Carl Mengers bahnbrechende Beiträge zur Wirtschaftswissenschaft

16.8.2017 – Das nachfolgende Interview mit Andreas Marquart über Carl Menger (1840 – 1921) führte Marvin Müller von der Zinzendorfschule in Königsfeld im Schwarzwald für seine Seminararbeit „Carl Menger – der Revolutionär der Ökonomie“.

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Andreas Marquart

Wer war Carl Menger? Warum ist es wichtig, sich mit ihm und seinen Ideen zu befassen?

Carl Menger wurde im Jahre 1840 in Galizien geboren. Er studierte Rechtswissenschaften, war zunächst als Journalist tätig und trat später dann als Beamter in die Presseabteilung des österreichischen Ministerpräsidiums in Wien ein. Seine Aufgabe war es, Analysen und Übersichten zur Lage an den Märkten zu verfassen. Dabei fiel ihm auf, dass es bei der Preisbildung an den Gütermärkten zu Diskrepanzen kam, abweichend von dem, was die klassische Preistheorie zu diesem Thema zu sagen hatte. Von dieser Beobachtung ausgehend, entwickelte er eine allgemeine Wert- und Preistheorie, die er in seiner Habilitationsschrift vorstellte und die kurz darauf unter dem Titel Grundsätze der Volkswirthschaftslehre (1871) erschien. Dieses Werk ist das Gründungsdokument der Österreichischen Schule.

Was ist das Werk / der Verdienst Carl Mengers?

Mengers Erkenntnisse läuteten einen Paradigmenwechsel in der Ökonomie ein. Das Revolutionäre war seine Erkenntnis, dass die Preisbildung eines Gutes stets von der Wertschätzung bestimmt ist, die ihm von den Konsumenten entgegengebracht wird. In seinen Grundsätzen der Volkswirthschaftslehre legte er dar, dass sich der Wert eines Gutes nicht aus dem Nutzen der gesamten Gütermenge ergibt, sondern durch den subjektiven Nutzen der letzten zusätzlichen Einheit, also durch den Grenznutzen. Das war die systematische Begründung des Grenznutzenprinzips.

Ludwig von Mises schreibt übrigens in seinen „Erinnerungen“, dass er durch Mengers Buch zum Nationalökonomen wurde.

Aber Carl Menger hat auch durch seine methodologischen Arbeiten großen Ruhm erlangt, insbesondere durch seine Untersuchungen zur Methode der Sozialwissenschaften aus dem Jahre 1883. In dieser Schrift verteidigte er das Lebensrecht der Theorie gegenüber den Anmaßungen der reinen Empiriker.

Was sind die wissenschaftlichen Haupterkenntnisse Carl Mengers? Was besagen diese?

Menger hat herausgestellt, dass der Mensch handelt und dass dieses Handeln Zeit benötigt. Er prägte die Unterscheidung zwischen Gütern höherer Ordnung und Gütern niederer Ordnung. Letztlich baut auf diese Erkenntnis die Kapital- und Konjunkturtheorie der Österreichischen Schule auf, die Mises weiterentwickelte, und für die im Jahre 1974 schließlich Friedrich A. von Hayek den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften erhielt. Mit der Österreichischen Konjunkturtheorie lässt sich auch sehr gut die Euro- und Finanzkrise erklären.

Menger hat auch eine Theorie der spontanen Entstehung sozialer Institutionen entworfen. Ihm zufolge sind Institutionen wie Sprache, Geld, Recht usw. nicht durch gesellschaftliche Konventionen oder durch hoheitliche Akte entstanden. Sie entstehen als ungeplante Folge durch individuelle Wahlhandlungen.

In wie weit kann man Carl Menger als „Revolutionär“ bezeichnen?

Weil er sich abgewandt hat vom homo oeconomicus. Bis zu dem Zeitpunkt, als Menger die Subjektivismus- und Grenznutzen-Revolution einläutete, beherrschte der nämlich die Ökonomie. Bemerkenswert ist vor allem, dass er keinen Vordenker oder Lehrer hatte, auf deren Erkenntnisse er hätte aufbauen können.

Worin bestehen die wesentlichen Unterschiede zwischen Menger, Jevons und Walras?

Wenn von der Grenznutzen-Theorie die Rede ist, dann werden Menger, Walras und Jevons in der Regel in einem Atemzug genannt. Walras und Jevons waren jedoch beide ausgebildete Naturwissenschaftler und so spielte die Mathematik in ihren Modellen eine entscheidende Rolle. Sie glaubten, den Grenznutzen eines Gutes für die Marktteilnehmer deshalb punktgenau bestimmen zu können. Walras ging noch weiter und meinte, mit seinen Gleichungen beschreiben zu können, wie verschiedene Teilmärkte voneinander abhängen und am Ende stets in ein Gleichgewicht zurückfinden.

