Ein freier Markt für Geld: So einfach geht’s!

18. Oktober 2019 – Dieser Beitrag wurde auf der Währungskonferenz 2019 „Wie weit sind wir auf dem Weg zur Entnationalisierung der Währungsordnung“ am 12. Oktober in Düsseldorf vorgetragen. Am Ende des Beitrages finden Sie auch die Videoaufzeichnung des Vortrages.

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Thorsten Polleit

von Thorsten Polleit

Ich begrüße Sie herzlich und sage vielen Dank für die Einladung!

Es geschah letzte Woche: Ich brauchte dringend jemanden, der meine Gartenhecke schneidet. Das erzählte ich meinem Nachbarn, der gut vernetzt ist.

Und so dauerte es keine Stunde, und mein Handy läutete. Jemand sagte: „Ich Hecke schneide!“. „Das ist ja wunderbar“, entgegnete ich.

Der Anrufer und ich wurden sogleich handelseinig.

Der Heckenschneider war glücklich, weil er seine Schneidekunst gegen 50 Euro eintauschen konnte; und ich war auch glücklich, weil das Schneiden meiner Hecke mir wertvoller war als die 50 Euro, die ich dafür aufzuwenden hatte.

Das ist, sehr verehrte Damen und Herren, ein illustratives Beispiel, wie freie Märkte funktionieren; und es zeigt, wie alle, die daran teilnehmen, sich besserstellen.

Wenn die freiwillige Nachfrage auf das freiwillige Angebot trifft, dann ist das im wahren Sinne des Wortes beglückend für alle!

Einige von Ihnen mögen es vielleicht für einseitig, vielleicht auch für einfältig halten, wenn ich sage: Es gibt nichts im Bereich des menschlichen Handelns, was nicht über das freie Angebot und die freie Nachfrage abgewickelt werden kann und sollte!

Ja aber was ist denn mit Bildung, mit Straßen, mit Recht und Sicherheit, was ist mit Schusswaffenbesitz, was ist mit Atombombenbau? Soll das alles etwa dem freien Markt überlassen werden?

Ich würde gern auch auf diese und andere Fragen eingehen (und meine Antworten wären immer: Ja![1]). Doch heute habe ich einen enger gezogenen Auftrag. Ich soll über einen freien Markt für Geld sprechen.

Ein freier Markt für Geld

Die Idee eines freien Marktes für Geld mag zunächst irritierend klingen.

Ein freier Markt für Äpfel und Birnen, ja warum nicht. Auch für Bücher und Ferienreisen, für Häuser und Schiffe, für Kleidung, für Energie. Aber für Geld?

Die Skepsis gegenüber der Idee eines freien Marktes für Geld kommt nicht überraschend.

Heutzutage ist man es gewohnt, dass der Staat, dass die staatliche Zentralbank, das Monopol des Geldes innehat. Dass es also nur eine Instanz gibt, und zwar die staatliche Zentralbank, die Geld produzieren und in Umlauf geben darf.

Dass das Geld heute überall staatlich monopolisiert ist, ist allerdings alles andere als „normal“ und „natürlich“.

Das Monopol des Staates über das Geld entspringt nicht etwa ökonomischer Vernunft.

Es hat allein machtpolitische Gründe: Die Hoheit über das Geld bedeutet Herrschaft, und die wird vom Staat beansprucht.

Ich werde auf die vielen Übelstände, für die das staatliche Geldmonopol sorgt, an dieser Stelle nicht näher eingehen; das habe ich bereits vielfach an anderer Stelle getan.

Herausstellen will ich hier nur, dass das staatliche Geldmonopol schwere ökonomische und ethische Defekte hat, die Wirtschaft und Gesellschaft schädigen; dass es sich gewissermaßen als ein Totengräber der freien Gesellschaft erweist.

Theorie der Geldentstehung

Geld ist spontan im freien Markt entstanden. Das erklärte Carl Menger (1840–1921) mit seiner Theorie der Geldentstehung im Jahre 1871.

Mengers Erklärung lautet in Kurzform wie folgt: Menschen, wenn sie mit einer Mindestintelligenz ausgestattet sind, erkennen, das Arbeitsteilung vorteilhaft ist für alle daran Beteiligten.

