Vom moralischen und wirtschaftlichen Wohl der Steuerhinterziehung – eine moralphilosophische und ökonomische Kritik

Hans-Hermann Hoppe

11. November 2022 – von Hans-Hermann Hoppe

Dieser Vortrag ist bereits im Jahr 2013 als Artikel erschienen. Das Thema Steuern und Steuerhinterziehung war damals in aller Munde, nicht zuletzt wegen Uli Hoeneß. Heute ist Alfons Schuhbeck in den Schlagzeilen.

Lassen Sie mich mit einem Zitat von dem von mir hoch geschätzten H.L. Mencken beginnen, der einst, in den 20er und 30er Jahren des letzten Jahrhunderts, einer der berühmtesten amerikanischen Journalisten und Kultur- und Gesellschaftskritiker war.

Mencken schrieb zum Thema Folgendes (meine Übersetzung):

Der Mann auf der Straße, Otto Normalverbraucher, was immer auch sonst seine Fehler oder Irrtümer sein mögen, erkennt doch zumindest klar, dass die Regierung etwas ist, was außerhalb des normalen menschlichen Zusammenlebens liegt – dass es eine separate, unabhängige und oft feindliche Macht ist, allenfalls teilweise unter seiner Kontrolle und in der Lage ihm großen Schaden zuzufügen. … Ist es ein bedeutungsloser Zufall, dass überall die Beraubung des Staates durch Steuerhinterziehung als ein geringeres Übel angesehen wird als der Raub an einem Individuum oder auch einem Unternehmen? … Wenn eine Privatperson beraubt wird, dann wird ein verdienstvoller Mensch um die Früchte seines Fleißes und seiner Sparsamkeit gebracht. Wenn dagegen eine Regierung beraubt wird, ist es das Schlimmste, was passieren kann, dass gewisse Schurken und Faullenzer weniger Geld zu verprassen haben als zuvor. Die Vorstellung, dass sie dieses Geld verdient haben, unterhält niemand; für die meisten Personen, die bei Sinnen sind, erscheint sie geradezu lächerlich. Es sind einfach Gauner, die aufgrund von Rechtsunfällen den zweifelhaften Anspruch auf einen Anteil an den Erträgen ihrer Mitmenschen erheben. Wenn dieser Anteil durch private Initiative verringert wird, ist das Resultat insgesamt im Großen und Ganzen weit lobenswerter als andernfalls. (A Mencken Chrestomathy [New York: Vintage Books, 1949] S. 146–147)

Wenn ich mir die im Internet veröffentlichten Leserbriefe zum Fall Hoeneß anschaue, frage ich mich, ob Mencken bei seiner Einschätzung des gesunden Menschenverstandes bei Otto Normalverbraucher nicht doch zu zuversichtlich und optimistisch war. Dass die Politiker aller Parteien hasserfüllt über Herrn Hoeneß herfallen würden, hatte ich nicht anders erwartet. Schließlich sind sie es ja, die sich ihre Gehälter, ihr Gutmenschentum, ihre Spielchen und ihre Gespielinnen von Herren wie Hoeneß finanzieren lassen und die barmen müssten, wenn diese Finanzierung ausbliebe. Doch auch Otto Normalverbraucher scheint entrüstet über das Vergehen der Steuerhinterziehung. Aber vielleicht ist das alles auch nur eine Täuschung, und es ist gar nicht Otto Normalverbraucher, der Leserbriefe im Internet schreibt. Ich kann nur hoffen, dass es so ist. Oder, und ich fürchte dies ist der Fall, Otto Normalverbraucher ist seit den Tagen Menckens schlicht und einfach einfältiger geworden – oder gemacht worden – und intellektuell und moralisch degeneriert.

