Energiepolitischer Interventionismus – Wahnsinn mit System

18. Dezember 2020 – von Rainer Fassnacht

Rainer Fassnacht

2019 erschien im Wall Street Journal ein Artikel über die deutsche Energiepolitik mit dem Titel „World’s Dumbest Energy Policy“ (übersetzt: „Die dümmste Energiepolitik der Welt“). In der Tat gibt es einen guten Grund für diese Bezeichnung.

Im Artikel wird aufgezeigt, dass „unzählige Milliarden“ in „unzuverlässige Wind- und Sonnenergie“ geflossen sind, und dass Deutschland nach dem Abschalten von Atom- und Kohlekraftwerken „wahrscheinlich Kohlekraft aus Polen und der Tschechischen Republik importieren wird“. Die Autoren schließen daraus, dass die Energiewende weder ökonomisch noch ökologisch Sinn macht.

Ein Blick auf die Kraftwerksstilllegungsanzeigenliste der Bundesnetzagentur in Verbindung mit der Entwicklung der Strompreise gibt einen anschaulichen Beleg für den Wahnsinn deutscher Energiepolitik. Die Liste der Bundesnetzagentur mit Stand 15. April 2020 zeigt 110 „unerwünschte“ Kraftwerke auf, für die zu diesem Datum Stilllegungsanzeigen vorlagen, das heißt, die stillgelegt werden sollen. „Unerwünscht“ in dem Sinne, dass sie über kurz oder lang abgeschaltet werden sollen.

Von diesen 110 Kraftwerken sind 69 als „systemrelevant“ gekennzeichnet – werden vorerst also nicht abgeschaltet. Die Betreiber möchten jedoch diese Anlagen abschalten, weil ihr Weiterbetrieb unter den politisch gesetzten Bedingungen nicht wirtschaftlich ist.

Mit anderen Worten: 62,7 % der „unerwünschten“ Kraftwerke können derzeit nicht abgeschaltet werden, ohne die Energieversorgung zu gefährden.

Auch hochmoderne neue Gas- und Kohlekraftwerke – darunter solche, die nebenbei Fernwärme liefern – stehen auf der Liste. Kraftwerke, deren Wirkungsgrad und Sauberkeit Bestwerte erreichen, werden also vom Netz genommen.

Die Betreiber erhalten für die vorzeitige Abschaltung „Stilllegungsprämien“ von der Bundesregierung in Millionenhöhe. Obwohl es sich hierbei um eine Maßnahme im Rahmen der Klimapolitik handelt, kritisieren selbst Verbände aus dem Bereich regenerativer Energien dieses Vorgehen.

Mit Subventionen für Energie aus Wind und Sonne haben solche Verbände naturgemäß keine Probleme. Schließlich sollen diese volatilen Stromquellen die neue Energieversorgung sichern. Dass weder die Nord-Süd-Stromtrassen vorhanden noch notwendige Speichertechnologien entwickelt sind, stört die Begeisterung interessierter Gruppen für den eingeschlagenen Weg kaum.

Als Begründung für den energiepolitischen Interventionismus dient der Klimawandel. Ob sich die deutschen Maßnahmen global spürbar auswirken, ist umstritten. Es reicht den Ökologisten, dass der deutsche Anteil am weltweiten CO2-Ausstoß rund 2 % beträgt.

Es kommt hinzu, das laut einem Bericht des Handelsblatt (Stand 2019) weltweit Kohlekraftwerke mit einer Leistung von 579 Gigawatt (GW) in Planung sind. Zum Vergleich: Am 01. April 2020 lag die vorhandene Netto-Nennleistung über alle Erzeugungsarten in Deutschland bei 221,3 GW.

Unumstritten und für die Verbraucher deutlich spürbar sind die Auswirkungen der interventionistischen Energiepolitik auf den Strompreis: Deutsche Strompreise sind Weltspitze: die Deutschen zahlen im internationalen Vergleich den höchsten Strompreis.

Durch die selbstgemachte Energiepolitik hat sich der Strompreis hierzulande seit der Jahrtausendwende mehr als verdoppelt, wobei der überwiegende Teil des Strompreises aus politisch diktierten Komponenten besteht: Steuern, Umlagen und Abgaben machen über 50 Prozent des Strompreises aus.

Eine dieser Komponenten, die EEG-Umlage, hat sich seit 2004 mehr als verzehnfacht. Die Übertragungsnetzbetreiber prognostizieren für das Jahr 2020 einen Gesamtzahlungsanspruch der Betreiber Erneuerbarer-Energien-Anlagen an den Steuerzahler in Höhe von 33,6 Mrd. Euro.

