Das Ende der Geldplanwirtschaft

4.6.2014 – Sechs Jahre realer Nullzinspolitik, auf die nun immer verzweifeltere Marktinterventionen der Zentralbanken folgen, haben die Wirtschaftsstruktur massiv verzerrt

Rahim Taghizadegan

von Rahim Taghizadegan.

Nach dem Untergang des Sowjetimperiums schienen die Tage der Planwirtschaft vorbei zu sein. Doch im wohl wichtigsten Bereich hat die Planung überlebt und gewinnt noch an Bedeutung: bei der Steuerung von Zinsen, Geldmengen und Preisen durch die Zentralbanken. Die Begründung ist durchaus plausibel: Anstelle einer direkten Wirtschaftslenkung sollten unabhängige Zentralbanken bloß eine Rahmensteuerung vornehmen, indem vorübergehende Liquiditätsengpässe ausgeglichen werden. Da es in einer realen Wirtschaft weder Gleichgewicht noch Vorhersagbarkeit gibt, braucht es in der Tat kluge Pläne. Die Frage ist jedoch: Auf wessen Pläne kommt es an?

Wirtschaftskrisen sind Zeitpunkte, zu denen sich viele Pläne als falsch erweisen. Wenn viele Unternehmer auf einmal irren, liegt es nahe, die Lösung in klugen Rahmenplänen zu suchen, die Phasen des Irrtums ein wenig dämpfen und den ernüchterten Unternehmern und Konsumenten durch billigeres Geld wieder Mut machen. Die Kunst der Zentralbanken läge nun darin, solche Liquiditätsspritzen gut zu dosieren und sie, nachdem der Wirtschaftsmotor wieder angesprungen ist, langsam zurückzunehmen. Das ist gewiss nicht leicht, doch was sollte auch die Alternative sein?

Der Fehler der Planwirtschaft lag nicht in ihren Plänen, sondern im systematischen Verunmöglichen des Planens. Erdacht wurde sie als Gegenentwurf zum «verschwenderischen Chaos» der Märkte. Doch wider alle Erwartungen nahmen Chaos und Verschwendung zu. Und das lag gar nicht bloß an mangelnder Klugheit und Aufrichtigkeit der Planer. Selbst die Klügsten mit den besten Absichten scheitern letztlich am eigentlichen Kernproblem: Das Ersetzen der dezentralen Pläne unzähliger Marktakteure durch das konzentrierte Planen zentraler Behörden ändert die Wirtschaftsstruktur und damit die Grundlage des Planens. Wenn nicht mehr die Wünsche, Pläne, Entscheidungen und Irrtümer der Menschen über die Tauschverhältnisse bestimmen, drücken die Preise nicht mehr reale Knappheiten und Bedürfnisse aus. Die Folge ist eine wachsende Verzerrung der Wirtschaftsstruktur, die sich immer weiter von den Präferenzen der Menschen entfernt. Einem Mangel an den Dingen, die sich die Menschen wünschen, steht dann ein Überfluss an Unerwünschtem gegenüber.

Die Stabilisierung destabilisiert

Warum sollte diese Einsicht für die Geldplanwirtschaft keine Gültigkeit haben? Sobald Zinsen, Renditen und Preise von Finanztiteln überwiegend die Folge zentraler Pläne und nicht mehr der Abstimmung dezentraler Wünsche und Möglichkeiten sind, ändert sich das Fundament all dieser Planung: die reale Wirtschaftsstruktur. Die vermeintliche Stabilisierung der Märkte macht diese langfristig empfindlicher, abhängiger und fragiler. Sechs Jahre realer Nullzinspolitik, auf die nun immer verzweifeltere Marktinterventionen der Zentralbanken folgen, haben die Wirtschaftsstruktur massiv verzerrt. Die Zinsen verraten nichts mehr über die Sparneigung der Menschen, die Gewinne haben immer weniger mit unternehmerischem Geschick, die Renditen immer weniger mit guter Voraussicht, die Investitionen immer weniger mit zukünftigen Konsumentenwünschen zu tun. Die meisten Anleger hängen an den Lippen der Zentralbanker wie einst Betriebe an den Verlautbarungen von Gosplan und stecken dabei in einem großen Dilemma: Solange die Pläne ihre eigenen Grundlagen noch nicht gänzlich untergraben haben, ist es wirtschaftlicher Selbstmord, sich gegen sie zu stemmen – Mitläufer der Inflationierung haben den höchsten Ertrag. Sobald aber die Grundlage der Planung bricht, indem der Kontrollverlust der Planer offenkundig wird, spült es die Mitläufer weg. Dann kommt die Stunde der wenigen, die gegen den Strom verharren konnten und noch liquide sind.

