„Logik versus Emotion. Warum die Welt so ist, wie sie ist“. Der Konferenzbericht

28. Oktober 2019 – [Auf dem Foto sind zu sehen: Andreas Marquart, Rolf. W. Puster, Raymond Unger, Philipp Bagus, Antony P. Mueller, Thorsten Polleit (v.l.n.r.)]

Wieso die meisten Menschen den aggressiven Ideen der Sozialisten glauben wollen – und was man dagegen tun kann

von Andreas Tiedtke

Liberalismus und Kapitalismus wenden sich an den kühlen, ruhig abwägenden Verstand, sie gehen streng logisch vor, sie schalten mit Bewusstsein alles aus, was nur zum Gefühl spricht. Anders der Sozialismus. Er sucht durch Gefühlseindrücke zu wirken, will die logische Erwägung durch Erregung des Interesses vergewaltigen, die Stimme der Vernunft durch Erweckung primitiverer Instinkte übertönen.[1]

Andreas Tiedtke

Dies erkannte Ludwig von Mises bereits in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts. Heute erlebt der Sozialismus eine Renaissance in Medien und politischem Handeln. Der demokratische Sozialismus ist auf dem Vormarsch.

Thorsten Polleit[2], der Präsidenten des Ludwig von Mises Instituts Deutschland, begrüßte am 19. Oktober 2019 die Konferenzteilnehmer im wieder ausverkauften Festsaal des Bayerischen Hofs in München. Er stellt fest, dass gegenwärtig ein aggressiver Frontalangriff auf die freiheitliche Gesellschaft stattfinde. Unter Schlagwörtern wie Klimaschutz oder Bargeldverbot versuchten politische Agitatoren einen sozialistischen, allumfassenden Wohlfahrtsstaat aufzurichten.

Der Vorstand des Ludwig von Mises Instituts, Andreas Marquart[3], betonte, dass man in der 7. Konferenz des Instituts den Fragen nachgehen wolle, warum in der deutschen Politik- und Medienlandschaft der gesunde Menschenverstand aus- und die Emotion eingeschaltet worden sind? Es wird eine Gesinnungs- anstatt einer Verantwortungsethik propagiert, die Geldpolitik ist eine Enteignungspolitik, die Folgen der Energiepolitik sind fatal, man versucht, das Weltklima auf‘s Grad genau zu bestimmen, und eine Befehlswirtschaft mit diktierten Preisen für Wohnen und Arbeit führt geradewegs in eine erzwungene Ameisenhaufengesellschaft. Deshalb möchte man auf der Konferenz ergründen, wieso eine Rebellion gegen diese sozialistische Politik ausbleibt. Wieso ist das sozialistische Gedankengut so populär, und was kann man dagegen tun?

Andreas Marquart, Vorstand des Ludwig von Mises Institut Deutschland

Narzissten und co-abhängige Babyboomer – die Folgen des Kriegstraumas

Der Berliner Maler und Autor Raymond Unger wählt einen psychologischen Ansatz, um diese Fragen zu erklären. Die Generation der Babyboomer leidet unter einem über die Generationen hinweg übertragenen Kriegstrauma, das diese Generation zu emotionalen Einstellungen und Überzeugungen geführt hat, die ungünstig sind, zum einen für sie selbst, aber vor allem für deren Mitmenschen, die unter der Ausübung von Macht und Kontrolle leiden. In Deutschland wurde durch Mitglieder dieser Generation mittlerweile ein totalitäres Meinungsklima aufgerichtet, in dem es im Hinblick zum Beispiel auf Klimawandel, Bankenrettung oder Nullzinspolitik nur noch jeweils eine zugelassene Meinung gibt.

Die psychologischen Mechanismen, die zu dieser Übertragung des Kriegstraumas führen, beschreibt Unger wie folgt: In Deutschland hat es kaum eine Familie gegeben, in der es nicht schwere strukturelle Schäden gegeben hat durch den Krieg. Vertreibung, die Zerstörung von ganzen Städten im Hagel von Brand- und Explosionsbomben, Vergewaltigung, Verstümmelung, Zwangsarbeit oder Tod – fast jede Familie war von solchen Ereignissen betroffen. Die Kindheit der Kriegskinder war dadurch traumatisiert. Als diese Kriegskinder später als Erwachsene die Generation der Babyboomer, also die rund 20 Jahre nach dem Krieg Geborenen, aufzogen, hatten sie nicht die emotionalen Ressourcen, gegenüber ihren Kindern einfühlsame Beziehungen zu entwickeln. Da sie selbst keine positive Rückanbindung an ihre eigene Kindheit hatten, ja sie die Traumata des Krieges verdrängt hatten, war es ihnen nicht möglich, eine empathische, liebevolle Beziehung zu ihren Kindern aufzubauen, die Beziehung zu ihnen blieb versachlicht. Sie bekamen Kettcars, wurden ordentlich angezogen und zur Schule geschickt, aber emotionale Nähe gab es für sie meist nicht.

Raymond Unger: „Generation ‚Babyboomer‘: Warum das transgenerationale Kriegstrauma die deutsche Gesellschaft spaltet“

Kinder spüren eine solche Distanz. Da sie jedoch egozentrisch sind, weil sie am Anfang nichts von anderen wissen, bleibt den Kindern nichts anderes übrig, als die Distanz auf sich selbst zu beziehen. Kinder wissen, wer sie sind, durch Feedback. Durch das ausbleibende emotionale Feedback empfindet das Kind Verlassenheit. Dies führt zu Einstellungen und Überzeugungen wie: Ich bin nicht richtig. Oder: Ich bin nicht legitim. Das eigene Selbst wird in Frage gestellt, und mittlerweile nicht nur die Legitimität der eigenen Existenz, sondern die Legitimität menschlicher Existenz an sich.

In der Folge sind die emotionalen Bedürfnisse der Kinder schamgebunden. Sie schämen sich, und das ist schlimmer, als sich schuldig zu fühlen. Wer sich schuldig fühlt, der hat immerhin noch die Möglichkeit, seine Handlung wiedergutzumachen oder um Entschuldigung zu bitten. Bei Scham geht es aber nicht darum, etwas Falsches getan zu haben, sondern die schamgebundenen Kinder fühlen sich selbst falsch, als Person, und das ist auf der Handlungsebene nicht korrigierbar.

Infolgedessen wuchs eine Generation von Narzissten heran, die ihren eigenen Selbstwert als Kind nie emotional erfahren haben, und die dies kompensieren, indem sie ihre Scham auf andere ableiten mit den Methoden der politischen Korrektheit und der Gesinnungsethik.

