Die Irrtümer der keynesianischen „Mainstream-Ökonomen“
31.3.2014 – von Christoph Braunschweig.
Die makroökonomischen Standardmodelle sind sämtlich an den Klippen der Realität zerschellt. Die Makroökonomen befinden sich in einem riesenhaften „szientistischen Leerlauf“ (Wilhelm Röpke) und können mit all ihren spitzfindigen Modellen und beeindruckenden mathematisch-statistischen Formeln die wirtschaftliche Wirklichkeit nicht einfangen. Man betreibt einen regelrechten Messbarkeitswahn der Wirtschaft, ohne sie wirklich zu verstehen. „Heute, in einer Zeit der immer weiter vordringenden Staatsomnipotenz und Politisierung, ziehen sich manche Volkswirte in das Revier mehr oder weniger interessanter Spezialtheorien zurück und lassen die praktische Wirtschaftspolitik ratlos hinter sich zurück“ (Hans Willgerodt). Die Hyperspezialisierung vor allem der jüngeren Wirtschaftswissenschaftler erklärt ihre oft auffällige „Ignoranzkompetenz“ (Caspar Hirschi). Je kleinteiliger sie arbeiten, desto stärker sind sie den Kräften ihres eigenen Nichtwissens ausgeliefert. Mit ihren brillanten ökonometrischen Modellen beeindrucken sie sich gegenseitig, doch den Bezug zur Realität haben sie längst verloren. Deshalb ist es auch nicht verwunderlich, dass sich gerade die jüngeren Wirtschaftswissenschaftler auffällig aus der aktuellen wirtschaftspolitischen Diskussion heraushalten. So hat denn auch kein einziger Vertreter dieser „Mainstream-Ökonomen“ die Finanzkrise vorhergesagt. Sie erkennen nicht, dass alle drückenden Probleme unserer Gesellschaft mit Tätigkeiten des Staates zusammenhängen (Murray N. Rothbard). Sie glauben, dass man den Begriff „Sparen“ durch den Begriff „Kredit“ ersetzen könne. Sie glauben, dass das Sparen nicht mehr nötig sei, weil man ja beliebig Kredit durch „deficit-spending“ schaffen kann. Seit Keynes ist die Ökonomie laut Roland Baader diesbezüglich in gewissem Sinne regelrecht versumpft. Der Großteil der Makroökonomie der vergangenen Jahrzehnte war deswegen bestenfalls spektakulär nutzlos und im schlimmsten Fall sogar sehr schädlich.
Die keynesianische Staatsverschuldungsmanie und Interventionsgläubigkeit haben langfristig fatale Folgen, aber sie liefern den politischen Eliten eine pseudowissenschaftliche Begründung für ihre schamlose Schuldenpolitik im Rahmen ihrer „Wählerbestechungsdemokratie“. Die gesamte politische Klasse will nicht vom beliebig vermehrbaren Geld ablassen, weil es die finanzielle Grundlage ihres Geschäftes Wählerbestechung ist. Die Bürger selber lieben das „easy Money“, weil sie sich damit Wünsche in der Gegenwart erfüllen können, für die sei eigentlich lange sparen müssten und weil sich ihre Immobilien- und Wertpapier-Vermögen damit inflationär aufblähen und ihnen das (irrtümliche) Gefühl des ständig Reicherwerdens vermitteln. Die Zentralbanken lieben das „easy money“, weil sie damit Regulierungspotenz über die gesamte Volkswirtschaft gewinnen und das von ihnen kontrollierte Bankensystem ins Gigantische ausdehnen können.
Worin liegt die besondere Kompetenz der „Österreichischen Schule der Nationalökonomie“ begründet? Die „Österreichische Schule“ unterscheidet sich von der formalisierten „Mainstream-Ökonomie“ durch ihren erkenntnisbezogenen, epistemologischen Zugang, der jeder Objektivierung und Messbarkeit widersteht, weil er reale Menschen als freie Akteure in den Mittelpunkt rückt. Die „Austrians“ brauchen deshalb weder vollständig rationale noch irrationale Menschen für die Erklärung des wirtschaftlichen Geschehens; ihr Denkansatz arbeitet mit Menschen, die im großen und ganzen nach den ewigen ökonomischen Gesetzmäßigkeiten der Knappheit, der Knappheitsüberwindung und des Strebens nach Gewinn handeln, mit Menschen also, wie sie nun mal sind. Dabei können die Wirtschaftssubjekte jeweils ganz unterschiedliche, ja widersprüchliche zeitliche, geldmäßige und sonstige Vorstellungen haben. Die „Austrians“ benötigen deshalb auch keine hochgestochenen mathematischen Theoriemodelle, weder Globalgrößen noch Durchschnittsgrößen (die sowieso nicht aufeinander wirken), sondern vielmehr ihren ökonomisch geschulten und geschärften Verstand. Zentral ist für die „Austrians“ die Erkenntnis, dass Wissen durch den Marktprozess selbst entsteht und somit alle wirtschaftliche Abläufe einer dynamischen Unsicherheit unterliegen.
