Leben und Gesellschaft in Freiheit – wie es funktionieren kann

21.3.2018 – Bericht über das 4. Ludwig von Mises Seminar „Die Österreichische Schule der Nationalökonomie – von der Theorie in die Praxis“.

von Andreas Tiedtke.

Andreas Tiedtke

Die theoretischen Grundlagen der österreichischen Schule der Nationalökonomie sind seit rund 100 Jahren etabliert, als Carl Menger (1840 – 1921) mit der subjektiven Werttheorie das Verständnis der Ökonomik von „Wert“ revolutionierte. Und Ludwig von Mises (1881 – 1973) beschrieb in seinem Meisterwerk Human Action, welche Kräfte in der menschlichen Gesellschaft wirken, wenn den Menschen das freie Wirtschaften gestattet ist. Alleine: Politiker, Ideologen und Demagogen sorgten bislang dafür, dass es den Menschen weitgehend verwehrt blieb, nach ihren Präferenzen zu handeln. Durch Steuern, Zölle, Preisfixierung, Zwangsbeiträge etc. zwingen sie die Menschen, sich nicht gemäß ihren eigenen Präferenzen, sondern nach den Befehlen der Obrigkeit zu verhalten.

Es gibt daher auch nur wenig Erfahrung, wenig Anschauungsmaterial, das zeigen könnte, wie ein System der freien Märkte in der Praxis funktionieren würde. Doch die theoretischen Grundlagen der Österreichischen Schule der Nationalökonomie in der Tradition von Ludwig von Mises erlauben es zu skizzieren, wie sich eine pro-soziale Gesellschaft entwickeln und aussehen könnte, also eine Gesellschaft, die durch die Abwesenheit eines aggressiv eingreifenden Staates gekennzeichnet ist. Dieser Aufgabe hat sich das vierte Seminar des Ludwig von Mises Institut Deutschland, das am 9. und 10. März 2018 in Kronberg im Taunus stattfand, gewidmet. Es ging damit um die Frage, wie die Lehren der Österreichischen Schule der Nationalökonomie sich in der Praxis verwirklichen lassen.

Wer aber baut Krankhäuser, wer kümmert sich um Umweltschutz, Waisen, Bildung und Armenfürsorge in Abwesenheit eines Akteurs, der mit Drohung und Zwang vorgeht? Der Vorstand des Instituts, Andreas Marquart, brachte in seinen einleitenden Worten einige der Vorbehalte zur Sprache, die viele gegen die Idee einer „staatslosen Gesellschaft“ reflexartig vorbringen. Angesichts der immer drängenderen wirtschaftlichen und politischen Problemen wies er jedoch darauf hin, dass es nun darauf ankommt, die richtigen Ideen zu verbreiten: Denn die Menschen werden angesichts der aufgelaufenen und sich vermutlich noch weiter verschlimmernden wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Missstände Ausschau halten nach Lösungen. Deshalb muss die Praxisrelevanz der Lehre der Österreichischen Schule bekanntgemacht werden.

Leitete und moderierte das 4. Ludwig von Mises Seminar: Vorstand Andreas Marquart

 

Praxeologie – eine Theorie der Freiheit

Der Philosoph Professor Dr. Rolf W. Puster von der Universität Hamburg erläuterte die „Hamburger Deutung“ der Praxeologie Ludwig von Mises’, einer Theorie der Freiheit. Als einer der wenigen „professionellen“ Philosophen in Deutschland hat Puster sich eingehend mit den erkenntnistheoretischen Grundlagen von Mises‘ Praxeologie befasst. Einen wichtigen Beitrag dazu findet man unter dem Titel „Dualismus und ihre Hintergründe. Ein Hinführung zu Ludwig von Mises‘ Theorie und Geschichte“, verfasst als Vorwort zu Mises‘ gleichnamigem Buch (2014). In einem auf www.misesde.org erschienen Interview hatte Puster bereits verdeutlicht:

