Wenn Marktpreise nicht nur im ÖPNV nicht mehr “vermittelbar” sind

4. November 2022 – von Klaus Peter Krause

Klaus Peter Krause

Das Beispiel 9-Euro-Ticket für Bus und Bahn und die beschlossene Nachfolgelösung – Den Kostenpreis wagen Politiker dem Volk schon lange nicht mehr zuzumuten – Sie funken in den Markt interventionistisch hinein – Finanzierung überwiegend aus Steuermitteln – Die unbeachteten Folgewirkungen – Warum nur Bahn und Bus verbilligen? – Was sich ebenfalls schon ausmalen lässt – Eine Wirtschaftslehre, der die notwendige Beachtung fehlt

Ach ja, das 9-Euro-Ticket. Schon, als es noch gar nicht ausgelaufen war, wollten die Rufe, es zu verlängern, kein Ende nehmen, oder aber es etwas weniger zu verbilligen und es dann zur Dauereinrichtung zu machen. So ist das eben, wenn populistische politische Führung das Volk aus Angst vor dessen Aufruhr mit einem befristeten Geschenk vorübergehend ruhigstellen will und dann feststellen muss, das Volk will dauerhaft „bestochen“ werden, zumal weil mit Klimaschutz begründet. Und bestechend ausgefallen ist das Geschenk als „beliebteste Rabattaktion aller Zeiten“ (FAZ) wirklich: Für nur neun Euro einen ganzen Monat lang mit Bus und Bahn im Öffentlichen Personen-Nahverkehr (ÖPNV) in und durch ganz Deutschland herumzufahren, ist nahezu wie Gratis-Transport und fast wie drei Monate lang Freibier. Lange genug mit dem Fast-Umsonst-Fahren versorgt, tritt Gewöhnung ein und Volkes Wille mag davon nicht mehr lassen. Prompt war auch ziemlich schnell zu vernehmen, den Bürgern sei der normale Preis gar nicht mehr vermittelbar.

Den Kostenpreis wagen Politiker dem Volk schon lange nicht mehr zuzumuten

Der normale Preis? Ohne die Rabattaktion ist er ganz schön happig. Immerhin soll er für die Verkehrsleistungen die Kosten decken. Er sollte es zumindest. Aber diese Kosten sind derart hoch, dass heutige Politik den Bürgern den Kostenpreis lieber nicht zumuten will, ihn zu viele auch gar nicht bezahlen könnten oder nicht bezahlen wollen. Daher ist bereits dieser normale Fahrpreis ein mit Steuergeldern subventionierter Preis. Weil im Regelfall aber auch Bahn- und Busfahrer Steuern zahlen, müssen sie die tatsächlichen Kosten des ÖPNV eben doch mittragen – allerdings versteckt und nicht in voller Höhe, denn an diesen Verkehrskosten werden auch alle jene Steuerzahler beteiligt, die den ÖPNV nicht in Anspruch nehmen. So sind auch hier die Umverteiler am Werk.

… bereits [der] normale Fahrpreis [ist] ein mit Steuergeldern subventionierter Preis.

Die Politiker funken in den Markt interventionistisch hinein

Der subventionierte Preis lässt den ÖPNV für seine Nutzer kostengünstiger erscheinen, als er es realiter ist. Würde der Staat seine Steuerlast entsprechend senken, wären die ÖPNV-Nutzer in der Lage, Fahrpreise zu zahlen, die den tatsächlichen Kosten entsprechen. In der freien Marktwirtschaft sollte der normale Preis ein Marktpreis sein, der sich im freien Wettbewerb nach Angebot und Nachfrage bildet. Aber diese Marktwirtschaft und diesen Wettbewerb gibt es im ÖPNV nicht. Der Staat mit seinen Interventionisten, vorgeblichen Volksbeglückern und Umverteiler-Sozialisten, funkt hinein. Die Fahrpreise hier richten sich weder nach den entstehenden Anschaffungs- und Betriebskosten noch nach Angebot und Nachfrage. Das ist politisch so gewollt, und die Bürger nehmen es hin wie so vieles andere ebenfalls.

Die Fahrpreise … richten sich weder nach den entstehenden Anschaffungs- und Betriebskosten noch nach Angebot und Nachfrage. Das ist politisch so gewollt …

Die Nachfolgelösung als dauerhafte Verbilligung

Daher ist es auch kein Wunder, wenn die ÖPNV-Nutzer aus der einmaligen Rabattaktion eine dauerhafte Verbilligung gemacht sehen wollen und dafür auf willige, klimaschutzsüchtige und populistische Politiker gestoßen sind. Folglich ließ sich das nicht mehr aufhalten. Bund und Länder haben sich am 14. Oktober auf eine langfristige Nachfolgelösung verständigt. In einem monatlich kündbaren Abonnement soll das Dauerrabatt-Ticket monatlich 49 Euro kosten, der Fahrschein nicht mehr am Automaten oder am Schalter zu lösen sein, sondern nur in den Apps und auf den Webseiten der Verkehrsverbünde erhältlich sein. Das werde viele Menschen für den ÖPNV begeistern und Fahrgäste zurückgewinnen, ließ sich Bundesverkehrsminister Volker Wissing dazu vernehmen.

Die Finanzierung überwiegend aus Steuermitteln

Dazu ein Vergleich: „Mit 49 Euro liegt das bundesweite Ticket im Durchschnitt deutlich unter den Preisen für Monatskarten bei den regionalen Verkehrsverbänden. In Köln kostet das günstigste Monatsticket im Abo 68,10 Euro pro Monat“. Damit wird der Subventionsbetrag größer, und die Kosten des ÖPNV würden noch weitergehend aus Steuermitteln finanziert. Ob Busse und Bahnen bei diesem Angebot derart gestürmt würden, dass der Mehrumsatz den Subventionsbetrag senken würde, dürfte ein Wunschtraum bleiben. Und würden sie wirklich gestürmt, reichte die bestehende Infrastruktur-Kapazität nicht dafür aus, den Nachfragesturm zu bewältigen.

