Goldgedeckte Digitalwährungen – Bitcoin, das neue Gold?

31.10.2016 – von Ronald Stöferle und Mark Valek.

Ronald Stöferle

Der Aufstieg des Web 2.0, den wir in den vergangenen zwei Dekaden haben beobachten können, stellt einen der einschneidendsten soziokulturellen Wandlungsprozesse überhaupt dar. Gemeint ist damit die Entwicklungsstufe des Internets, auf der Inhalte kollaborativ durch die Nutzer selbst erstellt, bearbeitet und verteilt werden. Die Politik sieht sich einer auf mehr Beteiligung drängenden, dezentral organisierten Masse gegenüber; viele Großunternehmen erhalten Konkurrenz durch dynamische, sich in Netzwerken organisierende Kleinunternehmen; das Oligopol der Medien, Inhalte zu emittieren, ist zusammengebrochen.

Insofern war es nur eine Frage der Zeit, ehe das Monopol der Staaten zur Gelderzeugung von dezentralen Lösungen aus den Sphären des Web 2.0 herausgefordert werden würde. Diese sprießen in Form der Kryptowährungen seit der Finanzkrise wie Pilze aus dem Boden – es gibt ihrer mittlerweile mehr als 3.000. Seinen Anfang nahm diese Entwicklung mit der Währung Bitcoin, die 2009 in Umlauf ging. Die unter dem Pseudonym Satoshi Nakamoto agierende Person, die das Konzept 2008 in einem Whitepaper vorschlug und 2009 die erste Version der zugrundeliegenden Software („Bitcoin Core“) veröffentlichte, begründete ihre Motivation hinter Bitcoin unter anderem mit der Tendenz von Zentralbanken, Währungen zu entwerten:

„The root problem with conventional currency is all the trust that’s required to make it work. The central bank must be trusted not to debase the currency, but the history of fiat currencies is full of breaches of that trust. Banks must be trusted to hold our money and transfer it electronically, but they lend it out in waves of credit bubbles with barely a fraction in reserve.“

Satoshi Nakamoto, 11. Februar 2009

Ist Bitcoin wertbeständiger als Staatsgeld?

Mark Valek

Bitcoin trat also mit dem Anspruch an, eine wertbeständige Alternative zu staatlichen Zahlungsmitteln zu sein. Damit stellte es sich in die Tradition von Gold. Es kommt daher nicht von ungefähr, dass Bitcoins Symbolik an mehreren Stellen auf Gold referenziert: Das Bitcoin-Logo ist eine goldene Münze, auf der ein „B“ abgebildet ist, und der Prozess der Schöpfung von neuen Bitcoins wird in Anlehnung an die Goldgewinnung als „Mining“ bezeichnet.

Doch wohingegen Gold Warengeld ist, dessen potenzielles Expansionsvolumen und -tempo vom natürlichen Vorkommen und vom kostenintensiven Bergbau begrenzt ist (hohes Stock-to-Flow-Ratio), sind Bitcoins das intangible Produkt einer hochinnovativen Technologie und werden – wie die offiziellen staatlichen Zahlungsmittel auch – elektronisch geschöpft. Es drängt sich daher die Frage auf, worauf sich die proklamierte Wertbeständigkeit begründet?

Die Antwort lautet: Vertrauen. Vertrauen darein, dass Geld einerseits als Tauschmittel von anderen Nutzern akzeptiert wird und andererseits zur Aufbewahrung von Vermögen dienen kann, ist das Rückgrat einer jeglichen Währung. In unserem heutigen Geldsystem passt sich – aufgrund der Teilreservehaltung der Geschäftsbanken sowie der flexiblen Bereitstellung von Liquidität vonseiten der Zentralbank als Lender of the last resort – die Geldmenge elastisch an die Geldnachfrage an. Das Problem dabei ist, dass es bei der Schuldenausweitung keinen Rückwärtsgang gibt. Durch die übermäßige Anhäufung von Schulden besitzt staatlich emittiertes Geld die Tendenz zur Entwertung und somit des Vertrauensverlustes.

Bitcoin hingegen ist nicht durch gesetzliche Verordnung, sondern durch Konvention innerhalb der Community als Teil der spontanen Ordnung entstanden. Dem Nutzerkreis wohnt dabei nicht nur das Vertrauen inne, dass die Bitcoins als Mittel des Tausches von den jeweils anderen akzeptiert werden und die Transaktionen gesichert sind; man vertraut auch auf die Wertaufbewahrungsfunktion der Bitcoins, da deren Angebot nachfrageunelastisch ist. Neue Bitcoins werden mithilfe eines transparenten Algorithmus produziert. Ein genauerer Blick erscheint lohnenswert:

Bitcoin basiert auf einem Peer-to-Peer-Netzwerk (P2P) und der sogenannten Blockchain, einer verteilten Datenbank, in der sämtliche Bitcoin-Transaktionen aufgezeichnet werden. Jede einzelne Transaktion muss vom Bitcoin-Netzwerk verifiziert werden, was derzeit durchschnittlich 10 Minuten dauert. Die Transaktion wird anschließend an die Blockchain angehängt, wobei jede Transaktion an die vorhergehenden angepasst wird, sodass es im Nachhinein unmöglich ist, eine Transaktion zu manipulieren. Eine Kopie der Blockchain wird in allen Knoten des Bitcoin-Netzwerks gespeichert und laufend aktualisiert. Die dafür nötige Rechenleistung wird vom Netzwerk der Miner bereitgestellt, die im Gegenzug neu erschaffene Bitcoins erhalten. Die Menge aller Bitcoins ist auf 21 Millionen begrenzt, sodass ab einem gewissen Zeitpunkt keine neuen Bitcoins mehr durch Mining geschaffen werden können. Bei Erreichen dieser Marke ist geplant, dass die Rechenleistung für die Verifizierung durch eine Transaktionsgebühr finanziert wird, die deutlich unter den Kosten einer konventionellen Transaktion liegen soll.