„Ludwig von Mises hat so tief wie kaum jemand vor ihm über die Natur der Freiheit nachgedacht. Dabei hat er erkannt, dass sie sich aus der Natur des homo agens, des handelnden Menschen, verstehen und begründen lässt. Die besondere Stärke dieser Freiheitsbegründung besteht darin, dass sie nicht auf die Inanspruchnahme umstrittener Werte oder moralischer Intuitionen angewiesen ist. Daraus ergibt sich umgekehrt – und das ist vor dem Hintergrund realer politischer Auseinandersetzungen eine geradezu unerhörte Pointe -, dass die auf der Handlungsnatur des Menschen fußende Freiheitsbegründung auch nicht mit moralischen Argumenten angegriffen und schon gar nicht übertrumpft werden kann.“

Puster legte in seinen Referaten die Grundlagen der Handlungswissenschaft (die Mises als Praxeologie bezeichnet) dar, vor allem den Subjektivismus und den Apriorismus. Mit dem Subjektivismus konnte die Wissenschaft der Ökonomik erstmals das „Wertproblem“ lösen, also erklären, wieso Wasser günstiger ist als Gold oder Diamanten, obwohl Wasser eine lebensnotwendige Ressource ist: Wert ist nicht in Dingen, sondern Wert ist in den Menschen. Werten heißt A gegenüber B vorziehen, Wert ist subjektiv. Für Menschen ist entscheidend nicht ein Ding, sondern der Nutzen, den ein Ding leisten kann. Kann der Mensch ein Ding zum Erreichen seiner Ziele einsetzen, wird es zum Gut. Ohne den Nutzen, darauf schaukeln zu können, könnte man ein Schaukelpferd auch in die Kategorie „mittelgroße, trockene Dinge“ einordnen. Dem handelnden Individuum kommt es aber gerade auf das Schaukeln an.

Professor Dr. Rolf W. Puster

 

Laut Puster gelten die grundlegenden Einsichten der Praxeologie nicht alleine deswegen, weil sie subjektive Phänomene betreffen, sondern weil zwischen einigen subjektiven Phänomenen – und zwar denen, die das Handeln ausmachen – bestimmte Zusammenhänge mit begrifflicher Notwendigkeit bestehen. Demnach gilt: Jemand handelt genau dann, wenn er etwas tut, weil er etwas will und zudem glaubt, das Gewollte durch das, was er tut, verwirklichen zu können. Somit sind – wenn jemand handelt – Wollen, Glauben und Tun in einer bestimmtenWeise verknüpft und es liegt kein Handeln vor, wenn diese Verknüpfung nicht vorliegt.

Im Hinblick auf den Apriorismus erläuterte der Hamburger Wissenschaftler, dass die Gesetzte der Handlungswissenschaft erfahrungsunabhängig und dennoch relevant und informativ sind. Es handelt sich um begriffliche Wahrheiten, die man lediglich mit Selbstwidersprüchen bestreiten kann. Die Praxeologie geht davon aus, dass der Mensch handelt, es geht also um die Bedeutung von Dingen für Menschen und um Ziele, die Menschen verfolgen. Mit einem naturalistisch-physikalischen Weltbild kann man menschliches Handeln nicht verstehen, weil man es nicht messen oder wiegen kann. Die Wissenschaft, die den Akteur im Mittelpunkt hat, ist keine Naturwissenschaft.

So definierte Puster die Freiheit als: Abwesenheit von Zwang und Zwang als soziales Handeln. Das ist wichtig im Hinblick auf die Irrlehren des Marxismus. Der Mensch wird nicht gezwungen, zu essen, zu arbeiten oder zu wohnen; die Natur zwingt nicht. Menschen können sich gegen das Essen entscheiden, Menschen werden von niemandem dazu gezwungen, sie wollen essen. Es ist also ein Unterschied, ob es eine Person gibt, die eine andere zwingt, oder ob jemand ein biologisches Bedürfnis befriedigen möchte, ohne dass ein Handelnder Zwang ausübt.

Recht ohne Staat?

