Sozialismus zerstört Venezuela

14. September 2018 – von José Niño

José Niño

Internationale Analysten erzählen uns nicht die ganze Geschichte über Venezuela.

Zahlreiche politische Kommentatoren haben sich zum Thema ‚Wirtschaftskrise in Venezuela‘ geäußert. Zugegeben, einige von ihnen geben zumindest oberflächlich korrekt wieder, welche Faktoren zum Zusammenbruch Venezuelas beigetragen haben – nämlich die Zerstörung der bürgerlichen Freiheiten und der Eigentumsrechte.

Die Erwähnungen von Hugo Chávez’ Verstaatlichungen von Ölfeldern lassen jedoch eine wichtige historische Komponente vermissen – denn Venezuela hatte eine verstaatlichte Ölindustrie, bevor Chávez an die Macht kam. Venezuelas Ölindustrie wurde 1976 unter der Schirmherrschaft des damaligen Präsidenten Carlos Andrés Pérez verstaatlicht.

Chávez erweiterte darüber hinaus nur die bisherigen interventionistischen Maßnahmen, die weit vor der Machtübernahme bereits angelegt waren.

Und hier geht es nicht um Erbsenzählerei. Um den gegenwärtigen Zusammenbruch zu verstehen, brauchen wir ein klares Bild der letzten 60 Jahre der politischen Geschichte Venezuelas.

Es lässt sich nicht leugnen, dass Venezuela in den vergangenen Jahrzehnten stabiler war, aber die Samen des Verderbens wurden eben in diesen glorreichen Jahren ausgelegt. Letztendlich hat die Schaffung des Ölstaates dazu beigetragen, den Abstieg zu ermöglichen.

Vom marktwirtschaftlichem Öl zum staatseigenen Öl

Entgegen der landläufigen Meinung basierte Venezuelas früherer Wohlstand nicht nur auf seinem Ölreichtum. Von den frühen 1900er Jahren an bis in die 1960er Jahre herrschte in Venezuela ein hoher Grad an wirtschaftlicher Freiheit: Wenig Vorschriften, niedrige Steuern, solide Eigentumsrechte und eine stabile Geldpolitik. Diese Faktoren spielten eine wichtige Rolle bei der Festigung des Status Venezuelas als eines der reichsten Länder der 1950er Jahre basierend auf dem Pro-Kopf-Einkommen.

Doch nach 1958, als Venezuela zur Demokratie zurückkehrte, zeigten sich einige beunruhigende Tendenzen. Zunächst verabschiedete die venezolanische Regierung eine neue Verfassung, die dem Staat beträchtliche Befugnisse in wirtschaftlichen Angelegenheiten einräumte. Diese politische Ordnung wurde durch den Punto-Fijo-Pakt – ein parteiübergreifendes Abkommen zwischen den beiden politischen Parteien Acción Democrática (Demokratische Aktion) und COPEI (Christdemokraten) – gefestigt.

Beide Parteien glaubten, der Staat könne die Einnahmen aus dem Erdölgeschäft nehmen und in großzügige Wohlfahrtsprogramme lenken. Venezuela, so ihre Meinung, wäre erst dann ein wirklich unabhängiges Land, wenn die Regierung die vollständige Kontrolle über die Ölreserven hätte.

Verstaatlichung des Öls: Der Anfang vom Ende

In den 1970er Jahren bekamen die Ölnationalisten dann ihren Willen.

Die Regierung von Carlos Andrés Pérez nutzte den massiven Zufluss von Erdöleinnahmen infolge der Energiekrise der 1970er Jahre und unternahm konkrete Schritte zur Verstaatlichung der Ölindustrie.

Dies wurde schließlich 1975 erreicht, als die Regierung von Pérez ein Gesetz zur Verstaatlichung des Erdölsektors unterzeichnete. Die Schaffung eines Petrostaates war abgeschlossen, und die institutionellen Grundlagen Venezuelas sollten nie mehr so sein wie zuvor.

Anstatt sich darauf zu verlassen, dass die Bürger Steuern für den Schutz ihrer Eigentumsrechte und bürgerlichen Freiheiten zahlen, würde die venezolanische Regierung ihre Bürger mit Regierungsgeldern aus den Erdöleinnahmen bestechen, um ihre Macht zu erhalten.

Pérez verschwendete keine Zeit, um mit diesem Kraftpaket auf Einkaufsbummel zu gehen. Sein extravagantes Ausgabenprogramm führte zu einer extremen Zentralisierung der politischen Macht und zu einem nicht mehr kontrollierbaren, bürokratischen Einfluss.

Ein weiteres hervorstechendes Merkmal des Petrostaates war die Vetternwirtschaft. Der Staat verteilte häufig Einnahmen aus dem Erdölgeschäft an politisch vernetzte Unternehmen. Wenn aber ein Staat aktiv Gewinner und Verlierer bestimmt, verbringen die Unternehmen mehr Zeit damit, die Regierung zu beeinflussen, anstatt Waren zu produzieren, die die Konsumenten nachfragen.