Doch dies ist nur ein kleiner Teil der echten und leider intransparenten Gesamtkosten der interventionistischen Energiepolitik. Einige Kosten tauchen an unerwarteten Stellen auf und sind nicht ohne Auswirkungen auf das ursprüngliche Ziel der energiepolitischen Intervention. Die Preise für gebrauchte Elektrofahrzeuge sind dafür ein Beispiel.

Wie bereits angedeutet: Strom ist in Deutschland durchschnittlich 163 Prozent teurer als im Rest der Welt. 32,10 Cent pro Kilowattstunde müssen Verbraucher hierzulande aufbringen – im internationalen Durchschnitt sind es nur 12,22 Cent.

Doch ein oberflächlicher Blick auf die Stromkosten reicht nicht aus. Denn die Kosten und Auswirkungen der interventionistischen Energiepolitik gehen über das Offensichtliche hinaus. Die Stromrechnung führt für viele einkommensschwache Haushalte zu einem existenziellen Problem, wenn wegen unbezahlter Rechnungen der Strom abgestellt wird.

Die hohen Stromkosten setzen natürlich auch den privaten und gewerblichen Stromverbrauchern zu, die die Rechnungen noch zahlen können, denen dann aber das Geld für andere Verwendungen fehlt. Unerwünschte Nebenwirkungen und versteckte Kosten also, wohin das Auge blickt.

Die Aufrechterhaltung „unerwünschter“ Kraftwerke und die Entwicklung der Strompreise sind insofern nur zwei Beispiele für den ökonomischen Irrsinn der deutschen Energiepolitik. Wo aber liegen die Ursachen für „die dümmste Energiepolitik der Welt“? Warum wird die zentrale Planung der Energiepolitik nicht verbessert?

Aus Sicht der Österreichischen Schule der Nationalökonomie sind diese Fragen eindeutig zu beantworten: Zentrale politische Planung kann den freien Markt nicht ersetzen. Die Antwort ist schmerzlich für die Politik, doch selbst guter Wille oder edle Motive reichen nun einmal nicht aus, denn Interventionismus ist so etwas wie „Wahnsinn mit System“ – in der Energiewirtschaft und auch anderswo.

 

Drei Zitate von Ludwig von Mises (1881-1973) bringen die Natur und die Folgen des Interventionismus treffend auf den Punkt:

„Die Eingriffe können zweierlei Art sein: sie können entweder produktionspolitische Eingriffe sein, d. h. Befehle, die die Produktion unmittelbar hemmen oder erschweren, oder preispolitische Eingriffe, die darauf hinauslaufen, Preise von Gütern und Dienstleistungen anders festzusetzen, als der unbehinderte Markt sie bilden würde.“

„Er [der Interventionismus] ist eine Methode zur ratenweisen Verwirklichung des Sozialismus“ (Die Wahrheit über den Interventionismus. In: Monatsblätter für freiheitliche Wirtschaftspolitik. Heft 10, 1957)

„Unter dem Einfluß des Interventionismus haben sich die Parlamente zu Privilegienmärkten entwickelt“

Marktentscheidungen gehen mit einer Vielzahl von dezentralen Abstimmungsprozessen einher. Dabei sind zahlreiche Menschen mit unterschiedlichen Interessen, Motiven und Zielen beteiligt. Und obwohl die Beteiligten sich nicht kennen und keine gemeinsamen Ziele benötigen, führt der Marktprozess zu Entscheidungen im Interesse aller Beteiligten.

Mises schrieb dazu:

„Jeder handelt für sich, doch jedermanns Handeln ist mittelbar auch auf die Erfüllung der Zwecke der anderen Handelnden gerichtet“ (Nationalökonomie. Theorie des Handelns und Wirtschaftens, S. 250).

Wird versucht, die „unsichtbare Hand“ des Marktes durch die „sichtbare Hand“ des Staates zu ersetzen, kommt es unweigerlich zu Ergebnissen, die einerseits unwirtschaftlich sind und andererseits zu Nachteilen für einige Beteiligte führen. Aus der Win-Win-Situation des freien Marktes wird eine Situation mit Gewinnern und Verlierern.

Rainer Fassnacht ist gelernter Kaufmann, Diplom-Ökonom und Wirtschaftspraktiker. Er lebt in Berlin und ist familiengeschichtlich mit Österreich verbunden, genau wie als Vertreter der von Carl Menger begründeten Österreichischen Schule. Mit seinem Buch „Unglaubliche Welt: Etatismus und individuelle Freiheit im Dialog“ möchte er, auch Social-Media-geprägten Lesern, die Ideen der österreichischen Schule näherbringen. Auch in seinen sonstigen, unter anderem vom Austrian Economics Center in Wien veröffentlichten Texten, setzt er sich für die Bewahrung der individuellen Freiheit ein.

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Hinweis: Die Inhalte der Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Ludwig von Mises Institut Deutschland wieder.

Foto: Adobe Stock

 

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