Der Schweizer Rechtsanwalt und Notar Dr. David Dürr, Professor an der Universität Zürich, behandelte in seinen Vorträgen eine Österreichische Rechtstheorie. Es gibt hinsichtlich des menschlichen Verhaltens Regelmäßigkeiten, die mit den Naturregeln der Physik vergleichbar sind. Ludwig von Mises schrieb, dass auch im Gesellschaftlichen eine Gesetzmäßigkeit walte, der sich das Handeln des Menschen anzupassen habe, wenn es erfolgreich sein will.[1] Man kann die Gesetze der gesellschaftlichen Kooperation erforschen, wie der Physiker die Gesetze der Mechanik erforscht. Neben der Ökonomik ergeben sich Gesetzmäßigkeiten des menschlichen und zwischenmenschlichen Handelns aus Regelungen, die Menschen auf Augenhöhe treffen (Verträge), aus der Geschichte, aus gesellschaftlichen Gegebenheiten (Soziologie) und aus der Entwicklung des menschlichen Verhaltens (Soziobiologie/Humanethologie). Eine Regierung, die über den übrigen Menschen steht, ist für ein erfolgreiches Regelsystem der Menschen untereinander nicht nur nicht erforderlich, sondern sogar schädlich. Die genannten Regeln und Regelsysteme für die Konfliktlösung sind für die Menschen vereinbar und erkennbar, ohne dass sich jemand auf Grund metaphysischer Ideen wie Gottesgnadentum oder der fiktiven Idee einer Nation als realer Einheit zum Herrscher über andere aufschwingt.

Professor Dr. David Dürr

 

Für das Schaffen von Sicherheit und die Lösung von Konflikten ist ein Gewaltmonopol schädlich

Menschen können durch Selbstschutz, Selbsthilfeorganisationen, Sicherheitsfirmen und Versicherungen für ihr Wohl sorgen, wohingegen beim Staat die Gefahr des Missbrauchs des Gewaltmonopols zu seinen Gunsten die Regel ist, vor allem zur Besteuerung. Menschen können Konflikte mit Schiedsgerichten, Schiedsverträgen und ad-hoc Schiedsvereinbarungen regeln; beim Staat besteht die Gefahr der gekauften Richter (wenn die Richter beim Streit mit dem Staat vom Staat bezahlt werden), einer behäbig-arroganten Justiz (weil es keine Kunden gibt und der Steuerzahler gezwungen wird, die Richter und Staatsanwälte zu bezahlen) und schlechter Rechtsprechung (aus demselben Grund). Staaten begehen permanent nicht zu rechtfertigende Aggression gegenüber Personen, die sich ihrerseits keinerlei Aggression gegen Körper oder Eigentum anderer Personen haben zuschulden kommen lassen.[2] Der Staat muss deswegen, sozusagen schon seiner Natur nach, allgemein akzeptierte moralische Regeln verletzen. Murray N. Rothbard (1926-1995) bezeichnete den Staat als eine kriminelle Organisation, die ihre Existenz mithilfe breit angelegten Steuer-Raubes finanziere und damit davonkomme, weil sie hierfür die Unterstützung der Mehrheit herbeimanipuliere.[3]

Eine Rechtsordnung ohne Staat schafft zwar nicht das Paradies auf Erden, aber wenigstens nicht die Hölle, wie bisweilen mit dem Staat. Eine Rechtsordnung ohne das Gewaltmonopol kann Konflikte zwar auch nicht aus der Welt schaffen, sie aber auf natürlichere und insofern zutreffendere Art und Weise lösen. Sie kann Konfliktlösungsanbieter, geordnete Verfahren, Richter etc. hervorbringen, ohne hierfür Zwang oder Monopol zu benötigen. Man braucht das staatliche Recht hierfür auch nicht abschaffen. Diejenigen, die es weiter haben möchten, können es freiwillig behalten; aber ansonsten ist die Überwindung des Staates nicht nur eine politische Alternative, nicht nur wirtschaftlich sinnvoll, sie ist rechtlich geboten.

