„Political Correctness“ ist Kontrolle, nicht Etikette
12. Oktober 2020 – von Jeff Deist.
[Dieser Artikel entstand aus einer Rede, die am Dallas-Ft. Worth Mises Circle „Against PC“ (Gegen die politische Korrektheit) am 3. Oktober 2015 gehalten wurde. Erstmals veröffentlicht im Dezember 2015]
Ich möchte heute darüber sprechen, worum es sich bei Political Correctness (PC) in ihrer modernen Form handelt, worum es sich nicht handelt, und was wir gegen sie tun können.
Zunächst muss uns bewusst werden, dass die Political Correctness nicht das Ziel hat, uns zu netteren Menschen zu machen. Sie ist nicht ein einfaches gesellschaftliches Problem oder ein Teil von Kulturkämpfen.
Es geht nicht um Höflichkeit oder Aufgeschlossenheit oder gute Manieren. Es geht nicht um den respektvollen Umgang mit den Mitmenschen. Es geht nicht um Einfühlsamkeit oder um die Sorge, die Gefühle anderer nicht zu verletzen oder sie nicht mit beleidigenden Worten zu verunglimpfen.
Ich bin mir aber sicher, dass Sie dieses Argument bereits gehört haben. Es wird uns gesagt, bei PC ginge es um einfachen Respekt und Aufgeschlossenheit. Als ob wir kulturelle Scharfrichter bräuchten, die uns zu verstehen geben, dass wir niemanden als behindert bezeichnen oder das „N“-Wort nicht verwenden sollten, keine bösen Kommentare über jemandes Aussehen machen oder Grobiane zu tolerieren haben.
Ginge es bei PC wirklich um Nettigkeit und Respekt, müsste man sie niemandem gewaltsam auferlegen. Wir haben ja bereits einen Mechanismus für gesellschaftlichen Zusammenhalt: er nennt sich „Manieren“. Und wir haben bereits bestimmte Personen, die damit beauftragt sind, gute Manieren einzuflößen und sie zu erhalten: man nennt sie „Eltern“.
Definition von „Political Correctness“
Aber was genau ist PC? Ich versuche, sie zu definieren: Political Correctness ist die bewusste und zielgerichtete Manipulation der Sprache, mit der Absicht, zugunsten einer Agenda die Art und Weise zu verändern, wie Menschen sprechen, schreiben, denken, fühlen und handeln.
PC kann man am besten als Propaganda verstehen und daher schlage ich auch vor, dass wir sie als solche behandeln. Aber anders als Propaganda, die bisher von Staaten und Regierungen eingesetzt worden ist, um Unterstützung für eine bestimmte Maßnahme oder ein Ziel zu erlangen, ist PC allumfassend. PC will nicht weniger, als uns alle in moderne Versionen von Marx’ unverfremdeten Sozialmenschen zu verwandeln, frei von allen bürgerlichen Ambitionen und alltäglichen gesellschaftlichen Konventionen.
Wie alle Propaganda ist PC von Grund auf an eine Lüge. Es geht darum, sich zu weigern, mit der Realität umzugehen, ja zu versuchen, diese Realität durch legislative und gesellschaftliche Maßnahmen aus dem Nichts zu verändern. A und B sind dann nicht mehr länger A und B.
Ich zitiere Hans-Hermann Hoppe:
Die Meister […] bestimmen, dass Aggression, Invasion, Mord, und Krieg tatsächlich Mittel der Selbstverteidigung sind, während es sich bei Selbstverteidigung um Aggression, Invasion, Mord und Krieg handelt. Freiheit ist Zwang und Zwang ist Freiheit. Steuern sind freiwillige Zahlungen und freiwillig gezahlte Preise sind ausbeuterische Steuern. In einer politisch korrekten Welt wird die Metaphysik verfälscht und fehlgeleitet. Die Wahrheit wird formbar, um einem höheren Zweck unserer Herrscher zu dienen.
Aber wo kam sie überhaupt her? Sicherlich ist PC in all ihren Formen nichts neues unter der Sonne. Wir können sicher davon ausgehen, dass Feudalherren, Könige, Imperatoren und Politiker schon immer versucht haben, die Sprache und Gedanken und damit auch die Handlungen ihrer Untergebenen zu kontrollieren. Gedankenpolizei hat es schon immer gegeben.
Um den Ursprung von politischer Korrektheit zu verstehen, sollten wir den bereits erwähnten Marx und später die Frankfurter Schule betrachten. Wir sollten die Arbeit von Leo Strauss im Hinblick auf ihre Auswirkungen auf die kriegshungrige Welt der Denkfabriken untersuchen. Wir sollten die irreführenden Slogans von Saul Alinsky betrachten. Wir sollten den französischen Philosophen Foucault in Betracht ziehen, der den Begriff „Political Correctness“ in den 1960ern als Kritik an unwissenschaftlichen Dogmen verwendete.
