Kriegsursachen, Sanktionen, militärische Unterstützung und Frieden durch Freihandel – Interview mit Erich Weede über den Ukraine-Krieg

Erich Weede

16.03.2022 – Interview mit dem Kriegsursachenforscher Professor Dr. Erich Weede

LvMID: Sehr geehrter Professor Dr. Weede, in ihrem Interview mit André Lichtschlag am 16. Februar 2022 sagten Sie sinngemäß, dass die Existenz des Staates, wie wir ihn heute kennen, und die Existenz von staatlichem Denken in Einflusssphären nicht erfreulich sein mögen, aber es gebe sie nun einmal überall. Und wir würden sie nicht los dadurch, dass wir die Realität leugneten. Dies vorausgeschickt möchten wir Sie fragen, was Sie für die Hauptursache oder die wesentlichen Ursachen dieses Krieges halten.

Weede: Aus Putins Sicht wurde der Einmarsch in die Ukraine notwendig, um eine weitere Expansion der NATO, die für ihn weniger ein Verteidigungsbündnis souveräner Staaten als eine amerikanische Einflusssphäre ist, zu verhindern. Moskau hatte zwar nach dem Zusammenbruch der Sowjet-Union die deutsche Wiedervereinigung und die deutsche Mitgliedschaft in der NATO zugestanden, aber nicht mehr. Die Expansion der NATO nach Polen und noch mehr ins Baltikum, das gegen den Willen der Bevölkerung unter Stalin in die Sowjet-Union hineingezwungen worden war, wurde in Moskau immer als bedrohlich gesehen. Nachdem 2014 sogar die Möglichkeit einer NATO-Mitgliedschaft der Ukraine und Georgiens debattiert wurde, signalisierte Putin mit dem Anschluss der Krim an Russland und der Unterstützung von Rebellen im Donbass, in der Ostukraine, dass er eine weitere Expansion der NATO nicht kampflos hinnehmen würde. Jetzt hat er beschlossen, der Ukraine den Weg nach Westen, in die NATO, mit Gewalt endgültig zu verbauen.

LvMID: Gegenwärtig werden in Deutschland verschiedene Möglichkeiten diskutiert, um die Kampfhandlungen schneller zu beenden, von Wirtschaftssanktionen über die Lieferung von Militärgerät an den ukrainischen Staat bis hin zur Einrichtung einer Flugverbotszone über der Ukraine.

Zunächst möchten wir in diesem Zusammenhang die Wirtschaftssanktionen ansprechen, von denen einige bereits umgesetzt wurden. Andererseits scheinen den Berichten zur Folge noch Gaslieferungen aus Russland nach Deutschland zu erfolgen, wenn zu lesen ist, dass Russland mit dem Abschalten von Nord Stream 1 drohe. Verwunderlich ist in diesem Zusammenhang, dass berichtet wird, die Bundesregierung habe das Genehmigungsverfahren für Nord Stream 2 gestoppt, wenn man doch auf die Gaslieferungen – wie es scheint – angewiesen ist. Gleichzeitig steigen die Energiekosten in Deutschland enorm an.

Man ist also einerseits auf Energie-Lieferungen angewiesen, andererseits erschwert man diese oder schränkt sie ein. Das scheint widersprüchlich. Zudem sind die Leidtragenden nicht nur die russischen Exporteure, sondern auch die Verbraucher, die für diese Sanktionen mit steigenden Preisen bezahlen müssen. Was halten Sie von diesem Vorgehen und denken Sie, dass die Kriegshandlungen tatsächlich durch wirtschaftliche Sanktionen begrenzt oder verkürzt werden können?

Weede: Dass Wirtschaftssanktionen einen schnellen Beitrag zur Einschränkung oder gar Beendigung der Kampfhandlungen leisten können, halte ich für eine Illusion. Generell sind Wirtschaftssanktionen nur selten wirksam, wie empirische Studien zeigen. Dennoch neigt der Westen zunehmend dazu, weil man das Gefühl hat, man müsse irgendetwas tun. Das ist weitgehend Symbolik. Wenn die Wirtschaftssanktionen durch ihr unerhörtes Ausmaß tatsächlich mal die ökonomische Basis einer Großmacht treffen und gefährden sollten, wie es jetzt der Fall sein könnte, dann muss man auch die Eskalationsgefahr bedenken. Obwohl die kausale Verknüpfung historischer Ereignisse nicht beweisbar ist, halte ich es für plausibel, davon auszugehen, dass die amerikanischen Wirtschaftssanktionen gegen Japan vor dem 2. Weltkrieg zum späteren japanischen Angriff auf Pearl Harbor beigetragen haben. Wer Russlands Volkswirtschaft ruinieren will, sollte sich der damit verbundenen Eskalationsgefahr bewusst sein. Bei aller Empörung über Putins Einmarsch in die Ukraine dürfen wir nicht vergessen, dass der Westen und Putin auch heute noch mindestens ein gemeinsames Interesse haben, nämlich die Vermeidung eines Atomkriegs und unser gemeinsames Überleben. Wir können zwar gegen ihn sterben, aber überleben können wir nur mit ihm.