Das Fehlen positiver männlicher Narrative

Auch die Triangulierung[4], also die Beziehung zum väterlichen Familienteil, ist bei dieser Generation meist gescheitert. Den Kindern fehlen maskuline (männliche) Narrative (Erzählungen). Es ist die Generation der abwesenden Väter, die nicht nur körperlich abwesend waren (durch den Beruf), sondern auch emotional abwesend. Die Jungen bleiben dann komplett auf die Mutter und deren weibliche Narrative gespiegelt, ihnen steht nur eine weibliche Sicht auf die Dinge zur Verfügung. Und in der Tat, wer sich das Kabinett Merkel ansieht, der wird wenig toxische Männlichkeit entdecken. Die Therapeutin und Autorin Gabriele Baring sprach von Kindergesichtern auf gewaltigen Körpern, die zur Welt einen gewissen Abstand brauchen.

Auch im Fernsehen fehlte den Jungen der positive (gut bewertet) männliche Narrativ: In den meisten Sitcoms (Familien-Unterhaltungsserien) werden die Männer als trottelig dargestellt. Die Frauen meistern das Leben. Die erwachsenen Männer sind Tölpel in diesen Sendungen, die von den Drehbuchautoren geschrieben wurden als späte Rache an ihren abwesenden Vätern.

Raymond Unger sagt selbst von sich, dass er gerade dabei sei, sich das Mises-Universum durch ein Studium zu erschließen, das er vor zwei Jahren begann. Mises‘ Narrativ sei ein erwachsenes und männliches Narrativ. Es gehe darum, Wettbewerb zuzulassen und Verantwortung zu übernehmen, auf sich zu vertrauen und auf die eigenen Kräfte der Selbstregulierung. Aber der Generation der Babyboomer fehlt es an solchen Fähigkeiten. Sie kennen nur weibliche Narrative von Kümmern und Gleichverteilung, von Ausgleich und Wiedergutmachung. Es sind ich-schwache Personen, die an einem Konformitätsdruck leiden und ihre Selbstablehnung durch politische Korrektheit, Gesinnungsethik und Hypermoral auf andere ableiten wollen.

Männliche Narrative, Selbstbehauptung, die Abgrenzung des eigenen Selbst gegen andere kennen diese Kriegsenkel nicht – sie haben keine Grenzen; oft findet man unter ihnen Co-Abhängigkeit (sie brauchen andere, um sich gut zu fühlen). Diese bedürftigen narzisstischen Persönlichkeiten stabilisieren ihr Ich mit Hypermoral, Perfektionismus, Macht, Kontrolle, Verachtung, Helfen, Neid, Nettigkeit und Gefälligkeit. Die politische Korrektheit ist für sie sozusagen ein Universalhandwerkskasten, um ihre Scham auf andere abzuleiten: Es gibt Sprachcodes, die ständig aktualisiert werden, mittels Sozialkitsch wird der dramatische Einzelfall präsentiert und im politischen Moralismus werden die so im Volk verursachten Emotionen abgegriffen und umgesetzt, ohne jede Rücksicht auf die Folgen.

Wenn die psychische Störung zur Norm einer Generation wird

Die Frage, ob dieser Anteil der narzisstischen und co-abhängigen Kriegsenkel einen beachtlichen Teil der Bevölkerung ausmacht, kann man mit dem Psychoanalytiker H.J. Maaz verwendeten Begriff der Normopathie[5] beantworten: Die psychische Störung ist die Norm. Der Freidenker, der sie nicht hatte oder überwunden hat, wird ausgegrenzt und gebrandmarkt.

Ein Phänomen der Babyboomer ist der anzutreffende Schuldstolz. Ein unendlich bedürftiges Ego verinnerlicht Schuldgefühle und entwickelt als kreative Leistung der Psyche den Schuldstolz, also moralischen Stolz darauf, größtmögliche Schuld verinnerlichen zu können. Dabei bedienen sie sich verschiedener Schuld-Narrative, verschiedener „Pools“ sozusagen, von der NS-Vergangenheit bis hin zum Klimawandel. Es gibt viele solche Pools, es ist ein psychischer Wellness-Bereich. Und bei der Schuldableitung hilft ihnen, dass ja nur die Hälfte „wirklich“ schuld ist, nämlich nur die Männer: der alte, weiße Mann.

So ist es auch nicht verwunderlich, dass ein einziges Mem gereicht hat, damit sie sich für den Klimawandel schuldig fühlen: Das 97%-Mem, also dass angeblich 97% der Wissenschaftler einig wären, dass der Klimawandel menschengemacht sei. Dabei ist die Diskussion in Wirklichkeit offen, und es sind nur 97% der Alarmisten einer Meinung. Noch 2015 äußerte die Deutsche Meteorologische Gesellschaft, dass es unstrittig sei, dass die Menschengemachtheit des Klimawandels nicht bewiesen sei. Aber die Generation der Babyboomer behandelt das menschliche Handeln als kausal; dass auch eine Korrelation (scheinbarer Zusammenhang) vorliegen könnte, wird überhaupt nicht in Betracht gezogen.

Hingegen übt man sich in der Ausgrenzung und Verächtlichmachung von anderen, also der Schuldableitung: In der Klimadebatte lässt man nichts mehr anbrennen. Andersdenkende wurden erst als Klimaskeptiker bezeichnet, bald darauf als Klimaleugner, was sie in die Nähe zu den Holocaust-Leugnern stellt, was in Deutschland ein Straftatbestand ist. Mittlerweile gibt es sogar den Begriff des Klimaschädlings. Wenn man den Begriff Klimaleugner bei Wikipedia nachliest, denkt man, es handelte sich um eine Krankheit. Es wird beschrieben, dass es bei Männern und Menschen aus Ostdeutschland überhäufig Klimaleugner gebe. In einem Psychotherapeutenjournal wurde bereits die Idee geäußert, Klimaleugner zwangsweise zu therapieren, weil eine Eigen- und Fremdgefährdung vorliege. Man denke an Leute, die ihre Nachbarn einweisen lassen wollen, weil diese im Garten grillen oder Kurzstrecken mit dem Flugzeug fliegen.

Das Kriegstrauma der Großeltern und Eltern wurde also durch psychische Mechanismen an die Generation der Babyboomer weitergegeben, für die sozialistische und öko-sozialistische Ideen deswegen besonders attraktiv sind, weil sie ihnen die Möglichkeit gibt zur Schuldableitung, Macht und Kontrolle auszuüben und andere zu beschämen und sich selbst gut dastehen zu lassen oder gar wie ein Helfer zu erscheinen. 