Wie dem auch sei, ich will im Folgenden zeigen, warum die von Mencken beschriebenen Normalbürger nicht nur recht haben, sondern, darüberhinausgehend, warum es nicht die sogenannten Steuerhinterzieher wie Uli Hoeneß sind, die moralisch verurteilt werden sollten, sondern umgekehrt diejenigen, die diese Steuern beschließen und eintreiben, also unsere „hochverehrten“ Politiker. Und ich will zeigen, dass Steuern nicht nur Diebstahl im moralischen Sinne sind und Regierungen darum auch als „stationäres Banditentum“ bezeichnet wurden, sondern dass Steuern vielmehr auch wirtschaftlicher Unsinn sind und den Volkswohlstand systematisch verringern.

Naturgemäß werden Politiker, die ja mit und aus Steuern bezahlt werden, diese als gerechtfertigt und legitim erklären und Steuerhinterzieher als kriminell hinstellen. Und sie werden bei diesem Unterfangen eifrig von einer ganzen Meute ebenfalls steuerfinanzierter „Intellektueller“ unterstützt. Aber auch der größte Eifer und die größten intellektuellen Verrenkungen können die Tatsachen nicht aus dem Wege schaffen.

Zunächst – wer wollte das bestreiten: Offensichtlich sind Steuern keine normale, freiwillige Zahlung für Güter und Dienstleistungen, da es nicht gestattet ist, diese Zahlungen einzustellen, falls man mit dem Produkt unzufrieden ist. Man wird nicht bestraft, wenn man aufhört, VW-Autos zu kaufen – und damit das Gehalt des VW-Vorstandes und sämtlicher VW-Arbeiter zu zahlen. Aber man wird ins Gefängnis geworfen, wenn man sich weigert, für den Berliner Regierungspomp und -protz aufzukommen – und damit das Gehalt der Spitzenpolitiker und Konsorten sowie sämtlicher Staatsbediensteten zu zahlen.

Wenn man Steuern dennoch als gerecht und eine Zahlungsverweigerung als ungerecht hinstellen will, dann gibt es dafür nur einen argumentativen Ausweg. Man muss versuchen, zu argumentieren, dass Steuern irgendwie irgendeine vertragliche Grundlage haben und Steuerhinterzieher deshalb irgendwie eines Vertragsbruchs schuldig sind. Aber auch diese Versuche, Steuern zu rechtfertigen, sind allesamt zum Scheitern verurteilt.

So hat man zum Beispiel versucht, Steuern als so etwas wie Mietzahlungen hinzustellen, als Nutzungsgebühren, so wie sie ein Mieter an seinen Vermieter entrichtet. Doch dann müsste zum Beispiel der deutsche Staat der Eigentümer ganz Deutschlands und der Hausherr aller Deutschen sein. Und um das zu sein, müsste er zwei Dinge nachweisen können: Erstens, dass der Staat, und niemand sonst, Eigentümer jeden Quadratzentimeters deutschen Bodens ist, und zweitens, dass er mit jedem einzelnen Deutschen einen Mietvertrag betreffend die Nutzung und den Preis dieses Eigentums geschlossen hat. Kein Staat – weder der deutsche, der US-amerikanische oder irgendein anderer – kann diesen Nachweis führen. Es gibt schlicht und einfach keine entsprechenden Grundpapiere und es gibt keine entsprechenden Mietverträge. Das Argument vom Steuerzahler qua Mietzahler scheitert also eklatant an den Tatsachen.

Darum hat man versucht, sich ein anderes Rechtfertigungsargument auszudenken, das etwa so läuft: Zugegeben, Steuerzahler haben gegenüber dem Staat keine vertragliche Zahlungsverpflichtung so wie sie ein Mieter gegenüber seinem Vermieter hat, aber dennoch machen sie sich eines Vertragsbruchs schuldig, sollten sie ihre Steuern nicht zahlen. Wie? Warum? Weil sie angeblich auf einer höheren Ebene – hochtrabend heißt das dann auf der „Metaebene“ – ihre Zustimmung zur Besteuerung gegeben haben, indem sie einem „höheren“ Gesetz, nämlich der Verfassung, ihre Zustimmung gegeben haben und diese Verfassung ihrerseits die Besteuerung erlaube. Es sei also gar nicht erforderlich, dass man jeder steuerlichen Einzelmaßnahme zustimmt, denn man habe dem Staat durch seine Zustimmung zur Verfassung gewissermaßen eine Generalvollmacht ausgestellt. Aber auch dieses Argument scheitert an den Tatsachen. Denn wo, ach wo, ist die vertragliche Zustimmung zur Verfassung? Wo sind die Unterschriften aller der Verfassung angeblich unterworfenen Personen? Ein paar Politiker haben die Verfassung einst unterschrieben und ein paar Politiker beschwören sie heutzutage. Aber ich habe sie nicht unterschrieben und so gut wie niemand sonst hat sie unterschrieben. Wie sollte man sich da einer Vertragsverletzung schuldig gemacht haben, wenn man sich weigert, Steuern zu zahlen?

