Booms and Busts
14.6.2013 – von Roland Baader.
Jeder Boom endet im Crash. Anders gesagt: Jedem Zusammenbruch geht ein Boom voraus. Deshalb ist nicht nur der Crash von Übel, sondern auch der Boom. Und der Boom findet seine Nahrung im Zuviel an ohne Leistung erzeugtem Geld und im zu billigen Geld (Kredit), genauer gesagt: im falschen Kredit. Was ist ein falscher Kredit? Lassen wir es Professor Hülsmann erklären (in Smart Investor): „Die meisten Leute sind in völlig verrückten Vorstellungen gefangen, wonach Banken Ressourcen durch die Vergabe von Krediten schaffen. Kredite schaffen aber keine Ressourcen, Kredite verteilen Kaufkraft um. Es gibt zwei, und nur zwei Quellen für Kredite. Erstens, aus der Ersparnisbildung: Vergangenes Geldeinkommen und damit Kaufkraft wird vom Kreditgeber an den Kreditnehmer übergeben. Zweitens, aus der Geldproduktion: Banken können Kredite … ,aus dem Nichts’ schaffen und weiterreichen. Dieser Vorgang schafft allerdings nur Kaufkraft im nominalen Sinne. Denn aus volkswirtschaftlicher Perspektive ist nicht die Menge des Geldes entscheidend, sondern die reale Gütermenge. Der Bankkredit ,ex nihilo’ macht uns nicht reicher. Er verteilt Ressourcen bloß um. Der Bankkredit ist heute ein Instrument der wirtschaftlichen Verantwortungslosigkeit.”
Mit jeder Kreditvergabe einer Bank steigt die Geldmenge. Das bringt Inflationsgefahr, denn die Gütermenge steigt – wenn überhaupt – erst später und in geringerem Umfang. Falls die Kredite in fehlerhafte Investitionen gelenkt werden, steigt die Gütermenge überhaupt nicht – oder es entstehen Güter, die nicht gebraucht werden. Wenn die Kreditmenge durch planwirtschaftlich gedrückte Niedrigzinsen steigt, fließt Geld in falsche, unwirtschaftliche Verwendungen und verhindert Ersparnisse, die in gute Investitionsprojekte geflossen wären. Zinssenkungen, Kreditmengenwachstum, Inflation und Fehlinvestitionen bilden eine verhängnisvolle Spirale, die in Boomphasen (Blasen) mit anschließenden Zusammenbrüchen mündet. Allgemein werden Boomphasen gepriesen. Auch die Mainstream-Ökonomen halten die Expansion für gut und die Kontraktion für schlecht. Für die Ökonomen der Österreichischen Schule hingegen hat der Boom einen schlechten Geruch, weil er die Ursache des auf unnatürliche Weise herbeigeführten Konjunkturzyklus ist und stets in desaströsen Crashs endet. Außerdem hat er – anders als das normale Wachstum einer freien Wirtschaft – viele schädliche Wirkungen auf Körper, Geist und Seele der Menschen. Den Bust (Zusammenbruch) schätzen die Austrians zwar nicht, weil er üble Folgen hat und ohne den künstlich erzeugten Boom erst gar nicht erfolgt wäre, aber sie halten ihn in einem System falscher Geldpolitik, das erst zu Booms and Busts führt, für den notwendigen und letztlich ohnehin unvermeidlichen Gesundungs- und Bereinigungsprozess.
Ein Boom hat die Tendenz, sich selbst zu verstärken. Ein Beispiel dafür: Mit den in der Geldschwemme steigenden Preisen ihrer Wohnhäuser haben die Amerikaner diese nicht mehr als Behausungen gesehen, sondern als „Anlage” und Reichtumsmaschinen. Die Erstkäufe stiegen, ebenso die Zweit- und Drittkäufe von Wohnimmobilien. Immer mehr US-Bürger zogen in größere Häuser oder bessere Gegenden um. Finanziert wurde das mit steigenden Hypothekenbelastungen. Erst mit Ausbruch der Hypothekenkrise und scharf sinkenden Preisen stellten die Leute fest, dass Häuser keine „Anlagen” sind, sondern Geldfallen. Kredite ohne Ersparnisse, auch Hypothekenkredite natürlich, sind die Rezeptur für finanzielle Katastrophen. Ehrlichen Kredit kann man nur aus echten Ersparnissen schaffen. Jeder andere Kredit (aus heißer Luft der Banken und Zentralbanken) erzwingt früher oder später „Zwangssparen” entweder beim Kreditnehmer oder beim Kreditgeber oder bei beiden. Und „Zwangssparen” heißt: Hungern statt Schlemmen, unter die Brücke ziehen statt wohnen, krank werden und sterben statt leben, Rad fahren statt Auto, Wandern im Heimatort statt Flug in die Karibik, bei Mama einziehen statt in die eigene Bude. Für das Vorziehen des Konsums zu Lasten der Zukunft haben die Spanier ein schönes Sprichwort: Pan para hoyy hambre para manana (Brot für heute und Hunger für morgen).