Von Wünschen, Wollen und Mitteln

Rolf Puster[6] trug vor über die doppelt missachtete Wahrheit im politisch-medialen Diskurs (in der öffentlichen Debatte), die mit Ludwig von Mises’ Praxeologie aufgedeckt werden kann. Die Praxeologie nennt Puster eine der herausragenden intellektuellen Entdeckungen der Menschheit, und wie so oft ist den wenigsten Entdeckern bekannt, was sie da eigentlich entdeckt haben. Mit der Praxeologie lässt sich jedes Handeln von Vornherein (a priori) begreifen im Hinblick auf die Mittel, die der Handelnde einsetzt, um Ziele zu erreichen.

Handeln ist absichtsvolles Verhalten, es entspringt einem Wollen (Ziel), es ist das Hervorbringen eines Willens. Als Beispiel nannte er: Karl kauft eine Opernkarte. Dabei ist die Opernkarte ein Mittel zum Zweck (zweckdienlich), das Ziel Karls sei letztlich der Genuß der Oper. Um Handeln verstehen zu können, muss man den Zusammenhang zwischen Mitteln und Zielen (Wollen) verstehen.

Mittel und Zwecke sind subjektiv. Der Handelnde glaubt, dass das Mittel geeignet ist, ein Ziel zu erreichen, das er will. Es gibt keine willensunabhängigen Notwendigkeiten, zu handeln.

Professor Dr. Rolf W. Puster: „Die doppelt misshandelte Wahrheit. Ein Röntgenbild des politischen Diskurses“

Beim Wollen gibt es kein richtig und falsch

Das Ziel in der politischen Debatte ist der Einfluss auf das Gemeinwesen. Beiträge im politischen Diskurs sind politische Ziele. Politische Ziele können – wie alle Ziele – nicht falsch oder wahr sein. Ziele sind subjektiv gewählt und gewollt, und im Gegensatz zu Meinungen oder Glauben können sie nicht wahr oder falsch sein, sondern nur gewollt oder nicht gewollt.

Priester verkünden das, was sie glauben, als Gottes Wille, und dass sie wollen, dass Gottes Wille geschehen soll. Moralphilosophen und Politiker tun im Prinzip dasselbe. Selbst Vernunftgesetze wie etwa der kategorische Imperativ[7] lassen sich nicht kritisch gegen Ziele anführen, ohne eigenes Wollen. Das Moralisieren in politischen Talkshows ist also ein Bluff, weil es nicht um die Frage geht, was richtig oder falsch ist, sondern es geht um unterschiedliches politisches Wollen, das mit den Kriterien von richtig und falsch überhaupt nicht kritisierbar ist. Lediglich auf der Mittel-Seite, also in Bezug auf die Zweckdienlichkeit, wenn es also um Ursache und Wirkung geht (wenn – dann), ist eine Kritik in dem Sinne möglich, dass ein Mittel objektiv untauglich sein kann, einen bestimmten Erfolg herbeizuführen, auch wenn der Handelnde glaubt, dass es tauglich ist.[8]

Wenn beispielsweise die politische Aktivistin Greta Thunberg sagt: (1.) Listen to the scientists! (Hört auf die Wissenschaftler!) und (2.) I want you to take real action! (Ich will, dass ihr jetzt wirklich etwas unternehmt!), dann will sie, dass auf bestimmte Art und Weise gehandelt wird, und zwar so, wie sie es subjektiv möchte. Denn selbst wenn man das, was die Klimatologen behaupten, als wahr unterstellt, heißt das auf der Ziele- oder Willensseite nicht, dass etwas Bestimmtes gewollt werden müsste, da Wollen subjektiv ist. Es kann niemals aus Wenn-Dann-Aussagen auf ein Wollen oder Sollen geschlossen werden.

Wünschen und Wollen sind fundamental unterschiedlich

Die Argumentation der politischen Aktivisten ist natürlich, dass der Wille folgen MUSS, wenn sie so dramatische Dinge ansprechen wie den Weltuntergang in einer Klimakatastrophe oder Armut oder hohe Mieten. Niemand kann so etwas doch wollen, und dann müsse eben alles unternommen werden (whatever it takes!), um solche Zustände zu verändern. Hier vertuschen die Argumentierenden den Unterschied zwischen Wünschen und Wollen. Wünschen und Wollen sind fundamental unterschiedlich. Wünschen ist ohne die Realisierung im Handeln möglich und ohne die Kosten der Realisierung.[9] Wünschen kostet nichts, es ist infantil (kindlich) und tatenfern. Was gewollt wird, wird hingegen im Handeln offenbar und ist stets mit Kosten verbunden. Die Kosten sind das subjektive Maß für die Unerwünschtheit, die Handelnde mit ihrem eigenen Tun verbunden sehen.

Wer seinen Willen anderen aufzwingen will, missachtet fremdes Wollen, die Kosten nicht tragen zu wollen. Mehrere können zwar dasselbe wünschen, aber das heißt noch lange nicht, dass sie dasselbe Wollen müssten oder sollten. Hinter ihrem moralischen Bewerten verbergen die politischen Aktivisten ihr eigenes Wollen. Es geht in Wirklichkeit nicht um die Wahrheit, sondern um das vertuschen von Wollen. Das allseits Gewünschte ist nicht identisch mit einem allseits Gewollten, und aus Wenn-Dann-Zusammenhängen folgt nie, was jemand will oder wollen sollte.

Wollen enthält keine Wahrheit und gebiert keine Wahrheit, und umgekehrt: Wahrheit enthält kein Wollen und gebiert kein Wollen. Der politische Versuch, Ziele (Wollen) als wahrheitsähnlich hinzustellen, muss daher von Vornherein scheitern.

Die Neo-Marxisten und ihr Plan von der stufenweisen Umsetzung des Sozialismus

Antony Muellers[10] Vortrag legte offen, mit welchen neuen Strategien Neo- und Kultur-Marxisten versuchen, den Sozialismus umzusetzen, nachdem die Verelendungsthese Karl Marx‘ historisch gescheitert ist (die Arbeiter sind nicht verarmt, sondern das Gegenteil ist der Fall). Dabei ging er zunächst auf Karl Marx‘ willkürliche Aussage ein, dass die Philosophen die Welt bislang verschieden interpretiert (verstanden) haben, es aber darauf ankomme, die Welt zu verändern. Aber warum sollten gerade die Philosophen, also die Intellektuellen, die Welt nach ihrem Verständnis verändern? Warum nicht etwa die Unternehmer oder die Bergarbeiter? Darauf können die Intellektuellen freilich keine Antwort geben.