Wenn Sie aber wirklich die schwarze Magie von PC-Propaganda verstehen möchten, erlauben Sie mir, den Vorschlag zu machen, sich mit einem ihrer mächtigsten Gelehrten auseinanderzusetzen: Edward Bernays.
Bernays war ein bemerkenswerter Mann, er hat buchstäblich das zentrale Buch über Propaganda und ihre sanftere Erscheinung in Form von Public Relations geschrieben. Es wird heutzutage im Westen wenig über ihn geredet, obwohl er der Pionier der modernen Imageberatung ist.
Er war der Neffe von Sigmund Freud und wurde wie Ludwig von Mises (1881-1973) im späten 19. Jahrhundert in Österreich geboren. Anders als Mises kam er zufällig als Kleinkind nach New York City und wurde erstaunliche 103 Jahre alt.
In einem seiner ersten Jobs war er als Werbeleiter für das Committee on Public Information des damaligen Präsidenten Woodrow Wilson tätig. Es handelte sich dabei um eine Behörde, die das Ziel hatte, öffentliche Unterstützung für einen US-amerikanischen Beitritt zum 1. Weltkrieg zu erzeugen (insbesondere deutsch- und irischstämmige Amerikaner waren dagegen). Es war Bernays, der sich den berüchtigten Satz des Komitees ausdachte: „Macht die Welt sicher für die Demokratie.“
Nach dem Krieg fragte er sich, ob man „eine ähnliche Technik auf die Probleme des Friedens anwenden könne“. Und mit diesen „Problemen“ meinte er den Verkauf von Waren. Er dirigierte sehr erfolgreiche Kampagnen für Ivory-Seife, Speck und Eier als gesundes Frühstück, und Ballett. Er dirigierte mehrere sehr erfolgreiche Werbekampagnen – am bekanntesten davon die für Lucky Strike, wo es darum ging, das Rauchen für Frauen gesellschaftlich akzeptabel zu machen.
Die Rolle der „Herdenpsychologie“
Bernays ging sehr offen damit um und war sogar stolz darauf, „Konsens zu fabrizieren“ – ein Begriff, der vom britischen Chirurgen und Psychologen Wilfred Trotter 1919 in seinem bahnbrechenden Werk Instincts of the Herd in Peace and War benutzt wurde.
Bernays nahm sich das Konzept der Herdenpsychologie zu Herzen. Der Herdeninstinkt beinhaltet das tief sitzende psychologische Bedürfnis, die Zustimmung der eigenen sozialen Gruppe zu erringen. Die Herde ist größer als jeder andere Einfluss; als gesellschaftlich orientierte Spezies ist unser Bedürfnis, uns anzupassen, von entscheidender Bedeutung.
Wie tief der Herdeninstinkt aber auch verankert sein mag, Bernays war der Ansicht, man könne ihm nicht trauen. Die Herde sei irrational und gefährlich und müsse von weiseren Menschen in nicht wahrgenommener Art und Weise tausendfach gesteuert werden – das sei der Schlüssel. Die Menschen dürften nicht wissen, dass sie gesteuert werden.
Die Techniken, die Bernays anwendete, werden heutzutage zugunsten der Political Correctness weiterhin verwendet.
Erstens verstand er, wie mächtig das Herdenbewusstsein und der Herdeninstinkt wirklich sind. Laut Bernays sind wir nicht die besonderen Schneeflocken, für die wir uns halten. Stattdessen sind wir furchtsame und formbare Kreaturen, die verzweifelt danach streben, in eine Gruppe zu passen und deren Akzeptanz zu gewinnen.
Zweitens war er sich der Wichtigkeit bewusst, sich außerhalb stehender Autoritätspersonen zu bedienen, um bestimmte Dinge oder Produkte voranzutreiben. Prominente, Sportler, Models, Politiker und wohlhabende Eliten sind die Wegweiser der Herde, ob Sie Transgender-Bewusstsein verbreiten oder Luxusautos verkaufen wollen. Wenn George Clooney oder Kim Kardashian Hillary Clinton unterstützen, dann hallt das in der Herde wider.
Drittens verstand er die Rolle, die Gefühle in unseren Geschmäckern und Präferenzen spielen. Es ist nicht ein bestimmter Wahlkandidat oder eine Zigarette oder eine Uhr oder eine Handtasche, was wir wirklich möchten, es ist die emotionale Komponente der Werbung, die auf uns wirkt – unterbewusst oder nicht.
