Corona-Krise: Die Stunde der Keynesianer

6. April 2020 – von Andreas Tögel

Die tödlichste Pandemie aller Pandemien ist die Anbetung der Macht des Staates als der neue Gott, kombiniert mit dem mystischen Glauben an die Wissenschaft als seine Kirche.

Professor Antony Müller (Ökonom)

Andreas Tögel

Nichts eignet sich zur Durchsetzung einer politischen Agenda besser als eine Krise – oder – noch besser: ein Krieg. Folgerichtig hat Emmanuel Macron bereits pathetisch den „Krieg gegen das Virus“ ausgerufen. Augenblicklich steht das Volk wie ein Mann hinter seinem unfehlbaren Führer, dessen Anweisungen es mit einem Male bedingungslos folgt. Schwache Figuren, die nicht einmal eine simple Rentenreform auf die Reihe kriegen, behaupten nun imstande zu sein, jedermann vor dem größten aller Übel zu bewahren. Wer das tatsächlich glaubt, hat sich zum Phänomen Macht und den Zeitgenossen, die sich darum reißen, offenbar noch niemals ernsthafte Gedanken gemacht.

Die einzelnen Regierungen neigen, wie etwa die deutsche oder die österreichische, dazu, ihre jeweils eigene Krisenbewältigungsstrategie als „alternativlos“ darzustellen -, nach dem Motto: entweder unseren Anordnungen folgen oder sterben; entweder Leben oder weiterhin dem Mammon hinterherrennen: „Die Rettung von Menschenleben hat Vorrang vor allem anderen.“

Doch dieser Gegensatz stellt sich in Wahrheit nicht, wie einige Beispiele in Ostasien zeigen. Südkorea oder Singapur schaffen es, ihre Ökonomien ohne totalen Shutdown am Leben zu erhalten und trotzdem ihre Bürger erfolgreich vor der Pandemie zu bewahren. Massenweise Testungen, Isolierung infizierter Personen und besonders gefährdeter Personengruppen, sowie das obligatorische Tragen von Gesichtsmasken führen dort augenscheinlich zum Erfolg im Kampf gegen das Virus. Von einer „Alternativlosigkeit“ zu rabiaten Eingriffen in den Alltag der Menschen und zu einer nachhaltigen (Zer-)Störung der Wirtschaft kann also keine Rede sein.

Was gegenwärtig auffällt ist, dass unter den Experten keineswegs Einigkeit in der Beurteilung des Covid-19-Virus und bezüglich der bestgeeigneten Strategie zu deren Eindämmung besteht. Trotz einer weitgehend fehlenden Evidenz haben viele Regierungen sich für die aus wirtschaftlicher Sicht maximal schädliche Variante der Virus-Eindämmung mittels „Lockdown“ entschlossen. Das kann und wird in einer international arbeitsteilig organisierten Welt nicht ohne gewaltige Kollateralschäden abgehen. Der in den letzten Wochen zu beobachtende Sturm auf den Edelmetallhandel (Münzen und Barren sind bei vielen Händlern ausverkauft) macht deutlich, dass das Vertrauen der Bürger in die Krisenbewältigungskompetenz der politischen Klasse durchaus seine Grenzen kennt.

Dennoch ist es bemerkenswert, welch drastische Eingriffe in die Bewegungs- und Erwerbsfreiheit möglich sind, ohne dass dagegen Kritik laut wird. Ein Phänomen, das, darauf lassen alle bislang verfügbaren Daten schließen, letztlich auf die Gesamtsterblichkeit keine nennenswerten Auswirkungen gehabt haben wird, dient einer paternalistischen Nomenklatura als willkommener Vorwand zum Übergang zu einer autoritär orchestrierten Planwirtschaft im Ausnahmezustand.

Signifikante Daten liefert der Fall des in Yokohama festgehaltenen Kreuzfahrtschiffs „Diamond Princess: 3.711 Passagiere, davon 697 positiv getestet, zwei Wochen Quarantäne, sieben Tote. Das entspricht rund einem Prozent. Angesichts dieser Tatsache dürfen Zweifel angemeldet werden, ob die Covid-19-Pandemie tatsächlich die Jahrhundertkatastrophe ist, aufgrund derer Politik und Medien weltweit in den Panikmodus schalten.

Die Massenmedien spielen übrigens eine besonders befremdliche Rolle in der laufenden Propagandaschlacht: von der „vierten Macht im Staate“ kommt kein kritisches Wort. Sie betätigt sich vielmehr – in Deutschland nicht anders als in der Alpenrepublik – als Sprachrohr der Regierung, das die Maßnahmen der Politik bejubelt und alternative Strategien in anderen Ländern (zumindest dann, wenn sie von liberalen oder konservativen Regierungen geführt werden) in Grund und Boden verdammt. Ein derartiges Maß an freiwilliger Gleichschaltung steht bislang ohne Beispiel da.

Sind einerseits die medizinischen Konsequenzen der Pandemie bislang nicht seriös abschätzbar, lassen sich in wirtschaftlicher Hinsicht schon eher einigermaßen haltbare Prognosen formulieren. Dabei gilt es, Anlass und Ursache des jetzt auf uns zukommenden wirtschaftlichen Debakels keinesfalls zu verwechseln: Corona ist nicht der Grund für die am Ende eines Konjunkturzyklus angelangte Konjunktur, sondern sie liefert den Regierungen den Anlass, von ihren in der Vergangenheit gemachten geld- und wirtschaftspolitischen Fehlern abzulenken und ihre Macht und Regulierungswut in bis dato ungeahntem Ausmaß zu steigern. „Corona ist ein `Gamechanger´, außergewöhnliche Umstände verlangen außergewöhnliche Maßnahmen, blablabla“ – willkommen im 1984er-Totalitarismus, Ausgabe 2020!

