Die wahre Armutsfalle

14.5.2014 – Rezension: „Warum andere auf Ihre Kosten immer reicher werden“ kritisiert die Fundamente unseres staatlichen Geldsystems

von Christoph Braunschweig.

Christoph Braunschweig

Irgendwann merken die Einwohner eines kleinen fiktiven Dorfes, dass es viel einfacher ist, Schuhe oder Kartoffeln gegen Geld zu tauschen als gegeneinander. Jeder akzeptiert kleine Goldplättchen, weil diese einen inneren Wert besitzen. „Die Menschen gehen nach und nach dazu über, Waren nicht mehr direkt gegen Waren zu tauschen, sondern sie setzen immer häufiger ihr Gold als Tauschmittel ein.“

So oder so ähnlich ist vor ein paar tausend Jahren das Geld entstanden. Philipp Bagus und Andreas Marquart erläutern in ihrem Buch „Warum andere auf Ihre Kosten immer reicher werden“ die Entstehungsgeschichte des Geldes.

Erfreulicherweise ist das Buch keine theoretisch-wissenschaftliche Abhandlung, auch kein herkömmliches Lehrbuch, sondern eine ebenso unterhaltsame wie informative ökonomische Aufklärungsschrift.

Denn die Autoren lassen wirklichkeitsnahe Figuren in einer beispielhaft gedachten Welt der einfachen Hauswirtschaft auftreten: den Schmied, der Goldmünzen prägt, die Hausfrau, die mit Gold einkaufen geht, den König, der den Goldgehalt heimlich verwässert, um sich als sozialer Wohltäter aufzuspielen. Den beiden Autoren gebührt besonderes Lob, denn nichts ist so schwierig wie die einfache Erklärung komplexer Sachverhalte. In der Tat reicht gesunder Menschenverstand für die Lektüre dieses Buches völlig aus.

In neun logisch aufgebauten Kapiteln erfährt der Leser alles wirklich Wichtige über die Ursachen, Hintergründe und Zusammenhänge der meisten Probleme unserer Gesellschaft: nämlich über das fehlkonstruierte Geld- und Finanzsystem – vor allem über das staatliche Geldmonopol.

Lenin soll einmal gesagt haben: Um die bürgerliche Gesellschaft zu zerstören, muss jemand nur ihr Geldwesen zerstören. Und Friedrich August von Hayek betrachtete auch deswegen die Geschichte des Geldes als eine Geschichte von unablässigem Lug und Betrug.

„Der Keim der Zerstörung ist dem staatlichen Papiergeldsystem in die Wiege gelegt. Geldschöpfung mittels Kreditausweitung führt zur konjunkturellen Scheinblüte. Wird der Weg der fortgesetzten Zinssenkungen und immer stärkeren Geldmengenausweitung fortgesetzt, werden die Menschen das Vertrauen in das Geld verlieren. Am Ende dieses Weges steht der unvermeidliche Zusammenbruch des Geldsystems“, lauten einige Kernsätze dieses Buches.

Der Leser wird über das bestehende staatsmonopolistische Geldsystem – Entstehung, Aufgaben und Funktionen, staatliche Lenkung, die Folgen der politisch induzierten Geldmengenausweitung, wie zum Beispiel wachsende soziale Ungleichheit sowie die Schädigung der Institution Familie – systematisch und fundiert aufgeklärt.

Wer unser fehlkonstruiertes Geld- und Finanzsystem wirklich verstehen will, ist hier genau richtig. Der Leser erfährt, warum Politik, Massenmedien und viele „Mainstream-Ökonomen“ die Diskussion über diese Thematik streng tabuisieren: Zu viele Akteure profitieren vom Staatsgeldsystem.

Denn das Staatsgeldsystem ist die Grundlage der schamlosen Schuldenpolitik im Rahmen der Wählerbestechungsdemokratie. Doch für viele Bürger wird der überschuldete Sozialstaat letztlich zur Armutsfalle. Sodann kommt der Staat daher und stellt eine soziale Ungleichheit fest.

Moral und Verantwortung gehen verloren

Dann schwingt er sich selbst zum Retter von sozialen Problemen auf, die er selbst geschaffen hat. Es ist nicht der freie Markt, der versagt, sondern das staatliche Zwangsgeld, das den Wirtschaftskreislauf systematisch vergiftet. Indem der Staat seinen Bürgern einredet, die Sozialpolitik durch steuer- und schuldeninduzierte Umverteilung sei gerecht und damit recht, macht er sie zu Mittätern, denen auch im privaten Bereich das Gefühl für Recht, Moral und Eigenverantwortung verlorengeht. So wird der Bürger zum entmündigten Sozial-Untertan der politischen Klasse.

Der unterhaltsam gewählte Erzählstil und der Gebrauch des Stilmittels einer beispielhaften „Einfachwelt“ führen zu einem verblüffend schnellen Zugang und Verständnis der anspruchsvollen Materie. Farblich abgesetzte Zusammenfassungen am Ende jedes Kapitels erleichtern dem Leser zusätzlich das Textverständnis.

Im Prinzip ist den beiden Autoren damit ein didaktisch hervorragendes Repetitorium gelungen: Einmal gelesen – und der Inhalt bleibt wirklich hängen. Mehr kann der Leser von einer „Allgemeinen Einführung in die Österreichische Schule der Nationalökonomie“, die dieses Buch tatsächlich beinhaltet, wahrlich nicht erwarten. Der populär formulierte Titel des Buches wird hoffentlich tatsächlich eine größere Leserschaft ansprechen als nur das Fachpublikum.

Zeitgeist-Ökonomen missverstehen das Geschehen

Die Lektüre dieses ebenso unterhaltsamen wie provokant-tiefsinnigen Buches kann nur wärmstens empfohlen werden – vor allem dem wissensmanipulierten Normalbürger, aber auch allen jungen Studenten der Wirtschaftswissenschaften, die heute an den staatlichen Hochschulen von diesen grundlegenden Zusammenhängen nichts erfahren und deshalb die wirtschaftliche Wirklichkeit (trotz aller hochgestochenen mathematischen Modelle) letztlich nicht verstehen.

Die modernen „Mainstream-Ökonomen“, deren keynesianische und neo-klassische Gleichgewichtsmodelle längst an den Klippen der wirtschaftlichen Realität zerschellt sind, mögen sich bei der Lektüre äußerst unwohl fühlen – wie auf einem heißen Grill festgebunden. Aber nach dieser Lektüre werden sie wohl vieles mit anderen Augen sehen.

In die zweite Auflage könnten die beiden Autoren noch die neue Thematik des digitalen Internetgeldes aufnehmen sowie die Idee der Einführung einer Parallelwährung als Lösungsvorschlag im Rahmen der Euro-Krise aufgreifen.

Das Buch ist am 9. Mai im FinanzBuch Verlag München erschienen, ISBN 978-3-89879-857-0, 192 Seiten.

Dieser Beitrag ist zuerst in der Wochenzeitung JUNGE FREIHEIT, Ausgabe 18/14 erschienen.

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Christoph Braunschweig ist ehemaliger studentischer Hörer von Friedrich A. von Hayek und heute Professor der Staatlichen Wirtschaftsuniversität Jekaterinburg. Er ist Autor zahlreicher Fachbücher und war unter anderem als Geschäftsführer im Medien-Handelsbereich tätig.

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