Ein freier Markt für Geld und Bankdienstleistungen

Der Präsident des Ludwig von Mises Instituts, Professor Dr. Thorsten Polleit, erarbeitete in seinen Vorträgen unter anderem die Wichtigkeit und die Vorteile eines freien Marktes für Geld und Banken gegenüber dem jetzigen Zwangsgeldmonopol. Er räumte dabei auch mit verbreiteten Irrtümern auf. Zum Beispiel argumentierte er, dass Geld nur eine Funktion hat, und das ist die Tauschmittelfunktion. Folglich ist jede gerade vorherrschende Geldmenge „optimal“: eine Geldmenge von 10.000 Mrd. Euro übt die Gelddienste so gut aus wie eine von 5.000 Mrd. Euro. Der Schluss: Eine wachsende Geldmenge macht die Volkswirtschaft nicht reicher, und die Geldmenge muss auch nicht wachsen, damit die Volkswirtschaft wachsen kann.

Zudem ist eine Notenbank nicht nur unnötig im Hinblick auf wertstabiles Geld, wertstabiles Geld kann es gar nicht geben, weil sich die Präferenzen der Menschen fortwährend ändern. Die Kaufkraft des Geldes könnte man nur „messen“, wenn man davon ausginge, dass alle Menschen alle Dinge zu jeder Zeit gleich bewerteten. Aus der Sicht der Wirtschaftsrechnung gibt es zudem eine optimale Anzahl von Geld, und sie ist: eins. Es ist optimal, wenn alle am Markt Teilnehmenden dasselbe Geld verwenden. Weil Geld ein spontanes Phänomen des freien Marktes ist, ist das heutige staatliche Fiatgeldsystem „unnatürlich“; es ist in der Tat von staatlicher Seite erzwungen worden.

Ein ganz wichtiger Punkt war, dass die Bankenkreditvergabe heutzutage nicht erfolgt, indem Ersparnisse weitergereicht werden, sondern durch das Schaffen von Geld aus dem Nichts (Fiat-Money). Anschaulich schilderte Polleit, dass es im staatlich regulierten Noten- und Geschäftsbankensystem dazu kommt, dass Banken die täglich fälligen Einlagen der Kunden (Giralgelder) als längerfristige Kredite weitervergeben oder Wertpapiere damit kaufen. Hierdurch erhöht sich notwendig die Geldmenge. Dadurch kommt es zu den Boom- und Bustzyklen: Die Geldmenge wird erhöht und der Kreditzins nach unten gedrückt. Die Folgen sind Inflation und – aus Verbrauchersicht – die Fehlleitung der Kreditmittel in – letztendlich – unrentable Projekte, die nicht zu Ende geführt werden können.

In einem „freien“ Bankensystem, also ohne staatliche Privilegierung und ohne zwangsweise Vorgabe des Zahlungsmittels, könnten die Banken nur Gelder als Kredit vergeben, die ihnen auch zu diesem Zwecke und für die Dauer der Kreditvergabe von den Sparern überlassen werden. Banken, die nur einen Teil der täglich fälligen Forderungen gegenüber ihren Kunden erfüllen könnten, hätten auf einem freien Markt keine Chance. Dadurch würden Inflation und Boom- und Bustzyklen vermieden. Zentralbanken, Geldpolitik und Bankenaufsicht erweisen sich deshalb nicht nur als unnötig, sondern gar als schädlich für die Wirtschaft. Die Geldmenge muss nicht gesteuert werden, weil denknotwendig jede Geldmenge richtig ist – es gibt keine optimale Geldmenge. Das Geld muss lediglich technisch die Voraussetzungen erfüllen, die Menge der Transaktionen abzuwickeln.

Professor Dr. Thorsten Polleit

 

Ist Bitcoin Geld?

Im Hinblick auf die aufkommenden Kryptowährungen, insbesondere den Bitcoin, erläuterte Polleit, dass es sich dabei (noch) nicht um Geld handelt (er spricht daher auch von „Kryptoeinheiten“), weil es nicht das verbreitetste Tauschmittel ist. Andererseits verstößt Bitcoin nicht gegen das Regressionstheorem: Es gab den Bitcoin zunächst als technische Einheit, also als Krypto-Code, bevor die Menschen den Bitcoin als Zahlungsmittel zu benutzten. Allerdings fehlt bei Bitcoin noch die technische Kapazität, die Menge der Transaktionen abzubilden, die derzeit mit Fiat-Geld abgewickelt werden. Um im Zuge eines „Wettbewerbs der Währungen“ zu Geld zu werden, ist der Bitcoin – wie auch andere Kryptoeinheiten – jedoch nicht nachteilig. Letztlich werden die Menschen am Markt entscheiden, was Geld wird, wenn der Staat nicht eingreift.

