Der Aufstieg des Neo-Sozialismus. Und was man dagegen tun kann

14. Februar 2022 – von Thorsten Polleit

Dieser Beitrag ist am 7. Januar 2022 als Videobeitrag von Thorsten Polleit erschienen. Den Videobeitrag finden Sie hier.

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Thorsten Polleit

In diesem Vortrag argumentiere ich, dass sich vor unseren Augen – von vielen Menschen vielleicht noch unbemerkt –  eine rasante Abkehr vom System der freien Märkte (beziehungsweise von dem, was davon heute noch übrig ist) abspielt; und dass das eine Entwicklung ist, die nicht nur den Wohlstand, sondern auch das friedvolle Zusammenleben der Menschen auf dieser Welt gefährdet. Zu diesem Ergebnis komme ich, indem ich die aktuellen Geschehnisse mit Rückgriff auf ökonomische Theorien interpretiere. Abschließend mache ich einige Vorschläge, um dieser problematischen Entwicklung Einhalt zu gebieten.

Lassen Sie uns einsteigen in meinen Vortrag – mit Teil 1:

Den Ausgangsbedingungen

Die Volkswirtschaften erholen sich nur mühsam aus der politisch diktierten Lockdown-Krise. Dass die internationalen Produktions- und Logistikketten erheblichen Schaden genommen haben, zeigen anhaltende Produktionsausfälle, Lieferverzögerungen, steigende Güterpreise und hier und da auch leere Supermarktregale. Nun könnte man die Hoffnung haben, dass die Störungen über kurz oder lang behoben werden, sich die weltweite Angebots- und Nachfragestruktur wieder normalisieren wird. Doch leider wird diese Hoffnung getrübt durch einen wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Paradigmenwechsel: Die Ideen, denen Regierende und Regierte seit geraumer Zeit anhängen, führen zu einer fortgesetzten Abkehr vom System der freien Märkte (beziehungsweise zur Abkehr von dem wenigen, was davon heute noch übrig ist), verhelfen einer Art Befehls- und Lenkungswirtschaftsmodell zum Aufstieg, das nichts Gutes für Wohlstand und Frieden auf der Welt verspricht.

Warum die Abkehr vom freien Marktsystem problematisch, ja gefährlich ist, zeigt sich, wenn man sich seine Funktionsweise und Leistungsfähigkeit vor Augen führt. Das bringt mich zum

Zweiten Teil: Was das FREIE MARKTSYSTEMS alles kann

Das System freier Märkte vermag großartiges zu leisten, ökonomisch und sozial.

In einem System der freien Märkte steht es den Nachfragern frei, die Güter nachzufragen, die sie zu kaufen wünschen. Und die Anbieter haben die Freiheit, Güter anzubieten, von denen sie meinen, dass sie freiwillig von den Nachfragern gekauft werden.

In einem freien Markt nutzen die Menschen die Vorteile der Arbeitsteilung. Mit ihr lässt sich die Ergiebigkeit der Arbeit erhöhen, sie erlaubt es, mehr und bessere Güter zu produzieren. Unternehmen formieren sich und machen sich daran, solche Güter und Dienste zu erzeugen und anzubieten, die die Kunden zu kaufen wünschen.

Sind die Unternehmen dabei erfolgreich, werden sie mit Gewinn belohnt. Der Gewinn ermöglicht es ihnen, ihre Produktion im Sinne der Nachfrager auszuweiten. Erzielt der Unternehmer hingegen einen Verlust, so wandert sein Kapital sprichwörtlich in die Hände besserer Wirte, also zu Unternehmern, die die Kundenwünsche vergleichsweise besser erfüllen. Das Gewinn-und-Verlust-Prinzip sorgt folglich dafür, dass die Produktionsleistung an den Kundenerfordernissen ausgerichtet wird.

Die Bildung der Güterpreise spielt im System der freien Märkte eine besonders wichtige Rolle. Steigt der Preis eines Gutes, so zeigt dies an, dass das betreffende Gut knapp ist (relativ zum Angebot anderer Güter). Zum einen hält das die Nachfrager an, sparsamer mit dem Gut umzugehen. Zum anderen bekommen Unternehmen das Signal, die Produktion des Gutes auszuweiten. Die erhöhte Produktionsmenge des Gutes wirkt seinem Preisanstieg entgegen und verbessert die Versorgungssituation der Nachfrager. Ähnliches gilt bei einem Preisrückgang für ein Gut. Er informiert darüber, dass das Gut relativ reichlich vorhanden ist, und dass die Unternehmer besser andere Güter, deren Preise sich relativ zum verbilligenden Gut verteuern, vermehrt produzieren sollen. Der Preismechanismus sorgt so gesehen dafür, dass die knappen Mittel in die Verwendungen gelenkt werden, in denen sie aus Sicht der Nachfrager den höchsten Nutzen stiften.