Deshalb kann man fast froh sein, dass die westlichen Wirtschaftssanktionen nicht nur Russland beschädigen, sondern auch unsere eigenen Volkswirtschaften, in Deutschland natürlich mehr als in Amerika. Der Schaden bei uns trägt hoffentlich dazu bei, dass wir nicht versuchen, Russland in die Knie zu zwingen. Mit einer nuklearen Großmacht kann das nicht funktionieren. Wahrscheinlich werden die Sanktionen kurzfristig keine hinreichenden Effekte haben, um den Kriegsverlauf zu beeinflussen. Aber es gibt langfristige Effekte, die man auch bedenken sollte.

Im Wesentlichen sehe ich zwei Möglichkeiten, bestehende Kriegsgefahr zu reduzieren: erstens die Abschreckung, wobei nukleare Abschreckung beziehungsweise die Möglichkeit gegenseitiger Vernichtung immer wirksamer als konventionelle Abschreckung ist, wobei man konventionelle Abschreckung auch mit Eskalationsgefahr verbinden kann. Die zweite und sympathischere Möglichkeit, Spannungen und Kriegsgefahr zu reduzieren, besteht in wirtschaftlicher Zusammenarbeit. Man könnte das ‚Frieden durch Freihandel’ oder auch ‚kapitalistischen Frieden’ nennen. Beide Verfahren wirken nicht mit Sicherheit, sondern beeinflussen nur die Wahrscheinlichkeiten. Deshalb sollte man immer mit beiden gleichzeitig arbeiten. Mich beunruhigt die westliche Neigung, den Pazifizierungseffekt von Freihandel und wirtschaftlicher Zusammenarbeit immer stärker zu gefährden. Das gilt heute für Russland. Das könnte morgen für China gelten.

Gerade weil das unerhörte Ausmaß der Sanktionen gegen Russland langfristig die russische Volkswirtschaft stark beschädigen könnte, sollte man überlegen, was das für Russland und den Westen bedeutet. Wir lassen Russland keine Wahl: Es wird in die Arme Chinas getrieben. Russland hat ungefähr ein Zehntel der chinesischen Bevölkerung und ebenfalls ein Zehntel der chinesischen Wirtschaftskraft. Nur bei der Rüstung, vor allem der atomaren, ist Russland China heute noch weit überlegen. Deshalb kann Russland heute noch ein gleichberechtigter Partner Chinas sein. Das aber wird auf lange Sicht nicht so bleiben. Denn Chinas Wirtschaft wächst seit Jahrzehnten viel schneller als die Russlands. Das wird so bleiben, selbst wenn Chinas Wirtschaft langsamer als bisher wächst, selbst wenn Russland sich die Ukraine einverleiben sollte. Auf lange Sicht bedeuten dauerhaft aufrecht erhaltene westliche Sanktionen gegen Russland, dass die chinesische Einflusssphäre bis an die Ostsee reicht. Ich halte das nicht für einen Sieg des Westens. Das widerspricht Russlands Interessen und den westlichen Interessen. Politiker reden zwar gern von ‚win-win’, aber erzeugen ‚lose-lose’.

LvMID: Wie sehen Sie die Forderungen nach Waffenlieferungen an die Ukraine? Zuletzt waren sogar polnische Kampfflugzeuge russischer Bauart im Gespräch, aber schwere Waffen zur Abwehr von Panzern oder Hubschraubern wurden nach Pressebereichten bereits von westlichen Staaten an die ukrainische Regierung geliefert.