Arbeitsteilung macht das Tauschen der arbeitsteilig erzeugten Güter und Dienste notwendig. Die primitivste Form des Tausches ist der Naturaltausch. Doch der ist beschwerlich.

Es geht besser. Das Tauschen wird optimiert, wenn man ein indirektes Tauschmittel verwendet. Anfänglich stehen unterschiedliche indirekte Tauschmittel im Wettbewerb miteinander.

Nach und nach wird dasjenige indirekte Tauschmittel, das die größte Marktgängigkeit erzielt hat, zum allgemein akzeptierten Tauschmittel, zum Geld, gewählt.

Ludwig von Mises zeigte im Jahr 1912, dass Mengers Theorie der Geldentstehung sich handlungslogisch begründen lässt und daher richtig ist.

Mit seinem Regressionstheorem zeigt Mises, dass Geld (1) spontan im freien Markt entstanden sein muss, und dass (2) das Geld aus einer Ware, einem Sachgut, hervorgegangen sein muss.

Dass wir heute überall auf der Welt staatliche Geldmonopole vorfinden, ist daher in der Tat etwas sehr „unnatürliches“.

Die Staaten haben sich nämlich – in einem langgestreckten und verschlungenen Prozess – das Monopol über die Geldproduktion durch Ausübung von Zwang und Gewalt angeeignet.

Man kann allerdings aus der Tatsache, dass heute überall auf der Welt staatliche Geldmonopole vorzufinden sind, nicht schlussfolgern, dass nur der Staat Geld bereitstellen kann.

Wer so denkt, der begeht einen logischen Fehler, einen non-sequitur: Wenn man einen Affen Fahrrad fahren sieht, heißt das ja schließlich nicht, dass nur Affen Fahrrad fahren können!

Die Wahl des Geldes

Wenden wir uns der zentralen Frage zu: Wie entsteht denn Geld im freien Markt ganz praktisch gesehen?

Nun, ein freier Markt für Geld bedeutet zweierlei. Zum einen haben die Geldnachfrager die freie Wahl, was sie als Geld verwenden wollen – für ihre Transaktions-, Rechen- und Sparzwecke.

Zum anderen hat jeder Marktakteur die Freiheit, sich darin zu versuchen, den Mitmenschen ein Gut anzubieten, das sie freiwillig als Geld nachfragen wollen.

Doch würde solch ein freier Markt für Geld nicht geradewegs in ein „Geld-Chaos“ führen? Würden nicht hunderte, vielleicht sogar tausende inflationäre Geldarten umlaufen und auf diese Weise die Geldrechnung in der Volkswirtschaft unmöglich machen?

Die Antwort auf diese Fragen lautet: Nein!

Denn die entscheidende Rolle spielt der Geldnachfrager. In einem freien Markt für Geld wird jeder, der Geld nachfragt, aus Eigeninteresse heraus ein Gut nachfragen, das die größtmögliche Marktfähigkeit besitzt.

Jeder wird etwas als Geld nachfragen, das erwartungsgemäß von seinen Tauschpartnern als Geld anerkannt wird: Die Wahl des Gutes, das als Geld dient, erfolgt folglich mit Blick auf die Wünsche der Handelspartner.

Beispiel: Sie wollen Frühstücksbrötchen kaufen. Was bieten Sie dem Bäcker dafür an? Am besten etwas, mit dem der Bäcker beim Schuster Schuhe oder beim Schneider Hosen erwerben kann.

Und genau so ist es: In einem freien Markt für Geld fragen die Menschen ein Gut als Geld nach, das die breiteste Akzeptanz bei der größten Zahl der Menschen findet.

Und wenn Freihandel besteht, wenn also den Menschen das größtmögliche Ausschöpfen der internationalen Arbeitsteilung möglich ist, würde sich ein einheitliches internationales Geld herausbilden. Ein Geld, das von allen Menschen der Welt verwendet würde.

Was aber ist, wenn Frau A bunt bedruckte Papierzettel anbietet mit dem Hinweis, es handele sich hierbei um „gutes Geld“?