Ein freies Marktsystem – und das ist sein Kernmerkmal – zeichnet sich durch Eigentum aus: Die Produktionsmittel befinden sich im Privateigentum. Der Unternehmer kann die Gewinne seiner Tätigkeit vereinnahmen, und er muss die Kosten seines Tuns tragen.

… die Kunden sind es, die mit ihrer Kauf- oder Nichtkaufentscheidung über Erfolg oder Misserfolg des Unternehmers entscheiden; man kann von Konsumentensouveränität sprechen.

Das Bestreben, sein Eigentum zu erhalten beziehungsweise zu vermehren, hält den Unternehmer in einem freien Markt zudem dazu an, seine Produktionsleistung konsequent an den Wünschen der Nachfrager auszurichten. Er setzt seine Produktionsmittel ein, um Güter zu erzeugen, die nicht seinen eigenen Bedürfnissen, sondern die den Bedürfnissen der Käufer entsprechen. Er stellt folglich sich und sein Eigentum in den Dienst der Kunden. Und die Kunden sind es, die mit ihrer Kauf- oder Nichtkaufentscheidung über Erfolg oder Misserfolg des Unternehmers entscheiden; man kann von Konsumentensouveränität sprechen.

Die Umweltproblematik lässt sich ebenfalls in einem System der wirklich freien Märkte in den Griff bekommen. Gäbe es ein System freier Märkte, befänden sich alle Ressourcen – wie Land, Straßen, Wälder, Seen, Flüsse, Meere, Ozeane – in Privateigentum – entweder im Eigentum von Einzelpersonen oder von Personengruppen. Übernutzung, Verschwendung von Ressourcen werden dadurch verhindert, denn die Eigentümer bewirtschaften ihr Eigentum, das heißt, sie versuchen, den Kapitalwert der Ressourcen zu maximieren.

Eigentümer, die sich in ihren Eigentumsrechten geschädigt sehen durch zum Beispiel Lärm-, Luft- oder auch Klimaänderungen, haben die Möglichkeit, gegen die Schädiger vor Gericht zu ziehen. Dazu legen sie Beweise der Schädigung durch Dritte vor, und Richter befinden über die Klage, sprechen Unterlassungen aus, oder legen Entschädigungen fest, oder sie lehnen die Klage mangels Beweisen ab.

Ein weiteres Charakteristikum des freien Marktsystems ist die Massenproduktion, also die Erzeugung von Gütern, die für den Verbrauch durch die breite Bevölkerung vorgesehen sind. Damit verbunden kommt es zu einer Tendenz einer ständigen Verbesserung des durchschnittlichen Lebensstandards für die große Zahl der Menschen, das heißt eine fortschreitende Bereicherung der Mehrheit der Bevölkerung. Man kann auch sagen (und die Marxisten-Sozialisten mögen das vielleicht gar nicht hören wollen): Das freie Marktsystem entproletarisiert den gewöhnlichen Menschen, erhebt ihn nach und nach zu dem Rang eines Bürgerlichen.

Wie einleitend bereits erwähnt, entwickelt ein freies Marktsystem eine zunehmende, immer feiner zergliederte Arbeitsteilung, national wie international. Denn es ist die Arbeitsteilung, die die Ergiebigkeit der Arbeit erhöht. Sie hält die Menschen dazu an, diejenigen Güter zu erzeugen, bei deren Herstellung sie vergleichsweise geringe Kosten haben. Die Arbeitsteilung erlaubt aber nicht nur, mit gegebener Arbeitsleistung mehr Güter herzustellen, sondern auch Güter zu erschaffen, die man ohne Arbeitsteilung gar nicht herstellen könnte. Vor allem eine dauerhafte Arbeitsteilung eröffnet den Menschen ungeahnte Wohlstandszuwächse. Das System der freien Märkte lässt eine arbeitsteilige Verbindung zwischen den Menschen auf aller Welt entstehen, bringt sie zusammen in einem kooperativen und produktiven Netzwerk zum allseitigen Vorteil. So gesehen ist der freie Markt ein Friedensprogramm für die Welt.