Menger lehnte die Mathematik hingegen ab. Er vermied sogar die Worte „Nutzen“ und Nützlichkeit“, die den falschen Eindruck erwecken, dass hier von messbaren Größen die Rede ist. Bei ihm steht rein das individualistisch-subjektivistische Element im Vordergrund.

Was sind Ursachen und der Inhalt des Methodenstreits – was sind seine Ergebnisse?

Im Methodenstreit ging es im Kern um die Frage, ob es überhaupt so etwas wie wirtschaftliche Gesetze gibt. Gustav von Schmoller und die anderen Vertreter der Jüngeren Historischen Schule vertraten die Auffassung, dass dem nicht so sei. Die einzige Wissenschaft vom menschlichen Handeln war nach ihrem Dafürhalten die Geschichtswissenschaft, und diese befasste sich ausschließlich mit den besonderen Umständen von Zeit und Raum, die das konkrete menschliche Handeln bestimmen. Verallgemeinerungen jeder Art dienten lediglich der Vereinfachung. Sie seien für den Unterricht geeignet, hätten aber nichts mit strenger Wissenschaft zu tun. Carl Menger hingegen argumentierte, dass es exakte und allgemein gültige Kausalzusammenhänge gäbe, und er sah seine eigene Wert- und Preistheorie als ein Beispiel an. Der Methodenstreit endete in den frühen 1920er Jahren mit dem völligen Sieg der Theoretiker. Doch dieser Sieg hielt nicht lange an. Der übermäßige Empirismus, für den auch die Jüngere Historische Schule stand, wurde bald wieder dominant, und zwar in der Form des Positivismus. Ludwig von Mises hat die verschiedenen Spielarten des Empirismus in seinem Werk Theorie und Geschichte kritisch beleuchtet.

In wie weit steht Menger in der Tradition der spanischen Scholastiker und der französischen Klassik? In wie weit widerlegt er die englische Klassik und den Marxismus?

Es existiert eine Art geistiger Verwandtschaft zwischen den Scholastikern und den Ökonomen der Österreichischen Schule.

In seinem Buch Grundsätze der Volkswirthschaftslehre bezieht sich Menger auch auf den Scholastiker Diego de Covarrubias y Leyva, der im Jahre 1550 eine Kompilation zur Münzkunde veröffentlichte. Er und andere Scholastiker beschäftigen sich du dieser Zeit bereits mit Preisstatistiken, beschäftigten sich mit der subjektiven Natur ökonomischer Werte und haben dargelegt, dass es eine Beziehung zwischen Geldmengen und Preisen geben muss. Joseph Schumpeter hat die Scholastiker einmal als die ersten echten Ökonomen bezeichnet.

Man könnte zeitlich sogar noch weiter zurückgehen, bis ins 14. Jahrhundert, zu Nicolas von Oresme, ein Bischof und einer der bedeutendsten Philosophen dieser Zeit, der sich auch mit ökonomischen Themen beschäftige. Er war der Meinung, dass das Recht, Münzen zu prägen, Sache des Volkes und nicht einer Regierung sei. Genau wie Carl Menger, der in einem seiner Werke schrieb: „Das Geld ist keine staatliche Erfindung, nicht das Product eines legislativen Actes und die Sanction desselben Seitens der staatlichen Autorität ist demnach dem Begriffe des Geldes überhaupt fremd.“

Genau wie die französischen Ökonomen Condillac und Say sah Menger im subjektiven Wert den Ursprung der Marktpreise. Über sie hinausgehend lieferte er den Beweis, dass dieser subjektive Wert deren einziger Ursprung ist.

Von der englischen Klassik übernahm Menger die Lehre vom Wohlstand der Nationen und von der zentralen Bedeutung gesunden Geldes. (Er benutzte Adam Smiths Wohlstand der Nationen als Lehrbuch.) Er hat sie weder widerlegt, noch widerlegen wollen. Er hat sie vielmehr in einigen grundsätzlichen Punkten berichtigt und somit auf eine solidere Grundlage gestellt. Insbesondere bahnte seine Wert- und Preistheorie den Weg zu der Einsicht, dass alle Einkommen letztlich aus der Befriedigung der Bedürfnisse der Verbraucher entspringen. Sie bahnte auch den Weg zur Einsicht, dass die Produktionskosten nur ein Bindeglied im gesamtwirtschaftlichen Zusammenhang sind, nicht aber (wie von Adam Smith vermutet) die Wurzel der Marktpreise.

