Freie Privatstädte als Weiterentwicklung von Sonderwirtschaftszonen

10. Februar 2021 – von Titus Gebel

Titus Gebel

In den 1960er Jahren gab es weltweit nur eine Handvoll Freihandelszonen, die wir heute Sonderwirtschaftszonen (SWZ) nennen. Davon ist der ehemalige Flughafen Shannon in Irland wohl die bekannteste. Heute geht man davon aus, dass es über 4500 SWZ auf der Welt gibt. Trotz der Tatsache, dass nicht alle von ihnen wirklich operativ sind, ist dies eine beeindruckende Zahl. Es gibt offensichtlich einen Trend zu Gebieten mit einer vom Heimatstaat abweichenden Regulierung. Im Grunde ist jede einzelne SWZ bereits ein Eingeständnis des Staates, dass seine Gesetze offensichtlich nicht ideal sind, zumindest nicht für Unternehmen.

Heute versuchen erfolgreiche SWZ nicht nur Unternehmen anzuziehen, sondern auch qualifizierte Individuen. Und es zeichnet sich ein weiterer Trend ab. Das Dubai International Financial Centre war weltweit die erste SWZ, die ein eigenes Gerichtssystem hatte, das auf einer eigenen Gesetzgebung basierte. Die Idee war, Vertrauen für Investoren zu schaffen, und es hat funktioniert. Die SWZ Abu Dhabi Global Markets folgte und heute übernehmen immer mehr Länder dieses Modell in spezialisierten SWZ, unter anderem Kasachstan, Aserbaidschan und Georgien. Wenn sich diese Entwicklung fortsetzt, könnte die finale Evolution der SWZ Freie Privatstädte sein. Und zwar aus folgenden Gründen.

Laut Umfragen in westlichen Ländern sind 80 Prozent der Bürger unzufrieden damit, wie sie regiert werden, egal wer das Sagen hat. Immer mehr Menschen haben das Gefühl, dass sie, abgesehen von ihrer Stimmabgabe alle paar Jahre, kein Mitspracherecht haben – und auch nicht mitbestimmen können, wofür ihr Steuergeld ausgegeben wird.

Die globale Steuerlast wächst, während gleichzeitig die Leistungen, die davon bezahlt werden, als unzureichend empfunden werden – seien es Sicherheit, Bildung oder Infrastruktur. Bürger in vermeintlich freien Gesellschaften haben Angst, sich zu kontroversen Themen zu äußern, deren Zahl täglich zunimmt. Ein falscher Satz kann die Karriere kosten. Und als ob das nicht genug wäre, werden die Gesetze (und damit der Gesellschaftsvertrag) auch noch ständig geändert. Allerdings immer nur von einer Seite, dem Staat, niemals vom Bürger.

Gleichermaßen permanente wie unvorhersehbare Änderungen der Rechtslage machen es für Unternehmen und Einzelpersonen schwierig, langfristig zu planen. Was heute erlaubt ist, kann morgen schon verboten sein. Können wir eine andere, bessere Beziehung zum Staat schaffen?

Die Antwort lautet: Ja. In Wahrheit ist „der Staat“ nämlich eine Dienstleistung wie jede andere auch. Wir erwarten etwas von ihm, vor allem den Schutz von Leben, Freiheit und Eigentum, und wir sind bereit, dafür zu bezahlen. Aber wenn der Dienstleister andere Aktivitäten wahrnimmt, die wir nicht beauftragt haben, und dann erwartet, dass wir dafür bezahlen, ist das zu Recht ein Grund für Unzufriedenheit.

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In den meisten Ländern ähnelt die Beziehung des Bürgers zur Regierung dem Autokauf. Allerdings besteht der Autohändler darauf, dass er das Modell, die Farbe, die Motorisierung und den Preis, den Sie zu zahlen haben, bestimmt. Und Sie müssen kaufen. Nicht wirklich ein attraktives Geschäft, oder?

Stellen Sie sich im Gegensatz dazu ein System vor, in dem der Staat als privates Unternehmen Ihnen den Schutz von Leben, Freiheit und Eigentum anbietet. Dieser Service ist klar definiert und umfasst Sicherheit, einen rechtlichen und regulatorischen Rahmen sowie eine unabhängige Streitbeilegung. Für diese Leistungen zahlen Sie einen vertraglich festgelegten Betrag pro Jahr, es gibt also einen echten Gesellschaftsvertrag, keinen fiktiven. Um alles andere kümmern Sie sich selbst, aber Sie können auch machen, was Sie wollen, nur begrenzt durch die Rechte anderer und die vertraglich vereinbarten Regeln des Zusammenlebens.

Außerdem kann der „Staatsdienstleister“ als Betreiber der Gemeinschaft diesen „Bürgervertrag“ mit Ihnen nicht einseitig nachträglich ändern. Streitigkeiten zwischen Ihnen als „Vertragsbürger“ und dem staatlichen Dienstleister werden, wie im internationalen Wirtschaftsrecht üblich, vor unabhängigen Schiedsgerichten ausgetragen.

Die Weiterentwicklung der vereinbarten Regelungen erfolgt nicht durch ständige neue Gesetze, sondern durch gerichtliche Einzelfallentscheidungen, wie es in den Common-Law-Rechtsordnungen über Jahrhunderte gut funktioniert hat. Ignoriert der Staatsdienstleister die Schiedssprüche oder missbraucht er in anderer Weise seine Macht, wandern die Kunden ab und er geht in Konkurs. Er hat ein eigenes wirtschaftliches Risiko und damit einen Anreiz, die Kunden vertragsgemäß und gut zu behandeln. Dieses Modell wird als Freie Privatstadt bezeichnet.

Die meisten Menschen wollen ihre eigenen Entscheidungen treffen. Die meisten Menschen ziehen eine garantierte Privatsphäre der Massenüberwachung vor. Die meisten Menschen wollen nicht für Dinge bezahlen, die sie nicht bestellt haben. Die meisten Menschen wollen nicht durch Vorschriften gegängelt werden, denen sie nicht zugestimmt haben. Die meisten Menschen wollen das Recht haben, in Ruhe gelassen zu werden, wenn sie anderen keinen Schaden zufügen. Freie Privatstädte respektieren diese Wünsche.

Deshalb wird es sie irgendwann geben. Heute schon wandern Unternehmen in SWZ ab, die für sie vorteilhaftere Regelungen bieten. Am Ende werden auch die Menschen dorthin gehen, wo sie am besten behandelt werden.

Titus Gebel ist Unternehmer und promovierter Jurist. Er gründete unter anderem die Deutsche Rohstoff AG. Gebel ist Autor des Buches „Freie Privatstädte – Mehr Wettbewerb im wichtigsten Markt der Welt“.

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Hinweis: Die Inhalte der Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Ludwig von Mises Institut Deutschland wieder.

Foto: freeprivatecities.com

 

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