Streicht die Staatsschulden (Teil 2)

3.4.2013 – Die westliche Welt droht unter ihrer selbst verursachten Schuldenpyramide, vor allem der öffentlichen Schuld, erdrückt zu werden. Was ist der Ausweg? In einem im Jahr 1992 veröffentlichten Artikel sprach sich Murray N. Rothbard (1926 – 1995) für eine Streichung der Staatsschulden aus (Repudiating the National Debt, Juni 1992, Chronicles, S. 49 – 52). Er begründete das mit ökonomischen-ethischen Argumenten. Der erste (gekürzte) Teil dieses Beitrages wurde am 20. März 2013 auf www.misesde.org veröffentlicht, sie finden ihn hier. Nachfolgend der zweite (gekürzte) Teil der Übersetzung.

Thorsten Polleit

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Murray N. Rothbard

Streicht die Staatsschulden (Teil 2)

In einer gerechten Gesellschaft kann nur die freiwillige Vergebung des Gläubigers den Schuldner von seiner Schuld erlösen; Insolvenzgesetze sind ungerechte Eingriffe in die Eigentumsrechte des Gläubigers.

Es ist eine Mär über den Schuldenerlass, dass Schuldner für gewöhnlich arm und Gläubiger reich sind, sodass eine Intervention im Namen des Schuldners lediglich als ein Erfordernis egalitärer Fairness gesehen wird. Diese Annahme war niemals wahr: In der Wirtschaft gilt, je wohlhabender ein Geschäftsmann ist, desto wahrscheinlicher ist er hoch verschuldet. (…) Interventionen zu Gunsten der Schuldner wurden im Allgemeinen von großen Unternehmen mit hohen Schulden propagiert. Die Behinderung von Anleihegläubigern zum Vorteil von Anteilseignern und amtierenden Managern in modernen Aktiengesellschaften ist der Effekt eines immer engmaschigeren Insolvenzrechts. Diese Manager sind üblicherweise ernannt von, und sind verbandelt mit, einigen wenigen einflussreichen Anteilseignern. Der Umstand, dass eine Aktiengesellschaft insolvent ist, zeigt, dass ihre Manager ineffizient waren, und sie sollten prompt von der Bühne entfernt werden. Ein Insolvenzrecht, das die Führung amtierender Manager verlängert, verletzt also nicht nur Eigentumsrechte der Gläubiger, es versehrt auch den Konsumenten und das gesamte ökonomische System, indem es verhindert, dass der Markt ineffiziente und unbedachte Manager und Aktionäre beseitigt und Vermögenswerte in die Hände der effizienteren Gläubiger transferiert. (…)

In einer freien Marktwirtschaft, in der Eigentumsrechte beachtet werden, ist die Höhe der privaten Schulden selbstregulierend durch die Notwendigkeit, den Gläubiger zurückzuzahlen, denn kein „Vater Staat“ erlässt einem die Schuld. Zusätzlich werden die Zinsen, die der Schuldner bezahlt, nicht nur über die allgemeine Rate der Zeitpräferenz bestimmt, sondern auch durch das Risiko, welches der Gläubiger dem Schuldner beimisst. Jemand mit niedrigem Kreditausfallrisiko wäre ein erstklassiger Kreditnehmer und müsste nur relativ geringe Zinsen zahlen. Andererseits müsste eine vertrauensunwürdige Person oder jemand, der zuvor bereits insolvent war, einen höheren Zins zahlen, seinem Kreditausfallrisiko entsprechend.

Unglücklicherweise wenden die meisten Menschen dieselbe Analyse auch auf öffentliche Schulden an. Wenn auf die Einhaltung von Verträgen in der Welt der privaten Schulden beharrt wird, ist dies dann nicht auch für Staatsschulden der Fall? Werden die öffentlichen Schulden nicht von denselben Prinzipien beherrscht wie die privaten Schulden? Die Antwort lautet nein, auch wenn diese Antwort viele Menschen schocken mag. Der Grund ist, dass die zwei Arten der Schulden-Transaktion komplett verschieden sind. Wenn ich Geld von einer Hypothekenbank leihe, dann gehe ich einen Vertrag ein, das Geld an einen Kreditgeber zu einem späteren Zeitpunkt zu zahlen; dieser ist im wahren Sinne des Wortes der Eigentümer des Geldes zu diesem Zeitpunkt, und wenn ich nicht zurückzahle, beraube ich ihn seines Eigentums. Wenn Regierungen jedoch Geld borgen, dann bürgen sie nicht mit ihren eigenen Aktivposten. Ihre eigenen Ressourcen sind nicht haftbar. Regierungen verpflichten nicht sich selbst, ihr eigenes Vermögen und ihren guten Ruf, sondern „uns“. Dies ist problematisch, eine Transaktion ganz anderer Art.