Die Antwort ist: Niemand würde diese Papierzettel als Geld akzeptieren. Warum nicht? Ganz einfach: Man wüsste nicht, was diese bunten Zettel wert sind, was man für sie im Tausch bekommt. Und deshalb würde sie auch niemand als Geld nachfragen.

Genau das hat Ludwig von Mises mit seinem Regressionstheorem gezeigt: Geld muss aus einem Gut entstehen, das, bevor es als Geld Verwendung finden kann, bereits einen nicht-monetären Markt- und Tauschwert gehabt hat.

Für bunt und beliebig bedruckte Papierzettel ist das nicht gegeben. Sie würden sich gegenüber anderen Gütern wie Gold und Silber nicht durchsetzen können.[2]

Doch zurück zur Geldnachfrage: Die Menschen werden in einem freien Markt für Geld das Gut nachfragen, das die Eigenschaften besitzt, die „gutes Geld“ haben muss.

Ein solches Gut muss zum Beispiel knapp sein, es muss homogen, teilbar, lagerfähig, haltbar, transportabel und übertragbar sein.

Das ist der Grund, warum in der die Währungsgeschichte, wann immer es den Menschen freistand, Gold und Silber als Geld gewählt wurde.

Es ist wahrscheinlich, dass auch heute, wenn ein freier Markt für Geld eröffnet wird, die Wahl auf Edelmetalle fallen würde – allen voran Gold und Silber.

Es könnten sich aber vielleicht künftig auch Krypto-Einheiten als Geld durchsetzen (denn auch sie können vereinbar sein mit dem Regressionstheorem).

Welche Wahl die Menschen in einem freien Markt für Geld letztlich treffen, ist nicht vorab vorhersehbar. Ein echter Währungswettbewerb ist eben ein Entdeckungsverfahren, dessen Ergebnis man vorab nicht mit Gewissheit kennen kann.

Nur so viel ist gewiss: Es wird „gutes“ Geld sein, weil es im freien Markt gewählt wird. Es wird ein Geld sein, das ökonomisch und ethisch höchsten Ansprüchen genügt, und damit wird es besser sein als alles, was der Staat als Geld bereitstellen kann.

Banken im freien Markt für Geld

Bis hierher habe ich versucht zu erklären, wie sich in einem freien Markt für Geld das Grundgeld herausbildet.

Gehen wir nun einen Schritt weiter: Es ist damit zu rechnen, dass sich in einem freien Markt für Geld Intermediäre (Mittelsmänner, im herkömmlichen Sinne so etwas wie Banken) herausbilden.

Denn selbst im (recht) freien Markt für die Kryptoeinheit Bitcoin gibt es eine Nachfrage nach Intermediärsdiensten. So halten viele ihre Bitcoins nicht etwa in der eigenen Wallet, sondern bei Bitcoin-Handelsplattformen, die Lagerungs-, Handels- und Sicherungsdienstleistungen anbieten.

In einem freien Markt für Geld werden sich daher sehr wahrscheinlich zwei Typen von Intermediären herausbilden, die allerdings rechtlich getrennt voneinander operieren: Depositenbanken und Kreditbanken.

Depositenbanken bieten Lager-, Sicherheits- und Zahlungsdienste an. Sie stellen Lagerkapazitäten beispielsweise für physisches Gold und Silber bereit, schützen das eingelagerte Edelmetall vor Diebstahl, und sie wickeln auch bargeldlose Zahlungen ab („Settlement-Dienste“).

Depositenbanken konkurrieren miteinander um die besten Lager- und Zahldienste zu den günstigsten Konditionen. Dafür stellen sie ihren Kunden eine Gebühr in Rechnung.

Kreditbanken vergeben Darlehen an Kreditsuchende. Das Geld, das sie verleihen, beschaffen sie sich durch Ausgabe von Aktien oder Schuldpapieren am Kapitalmarkt.

Ein freier Markt in der Praxis

Lassen Sie uns illustrieren, wie ein freier Markt für Geld funktioniert. Nehmen wir an, dass Gold als Grundgeld ausgewählt worden ist.

Herr Meier hat 100 Gramm Feingold Gold. Er möchte die Dienste eines Goldlagerhauses (also einer Depositenbank) in Anspruch nehmen.