Der Staat und der Umweltschutz

Professor Philipp Bagus von der Universidad Rey Juan Carlos in Madrid erläuterte, dass Umweltschutz und Armenfürsorge keinesfalls besser von der Regierung besorgt werden können als von den Bürgern – sondern im Gegenteil. Handeln beinhaltet notwendig eine Naturkomponente; die natürlichen Ressourcen verschwinden nicht durch menschliche Verwendung, sondern sie werden – aus Sicht der Produzenten und Verbraucher – in wertvollere Ressourcen umgewandelt. Dabei kann es auch zu Zuständen kommen, in denen „auf Kosten der Umwelt“ produziert wird, insbesondere dann, wenn kein Eigentum an den Naturkomponenten besteht; es ereignet sich dann die „Tragik der Allmende“: Derjenige, der am rücksichtslosesten die Naturkomponenten entnimmt, profitiert auf Kosten aller. Ein gutes Beispiel hierfür ist der Fischfang. Es ist daher wichtig, dass Individual- oder Gruppeneigentum an Naturkomponenten geschaffen wird, wie dies zum Beispiel bei vielen Schweizer Viehweiden der Fall sei, die den anliegenden Dörfern gehörten und damit Dritte von der Nutzung ausschließen könnten. Gehört den Eigentümern der Kapitalwert der Naturkomponente, also die Summe der abgezinsten künftigen Erträgnisse, so besteht ein ureigenstes Interesse an der nachhaltigen Bewirtschaftung der Ressource, wie dies bei Wäldern und Feldern auch der Fall ist. Auch an Land gab es zu Anfang kein Eigentum; und Eigentum an Seen, Flüssen und selbst Teilen des Ozeans ist ebenso möglich.

Beim Staat hingegen ist die Umwelt in schlechten Händen: Politisches Handeln ist die „Kunst“, den Nutzen zu konzentrieren und die Kosten zu verteilen; die schlimmsten Umweltverschmutzungen haben durch den Staat oder mit staatlicher Billigung stattgefunden, wie zum Beispiel die Umweltzerstörungen durch Chemie- und Kohleproduzenten in der ehemaligen DDR oder durch die Betreiber des Atomkraftwerkes in Tschernobyl. Und auch beim Tierschutz versagt der Staat. Dort, wo zum Beispiel die Elefantenjagd verboten wurde, nahmen die Bestände der Elefanten ab oder die Elefanten wurden in manchen Ländern, wie z. B. Somalia oder dem Sudan, sogar ausgerottet. Dort, wo die anliegenden Dörfer die Gemeinschaftseigentümer der Elefanten wurde, haben sich die Herden hingegen stark vermehrt.

Professor Dr. Philipp Bagus

 