Die Ziele der Neo-Marxisten und Altmarxisten decken sich weitgehend. Es geht um die Aufhebung des Privateigentums, die Aufhebung der Familie, die Abschaffung der Nationalitäten, den kulturellen Bruch mit der Vergangenheit. Das Privateigentum soll nach und nach enteignet oder kontrolliert werden von staatlichen Institutionen. Unterschiedlich ist lediglich die Art und Weise der Umsetzung dieser Pläne. Während die Altmarxisten noch auf Revolution setzten, setzt der heutige demokratische Sozialismus (Neo-Marxismus) auf Reformen, also eine schleichende Revolution auf Samtpfoten.

Professor Dr. Antony P. Mueller: „Revolution auf Samtpfoten: Wie der Marxismus seinen Herrschaftsanspruch durchsetzt“

Die geistigen Fundamente des Altmarxismus und Neo-Marxismus reichen weit vor Marx zurück. Prominente Vertreter sind beispielsweise Georg Wilhelm Friedrich Hegel (1770 – 1831), der mit seiner Dialektik die Philosophie der dauerhaften Konfliktlage propagierte (These – Antithese – Synthese – und wieder von vorne). Ganz im Gegensatz übrigens zu Ludwig von Mises zum Beispiel, der als Grundlage einer harmonischen Gesellschaftsordnung den freiwilligen Austausch sieht. Zu nennen sind weiter Henri de Saint-Simon (1760 – 1825) und Auguste Comte (1798 – 1857) als Vertreter des Positivismus (nur tatsächlich sinnlich Wahrnehmbares und Überprüfbares zählt), Jean-Jaques Roseau (1712 – 1778) mit seiner Lehre vom rechten Willen, dem Gemeinwillen, und Voltaire (1694 – 1778), der den Typus des Intellektuellen verkörpert, wie später auch Wladimir Lenin (1870 – 1924) einer war. Lenin war Medienarbeiter in München, Wien, London und Zürich und ging erst ganz zum Schluss nach Russland zur Revolution. Und auch die Darwin’sche Lehre – oder vielmehr die Schlussfolgerung mancher Intellektueller daraus –, dass das Leben ein unaufhebbarer Kampf sei, gehört zum geistigen Fundament der intellektuellen Neo-Marxisten, und nicht zuletzt der Frankismus nach Jakob Frank (1726 – 1791), der Erlösung durch Sünde propagierte, also die Idee, dass die Gesellschaft erst in den Abgrund gestürzt werden muss, damit sich der Sozialismus als Retter wie Phönix aus der Asche erheben kann, und ebenso war die Französische Revolution als die Umwertung aller Werte eine geistige Basis für den Marxismus.

Die neo-marxistische Ideologie

Der Neo-Marxismus kann mit Max-Horkheimer (1895 – 1973) wie folgt beschrieben werden: Die Verelendung des Proletariats fällt heraus (weil sie nicht stattgefunden hat). Freiheit und Gleichheit (Gerechtigkeit) sind dialektische Begriffe. Zwischen ihnen gibt es einen trade-off. Mehr Freiheit führt zu weniger Gleichheit, und umgekehrt. Das Gute in der Gesellschaft ist nicht bestimmbar. Aber das Schlechte, die negativen Seiten sind bestimmbar – und zu verändern. Ein Beispiel ist die heutige Klimahysterie. Es findet keine Abwägung mehr statt, sondern die negativen Seiten alleine zählen – und sind um jeden Preis zu bekämpfen.

Zu nennen ist auch noch Antonio Gramsci (1891 – 1937), der den Sozialismus als die Religion ansieht, die das Christentum überwinden will. Durchzusetzen sei dies über eine Unterwanderung der Kultur, also der Kirchen, Schulen und Medien etc., zur Umwandlung des Denkens. Der lange Marsch durch die Institutionen erfolgt, um die ideologische Vorherrschaft zu erringen, um einen intellektuellen Stellungskrieg zu führen mit intellektuellen Schützengräben (intellektuelle Positionen, die man bereits errungen hat und um keinen Preis mehr aufgeben will), eine intellektuelle Guerilla-Taktik sozusagen. Die Mittel dieser intellektuellen Kriegsführung, in der man sich die Meinungshoheit Graben für Graben erkämpft, sind Indoktrination und Propaganda. Erreichen möchte man eine freiwillige Unterwerfung, eine freiwillige Herrschaftsakzeptanz.

Das Bewusstsein bestimmt das Sein

Während also beim Altmarxismus das Sein noch das Bewusstsein bestimmte, bestimmt beim Neo-Marxismus das Bewusstsein das Sein. So kann man mit einem Klimaschutzprogramm, das radikal umgesetzt wird, Massenarbeitslosigkeit und Verelendung herbeiführen, sodass dann nach der Rettung durch den Sozialismus gerufen wird.

Der Neo-Marxismus setzt also auf das Erringen immer neuer intellektueller Positionen, über die er die Deutungshoheit erlangt. Schritt für Schritt geht es Richtung Sozialismus, der Marxismus auf Samtpfoten geschieht durch eine Unterwanderung der Medien und gesellschaftlichen Institutionen, und wir sind die Zeitzeugen dieses Vorganges.

Demokratischer Sozialismus – Chaos durch institutionelle Aggression

Philipp Bagus[11] erklärte, wieso die Idee des Sozialismus auch nach den unzähligen Katastrophen, die durch Menschen verursacht wurden, die diese Idee umsetzten, noch nicht verschwunden ist. Vielmehr ist der Sozialismus in der aktuellen Form des demokratischen Sozialismus hochmodern. In den USA wird er prominent vertreten von Politikern wie Ocasio Cortez oder Bernie Sanders, in Deutschland fordern Politiker wie der JUSO-Chef Kevin Kühnert die Verstaatlichung von Automobilkonzernen, sozialistische Ideen werden mit sogenannten Klimapaketen umgesetzt und der Intellektuelle Richard Precht fordert mehr Verbote.

Dabei führte der Sozialismus historisch gesehen stets zu Leid und Elend für weite Teile der Bevölkerung, ja selbst vor Massenmord schreckten die sozialistischen Führer – gleich welcher Ausprägung – nicht zurück. Vom Mesopotamien des Altertums bis heute gab es immer wieder Sozialismus, und obwohl die Schreckensbilanz verheerend ist, haben noch 2002 bei einer Umfrage in Ost-Deutschland die Menschen mit großer Mehrheit angegeben, der Sozialismus sei grundsätzlich eine gute Sache, er wurde halt nur nicht richtig umgesetzt.

