Inflation: Der lautlose Wohlstandskiller

12. Dezember 2018 – Der Niedergang des Mittelstandes

von Andreas Tögel

Andreas Tögel

Nach dem obligaten Säbelgerassel der österreichischen Gewerkschaft haben die Arbeitgeber der Metallbranche letztlich eingelenkt, und am Ende einer deutlich über der Inflationsrate liegenden Lohnsteigerung zugestimmt. Die Beamten wurden in ihrer Lohnrunde ebenfalls gut bedient (+2,76%). Und die Verhandlungen über die Erhöhung der Eisenbahnerlöhne haben für die Arbeitnehmerseite mit deutlich mehr als drei Prozent plus ein noch erfreulicheres Ergebnis gebracht. Im Land der Hämmer in geschützten Werkstätten zu werken, rentiert sich – trotz der in Kreisen der Beamtenschaft auf alarmierende Weise grassierenden Arbeitsunfähigkeit in Folge des Burnout-Syndroms. Der Schreiber dieser Zeilen hat daher bereits den unumstößlichen Entschluss gefasst, im nächsten Leben ebenfalls bei der Bundesbahn anzuheuern und dortselbst eine Karriere als Betriebsrat anzustreben.

Hauptnutznießer bei allen Lohnrunden waren und sind indes in keinem Fall die Arbeitnehmer. Es ist vielmehr der Fiskus, was den meisten Zeitgenossen gar nicht erst ins Bewusstsein dringt. Dass die Netto-Reallöhne in der Alpenrepublik deshalb seit Jahren kaum von Fleck kommen, weil sich der Staat nämlich zumindest die Hälfte davon aneignet (dieses unschöne Phänomen hört auf den Namen „kalte Progression“ und ist dem Hineinwachsen in höhere Steuerprogressionsstufen geschuldet), wird kaum diskutiert. Immerhin sind Österreich bisher wenigstens Streikorgien erspart geblieben, wie man sie zum Beispiel aus Frankreich kennt.

Ungemach droht aber ohnehin nicht von der Arbeitskampffront, sondern aus einer Ecke, der ebenso wenig mediale Aufmerksamkeit zuteil wird wie der kalten Progression: Es geht um die Inflation. Amtlich ausgewiesen wird für das laufende Jahr derzeit ein Wert von rund 2,2 Prozent. Das von der EZB angepeilte „Inflationsziel“ wird heuer somit bereits um ein Zehntel überschritten. Dennoch läuten keine Alarmglocken, denn Inflation, so versichern uns die nationalökonomisch versierten Fachleute unermüdlich, sei „alternativlos“ notwendig, um eine Deflation zu verhindern. Ende der Durchsage.

Was an einer Kaufkraftsteigerung pro Währungseinheit übel sein sollte, und nichts anderes ist die Konsequenz einer Deflation, ist noch niemals plausibel argumentiert worden. Die regelmäßig gestreuten Schauermärchen von einer dräuenden Abwärtsspirale infolge kollektiven Konsumverzichts, sind im Grunde zu abwegig, um sich damit zu beschäftigen. Daher nur so viel: Wie die Entwicklung der Computer- und Unterhaltungselektronikbranche beispielhaft zeigt, lässt es sich in einem deflationären Umfeld prächtig leben. Wohl deshalb, weil in einer sich entwickelnden und damit produktiver werdenden Wirtschaft, und unter sonst gleichen Bedingungen, eine Deflation einfach den „Naturzustand“ darstellt: Wenn die (Massen-)Produktion billiger wird, sinken halt die Konsumentenpreise. Und Konsumaufschub im Segment des menschlichen Grundbedarfs findet ohnehin niemals statt, weil niemand heute verhungern oder erfrieren will, weil er in drei Wochen Nahrungsmittel und Textilien möglicherweise billiger kaufen könnte.

Wie auch immer, es gibt unter uns Zeitgenossen die sich der Mühe unterziehen, die Preisdynamik ausgesuchter Produkte zu untersuchen und sich nicht auf einen listenreich zusammengestellten Warenkorb (der Begriff „getürkt“ verbietet sich aus Gründen der politischen Korrektheit) verlassen, der die Grundlage für amtliche Teuerungsstatistiken bildet. So errechnet sich heuer für Brot eine Preissteigerung von rund 17 Prozent. Seit Einführung der schwindsüchtigen Eurowährung anno 2002 hat sich der Brotpreis mehr als verdoppelt. Wer bitteschön verdient heute doppelt so viel wie damals (von den Bewohnern geschützter Werkstätten und Politikern abgesehen)?

