden teurer, man muss immer mehr Geld für sie bezahlen. Güterpreisinflation bedeutet, dass man immer weniger Güter für sein Geld bekommt. Inflation steht so gesehen für Kaufkraftschwund des Geldes.

Einzelne Güterpreise können zu bestimmten Zeiten mitunter stark ansteigen – wie beispielsweise die Preise für Öl und Gas oder Baumaterialien aufgrund von momentaner Knappheit oder Steuererhöhungen. Doch die Verteuerung ist für sich genommen noch keine Inflation. Um Inflation handelt es sich dann – genauer sollte man hier von Güterpreisinflation sprechen –, wenn die Preise der Güter (früher oder später) auf breiter Front und auch fortgesetzt in die Höhe steigen. Und das geschieht derzeit nahezu überall.

In den Vereinigten Staaten von Amerika stiegen im Dezember 2021 die Konsumgüterpreise um 7 Prozent gegenüber dem Vorjahr, im Euroraum um 5 Prozent. Doch das ist nicht alles. Die Preise auf den Vermögensmärkten – also auf den Märkten für Aktien, Anleihen, Häuser und Grundstücke – inflationieren seit Jahren überaus stark. So stiegen allein im August 2021 die US-amerikanischen Häuserpreise um fast 20 Prozent gegenüber dem Vorjahr. In Deutschland legten die Hauspreise im September 2021 um gut 13 Prozent zu.

Die Vertreter der Österreichischen Schule der Nationalökonomie verstehen unter Inflation hingegen ein Ausweiten der Geldmenge. Für sie ist die Güterpreisinflation ein (mögliches) Symptom, und ihre Ursache ist die Geldmengeninflation. Diese Sichtweise ist gut begründet (weil sie handlungslogisch abgeleitet ist): Ein Anstieg der Geldmenge lässt die Güterpreise höher ausfallen im Vergleich zu einer Situation, in der die Geldmenge nicht ausgeweitet worden wäre.

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Ursache(n) der Inflation

Wie kann es zur Güterpreisinflation kommen? In der ökonomischen Lehre unterscheidet man üblicherweise zwischen zwei Erklärungen.

Im ersten Lager befinden sich Ökonomen, die sagen, Inflation (also das Ansteigen der Güterpreise im Zeitablauf) sei ein nicht-monetäres Phänomen. Aus ihrer Sicht führen zum Beispiel steigende Energiepreise, steigende Löhne, eine Abwertung der heimischen Währung etc. zu einem Ansteigen aller Güterpreise („Kostenschub-Effekt“). Oder man verweist auf einen „Nachfrage-Effekt“. Danach kommt es dann zur Inflation, wenn die Nachfrage das Angebot übersteigt, die Güter knapp und teuer werden, ihre Preise im Zeitablauf ansteigen.

Im zweiten Lager sind Ökonomen, die sagen, Inflation ist immer und überall ein monetäres Phänomen. Die Idee ist hier, dass wenn die Geldmenge stärker steigt als das Güterangebot zunimmt, die Güterpreise in die Höhe klettern. Der US-amerikanische Ökonom Milton Friedman (1912–2006) hat das wie folgt formuliert: Inflation ist immer und überall ein monetäres, also ein Geld-Phänomen. Friedman zufolge ist die Güterpreisinflation Folge einer übermäßigen Geldmengenausweitung, also einer „Geldmengeninflation“.[1]

Die nicht-monetäre und die monetäre Erklärung der Inflation müssen sich jedoch nicht unvereinbar gegenüberstehen. Zwar ist eine anhaltende Güterpreisinflation ohne eine unterliegende Geldmengeninflation kaum denkbar, jedoch können nicht-monetäre Entwicklungen in den Gütermärkten durchaus eine Güterpreisinflation auslösen, und zwar dann, wenn die Zentralbank das Geldangebot übermäßig ausgeweitet hat.