In jüngerer Zeit kann man historisch gesehen bei der Intelligenzia drei Phasen beobachten, wie sie auf sozialistische Herrschafts- und Unterdrückungsregime reagieren. Die Flitterwochen, die Krise und schließlich die Trennung. Ob Kambodscha, die stalinistische Sowjetunion, Cuba, Nordkorea oder Venezuela. In der ersten Phase, den Flitterwochen, pilgern die Intellektuellen zu den neuen Regimen und zeigen sich begeistert. Noam Chomsky, Bertold Brecht oder Jean-Paul Satre können als prominente Beispiele genannt werden.

Professor Dr. Philipp Bagus: „Demokratischer Sozialismus: Dieses Mal wird alles anders“

In der darauffolgenden Krise greifen die sozialistischen Staatsführer meist hart durch, aber die Intellektuellen wenden sich noch nicht ab, sondern verteidigen die Funktionäre. Man kann eben kein Omelette machen, ohne Eier zu zerbrechen, sagte schon Maximilien Robespierre (1758 – 1794). In der Krise der DDR bis zum Mauerbau 1961 stimmten über zwei Millionen Ost-Deutsche mit den Füßen ab und flohen in den Westen. Nur Familie Merkel machte es anders herum.

In der 3. Phase kommt es zur Distanzierung der Intellektuellen mit dem jeweiligen sozialistischen Regime. Das Scheitern wird offensichtlich, ebenso die Opferzahlen und das wirtschaftliche Chaos, schmutzige Dinge kommen ans Licht. Die Intellektuellen kritisieren, dass man den Sozialismus nicht richtig umgesetzt habe, nicht weit genug gegangen sei.

Erfahrung ist beliebig interpretierbar

Wie kann es dazu kommen, dass die Menschen nicht aus den Fehlern der Vergangenheit lernen? Weil sie zum Großteil keine Ahnung von Ökonomik haben. Historische Erfahrung ist eben beliebig interpretierbar. Die Intellektuellen liefern post-hoc Begründungen, also erst kommt der Entschluss, den Sozialismus als Idee verteidigen zu wollen, und hiernach wird eine Begründung für den Entschluss gesucht. Der Sozialismusglaube gibt den Menschen ein gutes Gefühl, ein Gefühl der Überlegenheit. Und umgekehrt würde die Aufgabe des Glaubens hohe Kosten verursachen, wenn die Intellektuellen sich hinstellen müssten und sagen: Ich habe mich geirrt.

Wieso aber fühlt sich der Sozialismus so gut an? In der Phylogenese (stammesgeschichtliche Entwicklung) des Menschen ist der Sozialismus fest verankert, eine primitive Erfahrung seit der Steinzeit: Man sitzt ums Lagerfeuer und plant, was zu tun sei. Der 5-Jahresplan spiegelt die Sehnsucht nach Besprechung am Lagerfeuer im Stamm.

Sozialismus: systematische, wiederkehrende und vorhersehbare Aggression gegen menschliches Handeln

Da der Sozialismus mit Erfahrung nicht widerlegt werden kann, weil Erfahrung beliebig interpretierbar ist, muss er grundlegend theoretisch (praxeologisch) widerlegt werden. Dabei ist zunächst zu beginnen mit einer Definition (Bestimmung) des Sozialismus. Sozialismus als institutionelle Aggression auf das Privateigentum anzusehen, ist nicht ausreichend, denn auch wo es formal Privateigentum gegeben hat (wie zum Beispiel im Nationalsozialismus) oder auch wo der institutionelle Angriff nicht voll umfassend war, lag nur ein gradueller, aber kein Klassenunterschied zum realen Sozialismus vor, bei dem alle Produktionsmittel in Staatshand sind. Eine Definition, die das berücksichtigt, liefert de Soto[12]: Sozialismus ist institutionelle Aggression gegen die menschliche Handlung. Aggression ist dabei das Androhen von Zwang und physischer Gewalt im Falle der Missachtung der Drohung, institutionell ist die Aggression, wenn sie systematisch, vorhersehbar und wiederkehrend ist.

Nicht institutionelle Aggression liegt beispielsweise bei einem Verbrechen vor, das ein gewöhnlicher Verbrecher begeht: Es ist vereinzelt, nicht wiederkehrend, unvorhersehbar; man kann sich dagegen versichern, beispielsweise bei Einbruchdiebstahl oder Sachbeschädigung, und man kann sich auch dagegen wehren. Institutionelle Aggression liegt beim Handeln des Staates vor: Man kann sich regelmäßig nicht dagegen wehren und man kann sich dagegen auch nicht versichern. Es ist systematisch, wiederkehrend und voraussehbar. Im Graubereich liegen etwa Mafia-Organisationen (organisierte Kriminalität) oder Terror-Banden wie zum Beispiel die RAF. Auch diese üben organisiert Aggression aus; allerdings sind die strukturellen Schäden, die sie anrichten, im Vergleich mit den Schäden, die Staaten angerichtet haben, gering. Durch staatliche Aggression kamen hunderte von Millionen Menschen ums Leben, haben ihr Eigentum verloren oder wurden ihrer Freiheit beraubt, wurden verletzt oder verstümmelt.

Nicht nur wo Sozialismus draufsteht, ist auch Sozialismus drin

Bei den Arten des Sozialismus kann man im Wesentlichen drei Unterarten unterscheiden: (1.) Den real existierenden Sozialismus, (2.) den rechten, konservativen oder nationalen Sozialismus und (3.) den demokratischen Sozialismus. Im real existierenden Sozialismus sind die Produktionsmittel in Staatshand. Die rechten Spielarten des Sozialismus unterscheiden sich nur in den Zielen, nicht im Mittel (institutionelle Aggression): Bei den Zielen geht um Erhaltung des Status Quo (konservativ) oder um die Größe der Nation (Nationalismus und Faschismus) und rassistische Ziele (Nationalsozialismus). Beim demokratischen Sozialismus sind die Methoden Verstaatlichung von Schlüsselindustrien (Verkehr, Bahn, Energie, Gesundheit, Bildung, Altersvorsorge etc.), Aushöhlung des formalen Privateigentums durch Befehle, wie damit zu verfahren sei (Regulierung, Verbote, Gebote), Zwangsarbeit (Militärzwang, zwangsweise soziale Arbeit) und fiskalische Repressionen (Zwangsabgaben).

Es ist wichtig, zu erkennen, dass zwischen dem Sozialismus der Sowjet-Union und dem demokratischen Sozialismus kein Klassenunterschied besteht, sondern lediglich ein gradueller Unterschied. Der Unterschied, ob über das sozialistische Führungspersonal per Los entschieden wird, gewählt wird oder der Führungskader sich diktatorisch durchsetzt, ist nicht entscheidend. Entscheidend ist die institutionelle Aggression gegen menschliches Handeln.