Andere forderten gar die Einführung einer Flugverbotszone über der Ukraine, was aber – bislang – nach Berichten von der NATO beziehungsweise den USA ebenfalls abgelehnt wurde. Eine bekanntes deutsches Boulevard-Blatt veröffentlichte sogar die Forderung nach einem unmittelbaren militärischen Eingreifen der NATO selbst oder deren Mitgliedsstaaten und es wurde gefordert, die Informationstechnologie des russischen Staates mittels „modernster“ Cyber War Attacken zu beschädigen. Als ein weiteres Argument hierfür wurde angeführt, dass ansonsten China Taiwan annektieren würde, falls der Feldzug des russischen Staates Erfolg haben sollte.

Was halten Sie von der mittelbaren (Waffenlieferungen und dergleichen) und/oder unmittelbaren Unterstützung (militärisch oder cyber-militärisch) der ukrainischen Regierung durch westliche Staaten? Und sehen Sie ebenfalls, dass eine Invasion Taiwans durch die chinesische Regierung wahrscheinlicher würde, wenn westliche Staaten die ukrainische Regierung nicht unterstützen beziehungsweise falls die Invasion des russischen Staates in die Ukraine sich als – wie auch immer – „erfolgreich“ herausstellen sollte?

Weede: Zunächst möchte ich den Teil Ihrer Frage beantworten, der sich auf westliche Unterstützung der Ukraine und ihrer Streitkräfte bezieht. Dabei sollte man auf Gedanken aufbauen, die Thomas Schelling und Herman Kahn während des kalten Krieges entwickelt haben. Danach kann man sich eine Eskalationsleiter mit sehr vielen Sprossen oder Schwellen vorstellen, die von bloßen Spannungen bis zur gegenseitigen nuklearen Vernichtung reicht. Solange beide Seiten ein gemeinsames Interesse daran haben, auf der Eskalationsleiter nicht allzu hoch zu steigen beziehungsweise keine großen Risiken der gegenseitigen Vernichtung zu akzeptieren, kommt es darauf an, bestimmte Schwellen nicht zu überschreiten. Man darf unterstellen, dass beide Seiten, Russland und die USA oder der Westen, wissen, dass das Überschreiten der nuklearen Schwelle recht dicht an der gegenseitigen Vernichtung ist, dass ein Kampfeinsatz westlicher gegen russische Truppen zwar noch darunter, aber auch schon ziemlich hoch auf der Eskalationsleiter ist. Eine Flugverbotszone über der Ukraine impliziert einen westlichen Kampfeinsatz und würde damit diese Schwelle schon überschreiten.

Bevor man allzu mutig auf der Eskalationsleiter weiter steigt, weil ja noch viele Schwellen vor uns liegen und die Gefahr gering sei, sollte man an zweierlei denken. Erstens weiß niemand so genau, wie hoch die Risikosteigerung mit dem Überschreiten welcher Schwelle ist. Zweitens haben, vor allem wenn man von der Vorstellung einer sehr langen Leiter ausgeht – bei Kahn sind es mehr als 40 Sprossen gewesen –, nicht alle Beteiligten dieselbe Eskalationsleiter im Kopf. In Putins und in manchen anderen russischen Köpfen hat der Westen mit dem NATO-Beitritt Polens eine erste wichtige Schwelle auf der Eskalationsleiter überschritten und mit dem NATO-Beitritt des Baltikums eine zweite. Aus westlicher Sicht war das überhaupt keine Eskalation, auch keine Bedrohung Russlands, denn erstens erfolgte die NATO-Osterweiterung friedlich und auf Wunsch der Beitrittskandidaten und zweitens war eine Bedrohung Russlands weder intendiert noch durch militärisch relevante westliche Truppenstationierungen untermauert. Wenn beide Seiten mit anderen Eskalationsleitern im Kopf arbeiten, dann steigt das Risiko von Missverständnissen und einer Eskalation, auch wenn beide Seiten das vermeiden wollen. Deshalb würde ich zur Vorsicht raten. Ich habe den Eindruck, dass man dort, wo es darauf ankommt, beim Pentagon in Washington, die Dinge ähnlich sieht. Welche Waffen man liefern kann, das ist eine schwierige Frage. Nach meiner persönlichen Einschätzung sollte man sicher keine Kampfflugzeuge russischer Bauart liefern, die ukrainische Kampfpiloten sofort einsetzen können.