Geldmengenflut treibt Güterpreisinflation

Genau das ist aktuell weltweit der Fall. So hat die EZB die Geldmenge M3 seit Anfang 2020 um fast 18 Prozent ausgeweitet, um die Folgen des politisch diktierten Lockdowns zu bewältigen. In den USA hat die US-Zentralbank für einen Anstieg der Geldmenge sogar um 36 Prozent gesorgt. Nicht anders sieht es in vielen anderen Ländern aus. Die immer noch anhaltende Beschädigung der internationalen Lieferketten ist so gesehen der Nährboden, auf dem sich der „Geldmengenüberhang“ in steigender Güterpreisinflation entladen kann.

Die Zentralbanken und Politiker sind bestrebt, den wahren Grund der Güterpreisinflation vor den Augen der Öffentlichkeit zu verbergen, die Verantwortung von sich zu weisen. Vielmehr beschuldigen sie zum Beispiel steigende Ölpreise, Lieferengpässe, geringe Produktivität, Wechselkursabwertungen und anderes mehr – Faktoren also, die sie nicht beeinflussen können. Dass sie jedoch die Geldmenge zu stark ausgeweitet haben, darüber breiten sie den Mantel des Schweigens.

Im heutigen ungedeckten Geldsystem (einem Fiat-Geldsystem) lässt sich jedoch der Übeltäter eindeutig ausfindig machen: Es sind die Zentralbanken, die das Geldproduktionsmonopol innehaben. Sie weiten, in enger Kooperation mit den Geschäftsbanken, die Geldmenge per Kreditvergabe aus. In der politisch diktierten Lockdown-Krise haben sie gezielt – wie bereits gesagt – die Geldmengen ausgeweitet, also zu einer Politik der Geldmengeninflation gegriffen, deren Folge nun die für alle unübersehbare Güterpreisinflation ist.

Für die Öffentlichkeit ist es nicht immer einfach, den Bezug zwischen steigenden Güterpreisen und Geldmengenvermehrung zu erkennen. Beispielsweise wirkt die Geldmengenausweitung häufig erst mit einer langen Zeitverzögerung auf die Güterpreise. Oder die statistischen Preisindizes bilden die Folgen der Geldmengenausweitung nur unzureichend ab. So hat es in den letzten Jahrzehnten eine fulminante Vermögenspreisinflation (in den Aktien- und Häusermärkten) gegeben, die aber in den offiziellen Zahlen nicht sichtbar wurde.

Im Grunde kann man sich jedoch die Wirkung, die die Ausweitung der Geldmenge in der Volkswirtschaft hat, wie einen Wasserrohrbruch im Haus vorstellen. Zunächst bekommt man gar nicht mit, dass das Rohr gebrochen ist. Dann jedoch, nach einer gewissen Zeit, beginnt es in der einen Zimmerecke feucht zu werden, nachfolgend zeigt sich die Nässe großflächig, weitet sich auf andere Zimmer aus, und schließlich ist das ganze Gebäude durchtränkt. Ganz ähnlich sorgt eine Geldmengenausweitung über die Zeit für höhere Güterpreise.

Inflation wirkt durch Täuschung

Für das heutige ungedeckte Geldsystem, das Fiat-Geldsystem, ist die Güterpreisinflation charakteristisch. Es ist inflationär: Die Fiat-Geldmenge wird ausgeweitet, damit die Güterpreise ansteigen, damit also die Kaufkraft des Geldes herabgesetzt wird. Davon profitiert (nicht nur, aber auch) vor allem der Staat (und die von ihm begünstigten Sonderinteressengruppen). Das Fiat-Geldsystem erlaubt dem Staat, seinen unersättlichen Geldhunger geradezu problem- und geräuschlos zu stillen.

Er kann nicht nur sich selbst zu günstigen Konditionen mit neu geschaffenem Geld bezahlen, sondern er kann auch die Wirtschaft in einen „Scheinaufschwung“ versetzen. Doch eine solche „Wohlstandsillusion“ beruht auf Täuschung. Sie lässt sich nur vorgaukeln, wenn die Inflation für die Marktakteure unerwartet daherkommt, wenn sie nicht richtig vorhergesehen wird. Das erklärt sich wie folgt: Vertrauen die Marktakteure darauf, dass die Zentralbank die Güterpreisinflation bei, sagen wir, 2 Prozent pro Jahr hält, legen sie diese Inflationsrate ihren (in die Zukunft reichenden) Kredit-, Lohn- und Mietverträgen zugrunde.