Zwar kann es auch in einem freien Markt mit echtem Geld zu ungewöhnlichen Bewertungsbooms kommen, aber nur für kurze Zeit, und der nachfolgende Crash hat begrenzte Auswirkungen und belastet nicht das gesamte Wirtschafts- und Finanzsystem. Die regelmäßig wiederkehrenden Phasen übertriebener Aufschwünge und katastrophaler Zusammenbrüche der Gesamtwirtschaft eines Landes hingegen (der sog. boom-bust-business-cycle) entstehen nicht am Markt, sondern sind ein Kind der Geld- und Zinspolitik der Zentralbanken und des Staates. Man kann in grafischen Darstellungen (Charts) über die letzten 35 Jahre eindeutig den gegenläufigen Verlauf der Kurven von nominaler Sozialproduktentwicklung und realer Fed Funds Rate (US-Zentralbank-Zins) beobachten. Scharf fallende Realzinsen lösen also regelmäßig eine boomende Wirtschaft aus, die anschließend wieder steil nach unten driftet. Die Geldpolitik wurde nach dem Zusammenbruch des Bretton Woods-Systems (Teil-Goldbindung) – also ab 1971 – fast vollständig in den Dienst der Konjunkturpolitik gestellt. Jede konjunkturelle Delle beantwortete man mit einer Ausweitung der Geldmenge (Geld- und Kreditmenge). Heilende Kräfte in Form von Krisen wurden nicht mehr zugelassen, obwohl sie gerade im falschen Geldsystem notwendige Bereinigungen von Übertreibungen sind. Hierdurch wurden auch die spekulativen Übertreibungen, die in jedem Boom stattfinden, immer größer, sowohl was ihre Einzelausschläge betrifft als auch ihr akkumuliertes Gesamtvolumen. Die verhinderten Bereinigungen haben sich nun, in der aktuellen Weltdepression, zu einem Gebirge aufgetürmt, dessen Einsturz das gesamte planwirtschaftliche Pumpsystem unter sich begräbt.
Weil das fiat money-System irrwitzig ist, kann eben auch die in diesem System betriebene Geldpolitik nur irrwitzig sein. Der US-Ökonom Bill Bonner hat den Nagel auf den Kopf getroffen mit seinem Satz: „Das Ausmaß einer Depression entspricht den staatlichen Anstrengungen, sie zu vermeiden.” Im Zusammenwirken von betrügerischem Kreditsystem (beim Kredit, der nicht durch reale Ersparnisse gedeckt ist, der also nicht von vergabebereiten Ausleihern kommt, sondern von Zentralbanken über künstlich gesenkte Zinsen, handelt es sich um Betrug) und betrügerischem Deficit spending (Ausgeben von Schuldengeld, das andere Leute verzinsen und tilgen müssen), ist den Bürgern im letzten halben Jahrhundert eine Welt vorgegaukelt worden, die es nicht geben kann. Eine Welt, in welcher der schuldenfinanzierte Konsum die Leute angeblich reicher macht. Jedesmal, wenn die Wirtschaft langsamer lief, veranlassten die politischen Zampanos die Leute, mehr von dem zu kaufen, was sie nicht brauchten – mit Geld, das sie nicht hatten. Aber jeder geborgte Dollar oder Euro muss eines Tages auf die eine oder andere unangenehme Weise zurückgezahlt werden. Und jedes Hinaufschweben auf Luftschlösser erweist sich irgendwann als Abstieg in die Hölle.
Im Großen einer Volkswirtschaft spielt sich dabei dasselbe ab, wie man es im Kleinen bei der Abwrackprämie für alte Autos beobachten konnte. Die Stimulierungen können die tatsächlich gegebene Nachfrage nicht vergrößern, sondern nur zum Schaden der Zukunft vorziehen. Der Staat kann die Nachfrage des Privatsektors nicht erhöhen; eine höhere reale Nachfrage würde höhere Reallöhne erfordern – und die entstehen bestimmt nicht durch das Anwerfen der Gelddruckmaschinen. So wie bei den Autos der Konsum mit den staatlichen Prämien nur schuldenfinanziert vorverlagert (und noch brauchbares Kapital vernichtet) wurde, so hat man die Amerikaner (und auch die Europäer) jahrzehntelang dazu verleitet, ihren Konsum vorzuverlagern. Doch irgendwann ist das Spiel zu Ende, und sie werden nun jahrzehntelang ihre künftigen Einnahmen dazu verwenden müssen, die Schulden abzutragen. Neben den astronomischen Schulden des Staates werden die Leute auch die Kosten ihres eigenen Schuldenrausches begleichen müssen. Im Jahr 1962 hatten die amerikanischen Haushalte 37 % weniger Schulden als Einkommen; im Jahr 2009 haben sie 39 % mehr Schulden als Einkommen. Die Schulden des Privatsektors machen 174 % des Sozialproduktes (Bruttoinlandsprodukt, BIP) aus. Das Normale, nämlich innerhalb seiner Möglichkeiten zu leben, Geld zu sparen und Wünsche zu vertagen, bis man das Geld dazu hat, wurde zum Abnormalen erklärt – und das Abnormale, den Konsumrausch mit immer mehr und noch mehr Schulden zu finanzieren, wurde als wünschenswerter Normalfall vorgestellt, auch von den Ökonomen. Es wurden sogar Gesetze verabschiedet, mit welchen die Hypothekenbanken (vor allem FannieMae und FreddieMac) gezwungen wurden, Schuldnern ohne Prüfung ihrer Einkommensverhältnisse Kredite einzuräumen. Ein verantwortungsloses Spiel, das tragisch enden wird, weil – wie gesagt – jedem Boom der Bust folgt, und dem ganz großen jahrzehntelang betriebenen Boom irgendwann der ganz große Zusammenbruch und die Jahrzehnte währende Armut.
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Roland Baader (2010), Geldsozialismus, Die wirklichen Ursachen der neuen globalen Depression, Resch Verlag, Kapitel V, „1. Booms and Busts“, S. 79 – 84.