Eine parasitäre Firma

7.6.2012 – Finanzkrise: Vom Wohl und Wehe des Staatsbankrotts / Eine Analyse aus Sicht der „Österreichischen Schule“ der Nationalökonomie.

von Hans-Hermann Hoppe.

Prof. Dr. Hans-Hermann Hoppe

Glaubt man den „verantwortlichen Staatsmännern“ und der Schar der von ihnen ausgehaltenen sogenannten Finanz-, Wirtschafts- und Bankexperten, dann sind wir es alle, die sich vor einem Staatsbankrott zu fürchten haben, so wie er sich gegenwärtig in einigen Euro-Ländern anbahnt und wie er uns hierzulande noch bevorsteht – vor allem nachdem unsere Politiker Griechenland „erfolgreich gerettet“ haben.

In gewisser perverser Weise ist diese Aussage sogar richtig – aber nicht, wenn es sich bei dem Staatsbankrott um einen echten Bankrott handeln würde. Der wäre keine volkswirtschaftliche Kalamität, sondern ein Segen. Wenn eine normale Firma zahlungsunfähig ist, dann gibt es für sie nur dies: Die Kosten müssen reduziert und die Einnahmen erhöht werden. Personal muß entlassen werden, Gehälter müssen gekürzt werden, und man muß von seinem Besitz verkaufen, bis man seine Schulden beglichen hat.

Nicht jedermann ist von der Pleite betroffen, sondern nur die Firmeneigner, die Angestellten, die Kreditgeber (falls es nicht genug zu verkaufen gibt, um die Schulden zu zahlen) und indirekt die Zulieferer und Abnehmer der betroffenen Firma, die nun nicht mehr zuliefern bzw. abnehmen können wie zuvor. Eine Firmenpleite ändert aber nichts am gesamten Volksvermögen. Es gibt genausoviel Güter und Geld wie zuvor. Nur: Die Bankrotteure und all jene, die mit ihnen verbandelt sind, besitzen nun weniger davon und andere Firmen und Personen entsprechend mehr.

Und so sollte es sein: Die, die für die Misswirtschaft verantwortlich sind und jene, die sich auf sie eingelassen haben, zahlen die Zeche. Der Staat ist jedoch keine normale Firma. Im Gegensatz zu allen anderen Firmen erzielt der Staat in der Regel sein Einkommen nicht, indem er Güter oder Dienstleistungen herstellt, die freiwillig zahlende Kunden dann kaufen oder nicht kaufen können. Vielmehr stammt das Einkommen des Staates entweder aus Steuern, das heißt aus Zwangsabgaben, die die „Kunden“ des Staates zu staatlich festgesetzten „Preisen“ zahlen müssen, gleichgültig ob sie sein „Angebot“ für preiswert erachten oder nicht.

Oder der Staat läßt sich das nötige Kleingeld von seiner Zentralbank drucken (Stichwort: „Fiat-Money“) und verringert damit entsprechend die Kaufkraft aller privaten Geldvermögen. Kurzum: Der Staat ist keine produktive, sondern eine parasitäre Firma. Die Inhaber, Angestellten und anderweitig Abhängigen des Staates erarbeiten und produzieren selbst kein Einkommen und Vermögen, sondern sie konsumieren ein Einkommen und Vermögen, das zuvor von anderen, normalen Firmen und Angestellten produziert wurde.

Angesichts dessen gelangt man zu zwei Schlüssen. Erstens: Es wäre eine Wohltat, wenn der Staat so bankrott gehen würde wie eine normale Firma. Natürlich wäre dies keine Wohltat für die Inhaber der „Firma Staat“, die Angestellten und Abhängigen des Staates – aber für alle übrigen Firmen und Personen außerhalb.

Würden die Staatsinhaber wie die Inhaber normaler Firmen für ihre eigene Misswirtschaft und Zahlungsunfähigkeit verantwortlich gemacht, dann hieße dies: Staatsgehälter und Beamtenpensionen müssen sinken, Staatsangestellte müssen entlassen werden, Zahlungen an und Käufe von Dritten müssen reduziert oder eingestellt werden und die Einnahmen aus dem Verkauf von sogenanntem Staatsvermögen müssen erhöht werden.