Nachdem sie ihre Verträge geschlossen haben, hält die Regierung Zentralbank an, die Geldmenge auszuweiten, für eine Preisinflation zu sorgen, die höher ist als die versprochene/erwartete Preisinflation. Steigende Absatzpreise verlocken Unternehmer, ihre Produktion auszudehnen und – aufgrund der gesunkenen Reallöhne – mehr Arbeitskräfte nachzufragen. Die Volkswirtschaft schwenkt in einen inflationären Aufschwung ein, der aber in sich zusammenbrechen muss, sobald die „Inflationsillusion“ sich entzaubert. Damit das nicht passiert, muss die Zentralbank für eine noch höhere „Überraschungsinflation“ sorgen.

Es ist absehbar, wohin das unbeirrte Fortsetzen der Politik der Überraschungsinflation führt: in die Hoch- oder gar Hyperinflation. Ludwig von Mises (1881–1973) hat diesen Prozess eindrücklich beschrieben:

Wenn sich aber einmal die Auffassung gebildet hat, dass die Vermehrung der Geldmenge ohne absehbares Ende in grossem Umfange weiterschreiten wird und dass demgemäss auch die Geldpreise aller Waren und Dienstleistungen unaufhaltsam steigen werden, dann wird es das Bestreben der Wirte sein, so viel als möglich zu kaufen und die Kassenhaltung auf ein sehr geringes Mass herabzusetzen. Denn mit dem Halten von Kasse sind unter solchen Umstanden nicht nur die Kosten verbunden, die man als Zins bezeichnet, sondern darüber hinaus sehr beträchtliche Verluste durch den Rückgang der Kaufkraft. Die Vorteile der Haltung eines Kassenstandes müssen durch Opfer erkauft werden, die so hoch erscheinen, dass man seinen Umfang mehr und mehr einschränkt. Das ist die Erscheinung, die man in den grossen Inflationen der Nachkriegszeit als «Flucht in die Sachwerte» und als «Katastrophenhausse» bezeichnet hat.[2]

Inflation: Gekommen, um zu bleiben

Inflation ist eine Politik, die sich nicht dauerhaft durchführen lässt, wenn die Menschen die Inflation durchschauen. Das mag erklären, warum ganz aktuell wieder Zentralbanken und Politiker und Hauptstrom-Ökonomen in der Öffentlichkeit den Eindruck vermitteln wollen, es handle sich bei der aktuell hohen Güterpreisinflation nur um einen vorübergehenden „Buckel“, der bald verschwinden wird; und dass für die gestiegenen Güterpreise alle möglichen Faktoren verantwortlich sind (Produktionsausfälle, Lieferverzögerungen, Steuern, Energiepreise etc.), aber nur nicht die von der Zentralbank verursachte Geldmengeninflation.

Leider ist die Befürchtung nicht von der Hand zu weisen, dass das Inflationsproblem noch größer wird. Es hat sich so etwas wie ein stillschweigender Konsens herausgebildet, dass Wachstum und Beschäftigung Vorrang vor allen anderen Zielen haben, auch vor dem Ziel, die Güterpreisinflation niedrig zu halten. Politisch gesehen ist das in einer Zeit besonders verlockend, in der die allgemeine Verschuldung, vor allem auch die der Staaten, gewaltige Höhen erreicht hat und eine „etwas höhere“ Güterpreisinflation für „eine gewisse Zeit“ ein probates Mittel zu sein scheint, sich der lästigen Schuldenlasten zumindest teilweise zu entledigen.

Und nicht zuletzt spielt die Politik der inflationären Geldmengenvermehrung eine entscheidende Rolle, die gewaltigen Kosten der „grünen Politik“, der „Großen Transformation“ der Volkswirtschaften voranzutreiben. Eine Verteuerung der Güterpreise ist ein Verarmungseffekt, dämpft die Konsumnachfrage, zwingt die große Zahl der Menschen, den Gürtel enger zu schnallen, zu verzichten, und weniger Ressourcen zu verbrauchen.