Er wendet sich an eine Depositenbank. Für die Einlagerung von 100 Gramm Feingold erhält er einen Lagerhaltungsschein.

Gegen Vorlage des Lagerhaltungsscheins händigt die Depositenbank, also das Lagerhaus, jederzeit 100 Gramm Feingold aus.

Der Lagerhaltungsschein ist ein Geldsubstitut – genauer: Weil es zu 100% mit dem Grundgeld gedeckt ist, ist es ein Geldzertifikat. Im Tagesgeschäft wird es als Geld akzeptiert.

An dieser Stelle sei angemerkt, dass in einem freien Markt der Währungswettbewerb zwei Ebenen aufweist. Auf der ersten Ebene wird das Grundgeld gewählt – das vermutlich dauerhaft Verwendung finden wird.

Auf der zweiten Ebene spielt sich der fortwährende Wettbewerb ab zwischen den Depositenbanken und den von ihnen ausgegebenen Geldsubstituten.

Wenn alle Depositenbanken ihre Geschäfte regelkonform betreiben, werden die Geldsubstitute zueinander zu par handeln.

Unterliegt jedoch eine Depositenbank dem Verdacht, ihre Kunden zu prellen, wird der Marktwert der von ihr ausgegebenen Geldsubstitute absinken gegenüber den Geldsubstituten der Konkurrenz.

Hervorzuheben ist an dieser Stelle, dass die Depositenbank das Gold des Kunden nicht in ihrer Bilanz ausweist, sondern es nur in ihrer Lagerhaltungsstatistik vermerkt. Sie hat keine Befugnis, das eingelagerte Gold zu verleihen, zu beleihen oder in einer anderen Weise zu verwenden.

Die Verwendung von Gold und Silber als Geld lässt sich natürlich auch „digitalisieren“. Kein Konsument, kein Unternehmer muss klingende Münzen in der Tasche herumtragen, sie müssen auch keine schweren Barren von Ort A nach Ort B transportieren.

Alle Arten von Zahlungen, die heute Gang und Gäbe sind, wären mit Edelmetallen einfach und problemlos durchführbar.

Wird Bargeld gewünscht, laufen Edelmetallmünzen um, oder es werden Scheine (Geldzertifikate) verwendet, die zu 100 Prozent in physisches Gold bei der Lagerstätte, die die Scheine herausgegeben hat, umgetauscht werden können.

Ein bargeldloser Zahlungsverkehr ist ebenfalls in der gewohnten Art und Weise möglich: Depositenbanken sorgen für Überweisung, Lastschrift, Verrechnungsscheck, Zahlungen per Kredit- und Debitkarte, Mobile-Payment, Wechsel etc.

Auch alle Arten von Bankgeschäften – M&A, Hedging, Derivates etc. – lassen sich in einem freien Markt für Geld problemlos durchführen.

Zur Abwicklung der Zahlungen sowie für Dokumentations- und Übertragungszwecke stehen verschiedene Technologien zur Verfügung.

Ein Zahlungssystem, in dem Gold als Grundgeld dient, kann mit herkömmlichen Zahlungsverkehrstechnologien problemlos betrieben werden.

Und dort, wo Vertrauen in die Gegenpartei das kritische Element ist, kann man zum Beispiel auf eine Blockchain-basierte Tokenisierung zurückgreifen.

Exkurs: Libra

An dieser Stelle seien einige kurze Anmerkungen zum Libra-Projekt gemacht, das der US-IT-Gigant Facebook auf den Weg bringen will.

Die Libra soll einen Währungskorb etablierter Fiat-Gelder wie USD, EUR und JPY repräsentieren. Die Libra wäre also ein Geldsubstitut für Fiat-Währungen (also herbeigeschwindeltes Geld).

Es mag zwar durchaus Vorteile bei der Verwendung von Libra geben – wie zum Beispiel niedrige Transaktionskosten. Doch die Qualität der Libra, ihre Kaufkraft, wird in letzter Konsequenz von den Fiat-Währungen bestimmt.

Werden die Fiat-Währungen entwertet, schwindet auch die Kaufkraft der Libra dahin. Die Libra ist eben nur ein Geldsubstitut für das schlechte Fiat-Geld.

