Geldvorrat und Geldbedarf; Nachfrage nach Geld und Angebot an Geld

11.2.2013 – Geld hat eine, und nur eine Funktion: die Tauschmittelfunktion. Wer diese wichtige ökonomische Erkenntnis verinnerlicht hat, kann die Fehler in der Geldtheorie, wie sie heute in der „Mainstream-Ökonomik“ gelehrt wird, leicht erkennen und vor allem auch frühzeitig auf die Probleme aufmerksam machen, die aus der Geldvermehrungspolitik der Zentralbanken notwendigerweise erwachsen. Um diese Erkenntnis zu fördern, haben wir nachstehend den Abschnitt „Geldvorrat und Geldbedarf; Nachfrage nach Geld und Angebot an Geld“ aus Mises‘ Nationalökonomie, Theorie des Handelns und Wirtschaftens (1940, S. 360 – 365) wiederabgedruckt.

Thorsten Polleit

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Ludwig von Mises

In der Marktgängigkeit und Absatzfähigkeit der einzelnen Güter und Dienstleistungen bestehen beträchtliche Unterschiede. Es gibt Güter, für die es nicht allzuschwer fällt, Abnehmer zu finden, die bereit sind, den höchsten Preis, der auf dem Markte unter den gegebenen Umständen überhaupt erzielt werden kann, oder einen hinter diesem Preis nur um ein Geringes zurückbleibenden Preis zu bezahlen. Bei anderen Gütern wieder mag es schwerer fallen, sogleich einen Abnehmer zu finden, selbst wenn der Verkäufer bereit ist, sich mit beträchtlich weniger zu begnügen als mit dem, was er erzielen könnte, wenn es ihm gelingen würde, andere Nachfrage ausfindig zu machen. Diese Verschiedenheit in der Marktgängigkeit oder Absatzfähigkeit der Güter lässt aus dem direkten Tausch den indirekten Tausch hervorgehen. Ein Wirt, der im Augenblick auf dem Markte nicht das eintauschen kann, was er für seinen Bedarf zu erwerben wünscht, oder der, weil ihm doch die Zukunft und die Lage, in die sie ihn bringen wird, nicht bekannt sind, im Augenblick noch nicht weiß, was er in späterer Zeit begehren wird, kommt seinem Ziel näher, wenn er das weniger marktgängige Gut, das er im Tausche fortzugeben hat, gegen ein marktgängigeres eingetauscht hat. Die Natur des Gutes, das er fortzugeben wünscht, (z. B. seine Verderblichkeit oder die Kosten, die mit seiner Aufbewahrung verbunden sind, oder anderes dieser Art) oder Befürchtungen über die Verschlechterung der Marktlage für dieses Gut lassen es ihm unter Umständen als besonders unzweckmäßig erscheinen, mit dem Tausch zuzuwarten und das Gut selbst länger aufzubewahren. In jedem Fall hat er durch den Erwerb des absatzfähigeren Gutes seine Lage verbessert, auch dann, wenn das absatzfähigere Gut keines seiner eigenen Bedürfnisse unmittelbar zu befriedigen vermag.

Ein Tauschmittel oder ein Tauschvermittler ist ein Gut, das die Wirte nicht für den eigenen Gebrauch oder Verbrauch oder für die Verwendung als Produktionsmittel erwerben, sondern mit der Absicht, es später einmal gegen Güter einzutauschen, die sie gebrauchen, verbrauchen oder als Produktionsmittel verwenden wollen.

Geld ist ein Tauschmittel. Es ist das absatzfähigste Gut, das die Marktparteien zu erwerben trachten, um es dann im weiteren Verlaufe ihres Handelns gegen jene Waren einzutauschen, die sie zu erwerben wünschen. Das ist die einzige Funktion des Geldes; es ist Tauschvermittler, allgemein gebräuchliches Tauschmittel, sonst nichts. Alle anderen vermeintlichen Funktionen des Geldes sind nichts als Sonderfälle der Tauschvermittlung.[1]

Auch Tauschmittel sind wirtschaftliche Güter. Sie sind knapp, sie werden begehrt; es gibt auf den Märkten Tauschlustige, die sie zu erwerben wünschen und daher bereit sind, für sie andere Güter hinzugeben. Sie haben daher Tauschwert, es werden für sie Preise gezahlt, deren Besonderheit allein darin liegt, dass man sie nicht in Geld auszudrücken vermag, sondern lediglich in Waren. Wo man bei den Waren vom Preis (Geldpreis) spricht, hat man beim Gelde von der — in Waren auszudrückenden — Kaufkraft zu sprechen.