Der wirtschaftliche Erfolg der westlichen Welt mit seiner umfangreichen Güterversorgung und hohen technologischen Entwicklung ruht auf dem System der freien Märkte – die zwar niemals wirklich ganz frei waren, die aber innerhalb der bestehenden Restriktionen, die die Staaten aufgestellt haben, es immer noch ermöglichten, den materiellen Wohlstand der Menschen zu befördern; die Unternehmer hatten offensichtlich noch genügend Freiheiten, ihre Produktionsleistung auszubauen; die Preissignale waren hinreichend verlässlich, um die Investitionen zum Erfolg zu führen. Doch die Errungenschaften des freien Marktsystems (beziehungsweise der Reste, die heute noch davon übrig sind) werden mittlerweile immer stärker in Frage gestellt, untergraben, zerstört. Das liegt vor allem am Aufstieg des Interventionismus.

Dritter Teil: DER AUFSTIEG DES INTERVENTIONISMUS

In den letzten Jahrzehnten hat es in den westlichen Volkswirtschaften kein freies Marktsystem in Reinform gegeben. Das vorherrschende Wirtschaftsmodell war und ist der Interventionismus.

Im Interventionismus befinden sich die Produktionsmittel zwar formal im Privateigentum. Der Staat schränkt jedoch die Verfügungsrechte der Eigentümer über ihr Eigentum ein – durch Ge- und Verbote, Regulierungen, Besteuerung etc., und er schreibt ihnen auch vor, was sie mit ihrem Eigentum tun dürfen und was nicht. Das Problem des Interventionismus ist nun das Folgende: Die Ziele, die man mit ihm erreichen will, lassen sich entweder nicht erreichen; oder sie werden nur erreicht, indem sich unerwünschte und problematische Nebenwirkungen einstellen.

Dazu ein Beispiel: Der Staat will den Mietpreis absenken, um Wohnraum bezahlbar zu machen. Dazu fixiert er einen Höchstpreis für Mietzahlungen. Wenn der Höchstpreis für Mieten niedriger ausfällt als die marktübliche Miete, übersteigt die Nachfrage nach Mietraum das Angebot von Mietraum. Das verknappte Angebot von Mietraum muss dann irgendwie zugeteilt, also rationiert werden. Die absehbaren Folgen sind Warteschlangen, Korruption, Vetternwirtschaft etc. Ein Höchstpreis für Vermietung wird Investoren davon abhalten, in den Bau neuer Wohnungen zu investieren. Das gilt sowohl für Instandhaltungs- als auch für Erneuerungsinvestitionen.

Die Folge ist eine Verschlechterung der Wohnbedingungen für Mieter. Eine Mietpreisobergrenze reduziert also nicht nur den Wohnraum, er setzt auch die Wohnqualität der Mieter herab.

Kehrt man sich nicht vom Interventionismus ab, … steht am Ende eine Art Befehls- und Lenkungswirtschaft, in der der Staat bestimmt, wer was wann wo und in welcher Menge zu produzieren hat, und wer was wann wo und in welcher Menge konsumieren darf.

Der Interventionismus löst regelmäßig Interventionsspiralen aus: Weil er das Ziel nicht erreicht oder unerwünschte Nebeneffekte verursacht hat, greift der Staat zu weiteren Interventionen. Und indem der Staat immer weiter und stärker in das System der (ursprünglich) freien Märkte eingreift, unterwandert und zerstört er es. Kehrt man sich nicht vom Interventionismus ab, beendet man nicht die Interventionismusspirale, steht am Ende eine Art Befehls- und Lenkungswirtschaft, in der der Staat bestimmt, wer was wann wo und in welcher Menge zu produzieren hat, und wer was wann wo und in welcher Menge konsumieren darf. Der Interventionismus – wenn man ihn nicht stoppt – führt in die Unfreiheit, in eine Kommandowirtschaft, die den Wohlstand der Menschen gravierend herabsetzen und zudem auch Zwang und Gewalt bringen wird.