Die Libra würde allerdings dann ein attraktives Geldsubstitut werden, wenn sie einen Anspruch auf physisches Gold verkörpert.

Das Libra-Konzept könnte auf diese Weise schlagartig ein weltumspannendes Goldgeld, ein goldgedecktes Zahlungssystem bereitstellen für Milliarden von Menschen!

Vorteile

Doch zurück zum Konzept des freien Marktes für Geld.

Wie Sie vielleicht erkannt haben, ist ein freier Markt für Geld ein denkbar einfaches und leicht praktikables System.

Für seinen reibungslosen Ablauf braucht es im Grunde nur ein funktionierendes Rechtssystem, das sicherstellt, dass Verträge erfüllt und dass Vertragsverstöße sanktioniert werden.

Eine Zentralbank und Finanzaufsichtsbehörden braucht es nicht. Sie könnten vielmehr geschlossen und abgeschafft werden.

In einem freien Markt für Geld kann der Kreditmarkt seine ihm zugedachte Funktion ungestört ausüben:

Durch das Angebot von und die Nachfrage nach Ersparnissen bildet sich ein gleichgewichtiger Marktzins heraus, der sicherstellt, dass stets genügend Ersparnisse vorhanden sind, um die geplanten Investitionen durchführen zu können.

Die chronischen Störungen im Wirtschaftsablauf (Boom-und Bust), für die die Ausgabe von Fiat-Geld sorgt, finden daher ihr Ende.

Weil das Bankgeschäft nicht mehr inflationär ist, enden auch die leidvollen nicht-marktkonformen (also: unsozialen) Umverteilungswirkungen, für die das Fiat-Geld sorgt.

Und nicht zuletzt wird dem Expansionsdrang des Staates, der in ganz entscheidendem Maße an der Vermehrung der Geldmenge hängt, und der die Volkswirtschaften zusehends in ein interventionistisch-sozialistisches System verformt und den Menschen die Unfreiheit bringt, der Boden entzogen.

Einige offene Fragen

Vermutlich werden Sie jetzt noch einige offene Fragen haben. Wie zum Beispiel diese:

1) Was passiert, wenn eine Depositenbank Pleite geht? Eine Depositenbank kann, wie jedes Unternehmen auch, Konkurs anmelden. Die Depositenbank ist allerdings „nur“ die Verwahrstelle für das Grundgeld Gold. Im Konkursfall haben die Gläubiger der Depositenbank keinen Zugriff auf das eingelagerte Gold. Es gehört nach wie den Bankkunden.

(2) Gibt es Krisen in einem freien Marktgeldsystem? Ja, es wird vermutlich auch in einer Volkswirtschaft, in der es einen freien Markt für Geld gibt, zu Krisen kommen. Aber nicht mehr zu monetär verursachten Krisen, wie sie das Fiat-Geldsystem notwendigerweise und chronisch hervorbringt.

(3) Gibt es in einem freien Marktgeldsystem Kredite? Ja. Aber die Kreditvergabe der Banken lässt die Geldmenge unverändert; sie ist nicht mehr inflationär, sorgt nicht mehr für Wirtschaftsstörungen. Der Kreditmarkt wird dabei deutlich kleiner ausfallen als im heutigen Fiat-Geldsystem.

(4) Was passiert, wenn die Gold- und damit Geldmenge so knapp ist, so dass die Güterpreise im Zeitablauf sinken? Das wäre kein Problem.

Die Kaufkraft des Geldes, das die Konsumenten besitzen, steigt dann im Zeitablauf. Die Konsumenten können folglich ihre Geldhaltung reduzieren und dadurch zusätzlich Güter nachfragen.

Unternehmen stehen bei fallenden Güterpreisen vor keiner grundsätzlich anderen Herausforderung als bei steigenden Güterpreisen: Ihr Gewinn entspricht der Spanne zwischen Umsatz und Kosten. Steigen die Preise, müssen die Unternehmen darauf achten, dass ihre Kosten nicht stärker steigen als die Umsätze; und fallen die Preise, müssen sie zusehen, dass ihre Kosten stärker sinken als die Umsätze.

