Der Euro wird zur Lira

19.10.2012 – von Philipp Bagus.

Philipp Bagus

Die spanischen Staatsausgaben verdoppelten sich von 2000 bis 2009. In Deutschland stiegen sie im gleichen Zeitraum nur um etwa 20 Prozent. In Deutschland gibt es 150.000 Politiker, im bevölkerungsmäßig halb so großen Spanien 450.000. Trotz mit Brüssel abgesprochener Reformen lag das spanische Defizit 2009 mit 9,4 Prozent des Bruttoinlandprodukts weit über den versprochenen sechs Prozent. Der spanische Staat gab 100 Milliarden Euro mehr aus, als er einnahm. Bei Einnahmen von 480 Milliarden sind das 26 Prozent. Nächstes Jahr will der Zentralstaat noch mehr ausgeben. Die Politik sträubt sich nicht nur diese Staatsblase aufzustechen, sie soll sogar 5,6 Prozent wachsen.

Wer soll da dem spanischen Staat noch Geld leihen? Die Antwort ist: die Europäische Zentralbank (EZB), die versprochen hat, unbegrenzt spanische Anleihen aufzukaufen. Diese Zusage hat Druck von der spanischen Politik genommen. Prompt hielt sie sich mit Sparmaßnahmen im Haushaltsentwurf zurück. Die Blase wächst weiter – dank EZB. Bei anderen Mittelmeeranrainern ist es ähnlich.

Ihr Finanzierungsversprechen hat die EZB an die Bedingung geknüpft, dass die Staaten unter den Euro-Rettungsschirm schlüpfen – mit den damit verbundenen Vorgaben: Es gibt nur frischgedrucktes Geld, wenn Staatsausgaben gekürzt und andere Reformen durchgeführt werden. Damit betreibt die EZB Fiskalpolitik. Ihr Mandat ist jedoch die Preisstabilität. Neues  Geld zu drucken, um Regierungen zu Ausgabenkürzungen zu bewegen, gefährdet dieses Ziel. Die EZB wird in ihrer Geldpolitik von der Politik abhängig. Sie verpflichtet sich, alle Defizitlöcher zu stopfen. Die Größe dieser Löcher bestimmt die Politik. Natürlich wird die EZB Versprechungen auf Besserung erhalten – wie wir das aus Griechenland kennen. Ein zähes Verhandeln um „gestattete“ Defizite wird die Geldpolitik bestimmen, und nicht mehr das Ziel der Preisstabilität.

Die große Stärke der Politik liegt darin, glaubwürdige Versprechungen zu machen, die nachher nicht eingehalten werden, weil unvorhergesehene äußere Zwänge dies unmöglich machen. So sehen wir es nach jeder Wahl und in der Euro-Krise. Versprechungen werden nicht umgesetzt, weil die Bevölkerung sich an die süße Droge der Defizite gewöhnt hat und Politiker keine Wahlen verlieren wollen.

Die Politisierung, der Geldpolitik wird auf eine Inflationsunion hinauslaufen. Dagegen hilft auch kein einsamer Rufer in der geldpolitischen Dienstbarkeitswüste. Bundesbankchef Jens Weidmann sprach sich gegen die unbegrenzten Anleihenkäufe aus. Er mahnte, schon Goethe zeige im Faust II, wie die durch Mephistopheles angeregte Staatsfinanzierung durch die Notenpresse zu Hyperinflation führt. Auch wenn Weidmann so EZB-Chef Mario Draghi mit dem Teufel vergleicht – er wird überstimmt. Und der Euro wird zur Lira.

Dieser Beitrag ist am 12.10.2012 in der Wochenzeitung “Junge Freiheit” erschienen.

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Philipp Bagus ist Professor für Volkswirtschaft an der Universidad Rey Juan Carlos in Madrid. Zu seinen Forschungsschwerpunkten Geld- und Konjunkturtheorie veröffentlichte er in internationalen Fachzeitschriften wie Journal of Business Ethics, Independent Rewiew, American Journal of Economics and Sociology u.a.. Seine Arbeiten wurden ausgezeichnet mit dem O.P.Alford III Prize in Libertarian Scholarship, dem Sir John M. Templeton Fellowship und dem IREF Essay Preis. Er ist Autor eines Buches zum isländischen Finanzkollaps (“Deep Freeze: Island’s Economics Collapse” mit David Howden). Sein Buch “Die Tragödie des Euro” erscheint in 12 Sprachen.

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