Man darf sich nichts vormachen. Der Westen hat nur die Wahl zwischen zwei grundsätzlichen Optionen. Entweder wir gehen beträchtliche, aber nur ungenau erahnbare Eskalationsrisiken ein oder wir überlassen die Ukraine der Gnade oder Ungnade Putins. Vor ein paar Wochen dachte ich, dass die westliche Entscheidung zugunsten der Risikominimierung gefallen sei. Jetzt versuchen die Ukrainer durch tapferen Widerstand den Westen umzustimmen. Gleichzeitig schicken sie Frauen und Kinder in den Westen, damit diese dort den Krieg überleben. Der Westen hat durchaus Anlass zu einem schlechten Gewissen gegenüber der Ukraine. Denn wir haben uns lange kaum Gedanken über die Risiken der NATO-Osterweiterung oder einer EU-Perspektive für die Ukraine gemacht. Ohne Gefahr für mindestens ganz Europa, wenn nicht die Menschheit, können wir nur den Flüchtlingen helfen. Obwohl ich in offenen Grenzen eine potenzielle Gefährdung freiheitlicher Gesellschaften sehe, glaube ich, dass Europa die ukrainische Fluchtwelle besser als die Massenzuwanderung von 2015 verkraften kann. Gerade weil wir der Ukraine militärisch nicht helfen können, sollten wir bei humanitärer Hilfe umso großzügiger sein.

Außerdem hatten Sie Taiwan angesprochen. Sicher wird es Xi Jinping ermutigen, an eine baldige militärische Lösung der Taiwan-Frage zu denken, wenn Putin die Ukraine unterworfen haben wird und den Preis der Wirtschaftssanktionen des Westens verkraftet. Aber man sollte die Interdependenz des aktuellen Konflikts in der Ukraine und des potenziellen an der Taiwan-Straße nicht überschätzen. China sieht sich als aufsteigende Weltmacht. Wenn die Chinesen sich vorstellen, mal genauso reich wie die Amerikaner zu sein – jetzt liegen sie in der Nähe eines Viertels – dann impliziert das eine mindestens dreimal so hohe Wirtschaftskraft Chinas wie der USA, wobei der Bevölkerungsrückgang Chinas und ein Bevölkerungszuwachs der USA eingerechnet sind. Spätestens dann kann China mit den USA machen, was die USA unter Reagan mit den Sowjets gemacht haben, den Gegner durch ein Aufrüstungsprogramm zur Verzweiflung bringen. Russland dagegen ist eine absteigende Weltmacht. Der Ständige Ausschuss des Politbüros von Chinas KP würde selbst aus einem russischen Misserfolg in der Ukraine kaum schließen, dass auch eine aufsteigende Weltmacht wenig erreichen kann.

LvMID: Zum Abschluss noch eine Frage in Verbindung mit Ludwig von Mises. Der meinte sinngemäß, Freihandel und Liberalismus seien ein Friedensprogramm. In einem durchwegs liberalen Staat im Mises’schen Sinne gäbe es keinen Interventionismus, also keine staatlichen Eingriffe in das Wirtschaftsgeschehen, und die staatlichen Akteure müssten für die Finanzierung ihrer Handlungen – folgerichtig – auf das Einvernehmen der Bürger setzen. Jede andere Form des Staates ermöglicht es einer Klasse von Menschen, eine andere zu beherrschen. Ein liberales Programm im Mises’schen Sinne führte zudem – denknotwendig – zu der denkbar größten Wohlstandszunahme aller Beteiligten, ohne dass sich eine Gruppe auf Kosten und zu Lasten einer anderen bereicherte. Wären alle Staaten liberal in diesem Sinne, würde kriegerischen Handlungen die Geschäftsgrundlage entzogen: Denn wenn es nichts mehr zu beherrschen gibt, macht es keinen Sinn, sich um das Beherrschen zu streiten.

Doch eine solche Geisteshaltung, dass die Menschen den freundlichen Austausch gegenüber dem erzwungenen generell vorziehen würden oder dass sie es nicht im Sinn hätten, ihrem Nachbarn das Leben mit Vorschriften und Verboten sauer zu machen, eine solche Geisteshaltung ist nicht verbreitet. Haben Kriege nicht auch ihre Ursachen im Kleinen, in den Einstellungen der Menschen, die viel weniger friedliebend sind, als sie es sich vormachen? Wenn den Bürgern unter Androhung von letztlich Zwang und Gewalt allerlei Vorschriften gemacht werden und Abgaben abverlangt, dann ist das auch Gewaltandrohung; auch wenn die Gewalt selbst meist nicht sichtbar wird, weil sich der Bürger fügt, denn gegen das Gewaltmonopol der politischen Akteure kommt er nicht an.