Der systematische Zwang, der ausgeübt wird, behindert menschliches Handeln. Demokratischer Sozialismus ist nicht stabil. Wie Ludwig von Mises nachgewiesen hat, scheitern die Interventionen (Eingriffe) des Staates in die Wirtschaft, solange die Menschen noch wählen können, was sie unternehmen können. Immer neue Interventionen werden nötig, bis auch die letzte Wahlfreiheit eingeschränkt ist. Zudem ist beim realen Sozialismus wie beim demokratischen Sozialismus im Hinblick auf durch den Staat Produziertes keine rationale Wirtschaftsrechnung möglich. Da die Finanzierung nicht mit Preisen bewerkstelligt wird, die andere auch zu zahlen ablehnen könnten, fehlt die Information der Knappheit. Erfolgt die Finanzierung mit Zwangsabgaben, fehlt diese Information. Die Bedrohten müssen bezahlen, sonst wird ihnen Schaden zugefügt; und weil die Knappheit so unbekannt bleibt, streiten die Politiker auch ständig, was wieviel gebraucht wird. Sie können es nicht wissen. Wo Sozialismus ist, herrscht eben Chaos.[13] Wo es systematischen Zwang gibt, wo es Staat gibt, da ist Chaos. Wo es systematischen Zwang gibt, da ist Chaos. Das ist nicht nur historisch so, sondern von Vornherein aus ökonomischen Gründen.

Der Ursprung der antikapitalistischen Mentalität – und was man dagegen tun kann

Thorsten Polleit erklärte, wo die antikapitalistische Mentalität ihren Ursprung hat – und was man dagegen tun kann. Die antikapitalistische Haltung ist in den Medien allgegenwärtig: Helmut Schmidt sprach vom Raubtierkapitalismus, Sarah Wagenknecht nannte ihr Buch gar „Freiheit statt Kapitalismus“ und von Kind an kennen viele Dagobert Duck als den Urtyp des Kapitalisten, der in seinem Geldspeicher badet: Ein alter, weißer Erpel (Mann). Die Jugend wird in den Schulen antikapitalistisch indoktriniert, es werden antikapitalistische Kindersoldaten herangezogen. Udo Lindenberg sprach von einer Notwendigkeit einer Weltregierung. Und Ulrike Meinhof, die RAF-Terroristin, meinte, der Antisemitismus sei seinem Wesen nach antikapitalistisch gewesen.

Das Wort Kapitalismus stammt von dem deutschen Soziologen und Volkswirt Werner Sombart (1863 – 1941) und hat heute fast ausschließlich negative Konnotationen (Bedeutungsinhalte). Das, was Mises und andere Ökonomen der Österreichischen Schule unter Kapitalismus verstanden, war Folgendes: Erstens befinden sich die Produktionsmittel in Privathand, zweitens wird Geld als Tauschmittel genutzt und drittens gibt es freien Wettbewerb. Diesen Kapitalismus hat es historisch nie gegeben![14] Dort, wo es Fragmente von Wettbewerb oder privater Produktion gab, wuchs die Bevölkerung, Frieden und Wohlstand nahmen zu und die Armut ging zurück – und dies, obwohl nur Fragmente „zugelassen“ wurden.

Professor Dr. Thorsten Polleit: „Die antikapitalistische Mentalität. Ein Psychogramm“

Kapitalismus: Wohlstand für die Massen

Die Quelle der Leistungsfähigkeit und -bereitschaft ist das menschliche Handeln. Im Kapitalismus wird dem Gewinn- und Verlustprinzip Raum gegeben: Jeder verbessert seine Lage, wenn er die Lage der Mitmenschen verbessert. Dem Bäcker ist das Geld lieber, dem Kunden das Brötchen, sonst würden sie nicht tauschen. Liefert der Bäcker keine Qualität oder stellt ein Wettbewerber die gleichen Brötchen günstiger her oder bessere, können die Kunden wechseln und der schlechte Bäcker wird aus dem Markt gedrängt. In diesem Prozess werden also bessere Produkte zu günstigeren Preisen hervorgebracht.

Kapitalismus dient der Masse. Stets war es nur ein vergleichsweiser geringer Teil der Produktion, der auf die Luxusgüter-Herstellung entfiel. Die Tauschtransaktionen sind freiwillig und daher immer win-win: Jeder Teilnehmende wird bessergestellt. Auch Unbeteiligte profitieren von der Spezialisierung und dem Kapitalwachstum. Den Arbeitern und Unternehmern in den nicht-kapitalintensiven Branchen müssen höhere Löhne und Einkommen gezahlt werden, sonst wandern sie in kapitalintensivere Wirtschaftszweige ab, wo durch den Kapitaleinsatz die Grenzproduktivität der Arbeit erhöht wird, mit der gleichen Menge Arbeit also mehr Güter produziert werden können und in der Folge die Grenzlöhne ansteigen. 

Die verbreiteten Lügen über den Kapitalismus

Die Bevölkerung hingegen glaubt in weiten Teilen, der Kapitalismus führe zu Krisen, aber das ist falsch: Es ist der staatliche Interventionismus, also die Eingriffe des Staates in die Austauschbeziehungen der Menschen, die zu den Krisen führen. Auch führt der Kapitalismus nicht notwendig zu Vermögenskonzentration. Die Wirtschaftsgeschichte ist voll von Auf- und Abstiegsstorys, und es kann nur dort zu Vermögenskonzentration kommen, wo dies im Interesse der Kunden ist. Und im Hinblick auf die soziale Komponente ist die Situation nicht anders als im Sozialismus. Es gibt Bedürftige. Armut, Krankheit oder Behinderung sind Naturzustände und werden nicht durch sozialistische oder kapitalistische Produktion verursacht. Vielmehr kann in einer kapitalistischen Gesellschaft auf Grund der besseren Mittelversorgung auch besser für die gesorgt werden, die nicht für sich selbst sorgen können. Ein Blick auf die Geschichte zeigt, wie schlecht gerade die sozialistischen Länder mit ihren nicht-leistungsfähigen Armen, Kranken und Gebrechlichen umgegangen sind.