Vierter Teil: DER INTERVENTIONISMUS ALS TROJANISCHES PFERD

Der Interventionismus ist heutzutage zum allseits akzeptierten Modell geworden: Die Idee, der Staat solle und müsse in das Marktsystem eingreifen, um politisch gewollte Ziele zu erreichen, genießt großen Zuspruch. Sie wird hofiert von den Gutmeinenden, die der Auffassung unterliegen, mit dem Interventionismus ließen sich die unerwünschten Folgewirkungen, die sie den freien Märkten zuschreiben, zähmen beziehungsweise ausschalten – wie Finanz- und Wirtschaftskrisen, eine zu große Spreizung der Schere zwischen Arm und Reich, Altersarmut etc. Doch dieses Bestreben resultiert aus einer falschen Ursachenanalyse. Denn es ist der Interventionismus, nicht der freie Markt, der für die heute allseits beklagten Übelstände sorgt, und mit ihm lassen sich die Probleme, die er verursacht, natürlich nicht aus der Welt schaffen.

Es gibt jedoch auch diejenigen, die den Interventionismus befürworten, weil sie wissen, dass sich mit seiner Hilfe das System der freien Märkte (beziehungsweise was davon noch übrig ist) gewissermaßen still und heimlich abschaffen beziehungsweise zerstören lässt. Mit gut klingenden Vorschlägen empfehlen sie, der Staat müsse in Wirtschaft und Gesellschaft eingreifen, um vermeintlich bessere Ergebnisse herbeizuführen. Und so dringt der Staat tatsächlich in Bildung (Kindergarten, Schule, Universität), Transport, Medien, Gesundheit, Altersvorsorge, Geld und Kredit und Umwelt vor, wird überall zum dominanten Spieler, hebelt die verbliebenen Elemente des freien Marktsystems aus, bis das freie Marktsystem keines mehr ist, bis es nur noch eine leere, entkernte Hülle darstellt.

Vor allem marxistisch-sozialistische Kräfte finden im Interventionismus eine Art Trojanisches Pferd.

Marxistisch-sozialistische orientierte Denker erblicken im Interventionismus eine Art Trojanisches Pferd. Dank seiner Hilfe lassen sich beispielsweise mit den Themen Klimawandel und Coronavirus weitreichende – in Friedenszeiten bisher nie dagewesene – Eingriffe des Staates in das Wirtschafts- und Gesellschaftsleben (schein-)legitimieren. Für viele Menschen klingt es beispielsweise gut und richtig, wenn sie zu hören bekommen: Die Volkswirtschaften dürfen nicht mehr wie bisher produzieren und konsumieren, weil sonst der Planet unbewohnbar wird. Und nur der Staat kann die Rettung bringen. Er soll daher das Heft beherzt in die Hand nehmen, soll per Dekret Produktion und Konsum neu ordnen. Und die Verbreitung eines Virus erfordere, dass der Staat die Gesundheit der Menschen nach seinen Vorgaben steuere.

Fünfter Teil: DIE AGENDA DER POLITISCHEN GLOBALISTEN

Die Eiferer, die Wirtschaft und Gesellschaft nach politischen Vorgaben um- und neubauen wollen … lassen sich treffend als politische Globalisten bezeichnen.

Unter den Anhängern des Interventionismus hat sich in den letzten Jahren ein besonders aggressiver Zweig herausgebildet: Die Eiferer, die Wirtschaft und Gesellschaft nach politischen Vorgaben um- und neubauen wollen, und zwar weltweit. Sie lassen sich treffend als politische Globalisten bezeichnen. Was sie eint, ist die Idee, dass die Menschen ihr Leben nicht selbstbestimmt in einer Welt der freien Märkte führen sollen und dürfen, sondern dass sie vielmehr gesteuert werden müssen von zentraler Stelle. Und wer soll diese zentrale Stelle besetzen?  Wenn nicht der freie Markt die Koordinierungs- und Leitungsfunktion übernehmen soll, dann muss diese Aufgabe staatlich geleistet werden, muss diese Aufgabe einem Kartell der Staaten, am besten einer Art Weltregierung, in die Hände gelegt werden; oder einer Interessengemeinschaft von ranghohen Politikern und Bürokraten, Zentralbankräten, Vertretern von Großunternehmen – also denen, die landläufig als die Elite von Davos oder das Establishment bezeichnet werden. Der Weg, den der politische Globalismus beschreitet, läuft so gesehen auf das Errichten einer Befehls- und Lenkungswirtschaft auf diesem Planeten hinaus, einer Welt-Kommandowirtschaft.