Also muss ein weiteres Argument her. Dies Argument ist in jüngster Zeit von Großintellektuellen wie John Rawls und James Buchanan wieder aufgewärmt worden. Rawls gilt gemeinhin als „Linker“ und wird uns von den sogenannten „Autoritäten“ in den „üblichen verdächtigen“ Hauptstrommedien regelmäßig als „größter praktischer Philosoph des 20ten Jahrhunderts“ aufgetischt, und der Wirtschaftsnobelpreisträger Buchanan gilt gemeinhin als „Rechter“ und wird von denselben „Autoritäten“ regelmäßig als „großer, radikaler Freimarktwirtschaftler“ angepriesen. In der Sache jedoch unterscheidet sich ihr beider Argument in keiner Weise, und wie von offiziell approbierten Großintellektuellen kaum anders zu erwarten, ist ihr Argument gleichermaßen absurd.

Ihrem Argument zufolge ist es gar nicht notwendig, einen Vertrag unterschrieben zu haben, um dennoch einen Vertrag abgeschlossen zu haben. Frei nach dem Motto: kein Vertrag ist doch ein Vertrag. Wie das? Dazu ist es angeblich ausreichend, einen fiktiven Vertrag zwischen fingierten, vermeintlich vernünftigen Menschen geschlossen zu haben. Bei Rawls ist das ein hinter einem „Schleier der Unwissenheit“ abgeschlossener Vertrag, und bei Buchanan heißt derselbe fiktive Vertrag ein „konzeptueller Vertrag“. Und mit diesem Trick, mittels fiktiver oder gedanklicher statt wirklicher Verträge, beanspruchen Rawls und Buchanan dann sogar noch ein weiteres Problem „gelöst“ zu haben. Mit echten Verträgen ist es offensichtlich unmöglich, auch zukünftige Generationen zu binden – wie sollten diese einem Vertrag zugestimmt haben und durch ihn gebunden sein? Mit nur gedanklichen Verträgen zwischen fingierten vernünftigen Menschen ist das dagegen keine Schwierigkeit mehr. Mittels fiktiver Verträge ist es eine Leichtigkeit, alle Personen für alle Zeiten als gebunden darzustellen.

Die Lächerlichkeit dieser Konstruktion fiktiver Verträge sollte eigentlich offensichtlich sein, aber vielleicht lohnt es sich doch, kurz der Frage nachzugehen, ob es tatsächlich denkbar ist, dass vernünftige Personen einen Vertrag à la Rawls oder Buchanan abschließen könnten. Man stelle sich also vor, eine vermeintlich vernünftige Person mache folgenden Vorschlag: Angesichts der Realität und Möglichkeit zwischenmenschlicher Konflikte schlage ich als dauerhafte und unauflösliche Vereinbarung die Einrichtung eines Staates vor. Wir gründen eine Institution, die die Befugnis hat, auf einem gegebenen Territorium als Letztrichter tätig zu sein. Der Staat oder, konkreter gesagt, der oder die Inhaber und Verwalter des Staates, haben bei jedem Konfliktfall, einschließlich aller Konfliktfälle in die sie, die Agenten des Staates, selbst verwickelt sind, das letzte Wort darüber, wer in einem Streitfall recht hat und wer unrecht.

