Auf den Euro-„Boom“ folgt der Euro-„Bust“

5.4.2013 – Die wirtschaftliche Misere im Euroraum ist eine Illustration par excellence der „Zirkulationskredittheorie“, die Ludwig von Mises (1881 – 1973) erarbeitet hat. Der Begriff „Zirkulationskredit“ bezeichnet dabei den Bankkredit, durch den neues Geld (das sogenannte „Umlaufsmittel“) „aus dem Nichts“ geschaffen wird. Mises‘ Zirkulationskredittheorie ist aktueller denn je. Sie erklärt das immer größer werdende Debakel im Euroraum: Auf den anfänglichen „Boom“, den die Vermehrung der Euro-Geldmenge durch Zirkulationskredite herbeigeführt hat, folgt jetzt der „Bust“, die Rezession-Depression – die aber mit allen Mitteln, vor allem mit noch mehr Kredit, mehr Geld und einer de facto Nullzinspolitik abgewendet werden soll. Mises‘ Zirkulationstheorie zeigt, wohin das führen wird: Die wirtschaftlichen (und politisch-sozialen) Probleme werden so nicht gelöst, sondern vielmehr verschlimmert. Mises‘ Zirkulationstheorie entlarvt den Kreditgeld-Euro als Verursacher einer desaströsen Krise: dem „Scheinaufschwung“ folgen nun Produktionseinbruch, Massenarbeitslosigkeit, Verlust der Ersparnisse und Geldentwertung. Nachstehend Auszüge aus Nationalökonomie, Theorie des Handelns und Wirtschaftens, 1940, Vierter Teil, 7. Kapitel, IX. Die Marktwirtschaft im Wechsel der Konjunktur, S. 521 – 526.

Thorsten Polleit

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Ludwig von Mises

Im Lichte der Zirkulationskredittheorie ist der Konjunkturwechsel das Ergebnis der immer wieder neu einsetzenden Bestrebungen, durch Kreditausweitung die Bedingungen, zu denen Gelddarlehen erhältlich sind, für die Kreditsuchenden günstiger zu gestalten. Der zusätzliche Zirkulationskredit bewirkt Kapitalfehlleitung. Will man die Kreditausweitung endlos fortsetzen, dann bricht das Umlaufsmittelsystem, das ihr dient, zusammen.

Man verkennt das Wesen der Konjunkturveränderungen, wenn man, wie es nahezu allgemein üblich ist, im aufsteigenden Ast eine normale oder gar wohlfahrtsfördernde Erscheinung und im Abstieg die Störung befriedigender Entwicklung sehen will. Schon die gangbaren Ausdrücke, z. B. Aufschwung und Niedergang, gute und schlechte Konjunktur, sind irreführend. Das, was man als Anstieg der Konjunktur bezeichnet, ist ein Zustand, in dem Produktionsmittel Verwendungen, in denen sie dringlichere Bedürfnisse der Verbraucher befriedigen konnten, entzogen werden, um der Durchführung von Plänen, für die der verfügbare Produktionsmittelbestand nicht hinreicht, zugeführt zu werden. Wenn man den Ausdruck «Störung » gebrauchen will, dann hätte man im Aufschwung die Störung des Marktgetriebes zu erblicken und im Niedergang den Prozess der Anpassung an die gegebenen Bedingungen und der Wiederherstellung des «normalen» Zustandes, in dem das Marktgetriebe die Produktion so lenkt, dass die Produktionsmittel der Befriedigung der dringlichsten Bedürfnisse der Verbraucher in der zweckmässigsten Weise dienstbar gemacht werden.

Als Abstieg der Konjunktur bezeichnet man die Wiederanpassung der Produktion an die durch den Stand der verfügbaren Produktionsmittel und die Wertungen der Verbraucher gegebene Marktlage. Diese Ausdrucksweise und die lauten Klagen, die diesen Prozess zu begleiten pflegen, geben ein falsches Bild. Der Abstieg der Konjunktur ist fortschreitende Annäherung der Produktion an einen Zustand, in dem sie den Bedürfnissen der Verbraucher so gut, als es die Verhältnisse gestatten, und jedenfalls besser entspricht als auf dem Scheitelpunkt der Konjunktur, an dem der Abstieg beginnt. Der Aufstieg war Kapitalfehlleitung und daher Kapitalverminderung und wirtschaftlicher Rückschritt, der Abstieg ist wirtschaftlicher Fortschritt in dem Sinne, dass er die vorhandenen Produktionsmittel den Verwendungen zuführt, in denen sie dem Verbrauch die besten Dienste zu leisten vermögen. Wer über die Vorgänge auf dem Markte und die Produktionsverschiebungen, die der Abstiegt bringt, klagt, klagt darüber, dass ihm Illusionen genommen werden und dass er nun die Dinge so sehen muss, wie sie sind. Der Abstieg vernichtet nicht Werte, er wertet nur illusionsfrei und nüchtern. Was man als die Übel des Konjunkturniedergangs ansieht, ist das Gewahrwerden der Folgen des durch die Kreditausweitung vorgetäuschten Aufstiegs.