Sie wäre eine Art Vorstufe zum Sozialismus, ist Ausdruck der Idee, die Produktionsleistung der Volkswirtschaft ließe sich von zentraler Stelle bestimmen, um eine bessere, gerechtere, eine umweltschonendere Weltvolkswirtschaft zu erschaffen. Das soll nicht nur durch direkte Vorgaben erreicht werden (also wie was wann und wo und unter welchen Bedingungen zu erzeugen ist), sondern insbesondere auch durch staatliche Einflussnahme auf die Marktpreise – durch Steuern, aber auch durch Vorgabe von Preisobergrenzen (bei knappen Gütern) und/oder Preisuntergrenzen (bei reichlich vorhandenen Gütern) –, die Produktion und Konsum bestimmter Güter wirtschaftlich verunmöglicht. Das aber ist ein Weg, der ins Desaster führen muss, weil er das, was vom System der freien Märkte noch übrig ist, vollends zertrümmern wird.

Die Misserfolge des Interventionismus – wie beispielsweise Verteuerung der Güter und leere Supermarktregale bis hin zu Hunger und Elend – belehren sie nicht etwa eines Besseren, überzeugen sie nicht von der Unmöglichkeit des Interventionismus. Sie schreiben die Zielverfehlungen vielmehr dem Umstand zu, dass die Interventionen nicht weitreichend, nicht aggressiv genug ausgestaltet waren, und dass man künftig mit besseren und beherzteren Interventionen zum gewünschten Ziel gelangen werde. Und so folgt Intervention auf Intervention, und die verbliebenen Elemente des freien Marktes werden zusehends außer Kraft gesetzt, zerstört. Die Verfügungsrechte, die den Eigentümern über ihr Eigentum zustehen, werden nach und nach immer weiter beschnitten, bis die Eigentümer de facto keine Eigentümer mehr sind.

Eine Forderung der Interventionisten besteht darin, die Politiken in den unterschiedlichen Regionen der Welt zu vereinheitlichen – beispielsweise durch Angleichung der Steuersätze und Arbeitsmarktregulierung, durch Koordination der Fiskal- und Geldpolitiken etc. Vor allem aber treiben sie auch systematisch die Relativierung und Diskreditierung des Systems freier Märkte (beziehungsweise deren Überreste) voran. Beispielsweise verbreiten sie die Idee, die Unternehmen dürften nicht länger kapitalistische Gewinnmaximierung betreiben, sondern müssten den Vorgaben eines Stakeholder-Kapitalismus folgen: also ihre Tätigkeiten nicht konsequent an den Eigentümerinteressen, sondern (auch) an den Zielen von Kunden, Kreditgebern, Zulieferern, Arbeitnehmern sowie auch ihren Heimatgemeinden ausrichten. Diese Umerziehung des Denkens wird häufig mit der Überschrift Kapitalismus neu denken angepriesen.

Insbesondere setzt der politische Globalismus bei der Geldanlage der Kapitalsammelstellen wie Versicherungen, Pensionskassen und Fonds an. Das Prinzip ist hinlänglich bekannt und wird seit Jahr und Tag bei Staatsanleihen praktiziert. Der Staat privilegiert seine Schulden. Beispielsweise müssen Banken für Staatsanleihen kein Eigenkapital vorhalten. Zudem werden Staatsanleihen von der Zentralbank privilegiert behandelt, indem sie für Offenmarktoperationen zugelassen werden. Das erhöht die Attraktivität von Staatsanleihen aus Sicht der Anleger, und sie leihen dadurch den Staaten ihr Geld zu Konditionen, die ohne derartige Privilegien, die der Staat seinen eigenen Schulden zukommen lässt, nicht denkbar wären. Auf diese Weise gelangt der Staat in ganz erheblichem Umfang an das private Kapital.

