Grundsätze einer liberalen Währungsreform
15.5.2013 – von Jörg Guido Hülsmann.
Eine wahrhaft liberale Währungsreform dürfte sich nicht dazu versteigen, ein neues »System« an die Stelle des alten zu setzen. Sie müsste sich davon verabschieden, eine enge technokratische Vision, die gerade den Beifall der herrschenden Klassen findet, auch für alle anderen Bürger verpflichtend zu machen. Sie dürfte keine Verantwortungslosigkeit begünstigen, aber verantwortliche Initiativen auch nicht lahmen. Ihre treibenden Kräfte müssten Firmen, Vereine und Privatleute sein; nicht die staatlichen Zwangsorgane. Sie müsste die Geldproduktion vollkommen privatisieren, sie auf die gleiche Grundlage stellen, auf der jeder zwischenmenschliche Verkehr in einer freien Gesellschaft fußt. Das bedeutet, dass einerseits niemand daran gehindert werden darf, ein Geldproduzent zu werden. Andererseits dürfen die Geldproduzenten auch nur ihr eigenes Eigentum verwenden, und sie müssen das Eigentum anderer Menschen respektieren.
In einem Wort: Eine wahrhaft liberale Reform muss sicherstellen, dass die Reform selber privates Eigentum respektiert. Sie darf daher zum Beispiel nicht vorsehen, dass irgendwelche steuerfinanzierten Ausschüsse mit der Umsetzung der Reform betraut werden.
Außerdem darf die Umsetzung einer liberalen Währungsreform nicht davon abhängig gemacht werden, dass andere Staaten ihrem Beispiel folgen. Man muss das ändern, was man hier und jetzt ändern kann, und diese Änderung muss bedingungslos und einseitig erfolgen. Jedes andere Vorgehen würde bedeuten, dass man den Schutz desjenigen Eigentums, das man hier und jetzt schützen kann, hinter anderen Erwägungen zurückstellt, und damit würde man die oberste liberale Zielsetzung selbst infrage stellen. (Zudem wäre zu erwarten, dass eine solche »bedingte und konzertierte« liberale Reform im Verlauf endloser Verhandlungen bis zur Unkenntlichkeit entstellt würde.)
Diese Zielsetzungen folgen unmittelbar aus dem obersten liberalen Grundsatz, dass rechtmäßig erworbenes privates Eigentum unter allen Umständen zu respektieren ist.[1] Wir können eine liberale Währungsreform daher nun mit fünf abgeleiteten Grundsätzen näher kennzeichnen:
(1) muss sie vergangene Eigentumsverletzungen im Bereich der Geldproduktion rückgängig machen, wo immer das möglich ist; (2) muss sie gegenwärtige Eigentumsverletzungen in diesem Bereich verhindern; (3) darf sie keine neuen Eigentumsverletzungen herbeiführen, und insbesondere darf sie selber keine weitere Eigentumsverletzung erforderlich machen; (4) muss sie sofort und unmittelbar umzusetzen sein; (5) muss sie bedingungslos und einseitig (unilateral) sein.
Diese Grundsätze müssen bei der Auswahl geeigneter Maßnahmen zur Reform der bestehenden Institutionen maßgebend sein. Die wichtigste Maßnahme ist die sofortige Abschaffung des Währungsmonopols im weitesten Sinne dieses Begriffs. Darunter fallen alle Beschränkungen der Produktion und des Handels mit Geld und Besitztiteln für Geld.
Kein Marktteilnehmer soll daran gehindert werden, selbst Geldproduzent zu werden. Insbesondere soll jeder das Recht haben, nach Edelmetallen zu suchen und das von ihm entdeckte Metall als sein Eigentum zu behalten. Ferner muss es jedem erlaubt sein, die von ihm oder anderen Leuten gefundenen Edelmetalle zu Münzen zu verarbeiten. Niemand soll den Münzprägern vorschreiben, wie sie ihre Münzen zu prägen haben, d. h. welche Namen sie ihren Münzen geben und welche Wert- und Gewichtseinheiten sie wählen sollen, wie die Form der Münzen oder das Münzgepräge auszusehen hat usw.