(5) Bricht die Güternachfrage nicht ein, wenn die Güterpreise fallen? Nein, und um das zu erklären, nehmen wir an, ein Auto kostet heute 50.000 Euro, in einem Jahr nur noch 40.000 Euro. Diejenigen, die ein Auto unbedingt jetzt und sofort brauchen (weil zum Beispiel ihr altes kaputt ist), werden es schon heute kaufen.

Damit ist bereits die entscheidende Größe angesprochen, die über Kauf heute oder Kauf in der Zukunft entscheidet: und das ist die sogenannte Zeitpräferenz.

Natürlich ist der (Grenz-)Nutzen kleiner, ein Auto für 50.000 Euro zu kaufen (U1) als für 40.000 Euro (U2).

Um zu entscheiden, ob heute oder erst in einem Jahr gekauft werden soll, wird der Handelnde den (Grenz-)Nutzen des Kaufs heute mit dem (Grenz-)Nutzen des Kaufs in einem Jahr vergleichen, und zwar abdiskontiert mit seiner persönlichen Zeitpräferenzrate r (oder: Urzins).

Wenn gilt U1 > U2 / (1 + r), dann kauft er heute; und wenn gilt U1 < U2 / (1 + r), wartet er ab mit dem Kauf.

Man sollte also nicht denken, bei fallenden Güterpreisen käme die Volkswirtschaft zum Erliegen, weil niemand mehr kauft! Das wird nicht geschehen – weil es stets nicht aufschiebbare Bedürfnisse gibt, und auch weil die Zeitpräferenz(-rate) stets und überall positiv ist.

(6) Was bedeutet es für den Kreditmarkt, wenn die Preise fallen? Es gibt auch bei fallenden Güterpreisen einen Kreditmarkt. Nur wäre er viel kleiner als im heutigen Fiat-Geldsystem: Die Fremdfinanzierung verteuert sich für den Kreditnehmer – im Vergleich zur Kreditfinanzierung im Fiat-Geldsystem. Gleichzeitig gewinnt die externe Finanzierung von Unternehmen über Ausgabe neuer Aktien (bei Aktiengesellschaften) oder Gesellschafteranteile (bei Personengesellschaften) an Bedeutung. Für die Altersvorsorge würde nicht mehr vorwiegend in Schuldpapieren gespart, sondern vor allem in Form von Geld (das ja im Zeitablauf an Kaufkraft gewinnt) und in Form von Unternehmensbeteiligungen.

(7) Bildet sich in einem freien Banksystem nicht ein Monopol heraus? In einem freien Markt für Geld und Banken steht es den Geldhaltern frei, die Depositenbank auszuwählen, die ihnen als die vergleichsweise beste erscheint. Neue Anbieter stehen stets Gewehr bei Fuß, um unzufriedene Kunden der Depositenbanken mit neueren und besseren Angeboten für sich zu gewinnen. Unter Wettbewerbsbedingungen bildet sich kein ungewolltes Monopol – genauer: kein Zwangsmonopol – heraus.

Zum Schluss

Sehr verehrte Damen, sehr geehrte Herren,

ich hoffe, meine Ausführungen haben Ihnen verdeutlicht, wie einfach und praktikabel ein freier Markt für Geld funktionieren würde, wenn man ihn zulässt.

Ein freier Markt für Geld ist ökonomisch und ethisch gesehen überzeugend und einwandfrei – im Vergleich zum staatlich geführten Fiat-Geldsystem.

Wie aber lässt er sich in Gang setzen? Ganz einfach durch den Abbau aller rechtlichen Hindernisse, die einem freien Markt für Geld entgegenstehen.

Konkret heißt das: Abschaffung der Kapitalertrags- und Umsatzsteuer auf alle Güter, die um die Geldfunktion konkurrieren (wie zum Beispiel Edelmetalle und Kryptoeinheiten).

Zudem sind die Zahlkraftgesetze abzuschaffen, die die Verwendung des staatlichen Geldes privilegieren.

Sie werden nun vermutlich sagen: Das werden die Staaten niemals zulassen!

Und es ist natürlich richtig: Der Staat (wie wir ihn heute kennen) wird alles daran setzen, einen freien Markt für Geld zu verhindern.