Die Anpassung der Wirtschaft an die gegebenen Verhältnisse vollzieht sich nicht mit einem Schlage. Die Wirte gelangen nicht mit einem Male zur Erkenntnis der Sachlage, sie halten noch durch einige Zeit an manchen der Irrtümer fest, die die Kreditausweitung hat entstehen lassen. Man trennt sich schwer von Illusionen. Je größer die psychischen Widerstände sind, die der zutreffenden Erfassung der Marktlage entgegenwirken, desto langsamer geht der Anpassungsprozess von statten. Über die Dauer, die er benötigt, lässt sich keine nationalökonomische Aussage machen.

Man hat daher immer im Verlaufe des Konjunkturabstiegs neue Kreditausweitung als Heilmittel empfohlen. Die Krise, meinte man, sei eine Deflationserscheinung; man müsse sie bekämpfen, indem man die Deflation durch entsprechend große Inflation kompensiert. Es ist falsch, die Krise selbst als Deflationserscheinung anzusehen. Es kann kein Zweifel darüber bestehen, dass der Umschlag der Konjunktur durch Einstellung der weiteren Ausgaben zusätzlicher Umlaufsmittel bewirkt wurde. Wahrscheinlich hatte der Aufschwung noch für einige Zeit verlängert werden können, wenn die Banken ihre Kreditausweitungspolitik fortgesetzt hätten. Doch endlos hätte man den Aufschwung der Konjunktur durch Festhalten an der Kreditausweitung nicht verlängern können. Früher oder später muss es zum Zusammenbruch des durch die Kreditausweitung ausgelösten Aufschwungs kommen, und der Anpassungsprozess, den man Niedergang der Konjunktur nennt, wird umso schmerzlicher sein und umso mehr Zeit beanspruchen, je länger die Kreditausweitung fortgesetzt worden war und je größer der Umfang der durch sie bewirkten Kapitalfehlleitung gewesen ist.

Man pflegt bei der Befürwortung der Redeflationspolitik folgendermaßen zu argumentieren: Hier sind Werke und Anlagen, deren Erzeugungsfähigkeit nicht oder nur zum Teil ausgenützt wird, Warenvorräte, die keine Käufer, und Arbeiter, die keine Arbeit finden können; dort wieder sind Verbraucher, die gewiss bereit waren, mehr zu verzehren. Das, woran es fehlt, sei allein der Kredit. Zusätzliche Kreditmittel würden den Unternehmern die Möglichkeit bieten, zu produzieren. Die Arbeitslosen würden Beschäftigung finden und konnten als Käufer der Produkte auftreten. Der Gedankengang ist ausserordentlich bestechend, er ist aber dennoch falsch.