Bitcoin vs. Gold

Bitcoins sind zwar nicht dinglich unterlegt und müssen nicht erst wie Gold unter Einsatz von Kapital und Arbeit aus den Minen geholt werden, unterliegen aber dennoch nur einer geringen (und vor allem beschränkten) Inflation. Sie scheinen daher grundsätzlich gut dazu geeignet zu sein, um gegen die Inflation des staatlich emittierten Geldes zu hedgen. Insofern lassen sie sich grundsätzlich durchaus als moderne Alternative zu Gold verstehen.

Allerdings steckt die Währung noch in ihren Kinderstiefeln und sieht sich mit einigen noch zu lösenden Problemen konfrontiert. Hierzu zählen:

  • Die Marktmacht großer Mining-Pools mit professionellen Rechenzentren, auf die sich das Mining im Zuge einer rasanten Entwicklung des Hashing-Equipments mittlerweile konzentriert,
  • Die wachsende Größe der Blockchain, die den Bitcoin mitunter recht schwerfällig werden lässt,
  • Die Anfälligkeit für Hacks und technische Pannen oder der enorme Aufwand inklusive dem geistigen Aufwand, den Nutzer auf sich nehmen müssen, um auf die richtigen Verfahren zum Schließen von Sicherheitslücken zu setzen,
  • Die Anfälligkeit des Kurses durch politische Regulierungen oder die Marktmacht großer Miner, sowie
  • Die begrenzten Möglichkeiten, Bitcoins tatsächlich auszugeben.

Einige dieser Probleme gelten natürlich auch für Gold. Was dieses jedoch auszeichnet, ist ein Vertrauensvorsprung, der darauf beruht, dass das gelbe Edelmetall bereits seit Jahrtausenden auf der gesamten Welt und in den unterschiedlichsten Kulturkreisen Geldfunktion besitzt. Besonders in Krisenzeiten hat sich Gold als verlässlicher Wertspeicher erwiesen. Bitcoin hat zwar eine steigende Akzeptanz und ist in den letzten beiden Jahren deutlich weniger volatil geworden – die erste Finanzkrise, in der es sich bewähren muss, steht jedoch noch bevor.

Kombination Bitcoin und Gold

Sowohl um Bitcoin als auch um Gold hat sich in den letzten Jahren ein breit gefächertes Ökosystem an FinTech-Unternehmen gebildet, die an innovativen Lösungen rund um das Thema „Alternativwährungen“ arbeiten. Einige Startups probieren überdies, die Stärken von Bitcoin und Gold zu kombinieren.

Ein wesentlicher Nachteil von Gold gegenüber Bitcoin liegt in den hohen Transaktionskosten. Gold wird in größeren Mengen ausschließlich in Tresoren gelagert und nur selten und unter massiven Sicherheitsvorkehrungen von einem Ort zum anderen transportiert. Die Kosten, die dadurch anfallen, sind enorm – als alltägliches Zahlungsmittel ist Gold heutzutage im Prinzip völlig impraktikabel. Um an der Wertentwicklung des Edelmetalls ohne einen physischen Erwerb teilzuhaben, bieten sich goldbasierte Wertpapiere wie Gold-ETFs oder Aktien von Goldminen an. Doch während sich Wertpapiere dazu eignen, um Portfolios zu hedgen, sind sie für geringe, alltägliche Zahlungen unbrauchbar.

Mittlerweile gibt es aber Goldhändler, die gegen eine minimale Gebühr kleine Transaktionen zwischen ihren Konten anbieten. Dadurch ist es praktisch möglich, die Rechnung eines Kaffeehausbesuchs in Gold zu zahlen – vorausgesetzt, dass sowohl der Gast wie auch das Kaffeehaus ein Konto beim Anbieter besitzen.

Fazit

Bitcoin und andere Kryptowährungen befinden sich noch in der Betaphase und es ist sehr spannend, diese Entwicklungen zu verfolgen. Die Zeit wird es zeigen, ob sich neben Gold langfristig weitere Alternativwährungen etablieren können oder ob Kryptowährungen gar eine neue Ära mit einem revolutionierten Geldsystem einläuten. Insbesondere goldgedeckte Kryptowährungen sind spannend, da diese Gold wieder auf die Bühne der im Alltag verwendeten Zahlungsmittel zurückholen könnten.

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Ronald Stöferle ist seit 2013 Managing Partner und Investment Manager bei der Incrementum AG, wo er Investmentsfonds auf Basis der Prinzipien der Österreichischen Schule der Nationalökonomie verwaltet. Zuvor war er sieben Jahre lang im Research-Team der Erste Group Wien und begann schon 2006 seine jährlich erscheinenden “In GOLD we TRUST”-Studien zu veröffentlichen, die u.a. vom Wall Street Journal als “Goldstandard aller Goldpublikationen” bezeichnet wurden.

Mark Valek ist seit 2013 Partner und Investment Manager bei der Incrementum Liechtenstein AG, wo er Investmentsfonds auf Basis der Prinzipien der Österreichischen Schule der Nationalökonomie verwaltet. Davor war er über zehn Jahre lang bei Raiffeisen Capital Management tätig, zuletzt als Fondsmanager in der Abteilung Multi-Asset-Strategien, welche insgesamt über fünf Milliarden Euro verwaltete.

Im Juni 2014 ist das von ihnen und Rahim Taghizadegan verfasste Buch “Österreichische Schule für Anleger” im FinanzbuchVerlag erschienen – mehr Informationen hier.

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Hinweis: Die Inhalte der Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Ludwig von Mises Institut Deutschland wieder.

 

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