Dass in den amtlichen Statistiken die dynamische Preisentwicklung im Immobiliensektor und bei den Aktienkursen völlig unbeachtet bleibt, ist übrigens alles andere als ein dummer Zufall. Würden diese, was ja die Realität viel besser abbildete, in die Beobachtungen einfließen, ergäbe sich nämlich ein ziemlich erschreckendes Bild, das die staatlich orchestrierte Geldmengenvermehrung schlagartig offenbaren würde. Preissteigerungen auf breiter Front, quer durch alle Branchen, sind nämlich weder ein Naturphänomen, noch sind sie den Umtrieben geldgieriger Plutokraten geschuldet, sondern nur und ausschließlich die Folge einer Ausweitung der Geldmenge. Würde die Mehrheit der Wahlberechtigten diesen Zusammenhang durchschauen, käme das der Nomenklatura höchst ungelegen. Die macht nach dem Motto „haltet den Dieb!“ für die Preisinflation viel lieber gierige Unternehmer und ruchlose Spekulanten verantwortlich. Für die Regierenden ist es einfach komfortabler, das Publikum im irrigen Glauben zu lassen, gewissenlose Finanzjongleure und der ruchlose Turbokapitalismus seien für die dramatische Preisinflation in bestimmten Segmenten verantwortlich und nicht etwa die inflationäre Geldpolitik der Noten- und Geschäftsbanken.

Preissteigerungen sowie Lohnerhöhungen, die durch die kalte Progression entwertet werden, und eine immer weiter verschärfte Inflation sorgen dafür, dass der Massenwohlstand sukzessive erodiert. Nicht etwa der von denjenigen, die zur Wohlstandsproduktion wenig oder nichts beitragen, denn die verfügen ja unter den Sozialisten in allen Parteien und in den NGO´s über eine mächtige Lobby. Auch nicht jener der wirklich Vermögenden, die immer Mittel und Wege finden, um der frivolen Fiskal- und Schuldenpolitik der Regierungen geschickt auszuweichen oder gar daran zu verdienen. Nein, der hart arbeitende und von allen Seiten immer stärker unter Druck geratene Mittelstand ist es, der die Zeche bezahlt. Die sinkende Zahl „echter“ Unternehmer (also solcher, die nicht als gut verdienende Angestellte gekündigt wurden und nun als „Selbständige“ einem einzigen Kunden – ihrem vormaligen Dienstgeber – zuarbeiten), ist das unübersehbare Symptom einer zunehmenden Proletarisierung unserer Gesellschaft. Es handelt sich um die Konsequenz einer vermeintlich arbeitnehmerfreundlichen Gesellschafts-, Umverteilungs- und Fiskalpolitik.

Auch die jüngste Pensionsrunde zeigt wieder deutlich, dass pensionierte „Besserverdiener“ bei den Erhöhungen stets die Dummen sind. Dass sie in der Zeit ihrer aktiven Karriere die höchsten Sozialversicherungsbeiträge geleistet haben, wird nämlich gerne vergessen und sie werden regelmäßig mit deutlich unter der Inflationsrate liegenden Pensionssteigerungen abgespeist, was einem Diebstahl gleichkommt. Mit dem Schlachtruf „soziale Gerechtigkeit herstellen“ werden unter dem Beifall linker Intellektueller und Medienschaffender daher immer wieder die Minderleister auf Kosten der Leistungsträger verwöhnt.

Damit nicht genug: Private Altersvorsorgen (z. B. Erlebensversicherungen) werden durch die stetig anziehende Inflation scheibchenweise enteignet. Es ist, als ob man den private Reserven anlegenden Bürgern klammheimlich und unbemerkt eine Konservendose nach der anderen aus Ihren Vorratsschränken davontrüge. Die Sparer in Deutschland haben nach Berechnungen der Comdirect Bank und des Finanzdienstleisters Barkow Consulting, durch die Nullzinspolitik der EZB allein im ersten Halbjahr 2018 rund 17 Milliarden Euro an Zinsen verloren. Für Österreich kann demgemäß von ungefähr einem Zehntel dieses Betrages ausgegangen werden. Das sind gewaltige Brocken.

Fazit: Sozialistische Umverteilungspolitik erreicht früher oder später immer ein für alle Beteiligten trauriges Ende. Dann nämlich, wenn das Geld des bürgerlichen Klassenfeindes restlos verjubelt ist. Zu diesem Zeitpunkt werden die dafür Verantwortlichen allerdings längst nicht mehr in Amt und Würden sein. Für die in ihrer aktiven Zeit getätigten Fehlleistungen sind sie aufgrund der in Demokratien herrschenden, unbeschränkten Narrenfreiheit der politischen Klasse ohnehin niemals haftbar. Der aus dem Libanon stammende Erfolgsautor Nassim Taleb („Der schwarze Schwan“) würde „Skin in the Game“ einmahnen: Ohne persönliches Engagement und Risikoübernahme werden nur selten klugen Entscheidungen getroffen. So einfach ist das.

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist gelernter Maschinenbauer, ausübender kaufmännischer Unternehmer und überzeugter “Austrian”.

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Hinweis: Die Inhalte der Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Ludwig von Mises Institut Deutschland wieder.

Foto: © noskaphoto – Fotolia.com

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