Aus dem gleichen Grund steht Mengers Theorie auch im Gegensatz zur Marxistischen Theorie. Mengers Schüler Böhm-Bawerk hat das im Einzelnen auseinandergesetzt. Insbesondere hat er gezeigt, dass sich der Wert eines Gutes nicht nach der Menge an Arbeit oder Kapital, die zu seiner Herstellung erforderlich ist, bestimmen lässt, so wie es Marx in seiner Arbeitswerttheorie zu erklären suchte.

Wie wurden Mengers Ideen in der Österreichischen Schule weiterentwickelt?

Die Erkenntnisse Mengers waren und sind gleichwie die Basis, auf die die Österreichische Schule aufbaut. Der Grundgedanke des Menger’schen Denkgebäudes war, dass sich alle Marktpreise letztlich aus den subjektiven Werten der Endprodukte ableiten. Menger selber bewies diesen Grundgedanken aber lediglich im Falle von Konsumgütern. Seine Schüler haben danach Schritt um Schritt die weiteren Beweise geliefert: Eugen von Böhm-Bawerk für den Fall der Produktionsfaktoren und Ludwig von Mises für den besonders zentralen Fall des Geldes. In seiner Habilitationsschrift Theorie des Geldes und der Umlaufsmittel (1912) lieferte er den Beweis, dass die Grenznutzentheorie auf das Geld anwendbar ist, indem er das Regressionstheorem formulierte. Dieses besagt, dass Geld aus einem Sachgut heraus entstanden sein muss. Und zum anderen durch sein Werk Nationalökonomie. Theorie des Handelns und Wirtschaftens, in dem er die Subjektivität menschlichen Handelns konsequent und kompromisslos darlegte und die Lehre vom menschlichen Handelns umfassend formulierte.

In wie weit haben Mengers Ideen und Wirken die Politik Österreich-Ungarns beeinflusst?

Menger war von 1876 bis 1878 Privatlehrer des Kronprinzen, Erzherzog Rudolf von Österreich-Ungarn, in politischer Ökonomie. Menger hatte großen Einfluss auf ihn. Das zeigte sich im politischen Engagement Rudolfs. Er galt als Rebell und stieß mit seinen Ansichten auf Widerstand in der Aristokratie. 1889 beging Rudolf Selbstmord. Warum, ist bis heute nicht geklärt. Menger hat auch maßgeblich die Währungsreform von 1892 beeinflusst. Er unterstützte die Goldkonvertibilität der österreichisch-ungarischen Währung. Vor allem aber haben seine zahlreichen Schüler viele Schlüsselstellen in Wirtschaft, Finanzen, Wissenschaft und Politik eingenommen. Sein bekanntester Schüler, Eugen von Böhm-Bawerk, war Professor in Innsbruck und viermaliger österr.-ungarischer Finanzminister.

Wieso sind seine Ideen heutzutage in der Öffentlichkeit, vor allen Dingen so sehr im  deutschsprachigen Raum, in Vergessenheit geraten?

Das gilt ja im Allgemeinen für die Theorien der Österreichischen Schule. Wobei ich es nicht als „in Vergessenheit geraten“, vielmehr als „keine Beachtung erfahrend“ bezeichnen würde.

Die Methodologie der Österreichischen Schule, speziell Ludwig von Mises‘ Praxeologie, die Logik des menschlichen Handelns, würde jeder Regierung jeder Argumentation berauben, steuern und lenkend in die Wirtschaft – auch in die Gesellschaft – einzugreifen, weil sie jegliche Intervention als kontraproduktiv entlarvt.

Wie kann man seine Ideen heutzutage in der Öffentlichkeit wieder bekannter machen?

Das tun wir im Ludwig von Mises Institut Deutschland. Mit der regelmäßigen Veröffentlichung von Schriftbeiträgen und der Veranstaltung von Konferenzen und Seminaren.

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Andreas Marquart ist Vorstand des “Ludwig von Mises Institut Deutschland”. Er ist Honorar-Finanzberater und orientiert sich dabei an den Erkenntnissen der Österreichischen Geld- und Konjunkturtheorie. Im Mai 2014 erschien sein gemeinsam mit Philipp Bagus geschriebenes Buch “WARUM ANDERE AUF IHRE KOSTEN IMMER REICHER WERDEN … und welche Rolle der Staat und unser Papiergeld dabei spielen”. Im März ist sein neues Buch erschienen, ebenfalls gemeinsam mit Philipp Bagus: Wir schaffen das – alleine!

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Hinweis: Die Inhalte der Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Ludwig von Mises Institut Deutschland wieder.

 

 

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