Wenn Waren keine Käufer und Arbeiter keine Arbeit finden, dann kann das nur einen Grund haben: die geforderten Preise und Löhne sind zu hoch. Wer seine Ware oder Arbeit verkaufen will, muss seine Ansprüche so lange ermäßigen, bis er einen Abnehmer gefunden hat. Das ist das Gesetz des Marktes; das ist das Mittel, durch das der Markt die Produktion in die Bahnen lenkt, auf denen sie den Bedürfnissen der Verbraucher am besten zu dienen vermag. Die Kapitalfehlleitung des Aufschwungs hat bewirkt, dass Anlagen errichtet wurden, deren Errichtung Vernachlässigung dringlicheren Bedarfs zur Folge hatte. Der Überinvestition in einer Anzahl von Produktionszweigen steht Unterinvestition in anderen Produktionszweigen und Betrieben gegenüber. Um diese Disproportionalität zu beheben, muss Kapital neu gebildet und den Verwendungen zugeführt werden, wo es die dringlichsten Bedürfnisse zu befriedigen vermag. Das braucht Zeit, und während dieser Zeit können die komplementären Produktionsanlagen nicht voll ausgenützt werden, auch wenn die Erwartung, dass sie später einmal wieder vollausgenützt werden, berechtigt sein mag. Man pflegt immer darauf hinzuweisen, dass es auch unausgenützte Anlagen zur Erzeugung von Produktionsmitteln geringen spezifischen Charakters gibt. Deren Nichtausnützung zeige, meint man, dass die Stagnation nicht auf Disproportionalität in der Besetzung der verschiedenen Produktionszweige zurückzuführen sei; ihre Produkte konnten doch für alle denkbaren Zwecke verwendet werden. Auch das ist falsch. Wenn die Eisenwerke, Kupferwerke, Forstbetriebe nicht voll ausgenützt werden, so heisst das: der Markt kann zu den Preisen, die zumindest noch die variablen Produktionskosten decken, nicht ihre ganze Erzeugung aufnehmen; da die variablen Produktionskosten immer nur Löhne und Produktpreise sein können, von den Preisen dieser Produkte aber wieder das gleiche gilt, bedeutet das in letzter Linie doch wieder nur, dass die Löhne zu hoch sind, um allen Arbeitern Beschäftigung zu geben und alle Werke so weit auszunützen, als es die Notwendigkeit, die Arbeiter nicht dringenderer Verwendung zu entziehen, zulässt.

Aus dem Zusammenbruch des Konjunkturaufstiegs führt nur ein Weg zurück in die Wirtschaft, die durch fortschreitende Kapitalbildung steigende Wohlfahrt schafft: man muss durch Einsatz neu zu bildenden Kapitals das Verhältnis in der Kapitalausstattung der einzelnen Produktionszweige herstellen, das der auf dem Markte aufscheinenden Nachfrage der Verbraucher entspricht. Man muss durch Sparen die Mittel beschaffen, um die Lücken in der Kapitalausstattung der im Aufstieg vernachlässigten Produktionszweige auszufüllen. Die Löhne müssen sinken, die Massen müssen ihren Verbrauch einschränken, bis das durch Fehlleitung verschwendete Kapital wieder ersetzt wurde.

Wenn man in den Anpassungsprozess durch neue Kreditausweitung eingreift, verzögert man ihn, wenn man nicht gar einen neuen Aufschwung mit allen seinen unausbleiblichen Folgen auslöst.

Der Anpassungsprozess wird durch die seelischen Wirkungen der schweren Enttäuschung, die die Wirte erfahren haben, wesentlich verzögert. Auf der einen Seite will man die Illusionen, denen man sich im Aufstieg der Konjunktur hingegeben hat, nicht ganz aufgeben. Die Unternehmer versuchen Geschäfte fortzusetzen, die sich als unrentabel erweisen und daher fortlaufend Verluste bringen; sie verschließen sich einer Erkenntnis, die ihnen zu schmerzlich ist. Die Arbeiter wollen ihre Lohnforderungen nicht so weit herabsetzen, als es die Lage des Marktes verlangt; sie suchen der Notwendigkeit, ihre Lebenshaltung herabzusetzen und Berufs- und Ortwechsel vorzunehmen, so lange auszuweichen, als es nur irgendwie geht. Auch dort, wo die Obrigkeit nicht durch Eingriffe den Anpassungsprozess aufzuhalten trachtet, wird er durch institutionelle Faktoren vielfach gehemmt. Die Panik, die die Krise einzuleiten pflegt, bringt eine seelische Erschütterung, deren Folgen nur durch Zeitablauf überwunden werden können. Die Entmutigung ist umso allgemeiner und stärker, je größer die Zuversicht gewesen ist, die der Aufschwung ausgelöst hatte. Sie ist unter Umständen in der ersten auf den Umschwung folgenden Zeit so schwer, dass selbst eine neue Kreditausweitung sie nicht beheben könnte; die Unternehmer und Kapitalisten haben so sehr Vertrauen und Selbstvertrauen eingebüßt, dass sie nichts Neues zu unternehmen wagen, selbst wenn die Marktlage, dank neuer Bereitschaft der Banken, den Kredit auszuweiten, günstige Aussichten bietet.

 

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