Die Dominosteine beginnen zu fallen

Obwohl die Ölverstaatlichung nicht zu einem sofortigen Zusammenbruch führte, bereitete sie doch den Weg für den wirtschaftlichen Niedergang Venezuelas.

Anfang der 80er Jahre war die Party vorbei. Mit einer stagnierenden Wirtschaft und einer gestiegenen Staatsverschuldung, die durch die Ausgabenorgie des Jahrzehnts zuvor verursacht wurde, sah sich die venezolanische Regierung gezwungen, Maßnahmen zur Ankurbelung der Wirtschaft zu ergreifen.

Am 18. Februar 1983 (in Venezuela bekannt als Schwarzer Freitag) führte die venezolanische Regierung die bisher größte Abwertung ihrer Landeswährung Bolívar durch. Damit begann das sogenannte „verlorene Jahrzehnt“ der wirtschaftlichen Misere in Venezuela.

Spürbare, aber unzureichende Reformen

Ende der 80er Jahre kehrte Carlos Andrés Pérez in sein Amt zurück und setzte sich für die Wiederbelebung der venezolanischen Ausgaben-Bonanza der 70er Jahre ein. Aber seine Rhetorik aus dem Wahlkampf änderte sich abrupt, als er 1989 sein Amt antrat. Pérez erkannte, dass Venezuela von seiner Regierung sowohl mit Schulden beladen als auch wirtschaftlich in Fesseln gelegt wurde.

Pérez wandte sich zunächst an den Internationalen Währungsfonds und empfahl mehrere durchaus sinnvolle Reformen wie Privatisierungen, Ausgabenkürzungen und die Absenkung von Zöllen. Leider wurden diese Reformen wegen der starken Widerstände aus der eigenen Partei von Pérez, der Democratic Action, nicht vollständig umgesetzt. Im Laufe von Pérez’ zweiter Amtszeit nahmen die politischen Spannungen zu, wie die gescheiterten Putschversuche durch Oberstleutnant Hugo Chávez im Jahr 1992 zeigten.

Pérez wurde schließlich 1993 wegen Korruption angeklagt und die politische Ordnung Venezuelas lag in Trümmern.

Hat Hugo Chávez es richtig gemacht?

Die politische Koalition von Hugo Chávez hatte in den 1990er Jahren jedes Recht, sich zu beschweren. Venezuelas überparteiliche politische Ordnung von 1958 bis 1988 lieferte glanzlose Ergebnisse. In diesem Zeitraum wuchs das Pro-Kopf-Einkommen Venezuelas um armselige – 0,13% pro Jahr, was bedeutet, dass die venezolanische Bevölkerung schneller wuchs als der in diesem Zeitraum geschaffene Wohlstand.

Charles Jones stufte Venezuela in seinem Buch Introduction to Economic Growth  als „Wachstumskatastrophe“ ein. Nur eine Handvoll Länder südlich der Sahara und Nicaragua, ein Land unter sozialistischer Herrschaft und Opfer eines blutigen Bürgerkriegs, gesellten sich ebenfalls in die Halle der wirtschaftlichen Schande.

Leider nutzte Chávez die gleichen petro-staatlichen Strukturen für seine eigenen tyrannischen Ziele. Er verdoppelte die Fehler der vergangenen Jahrzehnte und zwang das Land durch einen lockeren gelpolitischen Kurs, wirtschaftliche Kontrollen, Beschlagnahme von Land und Stimmenkauf in die Knie.

Wenngleich Chávez rasch die Maßnahmen ausdehnte, die die Regierung Pérez in den 70er Jahren eingeführt hatte, erinnert uns dieses historische Ereignis daran, dass gut gemeinte Interventionen von der nachfolgenden Politakteuren für schändliche Zwecke genutzt werden können.

Bürokratien sind nicht fehlerhaft, weil sie nicht gewählt sind oder es an qualifiziertem Personal mangelt. Das Problem liegt in den Institutionen selbst. Sie zerstören das Gewinnstreben und verfügen über kein sinnvolles System, in dem eine ordnungsgemäße Wirtschaftsrechnung möglich ist.

Alle echten Reformen sollten mit Plänen beginnen und enden, die darauf abzielen, das staatliche Engagement in allen Wirtschaftssektoren zu reduzieren und letztendlich zu beseitigen.

Der krebsartige Tumor der staatlichen Interventionen erfordert kein Pflaster, sondern eine vollständige Entfernung.

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Der Originalbeitrag mit dem Titel The Pundits Still Don’t Understand Venezuela ist am 25.8.2018 auf der website des Mises-Institute, Auburn, US Alabama erschienen.

José Niño ist ein venezolanisch-amerikanischer, politischer Aktivist in Fort Collins, Colorado.

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Hinweis: Die Inhalte der Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Ludwig von Mises Institut Deutschland wieder.

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