Fiat-Geld zerstört die Marktwirtschaft

19.12.2012 – von Thorsten Polleit.

I.

Thorsten Polleit

Die Eurokrise ist die logische Folge des Papiergeldsystems, das auch als Fiat-Geldsystem (der Ausdruck fiat stammt vom lateinischen, es heißt: „es werde bereitet“) oder auch als Zwangsgeldsystem bezeichnet wird.[1]

Diese Ursachendiagnose – dass also die Eurokrise die logische Folge des Fiat-Geldes ist – findet in der öffentlichen Diskussion nur wenig Beachtung. Dies liegt vermutlich vor allem daran, dass das Wissen über die ökonomischen und politischen Probleme, für die das Fiat-Geld sorgt, nicht allzu weit verbreitet ist.

Fiat Geld zeichnet sich vor allem durch drei Eigenschaften aus. Erstens: Fiat-Geld ist staatliches Monopolgeld. Es wird von staatlichen Zentralbanken produziert, die das Geldangebotsmonopol innehaben.

Zweitens: Fiat-Geld ist intrinsisch wertlos, es hat die Form von mit Tinte bedruckten Papierzetteln und Einträgen auf Computerfestplatten („Bits and Bytes“).

Und drittens: Fiat-Geld wird durch Bankkreditvergabe produziert, durch Kredite, die nicht durch „echte Ersparnis“ gedeckt sind; Fiat-Geld wird „ex nihilo“ geschaffen.

Ob US-Dollar, Euro, japanischer Yen, chinesischer Renminbi, Britisches Pfund oder Schweizer Franken: Sie alle sind Fiat-Geld – und zwar seit Beginn der 70er Jahre des vergangenen Jahrhunderts, nachdem ihnen die Regierungen die Golddeckung entzogen haben.

Das Verwenden von Fiat-Geld erweist sich früher oder später als wirtschaftliches, politisches und soziales Übel, ja als Fluch, wie der amerikanische Ökonom Irving Fischer (1867 – 1947) es bezeichnete.

Namhafte Ökonomen wiesen bereits frühzeitig darauf hin. Zu ihnen gehörten zum Beispiel Ludwig von Mises (1881 – 1973), Friedrich August von Hayek (1899 – 1992) und Murray N. Rothbard (1926 – 1995), allesamt Vertreter der Österreichischen Schule der Nationalökonomie.

II.

Die Ausgabe von Fiat-Geld schafft zunächst einen künstlichen „Boom“. Das zusätzliche Kreditangebot senkt den Marktzins künstlich ab – und zwar unter das Niveau, das bestehen würde, wenn die Bankkreditvergabe nicht künstlich ausgeweitet worden wäre.

So werden (Investitions-)Ausgaben in Gang gesetzt, die ohne ein künstliches Absenken der Zinsen nicht unternommen worden wären – und die nur dann rentabel erscheinen, wenn der Zins immer weiter abgesenkt wird durch eine Ausweitung der Kredit- und Geldmenge.

Die im Zuge eines Fiat-Geld-Booms errichtete Produktions- und Beschäftigungsstruktur muss jedoch notwendigerweise früher oder später in sich zusammenbrechen, in einer Rezession-Depression enden, die umso schwerer ausfällt, je länger der Fiat-Geld-Boom angedauert hat.

Volkswirtschaften, die sich des Fiat-Geldes bedienen, laufen zudem in eine Überschuldungsfalle, weil die Erträge der mit Fiat-Geld finanzierten Investitionen nicht ausreichen, die aufgelaufenen Kreditverbindlichkeiten zu begleichen.

Sobald sich die Rezession-Depression am Horizont zeigt (in Form von strauchelnden Staaten, Banken und steigender Arbeitslosigkeit), versuchen daher Regierende und Regierte der unvermeidlichen Korrektur (in Form einer Rezession-Depression) durch die Ausgabe von noch mehr Kredit und Fiat-Geld, bereitgestellt zu noch tieferen Zinsen, zu entkommen.

Die Missstände werden also mit den Mitteln bekämpft, die sie verursacht haben. Das ist natürlich in höchstem Maße unvernünftig. Warum aber geschieht es dennoch, und zwar wieder und wieder?

Um diese Frage zu beantworten, muss man sich vor Augen führen, dass das Fiat-Geld eine bewusst geschaffene Kreatur der modernen Staatsform ist, der Herrschaft der Majorität (Demokratie).

Sie und Fiat-Geld sind gewissermaßen unzertrennliche Verbündete. Denn es sind vor allem Staaten und die von ihnen Begünstigten Gruppen – die Mehrheiten –, die in besonderem Maße vom Fiat-Geld profitieren beziehungsweise zu profitieren meinen.

Im Zuge eines staatlich beherrschten Fiat-Geldsystems weitet sich der Staatsapparat ohne größeren Widerstand immer weiter aus zu Lasten der Privatwirtschaft (und ihrer Eigentumsrechte).

Eine wachsende Zahl von Menschen wird dadurch abhängig von der Finanzkraft des Staates: Immer mehr Gesellschaftsmitglieder hängen am Tropf der staatlichen Umverteilungs- und Transfermaschinerie.

