Für eine umsichtige Liberalisierung des Waffenrechtes
18.12.2017 – Ein Gespräch mit Dagmar Metzger als Reaktion auf das Interview „Unbescholtenen Bürgern darf man das Recht auf Waffenbesitz nicht verweigern“ mit Andreas Tögel vom 13. Dezember. Dagmar Metzger ist Inhaberin einer PR-Agentur in München, Initiatorin und Veranstalterin der Münchner Wirtschaftsgespräche und Autorin zahlreicher Kolumnen mit dem Schwerpunkt Thema Wirtschaft.
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Frau Metzger, Sie zeigten sich hinsichtlich der Aussagen im Interview mit Herrn Tögel zum Thema „Waffenbesitz“ nicht mit allem einverstanden. Wo liegt Ihre Kritik?
Ich bin Jägerin, Waffenbesitzerin, Fleischesserin, rauche Zigarren, trinke Whisky, bin bekennende Kapitalistin und Libertäre – und dennoch bekomme ich bei der Überlegung einer vollkommenen Liberalisierung des Waffenrechts Bauchschmerzen.
Warum? Die Standards des deutschen Waffenrechts sind doch sehr hoch …
Das ist richtig, meines Erachtens sogar viel zu hoch und jeder Terrorakt, jeder Amoklauf bietet einen gefühlt willkommen Anlass, im Windschatten beißreflexartig weitere Verschärfungen einzufordern. Dahinter steht das generelle Misstrauen des Staates gegenüber seinen Bürgern, deren Freiheit und deren Eigenverantwortung er immer weiter einzuschränken sucht. Dabei zeigen die menschenverachtenden Attentate und perfiden Gewalttaten der letzten Jahre nur allzu deutlich, dass die Restriktionen der Vergangenheit keinen Erfolg hatten. Jäger und Sportschützen zu schikanieren bringt ganz gewiss nicht mehr Sicherheit, und gesellschaftliche Probleme und Kontroversen löst man offensichtlich auch nicht. Davon abgesehen werden legale Waffen so gut wie nie für Verbrechen missbraucht.
Also besteht doch Reformbedarf?
Ja, eine liberale Reform des Waffenrechts ist unbedingt sinnvoll, aber an deren Ende darf keine bedingungslose Freigabe des Waffenbesitzes stehen.
Wo liegen Ihre Bedenken?
Ich möchte nicht, dass jeder Hitzkopf zum Waffenhändler marschiert und mit einem 9 mm Halbautomaten nach Hause geht ohne eine Überprüfung der Zuverlässigkeit und einer Schulung im Umgang mit Waffen. Jeder Inhaber eines Jagdscheins wird sich an die zahllosen Übungsstunden in Waffenhandhabung erinnern und die langen Nächte des Lernens von Waffenrecht und Waffenkunde. Dabei wurde nicht nur die Fertigkeit an Lang- und Kurzwaffe vermittelt, sondern viel wichtiger, die Sensibilisierung, welche Gefahr von einer Waffe ausgehen kann und welche Verantwortung man als Waffenbesitzer hat. Der Bereich Praxis ist noch immer die größte Hürde bei der Jägerprüfung und Durchfallquoten von 20 Prozent und mehr sind keine Seltenheit.
Wie müsste ein Waffenrecht Ihrer Einschätzung nach aussehen?
Ein Waffenrecht muss liberalen Vorstellungen Rechnung tragen und gleichzeitig dafür sorgen, dass Neuwaffenbesitzer schon allein durch mangelnde Übung an der Waffe nicht zur Gefahr für sich und andere werden. Man könnte die Zweckbindung beziehungsweise das Bedürfnis – also zum Beispiel Jäger oder Schütze zu sein – aufheben, aber die Eignungsprüfung, heißt Zuverlässigkeit und Schulung in der Waffenhandhabung, auf alle erweitern. Damit wäre die Möglichkeit Waffen zu erwerben für alle unbescholtenen und sachkundigen Bürger geöffnet.
Hilft uns ein Blick in die Schweiz?
Ja, sicher. Das Waffenrecht der Eidgenossen ist eines der liberalsten der Welt. Doch ganz ohne Vorgaben geht es auch dort nicht: Je nachdem, um welche Art von Waffe es sich handelt, braucht der Käufer einen Vertrag, einen Waffenerwerbsschein oder eine Ausnahmebewilligung und im Jahr 2010 wurde ein elektronisches Register zur Erfassung aller Waffenkäufe eingeführt. Auch Ausländern ist es erlaubt, in der Schweiz Waffen zu erwerben, solange sie nicht folgenden Nationalitäten zugehören: Albanien, Algerien, Sri Lanka, Kosovo, Mazedonien, Bosnien und Herzegowina, Serbien oder Türkei.
Die Anzahl privater Waffen in der Schweiz wird je nach Quelle auf 2 bis 3,5 Millionen geschätzt, bei etwas über 8 Millionen Einwohnern …
Das liegt auch an einer Besonderheit: Das Milizsystem. Dadurch gibt es in verhältnismäßig vielen Schweizer Haushalten ein Sturmgewehr. Damit gehören die Eidgenossen zu den Ländern mit der höchsten Waffendichte weltweit; hinter den USA und dem Jemen. Die Zahlen zu Verbrechen sehen anders aus. In den USA ist beispielsweise die Anzahl von Tötungen durch Feuerwaffen in Relation zu Bevölkerungszahl drei Mal höher. Der Grund dafür ist sicher in der gesellschaftlich unterschiedlichen Struktur der beiden Länder zu suchen. Bildung und Wohlstand für möglichst viele Bürger ist immer noch die beste Prävention und das wird in kleinen Ländern vorgelebt.
Vielen Dank, Frau Metzger.
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Das Interview wurde per email geführt. Die Fragen stellte Andreas Marquart.
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