Psychopathen und Soziopathen in Schlüsselpositionen

Nur der Kapitalismus kann als Wirtschaftsform dauerhaft friedlich[15] durchgeführt werden, das hat Ludwig von Mises bereits nachgewiesen. Aber wie kommt es dann, dass so viele Menschen eine antikapitalistische Mentalität haben? Polleit nennt 4 Punkte: 1. Mangelndes Wissen. Den Menschen fehlt es schlicht an ökonomischem Sachverstand, der auch in den Schulen nicht gelehrt wird. 2. Absichtlicher Irrtum. Die Kulturmarxisten verschweigen auch bewusst die Vorteile des Kapitalismus, weil er ihrer Agenda entgegensteht.[16] 3. Psychische Störung. Psychopathen sind rücksichtslos und nicht zur Empathie fähig, Soziopathen sind zwar zu Empathie fähig, handeln aber trotzdem asozial. Solchen Menschen hilft es, anderen zu schaden. In einer kapitalistischen Gesellschaft, in der nur der freiwillige Austausch legitim wäre, hätten sie keinen Raum für ihr asoziales Verhalten. Im Sozialismus hingegen, der methodisch mit Zwang vorgeht, können sie Schlüsselpositionen besetzen, an denen sie großen Schaden anrichten können. 4. Neid und Missgunst. Die eigene Unzulänglichkeit wird im freien Wettbewerb sichtbar. Enttäuschter Ehrgeiz wird auch noch bloßgestellt. Die Enttäuschten suchen sich Sündenböcke und leiten Neid und Missgunst ab in antikapitalistische Einstellungen und Handlungen. Der Sozialismus wendet sich an den Neid, und so erreichen sie Genugtuung für die empfundene Zurücksetzung.

Generell kann man verschiedene Gruppen von Menschen unterscheiden, bei denen antikapitalistische Mentalität verbreitet ist (generell heißt, es gibt Ausnahmen!): 1. Intellektuelle, also zum Beispiel Universitäts-Professoren, Oberlehrer, Literaten und Philosophen. 2. Staatsangestellte. 3. Künstler, Schauspieler, Musiker und Maler, 4. Superreiche.

Ihr Verbündeter ist der Staat. Die Wähler beauftragen anonym den Staat, der für sie die schmutzigen Geschäfte ausführen soll, insbesondere anderen Menschen das Geld abzunehmen. So wächst und wächst der Staat. Niemand sollte sich hiervor in Sicherheit wiegen. Erfahrung macht nicht klug, wie Philipp Bagus bereits dargelegt hat. Erfahrung ist beliebig interpretierbar. 

Jeder ist aufgefordert, etwas zu tun

Wer sich schützen möchte, muss also überlegen, wie das möglich ist. 1. Entmachtet antikapitalistische Psychopathen und Soziopathen in Politik und Wirtschaft. 2. Sozialistische Parteien und Programme verbieten unter Strafe des Landesverweises oder Erlaubnis der Sezession, also dass man die Menschen, die sozialistisch leben wollen, und die Menschen, die kapitalistisch leben möchten, räumlich trennt. 3. Leistet pro-kapitalistische Aufklärungsarbeit. Und 4.: Wenn die Mehrheit sozialistisch geprägt ist, kann man auswandern und vom Ausland her Aufklärung betreiben. Aber schlussendlich gilt: Sie müssen sich wehren, wenn Ihnen Ihre Freiheit lieb ist.

Sozialismus 2.0 dank Big Data und KI?

In der anschließenden Diskussionsrunde wurde gefragt, ob denn ein digitaler Sozialismus 2.0 mit Big Data und KI (Künstliche Intelligenz) möglich sei. Polleit entgegnete, dass Handeln nicht vorhersehbar sei. Beim menschlichen Handeln gebe es keine Verhaltenskonstanten. Der Mensch lernt und ändert seine Bedürfnisse, Einstellungen und Überzeugungen. Rolf Puster ergänzte, dass aus dem Objektiven Handeln nicht abgeleitet werden könne. Was wir über das Handeln wüssten, wüssten wir aus dem Handeln. Was einzig möglich sei, sei informiertes Mutmaßen, wie dies zum Beispiel auch Fondmanager täten, die aber nichts desto trotz oft falsch liegen würden. Es ist also keine technische Frage, sondern von Vornherein unmöglich, egal wie gut die Technik ist.

Rolf W. Puster, Thorsten Polleit, Raymond Unger, Philipp Bagus, Antony P. Mueller

Geistiges Eigentum – ein Privileg von Staates Gnaden

Ein Konferenzteilnehmer wollte, wissen, wer denn noch in Forschung und Entwicklung investiere, wenn es keine institutionelle Aggression im Hinblick auf sogenanntes geistiges Eigentum mehr gebe, geistiges Eigentum also nicht mehr vom Staat als Privileg vergeben werde. Philipp Bagus entgegnete, dass Ideen eben immateriell seien und deshalb nicht knapp in dem Sinne, dass nicht zwei verschiedene Handelnde jeder mit der Idee etwas anfangen könnte, ohne dass der andere (der die Idee zuerst hatte) etwas dadurch verlöre. Der die Idee zuerst hatte, kann sie ja auch nutzen, wenn ein anderer die Idee aufgreift und mit seinen Mitteln umsetzt. Investitionen in Forschung und Entwicklung lohnten trotzdem, denn wer als erster Kostenvorteile hat oder neue Produkte in den Markt bringt, hat Zeit, bis die Konkurrenz nachzieht.[17] Es stehe ja jedem frei, zu forschen oder seine Ideen oder Rezepte so weit wie möglich geheim zu halten.

Rolf Puster ergänzte, dass Freiheit nicht auf Eigentum gründe, was unter manchen Libertären eine populäre Annahme sei, sondern die freie Entfaltung des menschlichen Wollens den Schutz des Eigentums begründe. In der Welt gibt es ohne menschliches Wollen nur Dinge, erst der Mensch, der sie zur Erreichung eines Zwecks verwenden wolle, macht sie zu Mitteln. Eigentum ergibt sich aus dem Schutz der friedlichen Entfaltung menschlichen Wollens mit Mitteln, also letztlich aus dem Schutz menschlichen Handelns.

Die Meinung der Massen über die Freiheit – und wie man sie ändern könnte

Die Frage, ob er im Hinblick auf die Meinungshoheit der sozialistischen Intellektuellen einen Trend erkenne, beantwortete Thorsten Polleit, indem er auf das Internet, insbesondere auf YouTube oder die Sozialen Medien verwies. Der Intellektuelle, der am Sofa abends im ZDF verkündete, ob ein Buch gut sei oder nicht, habe die Deutungshoheit verloren. Es gebe heute bessere Chancen, dass sich die besseren Ideen durchsetzen würden.