Der Staat wird dadurch nicht nur immer größer und mächtiger. Er bekommt auch eine gewaltige Finanzkraft, die er zu Lenkungszwecken einsetzt – beispielsweise indem er einige Industriezweige finanziell fördert, andere hingegen nicht. Eine ganz ähnliche Kapitallenkung, die auf eine Industriepolitik hinausläuft, erfolgt mittlerweile durch die staatliche Festlegung, was nachhaltige Investitionen sind und was nicht, und welche Unternehmen das Gütesiegel für Umwelt, Soziales und Unternehmensführung bekommen und welche nicht. Um als nachhaltiges Geschäftsmodell eingestuft zu werden, muss ein Unternehmen im Einklang mit ökonomischen, ökologischen und sozialen Werten handeln – Kriterien, die der Staat maßgeblich in seinem Sinne ausgestalten und erweitern kann. Dabei geraten der Geschäftszweck und die Wertschöpfung genauso ins politische Fadenkreuz wie die Beziehungen zu sämtlichen Stakeholdern (Gesellschaftern, Mitarbeitern, Geschäftspartnern etc.), auch Themen wie Steuergerechtigkeit werden beachtet. Die staatliche Industrielenkung wird dadurch erweitert und auf private Investoren ausgelagert.

Sechster Teil: ALT-SOZIALISMUS UND NEO-SOZIALISMUS

Der politische Globalismus hat ideengeschichtlich gesehen kollektivistische-sozialistische Wurzeln, und er ist der Wegbereiter für einen Neo-Sozialismus. Im Vergleich zum Alt-Sozialismus hat der Neo-Sozialismus allerdings ein sehr viel düsteres, finsteres Leitbild. Der Alt-Sozialismus hatte zumindest noch offiziell zum Ziel, die materielle Güterausstattung der arbeitenden Bevölkerung zu verbessern, ihren Lebensstandard zu heben. (Die Mittel, die er zur Zielerreichung einsetzte, waren jedoch leider die falschen.) Doch nicht so der Neo-Sozialismus. Er sieht im Menschen nicht Gottes Schöpfung, sondern einen Erdenzerstörer, dessen Maßlosigkeit in die Schranken gewiesen werden muss. Sein Ressourcenverbrauch soll reduziert werden. Und vermutlich mag der ein oder andere Neo-Sozialist auch den Wunsch hegen, die Weltbevölkerungszahl zu kontrollieren beziehungsweise zu senken, damit der Planet nicht unbewohnbar wird.

Knappheit und Verzicht, für die der Neo-Sozialismus eintritt, bergen gewaltigen Sprengstoff. Denn Wirtschaftswachstum, also die Zunahme der verfügbaren Güter im Zeitablauf, erhöht nicht nur den Lebensstandard der Menschen. Es erweist sich auch als ein Instrument zur Konfliktvermeidung: Wenn der Kuchen insgesamt wächst, wird jeder bessergestellt, selbst wenn sein Anteil am Kuchen gleichbleibt. Schrumpft der Kuchen jedoch, ist für alle plötzlich weniger da, und dann nehmen die Verteilungskämpfe unweigerlich an Härte zu. Indem also der Neo-Sozialismus auf eine Zurückdrängung der Güternachfrage, des Güterangebots und des Ressourcenverbrauchs hinarbeitet, bringt er unweigerlich die Menschen gegeneinander auf, national wie international, und die Gefahr kriegerischer Auseinandersetzung zwischen ihnen steigt.

Wird dem politischen Globalismus nicht Einhalt geboten, wird der Neo-Sozialismus errichtet, werden die Überreste des freien Marktes auch noch abgeschafft. Das altbekannte Problem, dass nämlich der Sozialismus und seine Spielarten undurchführbar sind, würde unerbittlich in Erscheinung treten. Die Verarmung der Bevölkerung, der Menschheit, wäre die Folge. Die politisch herbeigeführte Verteuerung der Energie deutet bereits an, was droht: Die radikale, in einer relativ kurzen Zeit herbeigeführte Verteuerung der Energie ist dabei, die bestehende Produktions- und Beschäftigungsstruktur auf der Welt aus den Angeln zu heben, Unternehmenspleiten und Massenarbeitslosigkeit auszulösen. Das wiederum wird Rufe nach dem helfenden Staat laut werden lassen. Der Staat als Retter zahlt Arbeitslosenunterstützung und Subventionen in großem Stil, sorgt für nachfragewirksame Ausgabenprogramme.