Zu denken ist zum Beispiel an Staatsangestellte, Bezieher staatlicher Renten- und Förderzahlungen, aber auch an Bezieher öffentlicher Aufträge und vor allem an die Sparer, die ihre Lebenseinkünfte in Fiat-Geld denominierte Staats- und Bankenanleihen anlegen.

Sie alle werden zu Befürwortern des (finanz-)starken Staates. Und wenn sie in einer Krise vor der Wahl stehen, Staaten und Banken Pleite gehen zu lassen oder aber die Geldmenge immer weiter zu erhöhen, werden sie sich für zweiteres und gegen ersteres entscheiden.

Mit anderen Worten: Das Fiat-Geldsystem erzeugt eine politik-ökonomische Anreizstruktur, die die Weichen der Gesellschaftsentwicklung auf hohe Inflation oder gar Hyperinflation stellt.

III.

Gesellschaften, die sich an das Fiat-Geld klammern wie Ertrinkende an einen vermeintlichen Rettungsring, rutschen unausweichlich in ein immer stärker kollektivistisch-sozialistisches Gemeinwesen.

Denn der Versuch, das Fiat-Geldsystem vor dem Kollaps zu bewahren, erfordert immer weiter reichende Staatseingriffe in die freien Marktkräfte und damit in die privaten Freiheiten des Einzelnen.

Das zeigt sich zum Beispiel in den aktuell besonders drastisch steigenden Staatsschulden, mit denen „Rettungsmaßnahmen“ finanziert werden. Diese Schulden sind nichts anderes als eine vorweggenommene Enteignung in Form von künftig höheren Steuern und/oder Geldentwertung.

Der Staat – verstanden als territorialer Zwangsmonopolist für die Rechtssetzung und –sprechung, und der zudem die Macht hat, Steuern zu erheben – dehnt sich eben immer weiter aus, er akzeptiert keine Grenze, die ihn stoppen kann, kein Gesetz, keine Verfassung. Aus einem Minimalstaat wird früher oder später ein Maximalstaat.

Könnte eine marktwirtschaftliche Lösung den Übeln, die das Fiat-Geld bringt, die Stirn bieten? Wäre etwa ein „Währungswettbewerb“, wie er etwa von Friedrich August von Hayek (1899 – 1992) empfohlen wurde, ein konstruktiver Lösungsvorschlag?

Bekanntlich ist ja der Wettbewerb nicht nur ein Mechanismus, der immer bessere Problemlösungen zu immer niedrigen Kosten bereitstellt, sondern er ist gleichzeitig auch das wohl wirksamste „(Mißbrauchs-)Entmachtungsinstrument“.

IV.

Ein Währungswettbewerb ließe sich in Gang setzen, indem alle Gesetze und Hemmnisse abgeschafft werden, die ihm bislang entgegenstehen (vor allem also das Privileg, dass der Euro das alleinige gesetzliche Zahlungsmittel ist).[2]

Auf diese Weise würde der Weg frei gemacht für die Marktakteure, die „gutes Geld“ anbieten, und es wird Geldnachfragern die Möglichkeit gegeben, dasjenige Geld nachzufragen, das ihren Wünschen am besten entspricht.

Die Geldnachfrager können also dann zum Beispiel Euro, US-Dollar und Schweizer Franken für ihre Transaktions- und Sparzwecke nachfragen, oder aber (zusätzlich auch) andere Geldformen in Form von zum Beispiel Gold und Silber.

Im Euroraum etwa hätte ein Währungswettbewerb vor allem vier Vorteile.

Erstens erhöht sich der disziplinierende Druck auf die EZB, die Kaufkraft des Euro zu wahren. Denn wenn sie weiterhin eine inflationäre Geldpolitik verfolgt, wertet der Euro für alle sichtbar gegenüber den konkurrierenden Währungen ab. Damit also der Euro marktfähig bleibt, muss die EZB zu einer besseren Politik umschwenken.

Zweitens: Der Druck auf die nationalen Regierungen steigt, ihre Staatsfinanzen zu gesunden, und die Banken werden gedrängt, ihr Geschäftsvolumen auf ein ökonomisch vernünftiges Maß zurückzustutzen. Beide können dann nämlich nicht mehr wie bisher davon ausgehen, dass die EZB ihnen zu künstlich gesenkten Zinsen unbeschränkt Geld bereitstellt – zum Schaden der Kaufkraft des Geldes.

Drittens: Ein Währungswettbewerb beendet die Privilegien, die das staatliche Geldproduktionsmonopol einigen wenigen auf Kosten vieler verschafft; er steht damit letztlich auch der wachsenden staatlichen Aggression gegen die Freiheitsrechte des Einzelnen entgegen.

Viertens: Ein Währungswettbewerb würde die Bürger in bestmöglichster Weise vor einem Misserfolg der Euro-Einheitswährung schützen – der mit einer Zerstörung der Kaufkraft des Euro und der in Euro denominierten Ersparnisse verbunden wäre.

V.