Es ist klar, dass Personen, die sich als Inhaber des Staates sehen oder vorstellen, diese Vereinbarung enthusiastisch begrüßen würden. Was man als Inhaber dieser Einrichtung doch nicht alles anstellen könnte! Das wäre geradezu toll! Aber ist es denkbar, dass alle vernünftigen Personen einer solchen Einrichtung zustimmen könnten? Ich glaube nicht, dass ich sehr wagemutig bin, wenn ich behaupte, dass das völlig ausgeschlossen ist. Eher würde man den Proponenten eines solchen Vorschlags als irre und reif für die Klapsmühle betrachten, als ihm zuzustimmen. Denn jede Person, die auch nur halbwegs bei Sinnen ist, würde sofort erkennen, was dieser Vertrag in seiner Konsequenz bedeutet. Der Staat beziehungsweise seine Agenten könnten auf seiner Grundlage Konflikte selbst verursachen und diese dann immer zu ihren eigenen Gunsten entscheiden. Man könnte angesichts dessen buchstäblich nicht mehr seines Lebens und seines Eigentums sicher sein. Man hat kein Recht auf Leben mehr, sondern der Staat lässt uns am Leben – solange er nicht befiehlt, dass wir für seine Inhaber töten und sterben müssen. Und man hat kein Recht auf sein Eigentum mehr, sondern der Staat belässt uns unser Eigentum – solange er nicht beschließt, es uns wegzunehmen und zu enteignen. Das heißt, alles private Eigentum wird zu „Fiat“-Eigentum, zu Eigentum von Staates Gnaden. Nur mit einer ganz realen Pistole am Kopf würde man diesem Unsinn zustimmen können, sei es faktisch oder auch nur fiktiv.

Wie man es also auch dreht und wendet, man gelangt immer wieder zu demselben Schluss: Steuern sind Diebstahl und Räuberei. Es gibt für sie keinerlei vertragliche Grundlage, und Steuerhinterziehung ist darum nichts anderes als Selbstverteidigung gegenüber stationärem Banditentum. Es ist moralphilosophisch betrachtet kein Unrecht, sich zu weigern, an Diebe zu zahlen oder sie hinsichtlich seines Einkommens oder Vermögens zu belügen. Das bedeutet natürlich nicht, dass es klug und weise ist, dies zu tun und seine Steuern nicht zu bezahlen – immerhin ist der Staat, wie Nietzsche es ausgedrückt hat, das kälteste aller kalten Ungeheuer. Er kann dein Leben ruinieren und dich zerstören, wenn du dich seinen Befehlen widersetzt. Aber es kann keinen Zweifel geben, dass es gerecht ist, seine Steuern nicht zu zahlen. Uli Hoeneß hatte also keinen Grund, sich für sein Verhalten zu entschuldigen. Aber es ist verständlich, dass er es angesichts der Übermacht der ihm gegenüberstehenden Gruppe der Politiker und ihrer Helfershelfer und der aufgehetzten Bevölkerung dennoch getan hat (zumal ihm wohl auch die Argumente gefehlt haben, um sein Verhalten argumentativ stringent zu verteidigen und zum Gegenangriff überzugehen).

Damit komme ich zur wirtschaftlichen Beurteilung der Besteuerung. Und gewissermaßen als Übergang zu diesem Thema möchte ich schnell noch ein besonders beliebtes Pro-Steuerargument vom Tisch fegen. Sie alle kennen das Argument. Es ist eine weitere intellektuelle Verrenkung, um aus einem Nein, einer Ablehnung, ein Ja, eine Zustimmung zu machen. In der einfachsten Fassung lautet das Argument so: Ja, Steuern sind Zwangsabgaben, aber dafür erhält man immerhin etwas Wertvolles. Der Staat nimmt mir Steuern, aber er finanziert damit, sagen wir, die Asphaltierung des Weges vor meinem Haus, und er tut mir somit eine Wohltat.

Darauf ist ganz kurz Folgendes zu erwidern:

Erstens, es ist nicht sicher, dass es sich tatsächlich um eine Wohltat handelt. Vielleicht hasse ich asphaltierte Wege.