Das Ausweiten der Geldmenge hilft zudem, das wahre Ausmaß des politisch forcierten Wirtschafts- und Gesellschaftsumbaus zu verschleiern. Ganz so wie es in Zeiten der Kriegsfinanzierung üblich ist: Durch die Scheinprosperität, für die die Geldmengeninflation (zumindest anfänglich) sorgt, schwächt sie den Widerstand der Bevölkerung gegen die Politik der Regierung. Und erst mit zeitlicher Verzögerung, wenn der Schaden bereits unwiderruflich eingetreten ist, zeigt sich der Schrecken der Inflation – der sich nicht nur in Geldwertzerrüttung zeigt, sondern vor allem auch im Aufstieg des allmächtigen Staates.

Lösung des Inflationsproblems

Die konsequente Lösung, um dem Inflationsproblem Herr zu werden, ist die Privatisierung des Geldes, wie sie Friedrich August von Hayek (1899–1992) gefordert hat, das Beenden des staatlichen Geldmonopols, das Zulassen eines freien Marktes für Geld. Hier haben die Anbieter die Freiheit, ihren Kunden ein Gut anzubieten, das diese als Geld nachzufragen wünschen; und Geldnachfrager haben die Möglichkeit, das Geld zu verwenden, das ihren Zwecken am relativ besten genügt. Die Menschen könnten US-Dollar, Euro oder andere Geldmedien wie zum Beispiel Gold, Silber und neuerdings Kryptoeinheiten nachfragen.

Doch würde ein freier Markt für Geld nicht zu einem (Geld-)Chaos führen? Die Antwort ist nein. Die Geldnachfrager sind es, die entscheiden, was als Geld Verwendung findet. Diese werden gutes Geld, kein schlechtes Geld, nachfragen; und relativ rasch würde sich ein bevorzugtes Tauschmittel herausbilden. Ein freier Markt für Geld kann denkbar einfach in die Tat umgesetzt werden: Man schafft Mehrwert- und Kapitalertragssteuern auf mögliche Geldkandidaten ab, erzeugt damit ein „Level Playing Field“ gegenüber den bestehenden staatlichen Fiat-Geldarten. Den Rest übernehmen Geldanbieter und Geldnachfrager.

Das unbeirrte Festhalten am staatlichen Fiat-Geld führt die Mehrheit der Menschen in eine Sackgasse, es sorgt nicht nur für chronische Inflation, sondern es beschwört vor allem auch Kollektivismus, Sozialismus und Tyrannei herauf. Deshalb dürfen die Menschen sich, wenn ihnen ihre Freiheit und ihr Wohlstand lieb sind, nicht mit dem staatlichen Fiat-Geld abfinden, sondern müssen es aus der Welt schaffen.

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[1] Friedman argumentiert mit Blick auf die Quantitätstheorie. Daher müsste man hier genauer sagen: Es kommt zur Güterpreisinflation, wenn die Geldmenge stärker steigt als die Gütermenge, zuzüglich der Veränderung der Umlaufgeschwindigkeit des Geldes.

[1] Mises (1940), Nationalökonomie, S. 387–388.

Professor Dr. Thorsten Polleit ist seit April 2012 Chefvolkswirt der Degussa, Europas größtem Edelmetallhandelshaus. Davor war er als Ökonom 15 Jahre im internationalen Investment-Banking tätig. Thorsten Polleit ist zudem Honorarprofessor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Bayreuth, Adjunct Scholar am Ludwig von Mises Institut, Auburn, Alabama, Mitglied im Forschungsnetzwerk „ROME“ und Präsident des Ludwig von Mises Institut Deutschland. Im Jahr 2012 erhielt er den The O.P. Alford III Prize In Political Economy. Thorsten Polleit ist Autor zahlreicher Aufsätze und Bücher: „Ludwig von Mises – der kompromisslose Liberale“ (2018), „Vom Intelligenten Investieren“ (2018), „Mit Geld zur Weltherrschaft“ (2020) und „Der Antikapitalist“ (2020). Die private Website von Thorsten Polleit ist: www.thorsten-polleit.comHier Thorsten Polleit auf Twitter folgen.

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Hinweis: Die Inhalte der Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Ludwig von Mises Instituts Deutschland wieder.

Titel-Foto: Adobe Stock

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