Doch ich persönlich bin sicher, dass irgendwo auf der Welt letztlich doch die Bedingungen für die Möglichkeit eines freien Marktes für Geld geschaffen werden. (Der Anfang wird vermutlich nicht in Deutschland oder Frankreich gemacht.)

In einigen US-Bundesstaaten ist der Grundstein dafür längst gelegt: Alle Steuern auf Gold und Silber sind hier bereits abgeschafft worden, damit die Verwendung von Edelmetallen als Geld nicht mehr benachteiligt ist gegenüber dem US-Dollar.

(Die hiesige Presse hat darüber, soweit ich informiert bin, nicht berichtet!)

Das Konzept des freien Marktes für Geld ist einfach zu gut für die Menschen, als dass es dauerhaft brach liegen wird. Die Amerikaner in vielen Bundesstaaten haben das bereits erkannt.

Schon ein erfolgreiches Referenzprojekt wird vermutlich ausreichen, der Welt die Vorteilhaftigkeit des freien Marktgeldes gegenüber dem staatlichen Fiat-Geld vor Augen zu führen und Nachahmer in Stellung zu bringen.

Der atemberaubende Technologiefortschritt ist dabei eine treibende Kraft für die Reform des Geldes. Und die damit verbundenen Gewinnmöglichkeiten für Unternehmer sind ebenfalls eine wirksame Kraft.

Eine dritte Kraft ist der immer deutlicher zutage tretende Zerfall des staatlichen Fiat-Geldsystems. Als Stichworte mögen hier genügen: Anleihekäufe, Null- und Minuszinsen, Helikoptergeld. Die Menschen suchen längst nach Verbesserung.

Das staatliche Fiat-Geldsystem bewahren zu wollen, erfordert einen geradezu perversen zivilisatorischen Rückschritt in eine Befehls- und Lenkungswirtschaft, in eine de facto totalitäre Wirtschafts- und Gesellschaftsführung.

Hingegen ist ein freier Markt für Geld nicht nur der Weg, um zu ökonomisch und ethisch einwandfreiem Geld zu gelangen. Mit ihm wird es auch möglich, die Kosten, die das staatliche Fiat-Geld verursacht, so gering wie nur irgend möglich zu halten.

Sollten meine bisherigen Argumente zu sachbezogen sein, zu abstrakt klingen, dann können wir mit gutem Gewissen an dieser Stelle auch an das Selbstbestimmungsrecht appellieren, das allen Menschen zusteht.

Es erstreckt sich auch auf die freie, ungehinderte Wahl des Geldes!

Kein Mensch hat das Recht einem anderen Menschen vorzuschreiben, welches Geld er zu verwenden hat; und niemand hat das Recht, das Angebotsmonopol für das Geld für sich zu erzwingen.

Um es noch deutlicher zu sagen: Ein freier Markt für Geld ist ein Menschenrecht!

Er ist der natürliche Begleiter eines jeden Menschen, damit er sein Leben in friedvoller und produktiver Weise in der Gemeinschaft bestmöglich leben kann.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!

[1] Siehe hierzu Block, W. E., Block, M. (2011), Toward a Universal Libertarian Theory of Gun (Weapon) Control: a Spatial and Geographical Analysis,  Ethics, Place & Environment: A Journal of Philosophy and Geography, Vol. 3, No. 3, pp. 289-298.

[2] Für eine Kritik an Hayek’s Illustration eines freien Marktes für Geld siehe Polleit, T. (2015), ,Hayek’s ‘Denationalization of Money’ – a Praxeological Reassessment, Journal of Prices & Markets, S. 69 – 84.

Thorsten Polleit, Jahrgang 1967, ist seit April 2012 Chefvolkswirt der Degussa. Er ist Honorarprofessor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Bayreuth, Adjunct Scholar am Ludwig von Mises Institute, Auburn, US Alabama, Mitglied im Forschungsnetzwerk „Research On money In The Economy“ (ROME) und Präsident des Ludwig von Mises Institut Deutschland. Er ist Gründungspartner und volkswirtschaftlicher Berater eines Alternative Investment Funds (AIF). Die private Website von Thorsten Polleit ist: www.thorsten-polleit.comHier Thorsten Polleit auf Twitter folgen.

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Hinweis: Die Inhalte der Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Ludwig von Mises Institut Deutschland wieder.

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