Zweitens, selbst wenn es eine Wohltat sein sollte, so ist es doch eine teure Wohltat, denn die Staatsinhaber verlangen doch eine von ihnen festgelegte Kostenerstattung beziehungsweise Aufwandsentschädigung für ihre Wohltuerei, und wenn man das Geld anderer Leute ausgibt, dann ist man mit den Kosten und den Aufwandsentschädigungen bekanntlich sehr viel „großzügiger“ – sprich: nachlässiger und verschwenderischer – als wenn man sein eigenes Geld ausgibt.

Drittens, selbst wenn die Aufwandsentschädigung Null und die Kosten einer Wohltat tatsächlich Minimalkosten wären, so ist sie dennoch in jedem Fall eine wirtschaftliche Verschwendung; denn die Steuerzahler hätten ihr Geld für etwas anderes, aus ihrer Sicht Wertvolleres ausgegeben (sonst hätte man sie ja nicht zwingen müssen!) – was beweist, dass staatliche Wohltaten, worin sie auch immer bestehen mögen, im besten Fall immer nur zweit- beziehungsweise nachrangige Bedürfnisse befriedigen. Ihre Befriedigung erfolgt immer auf Kosten der Befriedigung erst- und vorrangiger Bedürfnisse und stellt insofern immer eine Vergeudung knapper Ressourcen dar.

Und viertens ist es bei Steuern mit einer Einmalzahlung in aller Regel nicht getan. Nachdem ich gezwungenermaßen zur Asphaltierung des Weges vor meinem Haus beigetragen habe, muss ich anschließend auch für die weitere Aufrechterhaltung des asphaltierten Wegs aufkommen und eine Wegnutzungsgebühr entrichten. Zur ersten Vergeudung knapper Ressourcen kommt eine weitere hinzu. Vergeudung wird institutionalisiert und perpetuiert.

Mit dem Stichwort „perpetuierte Vergeudung“ komme ich zum Kernpunkt meiner Analyse der wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen der Besteuerung. Mit der andauernden Verschwendung knapper Ressourcen ist es bei Steuern nicht getan. Die Existenz eines Steuerstaates und insbesondere die Existenz eines demokratischen Steuerstaates, bei dem die Regierungsinhaber aus Mehrheitswahlen hervorgehen, hat grundlegende Auswirkungen auf die Sozial- und Persönlichkeits-Struktur, deren wirtschaftlicher Schaden noch unermesslich viel größer ist.

Zunächst: Jede Steuer bedeutet eine Umverteilung von Vermögen und Einkommen. Vermögen und Einkommen werden ihren Eignern und Produzenten zwangsweise genommen und an Personen umverteilt, die dieses Vermögen nicht besessen und dieses Einkommen nicht produziert haben. Jede zukünftige Akkumulation von Vermögen und jede zukünftige Produktion von Einkommen wird damit ent-mutigt, und umgekehrt wird die Konfiskation und der Konsum bestehender, von anderen Personen verwalteter Vermögenswerte und produzierter Einkommen er-mutigt. Es kommt zur Spaltung der Gesellschaft in zwei antagonistische Klassen.

Auf der einen Seite gibt es die Produzenten, die sich ihr Vermögen und Einkommen auf eigenen Beinen stehend erarbeiten, indem sie etwas leisten und produzieren, was von freiwillig zahlenden Kunden nachgefragt und für preiswert erachtet wird. Der Druck auf diese Produzenten wird umso höher und unerträglicher, je höher die ihnen auferlegte steuerliche Belastung. Je höher die Steuern, umso geringer wird darum die Zahl von Produzenten und der Andrang auf produktive Tätigkeiten. Auf der anderen Seite gibt es die Steuerkonsumenten, die sich ihr Vermögen und Einkommen nicht durch Produktion und Verkauf ihrer Produkte im freien Markt verschaffen, sondern dadurch, dass sie von den Produzenten auferlegten und abgeknöpften Vermögens- und Einkommenssteuern leben. Je höher das Steueraufkommen, umso größer wird die Zahl derartiger Profiteure und der Andrang auf unproduktive Tätigkeiten und Beschäftigungen. Dass eine Gesellschaft dadurch nicht reicher, sondern insgesamt ärmer wird, sollte sich eigentlich von selbst verstehen. Aber das Bild wird noch trüber, wenn man sich die von Zwangsabgaben lebende Klasse, so wie sie sich insbesondere unter demokratischen Bedingungen herausbildet, noch etwas genauer unter die Lupe nimmt.