Damit wird der Subventionsbetrag größer, und die Kosten des ÖPNV würden noch weitergehend aus Steuermitteln finanziert.

Die unbeachteten Folgewirkungen

Aber so sehr das bundesweite Pauschal-Ticket auf allgemeines Wohlgefallen stößt, unbeachtet bleibt, dass Deutschland immer mehr von den markwirtschaftlichen Prinzipien abweicht und noch weiter hineingleitet, mit staatlichen Maßnahmen in das Geschehen an den Märkten einzugreifen. Die zwangsläufige Folge dieses Interventionismus sind Verfälschungen der relativen Knappheiten und mangelnder Wettbewerbsdruck auf Kosten und Preise mit investiven Fehllenkungen und Verschwendung von Kapital. Auch die Gratismentalität bekommt einen zusätzlichen Schub.

… unbeachtet bleibt, dass Deutschland immer mehr von den markwirtschaftlichen Prinzipien abweicht …

Warum nur Bahn und Bus verbilligen?

Dazu kommt die mögliche Präzedenzwirkung: Warum nur Bahn und Bus verbilligen? Warum nicht auch anderes, was als zu teuer empfunden wird? Wenn man nämlich schon vernimmt, den Bürgern sei der normale Preis gar nicht mehr vermittelbar, dann sind es doch wohl auch kaum die exorbitanten Preissteigerungen für Erdöl, Gas und Strom, die eine Folge der völlig abwegigen Klimaschutz- und Energiewendepolitik sind und durch die Sanktionen gegen Russland noch einen zusätzlichen Schub bekommen. Über Gas- und Strompreisbremsen wird bereits diskutiert. Und auch beispielsweise die Gebühren für Kindertagesstätten, die ebenfalls nicht kostendeckend sind, könnten auf 9 Euro oder 49 Euro im Monat gesenkt werden. Der Phantasie der Interventionisten sind hier keine Grenzen gesetzt.

Über Gas- und Strompreisbremsen wird bereits diskutiert. Und auch beispielsweise die Gebühren für Kindertagesstätten, die ebenfalls nicht kostendeckend sind, könnten auf 9 Euro oder 49 Euro im Monat gesenkt werden. Der Phantasie der Interventionisten sind hier keine Grenzen gesetzt.

Was sich ebenfalls schon ausmalen lässt

Hinzukommt jetzt noch die beginnende galoppierende Inflation im Preisniveau allgemein als eine Folge der maßlosen Geldpolitik der Zentralbank(en) mit dem unbändigen Aufblähen der Geldmenge, mit der das Güterangebot nicht mehr Schritt halten kann. Schon lässt sich ausmalen, dass die darob bedrängten Politiker ihren Bürgern Marktpreise überhaupt nicht mehr zumuten mögen und zu viele unkundige Bürger nach ständigen Preiskontrollen rufen und Preisdeckelungen für alles und jedes verlangen. Immer weitere Schritte in die sozialistische Staatswirtschaft wären die Folge. Wie das läuft und endet, sollte aus der Zeit des sowjetisch beherrschten Ostblocks und der DDR noch in Erinnerung sein.

Eine Wirtschaftslehre, der die notwendige Beachtung fehlt

Um den aus der Flasche gelassenen Subventions- und Interventionsgeist wieder loszuwerden, brauchen wir in der politischen Führung Persönlichkeiten, wie Ludwig Erhard eine war, und liberale Ökonomen aus der Wiener und Freiburger Schule der Nationalökonomie als deren sachkundige Berater. Aber deren Wirtschaftslehre spielt in der Wirtschaftswissenschaft des akademischen Mainstreams und in der Ausbildung des ökonomischen Nachwuchses noch immer nicht die ihr gebührende Rolle – und in der Wirtschaftspolitik der Staaten schon gar nicht. Nach dieser Lehre führt staatlicher Interventionismus letztlich zwangsläufig in den Niedergang von Wirtschaft, Wohlstand und demokratisch-selbstbestimmter Gesellschaftsform. Auf diesem Weg sind wir nun schon eine geraume Zeit. Wenn die populistischen Politiker und deren populäre Ökonomen nicht umdenken und entsprechend handeln, werden breite Schichten der Bevölkerung verarmen und die Mangel- und Verteilungswirtschaft wird zum neuen Standard für eine vormalige „Mittelschicht“.

Wenn die populistischen Politiker und deren populäre Ökonomen nicht umdenken und entsprechend handeln, werden breite Schichten der Bevölkerung verarmen und die Mangel- und Verteilungswirtschaft wird zum neuen Standard für eine vormalige „Mittelschicht“.

Über Klaus Peter Krause: Jahrgang 1936. Abitur 1957 in Lübeck. 1959 bis 1961 Kaufmännische Lehre. Dann Studium der Wirtschaftswissenschaften in Kiel und Marburg. Seit 1966  promovierter Diplom-Volkswirt. Von 1966 bis Ende 2001 Redakteur der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, davon knapp elf Jahre (1991 bis Ende 2001) verantwortlich für die FAZ-Wirtschaftsberichterstattung. Daneben von 1994 bis Ende 2003 auch Geschäftsführer der Fazit-Stiftung gewesen, der die Mehrheit an der Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH und der Frankfurter Societäts-Druckerei gehört. Jetzt selbständiger Journalist und Publizist. Seine website ist www.kpkrause.de

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Hinweis: Die Inhalte der Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Ludwig von Mises Instituts Deutschland wieder.

Titel-Foto: Adobe Stock

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