Tauschmittel werden begehrt, weil jeder am Verkehr eines Marktes, auf dem durch Vermittlung von Tauschmitteln getauscht wird, teilnehmende Einzelne einen Vorrat davon zur Verfügung haben will. Jeder Einzelne will einen bestimmten Geldbetrag in seiner Tasche oder Kasse haben; einmal mehr, einmal weniger, vielleicht mitunter auch nichts. Das heißt: In der durch Vermittlung des Geldes tauschenden Marktwirtschaft wollen die Einzelnen einen Teil ihres Eigentums in Geld vorrätig halten. Sie wollen nicht nur Waren, sie wollen auch Geld besitzen. Nur weil dieser Begehr nach Kassenhaltung besteht, gibt es eine Nachfrage nach Geld, d.h. wird für Geld Ware hergegeben. Die Veränderungen des Verhältnisses dieser Nachfrage nach Geld und des Angebots an Geld, die wir Veränderungen des Geldstandes nennen wollen, verändern das Austauschverhältnis, das zwischen dem Gelde und den einzelnen Waren und Dienstleistungen besteht.

Alles Geld befindet sich stets im Eigentum der am Tauschverkehr des Marktes teilnehmenden Wirte. Der Übergang aus der Verfügung eines Wirts in die Verfügung eines anderen Wirts erfolgt unmittelbar. Es liegt keine Zeit dazwischen, in der das Geld sich nicht in einer Hand, Tasche, Kasse oder in anderer Weise in der Verfügungsgewalt eines Wirts befindet, sondern gerade «umläuft».[2] Es ist daher verfehlt, eine Unterscheidung zwischen umlaufendem und ruhendem Geld zu machen. Es ist ebenso verfehlt, eine Unterscheidung zwischen umlaufendem und gehortetem Geld zu machen. Was man als Hortung bezeichnet, ist eine Höhe der Kassenhaltung, die nach der subjektiven Ansicht des Beurteilers den «normalen» Stand der Kassenhaltung übersteigt. Doch auch die Hortung von Geld ist Kassenhaltung. Das gehortete Geld hört nicht auf, Geld zu sein, und es dient in den Horten keinem andern Zweck als in den Kassenbeständen, die man als normale ansieht. Erwägungen irgendwelcher Art lassen es dem Eigentümer der Horte zweckmäßig erscheinen, mehr Geld anzuhäufen, als er sonst zu tun pflegt oder als andere Menschen zu tun pflegen oder als der sein Tun betrachtende Nationalökonom für angemessen hält. Dass er so verfährt und nicht anders, beeinflusst die Gestaltung der Nachfrage und des Angebots von Geld und damit die Höhe der Geldpreise in der gleichen Weise wie jedes andere Begehren nach Geld.

Man hat sich gescheut, von Nachfrage und Angebot in diesem Sinne als Nachfrage und Angebot von Geld für Kassenhaltung zu sprechen, weil man die Ausdrücke Geldangebot (Geldversorgung, Geldvorrat) und Geldnachfrage (Geldbedarf) im täglichen Sprachgebrauch der Bankiers und Geschäftsleute zur Bezeichnung von Nachfrage und Angebot von Kapital in Geldform verwendet. Im Sinne dieses Sprachgebrauchs nennt man den Markt für kurzfristiges Leihkapital Geldmarkt; Geldknappheit ist eine Gestaltung des Marktes, bei der der Zinssatz für kurzfristige Darlehen steigt, Geldfülle eine Gestaltung des Marktes, bei der dieser Zinssatz fällt. Diese Art, die Vorgänge auf dem Markte für kurzfristige Darlehen zu bezeichnen, hat sich so eingebürgert, dass kaum daran zu denken ist, sie durch eine andere zu verdrängen. Sie hat leider die Entstehung verderblicher Irrtümer begünstigt. Sie hat dazu geführt, dass man Geld und Kapital verwechselt hat und dass man von einer Vermehrung des Geldes eine — nicht nur vorübergehende — Senkung des Zinsfusses für kurzfristige Anlagen erwartet hat. Doch gerade wegen der Grobheit dieser Irrtümer ist nicht zu befürchten, dass unser Sprachgebrauch irgendwelche Missverständnisse und Verwechslungen hervorrufen könnte. Man kann doch wohl kaum annehmen, dass ein Nationalökonom in solchen Fragen irregehen könnte.