Siebter Teil: DER NEO-SOZIALISMUS UND DAS UNGEDECKTE PAPIERGELD

Finanziert wird das durch die Ausgabe neuer Staatsschulden, die von den Zentralbanken aufgekauft und mit neuem Geld bezahlt werden. Eine nachlassende Wirtschaftskraft, vor allem aber das Anschwellen der Geldmengen, die die Zentralbanken ausgeben, treiben die Güterpreise in die Höhe. Das Leben wird teurer, der Lebensstandard der breiten Bevölkerung sinkt. Wenn die Menschen nicht die Ursache der Verschlechterung ihrer materiellen Lebenslage erkennen, wird der Staat sich als dauerhafter Problemlöser aufspielen. Er ergreift Maßnahmen, um der Verteuerung von Nahrungsmitteln, Mieten, Versicherungsbeiträgen etc. entgegenzuwirken – beispielsweise durch Erlass von Höchstpreisen (für zum Beispiel Nahrungsmittel und Transport) und Mindestpreise (für zum Beispiel Löhne). Das hemmt die Volkswirtschaft, die Produktion leidet, die Versorgungslage der Menschen verschlechtert sich, und der Plan der Neo-Sozialisten geht auf.

… die (erhöhte) Preisinflation [ist] ganz im Sinne des neo-sozialistischen Programms.

So gesehen ist die (erhöhte) Preisinflation ganz im Sinne des neo-sozialistischen Programms. Sie bremst nicht nur die wirtschaftliche Expansion, sie macht auch breite Teile der Bevölkerung zu Bedürftigen, die sich an den Staat wenden (müssen), um Almosen zu erhalten. Die Entwertung des Geldes und der in Geld ausgewiesenen Ersparnisse, für die die Preisinflation sorgt, verschafft dem Staat eine wachsende Gefolgschaft, die ein vitales Interesse an einem großen und finanzstarken Staat hat. Es ist daher nicht überraschend, dass die Zentralbanken mittlerweile eine Geldpolitik verfolgen, die die Preisinflation über die 2-Prozentmarke hinaus treibt. Solange die Preisinflation vor den Augen der breiten Bevölkerung verborgen bleibt, übt die Inflation ihr übles Geschäft aus: Geldentwertung, Zerstörung der Ersparnisse, Umverteilung.

Die Verdrehung der Wahrheit könnte nicht größer sein.

Wenn die Preisinflation aber zu groß wird, dann droht der Schwindel aufzufliegen. Dann kann es sogar zur Flucht aus dem Geld kommen: Die Menschen versuchen, ihr Geld loszuwerden, indem sie es gegen Sachwerte (Aktien, Häuser, Kunst etc.) eintauschen. Schwindet das Vertrauen in das ungedeckte Geld, stehen Hoch- oder gar Hyperinflation vor der Tür – es sei denn, die Zentralbanken schwenken um und reduzieren die Preisinflation, indem sie die Zinsen anheben und das Geldmengenwachstum abbremsen. Dann jedoch würde die Schuldenpyramide, die in der westlichen Welt seit Jahrzehnten aufgebaut wurde, zusammenbrechen und mit ihr die Produktions- und Beschäftigungsstruktur sowie auch das ganze Neo-Sozialismus-Projekt. Verständlich also, warum die Zentralbanken alles daransetzen, die Bevölkerung davon zu überzeugen, sie, die Zentralbanken, seien unverzichtbar, seien die Garanten für gutes Geld, sie seien die Inflationsbekämpfer. Die Verdrehung der Wahrheit könnte nicht größer sein.

Das ungedeckte Papier- oder auch Fiat-Geldsystem ist von entscheidender Bedeutung für den Erfolg des neo-sozialistischen Großprojektes. Richtig dosiert, ist es mit ihm zumindest theoretisch möglich, das volle Ausmaß der Kosten, die der Große Neustart verursacht, vor den Augen der Öffentlichkeit zu verschleiern. Wenn es also den Zentralbankräten gelingt, das Vertrauen der Menschen in das Fiat-Geld zu bewahren, dann können auch die Neo-Sozialisten mit ihren Umsturzplänen weiter voranschreiten. Ein Vertrauensverlust in das Fiat-Geld – beispielsweise ausgelöst durch eine hohe Preisinflation infolge einer zu ungestümen Geldmengenvermehrung – kann hingegen das Neo-Sozialismus-Projekt aus der Kurve werfen. So gesehen birgt der aktuelle Auftrieb der Güter- und Vermögenspreise – so schmerzhaft er auch für die meisten Einkommensverdiener ist – zumindest eine Chance, dass der Fiat-Geldschwindel doch noch entzaubert wird und den Neo-Sozialisten sprichwörtlich das Geld ausgeht.