Dumm ist nur, dass wir ja von irgendetwas leben müssen. Es muss also produziert werden, wenn wir nicht in die Steinzeit zurückfallen wollen. Aber das scheint die Damen und Herren Minister und die ihnen zuarbeitenden Bürokraten erstaunlich wenig zu kümmern, die ja ihre Gehälter in jedem Fall ungeschmälert ausbezahlt bekommen, während Tausende Unternehmen – dank des überschießenden Regierungsaktionismus´ – ohne Umsätze dastehen. Der Lockdown wird zu einer weltweiten Rezession führen (über das Ausmaß sind die Experten noch uneins, aber minus 5% oder mehr vom Welt-BIP werden es schon werden) und könnte am Ende mehr Schaden anrichten als das Virus selbst. Der viel gescholtene US-Präsident Trump warnt zurecht davor, dass eine Kur nicht schädlicher sein darf als die Krankheit.

Sicher ist: Tausende Kredite werden infolge des Stillstands notleidend werden, viele Bürger werden ihre Mietzahlungen einstellen und damit Vermieter und Immobilienentwickler in Schwierigkeiten bringen. Am Bankensektor wird all das nicht spurlos vorbeigehen.

Also werden jetzt, nachdem die Industrie von den Machthabern erfolgreich lahmgelegt wurde, weltweit Konjunkturpakete auf den Weg gebracht, um „die Wirtschaft zu stimulieren“. Wieder einmal schlägt die Stunde des keynesianisch inspirierten „Deficit Spending“. Jetzt wird auf Teufel komm raus die Geldpresse angeworfen, um ein gigantisches Umverteilungsprogramm zugunsten des Staates und seiner Systemlinge anzuleiern. Zwei Billionen Dollar (!) werden in den USA zur „Rettung der Wirtschaft“ in Aussicht gestellt und die sich in der Coronakrise als völlig inkompetent erweisende Eurokratie wird sich – Hand in Hand mit Christine Lagarde von der EZB und den nationalen Regierungen – auch nicht lumpen lassen. Die von Trump formulierte Sorge könnte wahr werden: die Kur gegen das Virus könnte üblere Folgen zeitigen als die Pandemie selbst. Die auf uns zukommende Warenpreisinflation wird sich gewaschen haben. Dafür, wohin eine galoppierende Inflation führen kann, liefern die Geschichtsbücher ja bekanntlich jede Menge Evidenz.

„Was man sieht und was man nicht sieht“ lautet der Titel einer der scharfsinnigen Betrachtungen Frédéric Bastiats (1801 – 1850). Auf die Coronakrise bezogen: alle Augen richten sich auf die relativ wenigen vom Virus Infizierten, respektive darauf, deren Zahl zu minimieren. Niemand scheint sich jedoch für die Millionen Opfer des oktroyierten Shutdowns und die daraus resultierenden Folgen zu interessieren. Welche Dramen mögen sich hinter zugezogen Vorhängen in den Zinskasernen abspielen, wenn die Menschen dazu verurteilt sind, wochenlang untätig auf engstem Raum zusammengepfercht zu leben? Was mag in den Köpfen von Menschen vorgehen, deren mit viel Herzblut und unter Opfern und Entbehrungen aufgebaute Unternehmen nun einfach den Bach runtergehen? Wie viele davon werden Suizid begehen oder dem Alkoholismus verfallen? Und hat die auf dem Altar des angeblichen Schutzes vor dem Virus achtlos geopferte Freiheit überhaupt keinen Wert mehr?

Das herrschende Politsystem begünstigt den Aktionismus. Ob eine von der Regierung gesetzte Maßnahme sinnvoll ist, wiegt in den Augen der veröffentlichten Meinung und des Elektorats weit weniger schwer als der Umstand, dass überhaupt Aktivitäten entfaltet werden – egal welche. Der zurückhaltend und mit kühlem Kopf agierende Pragmatiker hat heutzutage keine Chance im Wettbewerb mit dem wild um sich schlagenden, Empathie heuchelnden Heißsporn.

In ein paar Monaten wird die Gesamtbilanz der Regierungsmaßnahmen vorliegen. Dann wird es möglich sein, zu beurteilen, ob die katastrophalen Folgen für die Wirtschaft und die daraus resultierenden – möglicherweise gewaltsamen – Verteilungskämpfe es wert gewesen sein werden, die derzeit verhängten Maßnahmen zu ergreifen.

Ein schwacher Trost bleibt: endlich könnte sich die Erkenntnis Bahn brechen, dass man von den in den Zentralbanken bedruckten Zetteln nicht abbeißen kann und der gesellschaftliche Wohlstand von der Produktion, also der verfügbaren Güter-, nicht aber von der Geldmenge abhängt.

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist gelernter Maschinenbauer, ausübender kaufmännischer Unternehmer und überzeugter “Austrian”.

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Hinweis: Die Inhalte der Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Ludwig von Mises Institut Deutschland wieder.

Foto: Adobe Stock

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