Andere wieder haben geglaubt, man dürfe nicht von Nachfrage und noch weniger von Bedarf nach Geld sprechen, weil die Absicht, die der Nachfragende und Begehrende mit dem gesuchten Gelde verfolgt, von den Absichten, die die verfolgen, die Waren begehren, verschieden sei. Waren begehre man, um sie zu gebrauchen oder zu verbrauchen, Geld begehre man, um es dann gegen Waren einzutauschen. Auch dieses Bedenken ist grundlos. Der Gebrauch, den man von einem Tauschmittel macht, besteht in seiner schließlichen Hingabe im Tausche; doch er besteht zunächst in der Anhäufung einer gewissen Menge von Tauschmitteln, die das Warten auf den Augenblick, in dem dann gekauft werden soll, ermöglichen. Gerade weil man nicht gleich bei der Hingabe der Waren und Dienstleistungen, die man auf den Markt bringt, den eigenen Bedarf decken will, gerade weil man damit warten will oder warten muss, tauscht man nicht direkt sondern indirekt durch Vermittlung eines Tauschmittels. Dass das Geld durch den Gebrauch, den man von ihm macht, nicht vernichtet wird, dass es seinen Gelddienst weiter versehen kann, ist wichtig in Bezug auf den Umfang der Deckung des Geldbedarfs durch das Geldangebot, doch es ändert nichts an dem Umstande, dass auch die Bewertung des Geldes sich in derselben Weise erklären lässt wie die aller übrigen wirtschaftlichen Güter: durch die Nachfrage, die nach ihm entfaltet wird von denen, die es zu erwerben wünschen.

Man hat versucht, die Momente zu bestimmen, die in einem Wirtschaftsgefüge zu einer Erhöhung oder Verminderung des Geldbedarfes führen mögen. Man hat in diesem Zusammenhange gesprochen: von der Größe der Bevölkerung, von dem Umfang der Versorgung durch Eigenproduktion und der durch Kauf auf dem Markte, also vom Umfange des Marktverkehrs; von der Verteilung der Zahlungen über alle Teile des Jahres, der Monate oder der Wochen und von ihrer Zusammendrängung auf wenige bestimmte Tage; von den Einrichtungen zur Abwicklung von Forderungen und Schulden durch wechselseitige Abrechnung ohne Geldumsatz. Alle diese Umstände beeinflussen wohl die Höhe der Kassenhaltung. Doch sie beeinflussen sie nur mittelbar dadurch, dass sie in den Erwägungen der Wirte, die über die Größe ihrer Kassenhaltung entscheiden, eine Rolle spielen. Den Ausschlag gibt immer das subjektive Urteil der Einzelnen; die einzelnen Wirte entscheiden darüber, wie groß ihr Kassenbestand sein soll, und sie bringen — durch Verzicht auf den Ankauf von anderen Gütern oder auf den Erwerb von zinstragenden Forderungen — Opfer, um den Kassenbestand in der gewünschten Höhe zu erhalten. Es ist beim Gelde wie bei den übrigen wirtschaftlichen Gütern: das Verhältnis von Nachfrage und Angebot entscheidet auf dem Markte über die Gestaltung der Austauschverhältnisse.