Die Keynesianer erkennen nicht, dass die Instabilität der Marktwirtschaft eine Folge davon ist, dass die wichtigsten Regulatoren des Marktmechanismus, nämlich Geld und Zins, ihrerseits vom Marktprozess ausgenommen sind. Die ganze Wirtschaftsrechnung einer Volkswirtschaft ist dann zwangsläufig aufgrund der Absenz von freien Preisen als Knappheitsanzeiger im Sinne der Ressourcenallokation gestört. Denn es kommt auch in der Rezession nur auf die relativen Preise (das Verhältnis der Preise zueinander, Preisspannen) bzw. auf die strukturelle Relation von Konsum- und Investitionsgütersektor an. Die Vernachlässigung des Problems, die Produktionsstruktur der Volkswirtschaft durch relative Preise zu ordnen, ist die entscheidende Ursache für das Versagen der herkömmlichen makroökonomischen Theorie. Denn die Produktionsstrukturen und ihre Veränderung im Konjunkturverlauf werden von den relativen Preisen gesteuert, nicht jedoch, wie von den Keynesianer behauptet, vom allgemeinen Preisniveau. Rezession stellt also stets ein Strukturproblem dar, die absolute Höhe der (gesamten) Nachfrage ist nicht entscheidend. Die Zeit ist das zentrale Element, um den Produktionsprozess einer Volkswirtschaft zu verstehen. Gerade die Zeit, die von der Investition bis zur Produktion von Konsumgütern vergeht, bedeutet, dass der Konsument bis dahin mit seinem Konsum wartet; ansonsten steigen die Preise. Je unwichtiger den Verbrauchern der Gegenwartskonsum im Vergleich zum Konsum in der Zukunft ist, desto höher ist ihre Sparneigung und desto niedriger ist der natürliche Zins. Natürliche Zinsveränderungen korrelieren also mit einer entsprechenden Veränderung der Wirtschaftsstruktur.
Ein künstlich gedrückter Zins bewirkt eine relativ zu den freiwillig aufgebrachten Sparmitteln zu kapitalintensive Produktion. Denn der Zins regelt die Umverteilung von der Produktion für heutige Konsumgüter für den Konsum von morgen. Sinkt der natürliche Zins, so zeigt dies an, dass die Verbraucher bereit sind, auf Konsum heute zu verzichten, ihre Sparneigung also verstärken, um eine höhere Produktion morgen zu ermöglichen. Veränderungen des natürlichen Zinses zeigen demnach die jeweilige Veränderung der Wirtschaftsstruktur (zwischen Produktions- und Konsumsektor) an und führen zu gleitenden Anpassungsmaßnahmen in der Wirtschaftsstruktur, aber nicht zu den ausgeprägten und ruckartigen Konjunkturschwankungszyklen wie sie durch manipulierte Zinsmaßnahmen im Rahmen der keynesianischen „deficit-spending-Politik“ erzeugt werden.
In der Realität beruht die Produktionsstruktur auf einem Netzwerk von Tausenden von Unternehmen, die mit und nebeneinander agieren. Ohne eine Vorstellung davon zu haben, wie dieser Produktionsprozess abläuft, ist es unmöglich, sinnvolle Aussagen über die Wirkung entsprechender wirtschaftspolitischer Maßnahmen zu treffen. Bei Keynes laufen diese Prozesse synchron und ohne Zeitverzögerung, was aber eben nicht der Realität entspricht.
Das keynesianische „deficit-spending“ ist demnach eine Geldschöpfung in falschen Preisen, d. h. ein durch „deficit-spending“ gedrückter Zins führt zwangsläufig zu verfälschten Spar- und Investitionsentscheidungen. Da die Preise sich nicht alle gleichmäßig und mit gleicher Geschwindigkeit verändern, wird es für Unternehmen immer schwieriger, Bleibendes von Vorübergehendem zu unterscheiden und ihre Betriebskosten oder die Nachfrage der Verbraucher zu beurteilen. Indem inflationäre Gewinn erzeugt werden und die Wirtschaftsrechnung verzerrt wird, wird der freie Markt davon abgehalten, ineffiziente Investitionen zu verhindern und effiziente zu belohnen. Das führt zu Vermögenpreisblasen und verstärkten Konjunkturausschlägen. Wenn Kapital durch künstlich zu niedrig gesetzte Zinsen keinen (richtigen) Preis mehr hat, sind Fehlinvestitionen und Kapitalverschwendung die logische Folge. Früher oder später muss deshalb die Geldschöpfung aufhören, sich der Geldzins wieder normalisieren und das natürliche Gleichgewicht zwischen Sparen, Investieren und Konsumieren wieder hergestellt werden. Nach der (künstlichen) Verlängerung der Produktionsperiode im Aufschwung muss es dann zu einer scharfen Rezession kommen, damit sich die Produktionsstruktur wieder an das Ausmaß der freiwillig verfügbaren Sparmittel anpassen kann. Denn der „keynesianisch“ erzeugte Boom ist ein rein monetäres Phänomen, die sich zwangsläufig anschließende Rezession die notwendige Strukturanpassung. Deshalb ist es unsinnig, strukturelle Verwerfungen monetär bekämpfen zu wollen. Die Krise ist also nicht das Problem, sondern die Folge des Problems. Ebenso ist ein Börsencrash nicht das Problem, er zeigt vielmehr, dass die Marktakteure von der inflationären Scheinwelt Abschied nehmen und sich wieder auf die Realität besinnen.