Da gibt es zum einen die sogenannten Sozialhilfeempfänger. Stichwort Hartz IV oder neuerdings „Bürgergeld“. Sie bezahlen keine Steuern, sondern ihr Einkommen wird vollständig aus den Steuerzahlungen produktiver Personen bestritten. Sie werden dafür belohnt, dass sie arme Habenichtse sind und nichts tun. Und folglich, je größer die Belohnung, umso mehr Habenichtse und Nichtstuer gibt es. Armut und Arbeitslosigkeit werden nicht vermindert oder gemildert, sondern – ganz im Gegenteil – der Anreiz, sich aus der Armut zu befreien und einer produktiven Tätigkeit nachzugehen, wird reduziert, und Armut und Arbeitslosigkeit werden vergrößert. Die „Unterklasse“ wächst und sie wird zu einer permanenten ökonomischen Plage für die Produktive Klasse.

Aber die Unterklasse hat nur wenig Einfluss auf die staatliche Politik. Gewiss, ihre Zahl ist groß, auch „Unterklassler“ wählen, und als Politiker, der um Stimmen buhlt, muss man darum auch sie irgendwie befriedigen. Aber es wäre naiv, anzunehmen, dass sie einen bestimmenden Einfluss auf die Politik haben und zu den Hauptprofiteuren staatlicher Umverteilung gehören. Denn schließlich gibt es in aller Regel einen guten Grund, warum manche Personen arme Habenichtse sind und andere Personen es zu Wohlstand gebracht haben. Um es diplomatisch zu formulieren: Bei den „Unterklasslern“ handelt es sich in der Regel nicht gerade um die hellsten Köpfe der Gesellschaft, und es ist kaum denkbar, dass ausgerechnet sie sich bei der Aufteilung der Steuerbeute im demokratischen Umverteilungskampf gegenüber ihren helleren Mitmenschen dauerhaft durchsetzen können.

Das bringt mich unmittelbar zur zweiten Gruppe der Klasse der Steuerkonsumenten. Dies ist die Gruppe aller Staatsbediensteten, Angestellten und Beamten, von der Gemeindeebene an aufwärts bis zum Zentralstaat, einschließlich insbesondere aller Politiker. Auch sie bezahlen keine Steuern. Zwar erscheint auf ihrer Gehaltsabrechnung ein Steuerabzug und sie behaupten deshalb regelmäßig, auch selbst Steuerzahler zu sein. Aber dabei handelt es sich lediglich um eine buchungstechnische Fiktion, einen Trick, um die Gleichheit aller Personen vor dem Steuergesetz vorzugaukeln. In Wirklichkeit stammt ihr gesamtes Nettoeinkommen und alles aus ihm aufgebaute Vermögen aus Steuern. Ihr Einkommen würde nicht von Netto auf Brutto heraufgehen, wenn es keine Steuern mehr gäbe, sondern es würde stattdessen auf null fallen. Und Steuererhöhungen bedeuten für sie nicht, wie für Produzenten, einen Einkommensverlust, sondern umgekehrt eine Gehaltserhöhung. Sie sind also allesamt genauso Steuer-Profiteure wie Hartz-IV-Empfänger, nur auf sehr viel höherem, teurerem beziehungsweise kostspieligerem Niveau. Im besten Fall werden sie dafür bezahlt, Dinge zu tun, die sehr viel billiger und besser vom Markt erledigt werden könnten. In manchen Fällen werden sie einfach nur fürs Nichtstun bezahlt. In aller Regel aber sind sie, darin angeführt und angeleitet von den Politikern an der Spitze des Staatsapparates, damit beschäftigt, wirtschaftliches Unheil anzurichten.