Leider lässt sich der Moment des Kontrollverlusts nicht vorhersagen. In den Zeiträumen davor treibt die Achterbahnfahrt zwischen verpassten Einstiegs- und Ausstiegschancen die Anleger in den Wahnsinn. Ihre Abhängigkeit von den Planungsentscheidungen wird immer größer. Die Politik der Zentralbanken zeigt dann die gleichen Schwierigkeiten wie die planmäßige Versorgung eines Abhängigen mit Heroin. Zunächst mag der Organismus noch euphorisch reagieren. Nach längerer Abhängigkeit schwächt sich der Effekt jedoch immer mehr ab. Der langfristige strukturelle Raubbau am Organismus beginnt die kurzfristig euphorisierende Wirkung in den Hintergrund zu drängen. Doch jedes behutsame Absetzen der Droge zeigt starke Entzugserscheinungen.

Dem Patienten auf Entzug geht es vorübergehend schlechter als je zuvor. So ist es auch in der Geldpolitik: Jedes vorsichtige Zurückfahren (in den USA sagt man Tapering) der derzeitigen Interventionen (Quantitative Easing) bringt den Schuldenturm zum Wackeln und zeigt seine Instabilität. Der Kontrollverlust ist nahe, denn mittlerweile überwiegen schon die deflationären Effekte der inflationären Politik: Das Aufkaufen von Schuldtiteln führt zu einem Sog, der weitere Mittel aus der Realwirtschaft abzieht. Das vergrößert wiederum den politischen Druck, den Entzug sofort abzublasen und dem Abhängigen weitere Spritzen zu verabreichen. Doch je länger die Planungsillusion aufrechterhalten wird, desto größer der Schaden für die Kapitalstruktur. Ludwig von Mises warnte 1928 hinsichtlich der Geldplanwirtschaft: «Es ist also nicht zu vermeiden, dass früher oder später (…) die Krise zum Ausbruch kommen muss. Je später nun die Krise ausbricht, je länger die Periode war, in der durch die Ausgabe zusätzlicher Umlaufsmittel die Kalkulation der Unternehmer irregeleitet war, und je größer diese zusätzliche Menge gewesen war, desto mehr Produktionsmittel wurden in der Zwischenzeit in Verwendungen festgerannt, die nur unter der Herrschaft des künstlich ermäßigten Zinsfusses als rentabel schienen (…) Durch verfehlte Kapitalanlage sind große Verluste entstanden.»

Was ist nun die Alternative? Vom Planungsskeptiker darf man keinen alternativen Wirtschaftsplan erwarten. Er betrachtet die Wirtschaft so wie ein Ökologe ein fragiles Ökosystem, dessen Selbstorganisation nicht beliebig durch Interventionen von außen ersetzt werden kann. Die Alternative zur Geldplanwirtschaft ist keine fertige Patentlösung, sondern ein Entdeckungsprozess, dessen Ergebnisse offen sind.

Keine Heilung ohne Selbstheilung

Wettbewerb, also der Wettstreit unzähliger Pläne anstelle eines Zentralplans, sollte auch auf den Bereich des Geldes und des Bankwesens ausgedehnt werden. Gerade die Vorschriften und Interventionen, die der Stabilität und dem Anlegerschutz dienen sollen, verhindern das Entdecken von Alternativen und das Lernen aus Fehlern. Kredit, Geld und Spekulation geraten zunehmend in Verruf, sodass nach der Geldplanwirtschaft wieder totalitäre Wirtschaftssteuerung droht.

Kein alternativer Plan, keine alternative Zentralbankpolitik vermag das akute Dilemma aufzulösen und die Strukturschäden ungeschehen zu machen. Kein Zentralplan kann Unternehmer zu fruchtbaren Investitionen bewegen, wenn sie nicht mehr planen können. Politische Pläne hintertreiben unternehmerische Pläne; die ohnehin hohe Ungewissheit in der Wirtschaft wird noch künstlich erhöht. Die einzige Alternative zur Planwirtschaft ist das Beseitigen von Hindernissen, die der Initiative und Kreativität derer im Weg stehen, die von der Schuldenaufblähung unabhängige Werte schaffen oder Alternativen zu Geldmonopol und Bankenkartell entwickeln. Die einzige Hoffnung ist, dass das Gesunde schneller wächst, als das Kranke abstirbt. Quacksalber mögen Wundermittel verschreiben, seriöse Ärzte aber wissen: Letztlich ist jede nachhaltige Heilung der Selbstheilungskraft geschuldet.

Dieser Beitrag ist am 17.4.2014 zuerst auf der Internetseite der “Finanz und Wirtschaft” erschienen.

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Rahim Taghizadegan ist Wirtschaftsphilosoph und Gründer des unabhängigen Instituts für Wertewirtschaft in Wien. Er lehrte unter anderem an der Universität Liechtenstein, der Wirtschaftsuniversität Wien, der Universität Halle und der SMC University. Zudem veröffentlichte Taghizadegan zahlreiche Publikationen zum Thema und hält Vorträge zur Österreichischen Schule der Ökonomie im In- und Ausland.

Im Juni erscheint sein neues Buch “Österreichische Schule für Anleger” im FinanzbuchVerlag – mehr Informationen hier.

 

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