Mehr Sicherheit vor Armut und Unglück ohne den Staat

Auch die Armenfürsorge und Bedürftigenhilfe ist beim Staat in schlechten Händen: Zunächst erschwert der Staat die Vorsorge, indem er diejenigen Institutionen schwächt, die der Verminderung von Unsicherheit dienen und einem in schweren Zeiten helfen. Durch hohe Besteuerung, insbesondere auch die Erbschaftssteuer, und Angriffe auf die Institution der Familie, wird es den Menschen erschwert, für Notlagen zu sparen und sich in schweren Zeiten beizustehen. Der Wohlfahrtsstaat ist eher ein feuerlöschender Pyromane als eine altruistische Institution. Durch die hohe Besteuerung werden auch Nächstenhilfe-, Selbsthilfe- und Wohlfahrtsorganisationen behindert. Mitte des 19. Jahrhunderts, bevor der Wohlfahrtsstaat die Aufgaben dieser Organisationen an sich riss, betrieben diese Kranken- und Waisenhäuser, Begräbniskassen, Volksküchen, Suppenanstalten, Kaffeestuben, leisteten Hilfe bei der Arbeitsvermittlung, und die Mitglieder der Selbsthilfeorganisationen standen sich in schweren Zeiten bei. Der schutzlose Arbeiter der frühen Neuzeit ist ein Mythos, den der Wohlfahrtsstaat verbreitet. Es gab Bruderschaften, Zünfte, Friendly Societies, Fraternities, Logen, konfessionelle und berufsständische Kassen, Gewerkschaften, Knappschaften, Genossenschaften etc. (es gab sogar Sklavenkassen, die dazu dienten, Lösegeld für durch maurische oder türkische Seeräuber Entführte zur Verfügung zu stellen). Der Wohlfahrtsstaat wurde von diesen privaten Organisationen als feindlich empfunden. Und Bismarck hat tatsächlich bezweckt, mit der Wohlfahrtsgesetzgebung die Arbeiter gefügig und abhängig zu machen, um sie zu manipulieren und an den Staat zu binden. Der Wohlfahrtsstaat ist ein politisches und ideologisches Programm. Die Folgen der Zwangsumverteilung sind Abhängigkeiten und das Außerkraftsetzen von Kontrollmechanismen gegen Missbrauch, sodass es heute Familien gibt, bei denen bereits mehrere Generationen von staatlichen Mitteln leben.

Die Teilnehmer des 4. Ludwig von Mises Seminar

 

Geselliges Beisammensein

Zwischen den Vorlesungen bestand bei Kaffee, Tee und Gebäck die Möglichkeit zum Gedankenaustausch und zur Diskussion mit den Referenten. Am Freitagabend fand ein gemeinsames Essen in der Brasserie des Posthaus Hotels in Kronberg statt, bei dem die Seminargäste und die Dozenten bis in die späten Abendstunden diskutierten, das aber auch Gelegenheit bot, um alte und neue Bekannte zu treffen.

Das Seminar illustrierte die theoretischen Grundlagen der Österreichischen Schule der Nationalökonomie und Ludwig von Mises’ weitergreifender Praxeologie anschaulich an praktischen Beispielen. Außer den oben genannten Beispielen wurde auch gezeigt, dass staatliches Handeln nicht nur unnötig, sondern sogar schädlich ist, wenn es um die Themen Bildung und Sicherheit geht. Bei allen wirtschaftlichen und praktischen Problemen des Lebens steht niemand denknotwendig besser, wenn es einen Akteur gibt, der aggressiv droht, um seine eigenen Vorstellungen durchzusetzen, außer der Akteur selbst und seine Anhänger.

Doch wie können wir diesen Zustand zum Besseren wenden? Ludwig von Mises schrieb hierzu:

„Aller Fortschritt der Menschheit vollzog sich stets in der Weise, dass eine kleine Minderheit von den Ideen und Gebräuchen der Mehrheit abzuweichen begann, bis schließlich ihr Beispiel die anderen zur Übernahme der Neuerung bewog.[4]

Die Geschichte des Westens vom Zeitalter der griechischen Polis bis zum heutigen Widerstand gegen den Sozialismus ist im Wesentlichen die Geschichte des Kampfes um Freiheit gegen die Übergriffe der Amtsinhaber.“[5]

[1] Ludwig von Mises, Nationalökonomie (1940), S. 2.
[2] Hans-Herrmann Hoppe, Anarchie und Staat (1987), S. 16.
[3] Murray Rothbard, The Ethics of Liberty (1982), S. 161 ff.
Bei der Nationalökonomie handelt es sich um eine Teildisziplin der Praxeologie, der Wissenschaft vom menschlichen Handeln.
[4] Ludwig von Mises, Liberalismus (1927), S. 48.
[5] Ludwig von Mises, Letztbegründung der Ökonomik (2016), S. 137.

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Die Aufzeichnungen aller Vorträge finden Sie demnächst hier auf unserer website und auf unserem Youtube-Kanal.

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Dr. Andreas Tiedtke ist Rechtsanwalt und Unternehmer.

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Hinweis: Die Inhalte der Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Ludwig von Mises Institut Deutschland wieder.

Fotos: Rainer Bieling und Andreas Marquart

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