Niemand soll auch daran gehindert werden, irgendeine Geldart zu kaufen und zu verkaufen. Das betrifft insbesondere den Handel mit Edelmetall — sei es in Form von Münzen oder in Form von Barren – und mit ausländischem Papiergeld (Devisen). Es bedeutet aber auch umgekehrt, dass niemand gezwungen werden darf, eine Zahlung in irgendeiner bestimmten Währung zu akzeptieren, wenn er eine andere Zahlungsweise vertraglich ausbedungen hat. Das Institut des gesetzlichen Zahlungsmittels ist mithin unverzüglich abzuschaffen.
Darüber hinaus ist zu verlangen, dass der Staat alle anderen wettbewerbsverzerrenden Eingriffe in den Währungsmarkt unterlässt. Insbesondere müssen Verträge, die die Zahlung mit Devisen oder Edelmetall vorsehen, von den nationalen Ordnungskräften (Gerichte, Polizei) genauso durchgesetzt werden wie alle anderen Verträge auch. Zumindest aber dürfen die staatlichen Ordnungshüter die Durchsetzung dieser Verträge durch private Organisationen nicht behindern. Des Weiteren muss es den Bürgern erlaubt sein, ihre Steuern auch in Devisen und Edelmetallen zu entrichten. Die Mehrwertsteuer und ähnliche Verkaufssteuern, die beim Handel mit Edelmetallen erhoben werden, sind sofort abzuschaffen. Gleiches gilt für die Kapitalertragssteuer auf Kursgewinne von Devisen und Edelmetallen.
Jede dieser Maßnahmen ist ein Schritt zu mehr Freiheit im Geldwesen. Am besten wäre es natürlich, wenn sie allesamt sofort umgesetzt würden, aber auch jede einzelne Reform ist als ein Schritt in die richtige Richtung zu begrüßen, solange sie nicht mit faulen Kompromissen verbunden ist und das Ziel eines vollständig freien Geldwesens nicht aus den Augen verloren wird.
Bei vollständiger Umsetzung dieser liberalen Reform wird es einen blühenden Markt für die Produktion und den Handel von Edelmetallmünzen geben. Sehr wahrscheinlich werden Silbermünzen für die weitaus meisten Geschäfte des täglichen Lebens (Einkäufe von Lebensmitteln u. Ä.) verwendet werden, während Zahlungen in Gold den größeren Transaktionen (teure Kleidung, Möbel usw.) vorbehalten bleibt. Daneben wird es natürlich noch viel Platz für die Verwendung von Schecks, Kreditkarten und andere Formen des bargeldlosen Zahlungsverkehrs geben.
Die Münzen werden unterschiedliche Größen und Gewichtseinheiten haben. Das Standardgewicht für Goldmünzen wird wahrscheinlich die Unze sein, da diese Einheit jetzt schon am weitesten verbreitet ist, während sich bei Silbermünzen wahrscheinlich ein auf dem Gramm beruhendes System durchsetzen wird, mit Münzen von 10, 20, 50, 100 Gramm usw. Es ist sehr wahrscheinlich, dass dasjenige Land, das als Erstes die liberalen Reformen umsetzt, diese Standardisierung maßgeblich prägen wird.
Darüber hinaus genießen die liberalen Avantgarde-Länder den folgenden Vorteil: Sie beginnen die Reform bei den momentanen Edelmetallpreisen, d. h. ihre Bürger kaufen Gold, Silber usw. zu relativ niedrigen Preisen auf dem Weltmarkt ein. Wenn andere Länder dann nachziehen, so erhöht ihre Nachfrage den Preis der Edelmetalle, und die metallbesitzenden Bürger der Avantgarde-Länder erzielen eine hübsche Dividende für ihre größere Voraussicht und Weisheit.
Des Weiteren ist es klar, dass das nationale Papiergeld in diesem Wettbewerb aus den genannten Gründen nicht wird bestehen können. Die Einsicht in das fatale Risiko des Papiergeldgebrauchs wird zwar zunächst nur die weitsichtigsten Menschen dazu bewegen, ihre Noten zu verkaufen und zum Gebrauch von Warengeld überzugehen. Doch früher oder später folgen die anderen unweigerlich nach. Nur besonders dumme und besonders staatsgläubige Bürger werden bis zum bitteren Ende am Papiergeld festhalten — und dann erkennen müssen, dass ihnen nichts als ein Bündel Altpapier bleibt. Das ist natürlich mit Härten verbunden, und spätestens hier stehen die liberalen Reformer vor der entscheidenden Aufgabe, den Sinn der Reform zu verteidigen.