Wie bei einem normalen Bankrott in der freien Wirtschaft würde das Volksvermögen insgesamt hiervon in keiner Weise betroffen, denn es gibt genausoviel Geld und Güter wie zuvor. Nur: Jeder Euro und Vermögenswert weniger in den Händen der Inhaber, Angestellten und Empfänger des Staates ist nun ein Euro und Vermögenswert mehr in den Händen derjenigen, die dieses Einkommen und Vermögen produktiv erwirtschaftet haben.

Im Fall eines Totalbankrotts, wenn die Summe der staatlichen Verbindlichkeiten den Wert des Staatsvermögens übersteigt und es zu einer Liquidation der Firma Staat kommt, befindet sich das gesamte Volksvermögen dort, wo es erarbeitet wurde: in den Händen normaler, produktiver Firmen und Personen.

Nicht nur wären Millionen von Produzenten damit von der parasitären Bürde des Staates befreit und könnten endlich frei produzieren. Mehr noch, das riesige Heer von Personen, das bisher von einem Einkommen und Vermögen gezehrt hat, das von anderen, produktiven Personen und Firmen erarbeitet wurde, müsste sich nunmehr – in vielen Fällen zum ersten Mal im Leben – eine produktive Tätigkeit suchen und sich sein Einkommen und Vermögen auf eigenen Füßen stehend erarbeiten. Ein Wirtschaftswunder wäre die Folge.

Aber zweitens: Leider wird es dazu nicht kommen. Der Staat geht nicht so pleite, sondern anders. Um sich aus der Zahlungsunfähigkeit zu befreien, werden die Staatsinhaber stattdessen die Steuern weiter erhöhen und sich die zur Entschuldung nötigen Geldbeträge von der Europäischen Zentralbank (EZB) drucken lassen. Und sie werden vom Staatsvermögen nichts verkaufen, sondern noch zusätzliche private Vermögensbestände verstaatlichen.

Infolgedessen wird die produktive Wirtschaft noch mehr abgewürgt und sämtliche privaten Geldvermögen werden zunehmend entwertet. Es gibt immer weniger Produzenten und Produktion und immer mehr Schmarotzer und Schmarotzertum. Entsprechend stagniert oder fällt das Durchschnittseinkommen und -vermögen. Die Bevölkerung insgesamt verarmt. Und insbesondere die kommende Rentnergeneration wird betrogen werden. Denn ihre vermeintlichen, durch Zwangsabgaben in das staatliche „Sozialversicherungssystem“ erworbenen Rentenansprüche werden durch die Inflationierung der Geldmenge zunehmend aufgezehrt oder lösen sich ins Nichts auf. Und am Ende kommt die Hyperinflation und eine Währungsreform.

Und wenn die Katastrophe da ist, werden die, die für sie verantwortlich sind – das heißt die ehemaligen und jetzigen Politiker, Zentralbankchefs und die mit ihnen verbandelten Großbanker – abgetreten sein und ihr privates Schäfchen ins trockene gebracht haben. Eine „neue“ Generation „unverbrauchter“ Politiker und Banker steht dann bereit, um sich als „Retter“ aufzuspielen. Und unter ihrer Regie beginnt es wieder von vorn mit der staatlichen Misswirtschaft – es sei denn, es geschieht ein Wunder und man durchschaut und behandelt den Staat und seine Inhaber endlich als das, was sie sind: als eine Bande recht- und verantwortungsloser und noch dazu hochmütiger Räuber.

Der Beitrag ist im Dezember 2011 (Ausgabe-Nr. 49) in der Wochenzeitung “JUNGE FREIHEIT” erschienen.

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Prof. Dr. Hans-Hermann Hoppe ist Distinguished Fellow des Ludwig von Mises Institute in Auburn, Alabama sowie Gründer und Präsident der Property and Freedom Society.

Er ist ein prominenter Vertreter der Österreichischen Schule der Ökonomie und libertärer Philosoph. Der Titel seines zuletzt erschienenen Buches lautet “Der Wettbewerb der Gauner” und ist im Holzinger-Verlag erschienen.

Weitere Informationen zu und von Prof. Dr. Hans-Hermann Hoppe auf “HansHoppe.com” und “TheProperty and Freedom Society“.

Lesen Sie auch die Rezension zum Buch “Wettbewerb der Gauner”, sowie die Interviews mit Professor Hoppe “Steuern sind Diebstahl” und Produzenten gegen Parasiten: Aufruf zum Klassenkampf“.

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