Während die Effekte eines Währungswettbewerbs verheißungsvoll klingen, so ist die entscheidende Frage: Ist ein Währungswettbewerb vereinbar mit der Logik der Staatsexpansion beziehungsweise des staatseigenen Fiat-Geldsystems? Die Antwort ist: NEIN.

Denn ist erst einmal eine wachsende Zahl der Bevölkerungsmitglieder finanziell abhängig geworden von Staatszuweisungen – und damit auch von der Weiterführung des Fiat-Geldsystems –, werden zunächst Regierende und die Mehrheit der Regierten immer marktfeindlichere Politiken bevorzugen.

In der aktuellen Euro-Krise zeigt sich das zum Beispiel im Bestreben, die Korrektur- und Auslesekräfte des Marktes – zum Beispiel in Form von „Fluchtbewegungen des Kapitals“ zwischen den einzelnen Staaten – auszuhebeln.

So sollen etwa die Ausfallrisiken der einzelnen Euro-Staatsschuldner nivelliert beziehungsweise vereinheitlicht werden – das ist die unterliegende Logik der sogenannten „Rettungsmaßnahmen“ in Form eines gemeinschaftlichen Haftungsschirms („EFSF“ beziehungsweise „ESM“).

Die gleiche Logik leitet die Idee der „Bankenunion“. Auch hier soll eine Haftungsgemeinschaft geschaffen werden, durch die die unterschiedlichen Pleiterisiken der nationalen Bankenapparate abgebaut beziehungsweise aufgehoben werden.

Weitaus weniger augenfällig, wenngleich nicht minder anti-marktwirtschaftlich, ist die de facto Vereinheitlichung der internationalen Geldpolitiken, durch die der (bisher noch bestehende) Wettbewerb zwischen den Fiat-Währungen im Grunde stark reduziert wird.

Wenn Regierende und Regierte am staatlichen Fiat-Geldsystem unbeirrt festhalten, und damit das (Währungs-)Wettbewerbsprinzip zusehends unterwandern, ist der Weg in die Inflation, die immer weiter voranschreitende Zerrüttung der Kaufkraft des Fiat-Geldes, vorgezeichnet.

Ludwig von Mises (1881 – 1973) hatte eben diese zwingende Logik vor Augen, als er im Januar 1923 schrieb, „daß eine Regierung sich immer dann genötigt sieht, zu inflationistischen Maßnahmen zu greifen, wenn sie den Weg der Anleihebegebung nicht zu betreten vermag und den der Besteuerung nicht zu betreten wagt, weil sie fürchten muß, die Zustimmung zu dem von ihr befolgten System zu verlieren, wenn sich seine finanziellen und allgemein wirtschaftlichen Folgen allzu schnell klar enthüllen. So wird die Inflation zu dem wichtigsten psychologischen Hilfsmittel einer Wirtschaftspolitik, die ihre Folgen zu verschleiern sucht. Man kann sie in diesem Sinne als ein Werkzeug antidemokratischer Politik bezeichnen, da sie durch Irreführung der öffentlichen Meinung einem Regierungssystem, das bei offener Darlegung der Dinge keine Aussicht auf die Billigung durch das Volk hätte, den Fortbestand ermöglicht.“[3]

Mit der Zerstörung des Geldwertes wird letztlich auch die Marktwirtschaft zerrüttet oder gar zerstört.

 

Thorsten Polleit, 45, ist Chefökonom und Mitglied des Verwaltungsrates der Degussa Goldhandel GmbH (www.degussa-goldhandel.de), Honorarprofessor an der Frankfurt School of Finance, Frankfurt, und Präsident des Ludwig von Mises Institut Deutschland. Er ist zudem Adjunct Scholar am Ludwig von Mises Institute, Auburn, US Alabama (www.mises.org). Seine Website ist: www.thorsten-polleit.com.

 


[1] Genau genommen muss es „ungedecktes, per Kredit geschaffenes Fiat-Geld“ heißen. Denn mit Blick auf seine Produktionsweise ist dieses Geld Kreditgeld: Banken schaffen es durch Kreditvergabe. Mit Blick auf seine Etablierung ist es als Fiat-Geld zu bezeichnen: Es ist erzwungenes Geld, Geld, das vom Staat durch Willkür-Zahlkraftgesetze zum „Legal Tender“ gemacht wurde. Und mit Blick auf seine physischen Eigenschaften ist das Geld de facto entmaterialisiertes Geld, es hat die Form von bunt bedrucktem Papier und Einträgen auf Computerfestplatten („Bits & Bytes“).

[2] Nach Art. 128 Abs. 1, S. 3 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV), Art. 16 Abs. 1 S. 3 der Satzung des Europäischen Systems der Zentralbanken und der Europäischen Zentralbank, Art. 10 S. 2 der Verordnung (EG) Nr. 974/98 über die Einführung des Euro sind Euro-Banknoten in allen teilnehmenden Mitgliedstaaten das einzige unbeschränkte gesetzliche Zahlungsmittel.

[3] Mises, L. v. (1923), Die geldtheoretische Seite des Stabilisierungsproblems, S. 32.

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