Was wir tun können
So stellt sich nun die Frage: Wie kämpfen wir gegen PC? Was können wir tun, als Individuen mit endlichen Mengen an Zeit und Ressourcen, mit ernsten Pflichten gegenüber unseren Familien, unseren Lieben und Berufen, um diesen düsteren Trend umzukehren?
Zunächst müssen wir verstehen, dass wir uns in einem Kampf befinden. PC steht für einen Krieg um unsere Herzen, unseren Geist und unsere Gefühle. Die andere Seite versteht das, Sie sollten es ebenfalls tun.
Der Kampf spielt sich auf mehreren Fronten ab: Der staatlich-linguistische Komplex wirkt nicht nur innerhalb der Regierung, sondern auch in der akademischen Welt, den Medien, den Unternehmen, den Kirchen und Synagogen, den Nonprofit- und Nicht-Regierungs-Organisationen. Verstehen Sie also die Mächte, die gegen Sie gerichtet sind.
Verstehen Sie, dass die PC-Richter Sie nicht fragen, nicht mit Ihnen debattieren, und dass ihnen Ihre Stimme egal ist. Ihnen ist es egal, ob sie eine Wahl gewinnen oder außerrechtliche Mittel verwenden. Es gibt Millionen solcher Menschen in Amerika, die eine Sprache, die ihrem Verständnis von sozialer Gerechtigkeit widerspricht, ohne Zweifel kriminalisieren würden. Eine Umfrage besagt, dass 51 Prozent der Demokraten und ein Drittel aller Amerikaner das tun würden.
Die andere Seite kämpft vorsätzlich und taktisch. Erkennen Sie also, dass Sie sich in einem Kampf befinden, und wehren Sie sich. Vom kulturellen Standpunkt aus betrachtet, handelt es sich in der Tat um einen Kampf um Leben und Tod.
Wir haben immer noch Handlungsfreiheit
So schlimm wie die derzeitige PC-Kontaminierung auch ist, uns geht es nicht wie Mises, der vor den Nationalsozialisten fliehen musste. Im digitalen Zeitalter steht uns eine Unmenge an Ressourcen zur Verfügung. Wir können immer noch global kommunizieren und Gemeinschaften von offenen Menschen gegen PC formen. Wir können immer noch die echte Geschichte und die großen politisch inkorrekten Klassiker lesen. Wir können unsere Kinder immer noch zuhause unterrichten. Wir können immer noch solche Treffen wie dieses hier veranstalten.
Das soll aber nicht heißen, dass es risikolos wäre, gegen PC zu kämpfen: Der mögliche Verlust des eigenen Arbeitsplatzes, des Rufes, der eigenen Freunde und sogar der Familie ist sehr schwerwiegend. Aber Defätismus ist nie angebracht und ist im Angesichte unserer Vorfahren unwürdig.
Legen Sie Humor an den Tag, um sich über PC lustig zu machen. PC ist absurd, und die meisten Menschen spüren das auch. Und ihre Vollstrecker leiden an einem geradezu skurrilen Mangel an Selbstwahrnehmung und Ironie. Nutzen Sie jedes verfügbare Werkzeug, um sich über PC lustig zu machen, sie zu verspotten, und ihr wahres Gesicht offen zu legen.
Vergessen Sie nie, dass sich die Gesellschaft sehr schnell im Anblick bestimmter Ereignisse ändern kann. Wir hoffen sicherlich alle, dass unserem Land kein großes Unglück passiert, seien es ein Wirtschafts- oder Währungszusammenbruch, die Unfähigkeit, Wohlfahrtsleistungen zu erbringen, Ausfälle bei der Energieversorgung, Naturkatastrophen oder innere Unruhen. Aber wir dürfen nicht die Möglichkeit ausschließen, dass solche Dinge passieren.
Wenn aber so etwas passiert, dann behaupte ich, dass die PC-Sprache und das PC-Denken das erste sind, was vom Staat verschwindet. Nur reiche, moderne Gesellschaften können sich den Luxus einer Einstellung leisten, die nicht mit der Realität übereinstimmt, und von dieser Einstellung wird man sich schnell verabschieden, wenn der „reiche“ Teil Amerikas bröckelt.
Bricht der Wohlfahrtsstaat zusammen, fangen Männer und Frauen vielleicht damit an, wiederzuentdecken, dass sie sich gegenseitig brauchen und ergänzen. Wenn alles andere versagt, dann sind die endlosen Stunden, die man in den sozialen Medien verbringt, wirklich wichtig, wenn es um den Wiederaufbau sozialer Verbindungen geht.