Schließlich hat man geglaubt, den Begriff Nachfrage nach Geld aus folgenden Erwägungen als unbrauchbar ablehnen zu müssen: Der Grenznutzen des Geldes sinke beträchtlich langsamer als der aller übrigen wirtschaftlichen Güter, ja, er sinke so langsam, dass man sein Sinken praktisch unberücksichtigt lassen dürfe. Vom Geld sage niemand, dass er davon genug habe, und niemand verzichte praktisch darauf, mehr Geld zu erwerben, wenn die Gelegenheit sich bietet. Die Nachfrage nach Geld könne daher nicht als eine begrenzte Nachfrage angesehen werden; die Vorstellung einer unbegrenzten Nachfrage sei aber sinnlos. In diesem Gedankengang steckt jedoch ein krasser Denkfehler; er verwechselt die Nachfrage nach Geld für die Kassenhaltung mit dem — in Geld ausgedrückten — Begehren nach reichlicherer Ausstattung mit wirtschaftlichen Gütern aller Art. Auch wer mit Kartoffeln so reichlich versorgt ist, dass er, selbst wenn sie noch so billig auf dem Markte zu erstehen wären, keine weiteren Käufe mehr für seinen Bedarf durchführen würde, wird ein Geschenk von Kartoffeln nicht zurückweisen. Er wird die geschenkten Kartoffeln zu Geld machen und dafür das erstehen, was er gerade begehrt. Geldgeschenke werden gewöhnlich vorgezogen, weil man mit Geld schneller, ohne den Umweg über einen Verkaufsakt, zu der Befriedigung gelangt, die man als die dringendste ansieht. Wer sagt, dass er nie genug Geld haben könnte, meint nicht, dass seine Kassenhaltung nie groß genug sein könnte. Er will einfach sagen, dass er nie reich genug sein könnte. Wenn ihm ein Mehr an Geld zufließt, wird er es nicht oder doch nur zum kleinsten Teil zur Stärkung seiner Kassenhaltung verwenden ; er wird es ausgeben, wird kaufen, sei es für sofortigen Bedarf, sei es für späteren Bedarf durch fruchtbringende Anlage, oder er wird es denen leihen, die konsumieren, produzieren oder anlegen wollen.

Die Erkenntnis, dass, wie bei allen anderen wirtschaftlichen Gütern, so auch beim Gelde Nachfrage und Angebot den Preis gestalten, lag schon der alten Quantitätstheorie zugrunde. Diese ist nichts anderes als der älteste Versuch einer Anwendung der Lehre von Angebot und Nachfrage auf die Probleme des Geldwertes und der Kaufkraft des Geldes. Das Verdienst der Quantitätstheorie lag darin, dass sie es unternommen hat, auch die Gestaltung der Kaufkraft des Geldes in derselben Weise zu erklären, in der die Bildung des Tauschwertes aller übrigen wirtschaftlichen Güter erklärt wurde. Ihr Irrtum bestand darin, dass sie von der ganzen in der Volkswirtschaft vorhandenen Geldmenge ausgehen wollte, und dass sie die Vorgänge mechanistisch, d.h. nicht von den Handlungen der einzelnen Wirte aus zu erklären versuchte; eine logische Folge dieser Irrtümer war dann die Annahme einer Proportionalität zwischen den Veränderungen der Geldmenge und denen der Warenpreise. Doch die älteren Bekämpfer der Quantitätstheorie haben es nicht verstanden, die Quelle der Fehlschlüsse der Quantitätstheorie aufzudecken und an die Stelle einer mangelhaften Lehre eine befriedigendere zu setzen. Sie haben nicht das an der Quantitätstheorie bekämpft, was an ihr irrig war. Es kam ihnen nur darauf an, den Zusammenhang zwischen Preisbewegung und Änderungen der Geldmenge zu bestreiten, ein Versuch, der sie in ein Gestrüpp von Irrtümern, Widersprüchen und Missverständnissen führen musste. Die moderne Theorie knüpft insofern an die alte Quantitätstheorie an, als sie wie diese davon ausgeht, dass man die Veränderungen der Kaufkraft des Geldes aus denselben Grundsätzen heraus zu erklären habe wie alle übrigen Preisveränderungen, und dass mithin zwischen den Veränderungen des Verhältnisses von Geldbedarf und Geldnachfrage einerseits und den Veränderungen der Kaufkraft des Geldes anderseits eine Beziehung bestehe. In diesem Sinne ist auch die moderne Geldtheorie eine Quantitätstheorie.

[1] Vgl. darüber meine Theorie des Geldes und der Umlaufsmittel, a. a. O., S. 7 ff.

[2] Geld kann auf dem Transporte sein, kann in Schiffen, Eisenbahnzügen oder Flugzeugen auf dem Weg von einem Ort nach einem anderen sein. Doch es bleibt auch dann stets in der Verfügung irgendwelcher Wirte.

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