Anders als der Rest von uns verkauft eine Regierung keine produktiven Güter oder Dienstleistungen und verdient somit nichts. Sie kann lediglich Geld erhalten, indem sie unsere Ressourcen mittels Steuererhebung plündert, oder durch die versteckte Art der Besteuerung – durch die legalisierte Geldfälschung, bekannt als „Inflation“. Es gibt natürlich einige Ausnahmen, so etwa wenn der Staat Briefmarken an Sammler verkauft oder unsere Post mit großer Ineffizienz ausliefert. Der überwiegende Teil der Staatseinnahmen wird jedoch durch Besteuerung und ihr monetäres Äquivalent erzielt. (…)

Die öffentliche Verschuldung unterscheidet sich also stark von der privaten Verschuldung. Anstatt einer Transaktion zwischen einem Kreditgeber mit geringer Zeitpräferenz und einem Kreditnehmer mit höherer Zeitpräferenz erhält nun der Staat Geld von Kreditgebern, die wie er selbst durchschauen, dass das Geld nicht aus den Taschen der Politiker oder Bürokraten zurückgezahlt wird, sondern aus den geplünderten Geldbörsen der wehrlosen Steuerzahler. Der Staat erhält das Geld durch Zwangsbesteuerung; und die Gläubiger der öffentlichen Schuld, die alles andere als unschuldig sind, wissen sehr wohl, dass ihre Erträge sich aus eben demselben Zwang resultieren. Kurzum, Staatsgläubiger sind bereit der Regierung Geld zu geben, um sich einen Anteil des Steuerraubs in der Zukunft zu sichern. Das ist das Gegenteil einer marktwirtschaftlichen oder einer allseitig freiwilligen Transaktion. Beide Parteien vereinbaren einen Vertrag zur Verletzung von Eigentumsrechten unbeteiligter Bürger in der Zukunft. Sie treffen Vereinbarungen über anderer Leute Eigentum, und beide verdienen dafür Schelte. Die öffentliche Kredittransaktion ist kein tatsächlicher Vertrag, welcher als unantastbar betrachtet werden sollte, genauso wenig wie die Abmachung einer Räuberbande über die Aufteilung der Beute als eine Art des rechtmäßigen Vertrages gesehen werden kann.

(…)

Defizite und steigende Schulden sind daher eine wachsende und inakzeptable Bürde für die Gesellschaft und die Volkswirtschaft, weil sie Steuern erhöhen und zunehmend Ressourcen vom produktiven zum parasitären, unproduktiven, „öffentlichen“ Sektor leiten. Darüber hinaus stellt die Finanzierung von Defiziten durch Bankkredite – also  die Schaffung neuen Geldes – ein noch größeres Problem dar, denn Geldmengenausweitung verursacht permanente und steigende Inflation sowie Wellen von Konjunkturzyklen.

(…)

Ich schlage (…) ein anscheinend drastisches, aber tatsächlich bei weitem weniger zerstörerisches Mittel vor,  die öffentliche Schuld mit einem einzigen Streich zu begleichen: die komplette Streichung der Staatsschulden. Man stelle sich folgende Frage: Warum sollten die armen, gebeutelten Bürger Russlands, Polens oder anderer ehemalig kommunistischer Länder die Schulden ihrer kommunistischen Führer tragen? Im kommunistischen Kontext ist die Ungerechtigkeit offenbar: Jene Bürger, die für Freiheit und eine freie Marktwirtschaft gekämpft haben, sollen besteuert werden, um die vertraglichen Schulden zu zahlen, die ihre ehemalige monströse Regierungsklasse verursacht hat. Aber diese Ungerechtigkeit variiert nur graduell von der „normaler“ öffentlicher Schulden. Denn andersherum, warum sollte die kommunistische Regierung der Sowjetunion durch die Schulden der Zaren gebunden sein, die sie hasste und stürzte? Und warum sollten wir, sich abmühende amerikanische Bürger, gebunden sein durch die Schulden einer vergangenen Führungselite, welche diese Schulden vertraglich einging auf unsere Kosten? Ein triftiger Grund gegen die Zahlung von „Reparationen“ an Schwarze für die vergangene Sklaverei ist, dass wir, die Lebenden, keine Sklavenhalter waren. Gleichsam sind wir keine Verträge eingegangen, weder gestern noch heute, für die gegenwärtigen Schulden der Politiker und Bürokraten in Washington.

(…)

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Die Übersetzung wurde von Karl-Friedrich Israel angefertigt.

Karl-Friedrich Israel, 24, hat Volkswirtschaft an der Humboldt-Universität in Berlin studiert. Zur Zeit absolviert er in England an der Universität Oxford sein Masterstudium.

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