Der freie Markt: ein Segen, kein Fluch

27.11.2015 – von Murray N. Rothbard.

Murray N. Rothbard (1926 – 1995)

Viele Kritiker des freien Marktes beschweren sich darüber, dass sich dieser, indem er beispielsweise ineffiziente Unternehmer beseitigt, als „unpersönliches Monster“ zeigt. In der freien Marktwirtschaft, so sagen sie, gelte „das Gesetz des Dschungels“ und es herrsche das Gesetz des „Überleben der Stärkeren“. Libertäre, die den freien Markt befürworten, seien daher „Sozialdarwinisten“, die die Schwachen zugunsten der Starken auslöschen möchten.

Zunächst einmal übersehen diese Kritiker die Tatsache, dass die Funktionsweise des freien Marktes völlig anders ist als das Handeln eines Staates oder einer Regierung. Wenn eine Regierung handelt, so sind individuelle Kritiker machtlos, auf das Ergebnis Einfluss zu nehmen. Dies wäre nur dann möglich, wenn sie die Herrscher schlussendlich davon überzeugen könnten, ihre Entscheidung zu ändern; das kann lange dauern oder sogar unmöglich sein. Aber im freien Markt gibt es keine letzte Entscheidung, die mit Gewalt durchgesetzt wird; jeder Mensch hat die Freiheit, seine eigenen Entscheidungen zu treffen und damit die Ergebnisse des „freien Markts“ signifikant zu verändern.

Kurz gesagt, wer auch immer das Gefühl hat, der freie Markt sei gegenüber bestimmten Unternehmern oder anderen Einkommensempfängern zu grausam, hat die Freiheit, einen Hilfsfonds für angemessene Geschenke und Zuschüsse zu gründen. Jeder, der glaubt, es gäbe zu wenig Wohltätigkeitsorganisationen, hat die Freiheit, die Lücke selbst zu füllen. Wir dürfen den „Markt“ nicht als ein reales Wesen präsentieren – als etwas, das unkorrigierbare Entscheidungen fällt. Der Markt ist das Ergebnis der Entscheidungen aller Individuen in der Gesellschaft; Menschen können ihr Geld so ausgeben, wie sie wollen, und jegliche Entscheidungen betreffend sich selbst und ihr Eigentum treffen. Sie müssen nicht gegen etwas wie den „Markt“ ankämpfen oder etwas wie den „Markt“ überzeugen, bevor sie ihre Entscheidungen in der Praxis umsetzen können.

Der freie Markt ist tatsächlich das genaue Gegenteil der „Dschungel“-Gesellschaft. Das Hauptmerkmal des Dschungels ist der Krieg aller gegen alle. Da alle am Existenzminimum leben, gibt es einen wirklichen Kampf ums Überleben und die Stärkeren unterdrücken die Schwächeren. Aber im freien Markt wird ein Mensch seine Situation nur dadurch verbessern, indem er anderen Menschen dient, obwohl er sich auch zurückziehen und autark auf einem primitiven Niveau produzieren kann, wenn er das möchte. Genau diese friedliche Kooperation des Marktes ist es, die alle Menschen durch die Entwicklung der Arbeitsteilung und Kapitalinvestition begünstigt.

Das Prinzip des „Überleben des Stärkeren“ zeitgleich auf den Dschungel und den Markt anzuwenden, kommt dem Ignorieren einer einfachen Frage gleich: Stark sein wofür? Die „Starken“ im Dschungel sind diejenigen, die am bewandertsten darin sind, rohe Gewalt anzuwenden. Die „Starken“ im Markt sind diejenigen, die am bewandertsten darin sind, der Gesellschaft zu dienen. Der Dschungel ist ein brachialer Ort, an dem manche andere bestehlen und alle am Hungerniveau leben; der Markt ist ein friedlicher und produktiver Ort, wo alle gleichzeitig sich selbst und anderen dienen und auf einem unendlich höheren Niveau leben. Im Markt können die Großzügigen Hilfe leisten – ein Luxus, der im Dschungel nicht existieren kann.

Der freie Markt verwandelt den zerstörerischen Dschungel-Wettbewerb von einem ärmlichen Existenzminimum in einen friedlichen kooperativen Wettbewerb, im Dienst für sich selbst und andere. Im Dschungel gewinnen einige nur auf Kosten anderer. Im Markt gewinnen alle. Es ist der Markt – die Vertragsgesellschaft – der aus Chaos Ordnung schafft, der die Natur kultiviert und den Dschungel auslöscht. Der Markt ermöglicht es den „Schwachen“, produktiv oder aus den Früchten der Produktion, im Vergleich zu den „Starken“ im Dschungel, wie die Könige zu leben. Und indem er den Lebensstandard anhebt, ermöglicht es der freie Markt den Menschen, die Freizeit zu haben, um genau die zivilisatorischen Werte zu kultivieren, die sie von den Barbaren abgrenzen.

Es ist Etatismus, der das Gesetz des Dschungels – Konflikt, Disharmonie, Klassenkampf, Eroberung und den Krieg aller gegen alle – zurückbringt. Anstelle des friedlichen „Kampfes“ im Wettbewerb im gegenseitigen Dienst bringt Etatismus kalkulatorisches Chaos und den Todeskampf des sozialdarwinistischen Wettbewerbes um politische Privilegien und eine begrenzte Existenz.

[Aus „Man, Economy, and State”, 1962, Kapitel „Back to the Jungle?“. Aus dem Englischen übersetzt von Vincent Steinberg.]

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Murray N. Rothbard wurde 1926 in New York geboren, wo er an der dortigen Universität Schüler von Ludwig von Mises wurde. Rothbard, der 1962 in seinem Werk Man, Economy, and State die Misesianische Theorie noch einmal grundlegend zusammenfasste, hat selbst diese letzte Aufgabe, die Mises dem Staat zubilligt, einer mehr als kritischen Überprüfung unterzogen.

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Hinweis: Die Inhalte der Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Ludwig von Mises Institut Deutschland wieder.

 

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