Ein Teilnehmer sah angesichts dessen, dass die Deutschen nicht sehr freiheitsliebend seien, ein Problem, die Botschaft eines friedlichen Zusammenlebens zu vermitteln. Rolf Puster meinte, dass das Problem der Freiheit immer die Freiheit der anderen sei. Im Prinzip wollten die Leute nicht bevormundet werden. Die eigene Freiheit sei den Leuten durchaus wichtig. Er würde also mit der eigenen Freiheit beginnen und dann auf die Freiheit der anderen aufmerksam machen und auf die Mittel des freiwilligen Austausches und der freiwilligen Kooperation.

Raymond Unger war hingegen skeptisch, ob die Idee eines friedlichen Zusammenlebens in Freiheit in einem Gespräch vermittelbar sei. Die Freiheit macht ich-schwachen Persönlichkeiten Angst. Die eigene Wirkmächtigkeit muss man erfahren haben. Wer zutiefst verunsichert ist, dem macht Freiheit Angst. Umverteilung erscheint attraktiv, wenn man sich selbst schwach fühlt. Maßgeblich ist das inner-psychische Rüstzeug, über das jemand verfügt. Das Gegenüber muss also erst nachreifen und mit der Selbstbezichtigung aufhören. In einem Gespräch mittels argumentativer, logischer Erklärung ist das nicht machbar.

Pessimist oder Optimist sein?

Und mit diesem Schlusswort, das das Thema der 7. Ludwig von Mises Konferenz Ludwig von Mises Konferenz „Logik versus Emotion“ nochmals gut beleuchtet, endete die erfolgreiche Veranstaltung. Ludwig von Mises meinte, die Pessimisten sind der Auffassung, dass wer die Emotionen der Massen anstachelt, immer mehr Aussicht auf Erfolg haben müsste als der, der zu ihrem Verstand sprechen will.[18] Aber diese pessimistische Auffassung sei schon deswegen falsch, weil nicht die Massen die Richtung vorgeben, sondern die Meinungsführer. Die Idee des Sozialismus sei nicht von den Massen auf die Intellektuellen übertragen worden, sondern umgekehrt. Wie jeder andere Gedanke ist er in die Massen nur durch die Vermittlung durch die geistige Mittelschicht eingedrungen.

Es bleibt also offen, ob die Propheten des Sozialismus, die, wie Mises sagt, die Falschheit ihrer Ideen in der Brust tragen, weiter vorangehen können, oder ob die Menschen, die sich gegen institutionelle Aggression verteidigen wollen, genügend Unterstützung im Geist ihrer Mitmenschen finden. Dass die Sache keine leichte wird, wurde deutlich, da die Einstellungen und Überzeugungen vieler Mitmenschen dergestalt sind, dass ihnen Aggression ein Bedürfnis ist zur Ableitung von Scham, Schuld, Neid und Missgunst. Darüber hinaus profitieren viele von der institutionellen Aggression. Ohne eine Finanzierung durch Zwang hätten sie zunächst kein Einkommen mehr und müssten sich dann ein Einkommen im Dienste ihrer Mitmenschen erarbeiten. Bei dieser Frage, ob institutionelle Aggression oder friedlicher Austausch das Leben und die Wirtschaft prägen werden, steht niemand hinter der Seitenauslinie – jeder ist betroffen und verantwortlich für sich selbst.

Fazit: Einmal mehr eine überaus gelungene Jahreskonferenz des Ludwig von Mises Instituts Deutschland.

Die Aufzeichnungen der Vorträge werden in Kürze hier auf der Internetseite bzw. auf dem Youtube-Kanal des Ludwig von Mises Institut Deutschland veröffentlicht.

[1] Ludwig von Mises, die Gemeinwirtschaft (1932), S. 471.

[2] Professor Dr. Thorsten Polleit, Autor und Honorarprofessor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Bayreuth

[3] Andreas Marquart, Autor und Honorar-Finanzberater

[4] Die zunächst duale Beziehung zwischen Kind und Mutter wird trianguliert, also zu einer Dreiecksbeziehung, wenn später der Vater als bedeutende Bezugsperson mit ins Spiel kommt.

[5] Hier in dem Sinne verwendet, dass eine „Fehlentwicklung“ zum Massenphänomen wird und somit zum Normalen, also zur „Norm“.

[6] Professor Dr. Rolf W. Puster, Universität Hamburg

[7] Universalisierbarkeit als Kriterium allgemeiner Gesetze nach Immanuel Kant.

[8] Beispielsweise könnten wir aus wissenschaftlicher Perspektive sagen, dass es für Karl zweckdienlich ist, eine Opernkarte zu kaufen, wenn er die Oper sehen möchte, nach unserem jetzigen Kenntnisstand aber zum Beispiel nicht zweckdienlich, wenn er Tieropfer bringt, um so durch magische Fügung an eine Opernkarte zu gelangen.

[9] Sie können sich zum Beispiel wünschen, auf dem Mond spazieren zu gehen oder zur Sonne zu fliegen.

[10] Antony P. Mueller, Universidade Federal de Sergipe, Brasilien

[11] Professor Dr. Philipp Bagus, Universidad Rey Juan Carlos, Madrid

[12] Professor Dr. Jesús Huerta de Soto Ballester, Universidad Rey Juan Carlos, Madrid

[13] Knappheit zum Beispiel an guter Bildung oder Wohnungen, Knappheit an Arbeitsangeboten, lange Wartezeiten bei Ärzten und schlechte Krankenversorgung, mangelhafte Altersversorgung der nicht beim Staat Beschäftigten und so weiter. Auf der anderen Seite Überproduktion in Form von Milchseen und Butterbergen, Prunkbauten wie die Elb-Philharmonie oder das Kanzleramt in Berlin oder die Moskauer Metro.

[14] Immer haben die Amtsträger Vorschriften gemacht, wie mit den Mitteln zu verfahren sei, Wettbewerb verhindert und mit eigenen Mitteln produziert, die sie mit Zwangsabgaben finanzierten.

[15] Schon alleine deswegen, weil der demokratische Sozialismus von Vornherein nicht friedlich ist, sondern Austauschbeziehungen mit institutioneller Aggression erzwingt oder verhindert.

[16] Und nur im Sozialismus können sie Spitzenpositionen einnehmen. Denn, wie Mises schon sinngemäß sagte: Jeder Halbgebildete kann eine Peitsche schwingen, aber es ist außerordentlich schwer, anderen Menschen Nutzen zu stiften.

[17] First-Mover-Effekt.

[18] Ludwig von Mises, die Gemeinwirtschaft, S. 471 ff.

Dr. Andreas Tiedtke ist Rechtsanwalt und Unternehmer.

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Fotos: Rainer Bieling

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