Auch die Politiker sind nicht die Hellsten im Lande. Aber sie müssen immerhin von den Massen gewählt werden, um in maßgebliche staatliche Positionen aufzusteigen, um Kanzler, Minister, Parlaments- oder Parteiführer zu werden. Und einmal gewählt müssen sie einen riesigen Betrieb führen und verwalten, um anschließend wiedergewählt zu werden. Dazu gehört zweifellos eine gewisse Intelligenz.

Nur: Es ist eben ein ganz besonderer Betrieb, den sie leiten. Das Ziel des „Betriebs Staat“ ist es nicht, einen wirtschaftlichen Gewinn aus dem Verkauf als preiswert erachteter Produkte oder Dienstleistungen zu erzielen. Vielmehr ist es das Ziel, die Steuereinnahmen, über deren Verwendung man als Betriebsleiter bestimmen kann, zu maximieren und seine Ausgaben zusätzlich möglichst noch durch die Aufnahme von Krediten zu steigern, die erst später, mittels zukünftiger Steuern bedient werden müssen. Kurz: der Staat ist ökonomisch betrachtet ein gigantisches stationäres Banditentum, erpicht auf die Maximierung seiner Beute. Und die Intelligenz der Politiker besteht darin, diese Tatsache ideologisch zu verschleiern – wobei man sich der Hilfe der „Intellektuellen“ versichert – und ihr „ökonomisches Banditentum“ als „soziale Wohltat“ zu verbrämen, indem man an das scheinbar unausrottbare Neidgefühl der Wählermassen appelliert und verspricht, diese an der Beute zu beteiligen; und darin, diese Beute dann nach der Wahl (die Mencken treffend als „Voraus-Auktion gestohlener Güter“ bezeichnet hat) tatsächlich so geschickt zu verteilen, dass die Wähler auch zukünftig bei der Stange bleiben. Die Intelligenz von Politikern ist also die Intelligenz von moralisch skrupellosen Demagogen, und deshalb geht von ihnen und ihrem Steuerkonsum eine unvergleichlich viel größere Gefahr für alle Produzenten aus als von intellektuell unterprivilegierten Angehörigen der steuerkonsumierenden „Unterklasse“.

Doch auch die Staatsbediensteten und selbst die hochrangigsten Politiker können nur schwerlich als Hauptprofiteure staatlicher Abzocke angesprochen werden – und damit komme ich zur letzten, sehr viel kleineren aber umso einflussreicheren Gruppe der Klasse wirtschaftlicher Profiteure vom Steuerstaat, den Plutokraten.

Unter demokratischen Bedingungen kommt es zum Aufstieg einer neuartigen Machtelite und herrschenden Klasse. Präsidenten, Kanzler, Minister, Parlaments- und Parteiführer gehören zu dieser Klasse, aber es wäre naiv anzunehmen, dass sie selbst die mächtigsten und einflussreichsten aller Personen sind. Sie sind häufiger nur Agenten oder Delegierte anderer Personen, die selbst im Hintergrund bleiben und außerhalb des Rampenlichts stehen. Die eigentliche Machtelite, die bestimmt und kontrolliert, wer es überhaupt zum Präsidenten, Kanzler, Parteiführer und so weiter bringt, sind die Plutokraten. Das sind nicht einfach die Superreichen – Großbankiers und Großindustrielle. Vielmehr handelt es sich bei Plutokraten nur um eine Untergruppe Superreicher. Die Plutokraten sind diejenigen Großbankiers und Großindustriellen, die das ungeheure Potential erkannt haben, das der Staat als Institution mit dem Recht zur Besteuerung und zur Gesetzgebung zum Zweck der eigenen Bereicherung bietet; und die sich aufgrund dieser Einsicht in die Politik einschalten. Sie haben erkannt, dass man mittels des Staates, durch politische Mittel noch schneller noch viel reicher werden kann als man es schon ist: Sei es durch den Empfang staatlicher Subventionen, sei es durch staatliche Großaufträge oder sei es durch Gesetze, die sie vor unliebsamer Konkurrenz schützen oder gar vor dem Bankrott bewahren, wie wir es erst jüngstens während der sogenannten Bankenkrise in großem Stil erlebt haben. Und sie haben daraufhin entschieden, ihren Reichtum zur Eroberung des Staatsapparates einzusetzen.