Achter und letzter Teil: Der KAMPF DER IDEEN

Die Menschheitsgeschichte ist nicht – wie Karl Marx es den Leuten eingeflüstert hat – das Ergebnis von gesellschaftlichen Entwicklungsgesetzen, an deren Ende notwendigerweise der Sozialismus-Marxismus steht. Sie ist vielmehr von Ideen bestimmt, die die Menschen antreiben. Wenn sie überzeugt sind, der Sozialismus ist das heilbringende System, dann werden sie alles daransetzen, den Sozialismus zu errichten. Um also das, was sich derzeit weltweit vollzieht – das Vordringen des Staates und das Zurückdrängen des freien Marktsystems –, aufzuhalten und umzukehren, gibt es keinen anderen Weg, als in den Kampf um die besseren Ideen einzusteigen – und die schlechten Ideen zu entzaubern, den guten Ideen – den Ideen der freien Märkte – zum Durchbruch zu verhelfen.

… dass … was als grüne Politik, als Großer Neustart angepriesen wird, geradewegs aus der sozialistischen Hexenküche stammt, dass sie eine Neuauflage altbekannter sozialistischer Ideen im neuen Gewand darstellen.

Ökonomisch gesehen ist die Schlacht längst geschlagen: Man kann aufzeigen, dass der Sozialismus und alle seine Spielarten zum Scheitern verurteilt sind; dass ihr Scheitern in der Realität kein Zufall, sondern das es auf das Wirken von ökonomischen Gesetzen zurückzuführen ist. Da aber diese Erkenntnis nicht allgegenwärtig ist, muss man seine Mitmenschen aufklären über die Gefahren, die der Sozialismus und alle seine Spielarten bringen. Zudem muss man auch erklären, dass das, was als grüne Politik, als Großer Neustart angepriesen wird, geradewegs aus der sozialistischen Hexenküche stammt, dass sie eine Neuauflage altbekannter sozialistischer Ideen im neuen Gewand darstellen.

Man kann Aufklärungsarbeit leisten, indem man beispielsweise Artikel, Podcasts, Videos liberaler-libertärer Denker versendet oder deren Bücher verschenkt – an Familienangehörige, Freunde, Arbeitskollegen. Und man muss auch stets die positive Alternative aufzeigen, die das Erhalten und Verteidigen von Eigentum, individueller Freiheit und freien Märkte bereithalten – und dass deren Akzeptanz ein dauerhaft friedvolles und produktives Zusammenleben der Menschen auf dieser Welt möglich macht.

In den Kampf der Ideen einzusteigen, die besseren ökonomischen Ideen vorzutragen, die Überlegenheit der Ideen der freien Märkte zu erklären und zu verbreiten, ist eine Möglichkeit, den Aufstieg des Neo-Sozialismus zu stoppen, eine, die man nicht ungenutzt lassen darf.

Entweder indem sie sich selbst engagieren, selbst aktiv werden, oder indem sie andere, die für sie in den intellektuellen Kampf ziehen, finanziell unterstützen – wie zum Beispiel das Ludwig von Mises Institut Deutschland.

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Dieser Beitrag ist am 7. Januar 2022 als Videobeitrag von Thorsten Polleit erschienen. Den Videobeitrag finden Sie hier.

Professor Dr. Thorsten Polleit ist seit April 2012 Chefvolkswirt der Degussa, Europas größtem Edelmetallhandelshaus. Davor war er als Ökonom 15 Jahre im internationalen Investment-Banking tätig. Thorsten Polleit ist zudem Honorarprofessor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Bayreuth, Adjunct Scholar am Ludwig von Mises Institut, Auburn, Alabama, Mitglied im Forschungsnetzwerk „ROME“ und Präsident des Ludwig von Mises Institut Deutschland. Im Jahr 2012 erhielt er den The O.P. Alford III Prize In Political Economy. Thorsten Polleit ist Autor zahlreicher Aufsätze und Bücher: „Vom Intelligenten Investieren“ (2018), „Mit Geld zur Weltherrschaft“ (2020), „Der Antikapitalist“ (2020) und „Ludwig von Mises. Der kompromisslose Liberale“ (2022) . Die Website von Thorsten Polleit ist: www.thorsten-polleit.comHier Thorsten Polleit auf Twitter folgen.

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Hinweis: Die Inhalte der Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Ludwig von Mises Instituts Deutschland wieder.

Titel-Foto: Adobe Stock

 

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