Traditionellere Familienstrukturen scheinen bei großer wirtschaftlicher Unsicherheit plötzlich nicht mehr so bedrückend zu sein. Schulen und Universitäten erkennen vielleicht wieder den Wert dahinter, praktische Fähigkeiten anstatt schöngefärbter Geschichte und Studien über Missstände zu lehren. Die eigenen sexuellen Vorlieben mögen dann im Gesamtbild keine große Rolle spielen, jedenfalls nicht als Quelle irgendwelcher Rechte. Ein funktionierendes Rechtswesen ist dann vielleicht mehr als eine Abstraktion, die im Namen von sozialer Gerechtigkeit in die Tonne getreten wird.
Gewinnen Sie langfristig
Ich fürchte, es ist unpopulär, wenn ich das sage, aber wir müssen dazu bereit sein, lange und hart zu kämpfen. Überlassen wir es den Politikern, leere Versprechen für schnelle Lösungen zu machen.
Die PC-Vollstrecker sind Meister darin, langfristig zu handeln. Sie haben sich 100 Jahre Zeit genommen, unsere Institutionen Zentimeter um Zentimeter in Beschlag zu nehmen. Ich schlage jetzt nicht Inkrementalismus vor, um diese verlorenen Institutionen zurückzuerobern, die unter sämtlichen Gesichtspunkten schon zu weit gegangen sind – ich schlage vor, wir erschaffen unsere eigenen Institutionen.
Die PC-Vollstrecker streben danach, uns nach Klasse, Rasse, Geschlecht und Sexualität zu trennen und zu atomisieren. Nehmen wir sie also beim Wort. Lassen Sie uns die von ihnen kontrollierten Institutionen zugunsten unserer eigenen Institutionen umgehen. Wer sagt, wir könnten keine eigenen Schulen, Kirchen, Medien, keine eigene Literatur und keine eigenen zivilen und gesellschaftlichen Organisationen gründen? Von neuem zu beginnen ist sicherlich sehr viel weniger entmutigend, als PC in ihrem eigenen Revier gegenüberzutreten.
Fazit
PC ist ein Virus, der uns – freiheitsliebende Menschen – wie ein Schlag trifft. Wenn wir es diesen Menschen erlauben, die Debatte und die öffentliche Meinung zu kontrollieren, verlieren wir die Macht über unser Leben.
Wenn wir uns nicht damit befassen, was der Staat und seine Vollstrecker tun, um uns zu kontrollieren, dann sollten wir uns ernsthaft fragen, wie lange Organisationen wie das Mises-Institut noch die Freiheit haben, Treffen wie das heutige zu veranstalten.
Ist es wirklich so unvorstellbar, dass Sie eines Tages aufwachen und merken, dass Sie keinen Zugang mehr zu anti-staatlichen und anti-egalitären Inhalten haben? Dass Webseiten wie die des Mises-Instituts gesperrt sind?
Oder dass soziale Medien wie Facebook einfach Meinungen ausradieren, die in der neuen Welt nicht als akzeptabel gelten?
Tatsächlich wurde Facebook-Führer Mark Zuckerberg neulich an einem UN-Gipfel dabei gehört, wie er Angela Merkel sagte, dass er daran arbeiten werde, Facebook-Kommentare von denjenigen zu unterdrücken, die etwas gegen den staatlichen Umgang mit Migranten auszusetzen haben.
Hier ist das Statement von Facebook:
Wir sind bestrebt, künftig eng mit der deutschen Regierung an dieser wichtigen Problematik zu arbeiten. Wir glauben, dass die beste Lösung im Umgang mit Menschen, die rassistische und fremdenfeindliche Kommentare abgeben, in der Zusammenarbeit von Dienstleistungsanbieter, Regierung und der Zivilbevölkerung an diesem Problem liegt.
Erschreckend! Und bald betrifft dies auch den Server in Ihrer Nähe, wenn wir nicht die Ärmel hochkrempeln.
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Entnommen aus der 6. Ausgabe von „The Austrian“, November-Dezember 2015.
Der Beitrag wurde auf misesde.org erstmals veröffentlicht am 11. Dezember 2015.
Jeff Deist ist Präsident des Mises-Institute, Auburn, US Alabama. Er war mehrere Jahre Berater von Ron Paul, sowie Fachanwalt für Steuerrecht, spezialisiert im Bereich „Mergers and Acquistions“. Er war Paul’s Stabschef während der Wahl im Jahr 2012 und dessen Kongress-Pressesekretär in den Jahren 2000 bis 2006.
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Hinweis: Die Inhalte der Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Ludwig von Mises Institut Deutschland wieder.
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