Dabei ist es gar nicht erforderlich, selbst Politiker zu werden. Plutokraten haben wichtigere und lukrativere Dinge zu tun, als ihre Zeit im politischen Alltagsgeschäft zu vergeuden. Aber sie haben das Geld und die gesellschaftliche Position, um die in aller Regel weit weniger wohlhabenden und weniger hellen Spitzenpolitiker zu kaufen, sei es direkt durch Schmier- und Bestechungsgelder oder indirekt indem man ihnen nach Ablauf ihrer politischen Karriere hochdotierte Positionen als Firmenmanager, Berater und Lobbyisten in Aussicht stellt, um auf diese Weise den Verlauf der Politik entscheidend zum eigenen Vorteil zu beeinflussen. Und sie sind es dann, die mit dem Staat aufs Engste „wirtschaftlich verbundenen“ Großbankiers und Großindustriellen, die am meisten von der gigantischen Maschinerie der Einkommens- und Vermögensumverteilung, die die Demokratie, wie wir sie heute kennen, ist, profitieren. Und zwischen ihnen, der wirklichen Machtelite, den Beschäftigten des scheinbar unaufhaltsam wachsenden und aufblähenden Staatsapparats und der Unterklasse, wird die vielzitierte „Mittelschicht“ der Gesellschaft oder genauer: die noch verbliebene Klasse wirtschaftlich produktiver Personen zunehmend ausgepresst und plattgedrückt.

Ich muss zum Schluss kommen. Steuern sind ungerecht, eine „moralische Sauerei“. Und der ganze demokratische Steuerstaat ist nichts anderes als eine unermessliche Verschwendung knapper sachlicher und menschlicher Ressourcen und moralisch betrachtet eine Brutstätte ökonomischen stationären Banditentums. Steuerhinterziehung ist darum nicht „asozial“, wie Politiker uns vorzugaukeln versuchen, sondern ein positiver, sozialer Beitrag zur Trockenlegung eines riesigen moralischen und wirtschaftlichen Sumpfes. Es sind nicht „Steuersünder“ wie Uli Hoeneß oder Alfons Schuhbeck, die im ökonomischen und moralischen Sinne asozial sind, sondern diejenigen Profiteure, die „Steuersünder“ an den Pranger stellen wollen.

Prof. Dr. Hans-Hermann Hoppe, Philosoph und Volkswirt, ist einer der führenden Vertreter der Österreichischen Schule der Ökonomie und zählt zu den bedeutendsten Sozialwissenschaftlern der Gegenwart. Er lehrte von 1986 bis zu seiner Emeritierung 2008 an der University of Nevada, Las Vegas, USA. Er ist Distinguished Fellow des Ludwig von Mises Institute in Auburn, Alabama, USA, und Mitglied im wissenschaftlichen Beirat des Ludwig von Mises Institut Deutschland. Hoppe lehrt und hält Vorträge weltweit. Seine Schriften sind in 30 Sprachen übersetzt worden. Er ist Gründer und Präsident der Property and Freedom Society und lebt heute als Privatgelehrter in Istanbul. Zu seinen Büchern gehören u.a. „Die Kritik der kausalwissenschaftlichen Sozialforschung“, „Eigentum, Anarchie und Staat“, „A Theory of Socialism and Capitalism“, „The Economics and Ethics of Private Property“, „The Myth of National Defense“, „Demokratie. Der Gott, der keiner ist“, „Der Wettbewerb der Gauner“, „The Great Fiction: Property, Economy, Society, and the Politics of Decline“, „From Aristocracy to Monarchy to Democracy“ und „A Short History of Man: Progress and Decline“.
Weitere Informationen auf www.hanshoppe.com und www.propertyandfreedom.org.

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Hinweis: Die Inhalte der Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Ludwig von Mises Instituts Deutschland wieder.

Titel-Foto: Adobe Stock

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