Die Vorstellung, auf der die gesamte Keynes`sche Analyse beruht, wonach die Beziehungen zwischen Endnachfrage und Beschäftigung sich so darstellt, als sei sie dem Verhältnis zwischen dem am Ende einer Röhre ausgeübten Sog und dem am anderen Ende angesaugten Zustrom analog, ist falsch und irreführend. Zwischen den beiden Enden liegt vielmehr ein elastisches oder veränderbares Reservoir, dessen Größe von einer ganzen Reihe von Umständen abhängt, die in der Analyse von Keynes weitgehend vernachlässigt werden. Das fortwährende Einpumpen zusätzlichen Geldes an Punkten des ökonomischen Systems, an denen es vorübergehend Nachfrage erzeugt, die allerdings aufhören muss, wenn die Vermehrung de Geldmenge endet oder sich verlangsamt, dazu die Erwartung ständiger Preissteigerungen, zieht die Arbeit und andere Produktionsmittel in Beschäftigungen, die nur solange dauern können, als die Vermehrung der Geldmenge in demselben Ausmaß andauert – oder vielleicht nur solange, als sie sich mit einer bestimmten Rate weiter beschleunigt. Was diese Politik hervorbringt, ist nicht so sehr ein Beschäftigungsniveau, das auf andere Art und Weise nicht hätte zustande gebracht werden können, als vielmehr eine Verteilung der Beschäftigung, die nicht unbegrenzt aufrechterhalten werden kann, die bald zu einer rezessiven Anpassung zwingt. Arbeitslosigkeit zeigt an, dass die Struktur der relativen Preise und Löhne verzerrt worden ist und das zur Wiederherstellung der Übereinstimmung von Angebot und Nachfrage vom Faktor Arbeit in allen Sektoren entsprechende Änderungen der relativen Preise sowie eine Umlenkung der Arbeit in effizientere Verwendung notwendig ist. (Ludwig von Mises)
Neben dem Unverständnis der Wirkung relativer Preise auf den Konjunkturverlauf, können die „Keynesianer“ auch die Herkunft von Bankeinlagen der Anleger nicht erklären, sie setzen diese einfach als gegeben voraus und behaupten fälschlicherweise, dass zu viele Ersparnisse und zu wenig Investitionsmöglichkeiten den realen Zins unter die Nulllinie drücken würden. Doch jeder Bankauszubildender weiß natürlich, woher die Einlagen kommen: Es ist der Kredit, der Einlagen schafft, und es sind nicht Einlagen, die als Kredite verliehen werden. Und die Kreditnachfrage ist folglich dann gering und der Zins niedriger, wenn zuvor zu viel und falsch investiert wurde, somit also zunächst eine Bereinigungsphase erfolgen muss (Thomas Mayer).
Quellenhinweise:
Roland Baader: Geldsozialismus, Gräfeling 2010
Christoph Braunschweig: Wohlfahrtsstaat – leb wohl!, Münster/Berlin 2014
Richard M. Ebeling: The Austrians Theory of the Trade Cycle, Create Space Independent Publishing Platform, 1996
Thomas Mayer: Europas unvollendete Währung, Weinheim 2013
Ludwig von Mises: Theorie des Geldes und der Umlaufsmittel, 2. Auflg., Berlin 2005
Thorsten Polleit u. Michael von Prollius: Geldreform: Vom schlechten Staatsgeld zum guten Marktgeld, 2. Auflg., Düsseldorf 2011
Murray Newton Rothbard: Das Schein-Geld-System, 2. Auflg., Gräfeling 2005
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Christoph Braunschweig ist ehemaliger studentischer Hörer von Friedrich A. von Hayek und heute Professor der Staatlichen Wirtschaftsuniversität Jekaterinburg. Er ist Autor zahlreicher Fachbücher und war unter anderem als Geschäftsführer im Medien-Handelsbereich tätig.