Dabei sollten sie sich von vornherein über eines im Klaren sein: Es gibt keine Reform ohne kurzfristige Gewinner und Verlierer. Liberale Reformen sind keine Ausnahme. Sie haben allerdings den Vorteil, dass die durch sie in Gang gebrachte kurzfristige Umverteilung gerecht ist und dass ihre Maßnahmen auf längere Sicht den Interessen aller Bürger dienen. Am besten lassen die liberalen Reformer von Anfang an keinen Zweifel darüber bestehen, was die voraussichtlichen Folgen ihrer Politik sind. In jedem Fall sollten sie ihren Mitbürgern gegenüber stets betonen, dass die von einigen Leuten zu tragenden Verluste einmalig sind, während die Ausplünderung durch das vorherige System ein ständiger Vorgang war, der besonders zulasten der ärmeren Bürger ging.
Betroffen von dem Untergang der nationalen Währung sind in erster Linie die Besitzer von Barvermögen und die Gläubiger aus Schuldverträgen. Hingegen sind die Begünstigten der staatlichen Rentenversicherung kaum betroffen, da der Staat die Steuern nun in einer anderen Geldart erhebt und in dieser Form an seine Mündel weiterreicht. Und auch jener Teil der privaten Vermögen, der in Form von Aktien und anderen Anteilsscheinen (Investmentfonds u. A.) vorliegt, wird von der Reform kaum berührt. Nach dem Verschwinden der nationalen Währung wird der Wert der Unternehmen — und mithin der Aktien – in einer anderen Geldart ermessen, und gegen dieses Geld kann der Anleger dann seine Aktien verkaufen. Ähnlich steht es mit Vermögen, das der Sparer in eine Lebensversicherung investiert hat. Die Versicherung hat das Geld ihrer Kunden gewöhnlich in Aktien und Anleihen angelegt. Die Anleihen werden nach der Reform zwar bald wertlos, doch das schadet nicht der Versicherung, da sie die wertlosen Coupons an die Kunden weiterreichen kann. Die Dividenden aus dem Aktienbesitz hingegen werden in einer anderen Geldart an die Versicherung ausbezahlt und können in dieser Form auch an den Kunden weitergereicht werden.
Wir wollen diese Überlegungen nicht bis in alle Einzelheiten weitertreiben. Es geht uns wie gesagt nur darum, die möglichen Alternativen zur vermeintlichen Einbahnstraße der heutigen Wirtschaftspolitik aufzuzeigen. Nur zwei besondere Probleme sollen noch kurz angerissen werden, die sich vor dem Hintergrund des Außenhandels und durch eine internationale Währungspolitik ergeben.
Ein erstes Problem entsteht immer dann, wenn die Währungsreform nicht in allen Ländern zugleich, sondern zunächst nur in einigen liberalen Avantgarde-Ländern erfolgt. Die Abschaffung des Währungsmonopols führt über kurz oder lang zum Zusammenbruch der Staatswährung dieser Länder, doch ausländisches Papiergeld, das noch von einem Währungsmonopol profitiert, wird davon nicht betroffen. Solange die Untertanen ausländischer Regierungen sich nicht dazu entschließen, das Währungsmonopol in ihren Ländern abzuschaffen, wird ihr Staatsgeld immer einen »Markt« haben, in dem es – wenn auch zwangsweise – Verwendung findet. Und daher werden diese ausländischen Papierwährungen auch nicht sofort zusammenbrechen, wenn in anderen Ländern eine liberale Währungsreform durchgeführt wird. Ganz im Gegenteil könnten sie sogar einen größeren Marktanteil in den liberalen Reformländern erzielen.