Was denken Sie darüber? Und falls Sie Mises‘ Einschätzung des Liberalismus oder Freihandels als Friedensprogramm teilen, wie erklären Sie sich, dass sich die Menschen in den letzten Jahrzehnten offensichtlich gedanklich immer mehr von den Ideen des Liberalismus entfernt haben, statt sich ihnen anzunähern? Was könnte Ihrer Einschätzung nach die Ursache hierfür sein?

Weede: Ich glaube, ziemlich dicht bei Mises zu sein. Auch ich halte Liberalismus und Freihandel für ein Friedensprogramm. Was den Freihandel oder allgemeiner noch wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entstaatlichung der Volkswirtschaften angeht, habe ich immer wieder auf die Chancen eines kapitalistischen Friedens verwiesen. Je enger die wirtschaftliche Verflechtung zweier Staaten, desto seltener brechen Kriege aus. Der kapitalistische Frieden kann sogar in einer Welt mit autokratischen und allzu gern in die Wirtschaft eingreifenden Regierungen wirken. Weil Wirtschaftssanktionen die Macht der Regierungen stärken und die Freiheit beschränken müssen, bin ich besorgt über die zunehmende Bereitschaft auch westlicher Staaten zu Sanktionen.

Unterschiede zwischen Mises’ und meinen Auffassungen ergeben sich daraus, dass Mises zuerst über Wirtschaftsfragen und erst danach über Krieg nachgedacht hat. Bei mir ist die Reihenfolge umgekehrt. Ich war schon lange Kriegsursachenforscher, wie meine Dissertation und Habilitation zeigen, bevor ich auch nur anfing, Wirtschaftsbücher zu lesen. Beim kapitalistischen Frieden betone ich immer dessen probabilistischen Charakter. Der funktioniert nur oft, aber nicht immer. Deshalb war ich auch immer ein Befürworter der nuklearen Abschreckung, zur Reagan Zeit sogar ein Befürworter einer Raketenabwehr, um die Glaubwürdigkeit der erweiterten Abschreckung zu untermauern.

Wie Mises wünsche ich mir einen Minimalstaat. Aber ich sehe, dass wir uns immer weiter davon entfernen. Der langfristige Trend geht seit hundert Jahren zu steigenden Staatsquoten und steigenden Sozialtransfers, obwohl Mises schon kurz nach dem ersten Weltkrieg erläutert hat, warum die Gemeinwirtschaft oder der Sozialismus nie zu einer befriedigenden Versorgung der Konsumenten führen kann. Warum ist das so? Auf Seiten der Wähler würde ich das mit rationaler Ignoranz erklären. Das Gewicht jeder einzelnen Stimme muss in der Massendemokratie so gering sein, dass es sich nicht lohnt, informierte Wahlentscheidungen zu treffen, zumal die Informationskosten für alle hoch sind, bei denen wirtschaftlich und politisch relevante Informationen nicht bei der normalen Berufsausübung anfallen. Auf Seiten der Politiker ist klar: Man geht in die Politik, um etwas zu bewirken, nicht um andere Politiker daran zu hindern, Unheil anzurichten. Leider!

Erich Weede erwarb akademische Grade in Psychologie (Diplom) und Politikwissenschaft (Dr. und Venia Legendi). Als Professor lehrte er von 1978 bis 1997 Soziologie an der Universität zu Köln, von 1997 bis 2004 an der Universität Bonn. Er hat 11 Bücher und ca. 300 Aufsätze in deutscher und englischer Sprache veröffentlicht. Seine Themen umfassen Kriegsursachen, Aufstieg und Niedergang von Nationen, asiatische Zivilisationen, die Erfindung des Kapitalismus, die Verbreitung wirtschaftlicher Freiheit, Wirtschaftswachstum und Einkommensverteilung. Eines seiner Bücher ist: ‘Asien und der Westen’ (Nomos, Baden-Baden 2000). Er ist Mitglied der Mont Pelerin Society und Gründungsmitglied der Hayek-Gesellschaft.

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Hinweis: Die Inhalte der Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Ludwig von Mises Instituts Deutschland wieder.

Titel-Foto: Adobe Stock

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