Wäre das nicht ein widersinniges Ergebnis? Soll man die nationale Staatswährung nur deshalb abschaffen, um den Währungen anderer Staaten ein freies Feld zu bieten? Darf man das zulassen? Die Antwort lautet natürlich: ja. Denn erstens muss die liberale Reform von uns und für uns durchgeführt werden. Unser eigenes Denken und Handeln müssen wir ändern — und das können wir auch hier und jetzt. Das ist die Bedeutung des Grundsatzes, dass liberale Reformen bedingungslos und einseitig sein sollten. Zweitens würde eine folgerichtige Anwendung des entgegengesetzten Grundsatzes – dass ausländische Güter, die von einem staatlichen Monopol begünstigt sind, nicht bei uns gehandelt werden dürfen – im Ergebnis zu einem völligen Abbruch aller Handelsbeziehungen führen. Denn solange ein Staat existiert, können alle Güter, die unter seinem Schutz produziert und auf seinen Straßen befördert werden, als Monopolgüter angesehen werden. Eine sinnvolle Abgrenzung ist im Einzelfall nicht möglich. Der Kauf und Verkauf ausländischen Papiergeldes ist daher nicht zu behindern.
Mit der Währungsunion der europäischen Staaten ergibt sich ein weiteres Problem aus dem Umstand, dass die Währung kein nationales, sondern ein internationales Staatsgeld ist. Müssen daher nicht alle Reformen des Geldwesens im europäischen Verbund erfolgen? Jeder echte Liberale wird das bestreiten. Wer an die Unverletzlichkeit privaten Eigentums glaubt, der wird auch jedem Individuum und jeder Vereinigung von Individuen ein Recht zur freien Selbstbestimmung einräumen müssen. Jedes Individuum und jede Gruppe (sei es eine Nation, eine Region, eine Straße usw.) hat das natürliche Recht, eine liberale Reform durchzuführen.[2] Im gegenwärtigen Rechtsrahmen betrifft dieses Recht zumindest die nationale Selbstbestimmung. Wenn Deutschland völkerrechtlich souverän ist, kann das europäische Währungsmonopol auf deutschem Boden einseitig außer Kraft gesetzt werden.[3] Die Noten der europäischen Zentralbank mögen dann in anderen Ländern das gesetzliche Zahlungsmittel sein, aber nicht bei uns. Woanders mag man die Bürger daran hindern, ihre eigenen Münzen zu prägen und Handel mit allen Geldarten zu betreiben, aber nicht hier.
Nun wird man einwenden, dass eine solche Politik auch deshalb mit dem Feuer spielt, weil sie das Ende der Europäischen Union einläuten könnte. Das mag zutreffen, aber dieser Gedanke beunruhigt uns nicht. Die EU ist lediglich eine Organisation der europäischen Regierungen und keineswegs der Inbegriff Europas. Die Liberalen des 19. Jahrhunderts haben uns gezeigt, wie man ein in Freiheit vereintes Europa schafft: indem nämlich jedes Land seine Beschränkungen des Verkehrs einseitig abschafft. Europa braucht keine Kommission und keine zentrale Bürokratie, um ein internationaler Kultur- und Wirtschaftsraum zu sein. Wenn die Bürger nicht daran gehindert werden, sich nach ihren eigenen Vorstellungen mit Ausländern zusammenzutun, so ist dieses gemeinsame Europa ipso facto da. Wenn eine liberale Währungsreform mithin das frühzeitige Ende des europäischen Zentralstaates herbeiführen würde, so wäre allein dies schon ein guter Grund, sie zeitig zu beginnen.
aus: “Krise der Inflationskultur” (Finanzbuchverlag) von Jörg Guido Hülsmann, S. 288 – 294.
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[1] Vgl. die wegweisenden Ausführungen zur »Strategietheorie der Freiheit« in M. N. Rothbard, Die Ethik der Freiheit (Sankt Augustin: Academia, 1999), S. 253-270.
[2] Vgl. Mises, Staat, Nation, Wirtschaft, a .a. O., Kap. l, II, 1; ders., Liberalismus (St. Augustin: Aca-demia, 1993 [1927]), S. 95-97; D. Gordon (Hg.), Secession, State, and Liberty (New Brunswick: Transaction, 1998).
[3] Vgl. M. Kerber, Mehr Wettbewerb wagen (Stuttgart: Lucius & Lucius, 2012).
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Jörg Guido Hülsmann ist Professor für Ökonomie an der Universität Angers in Frankreich und Autor von «Ethik der Geldproduktion» (2007) und «Mises. The Last Knight of Liberalism» (2007). Er ist Mitglied des wissenschaftlichen Beirates des “Ludwig von Mises Institut Deutschland”.
Seine Website ist guidohulsmann.com