“Steuern sind Diebstahl”

3.4.2012 – Ein “unveröffentlichtes” Interview.

von Hans-Hermann Hoppe.

Hans-Hermann Hoppe

Ende 2010 ersuchte mich ein franzoesischer Journalist, ein Herr Nicholas Cori, um ein Interview zum Thema Steuern, das in der franzoesischen Monatszeitschrift “Philosophie Magazine” im Zusammenhang aktueller Steuerreformdebatten in Frankreich erscheinen sollte.

Ich stimmte dem Interview zu, das schriftlich, per email, auf Englisch durchgefuehrt wurde. Herr Cori stellte eine erste franzoesische Uebersetzung her und mein Freund Dr. Nikolay Gertchev ueberpruefte und korrigierte diese Uebersetzung. Die von mir authorisierte Uebersetzung wurde an Herrn Cori zurueckgeschickt. Seitdem, trotz mehrfacher Anmahnungen, habe ich nichts mehr von Herrn Cori gehoert. Hinsichtlich der Gruende fuer sein anhaltendes Schweigen kann ich nur spekulieren. Vermutlich haben seine Vorgesetzten ihm die Erlaubnis zur Veroeffentlichung des Interviews verweigert und er besitzt weder den Anstand noch den Mut, mich ueber diesen Umstand in Kenntnis zu setzen.

Wie dem auch sei, neben der authorisierten franzoesischen Uebersetzung und der englischen Originalfassung ist das Interview inzwischen in diversen Sprachen veroeffentlicht worden. Der folgende Text ist meine eigene Uebertragung des Interviews ins Deutsche.

NC: Sind Steuern mit individueller Freiheit und Eigentumsrechten vereinbar? Gibt es eine Hoehe der Besteuerung, wo eine Vereinbarkeit aufhoert?

Nein. Steuern, gleich welcher Hoehe, sind niemals mit individueller Freiheit und Eigentumsrechten vereinbar. Steuern sind Diebstahl. Die Diebe – der Staat und seine Agenten und Alliierten – versuchen natuerlich ihr Bestes, diese Tatsache zu vertuschen, doch es gibt einfach keinen Weg um diese Einsicht herum. Ganz offensichtlich sind Steuern keine normale, freiwillige Zahlung fuer Gueter und Dienstleistungen, da es nicht gestattet ist, diese Zahlungen einzustellen, falls man mit dem Produkt unzufrieden ist. Man wird nicht bestraft, wenn man aufhoert, Renault Autos oder Chanel Parfuem zu kaufen, aber man wird ins Gefaengnis geworfen, wenn man aufhoert, fuer staatliche Schulen oder Universitaeten oder den Pomp des Herrn Sarkozy zu zahlen.

Und es ist auch nicht moeglich, Steuern als normale Mietzahlungen hinzustellen, so wie sie ein Mieter an seinen Vermieter entrichtet. Denn der franzoesische Staat ist nicht der Eigentuemer ganz Frankreichs und der Hausherr aller Franzosen. Um das zu sein, muesste der franzoesische Staat zwei Dinge nachweisen koennen: erstens, dass der Staat, und niemand sonst, Eigentuemer jeden Quadratzentimeters franzoesischen Bodens ist, und zweitens, dass er mit jedem einzelnen Franzoesen einen Mietvertrag betreffend der Nutzung und des Preises dieses Eigentums unterhaelt. Kein Staat – weder der franzoesische, noch der deutsche, der US-amerikanische oder irgendein anderer – kann diesen Nachweis fuehren. Es gibt schlicht und einfach keine entsprechenden Dokumente und es gibt keine entsprechenden Mietvertraege. Darum gibt es nur einen Schluss: Steuern sind Diebstahl und Raeuberei. mittels deren sich ein Teil der Bevoelkerung, die herrschende Klasse, auf Kosten eines anderen Teils, den Beherrschten, bereichert.

NC: Ist es ungerecht, keine Steuern zu zahlen?

Nein. Da Steuern Diebstahl sind, d.h. ein Unrecht, kann es nicht moralisch falsch sein, sich zu weigern an Diebe zu zahlen oder sie hinsichtlich seines Einkommens oder Vermoegens zu beluegen. Das bedeutet nicht, dass es klug und weise ist, dies zu tun und seine Steuern nicht zu bezahlen – immerhin ist der Staat, wie Nietzsche es ausgedrueckt hat, das kaelteste aller Ungeheuer. Es kann dein Leben ruinieren und dich zerstoeren, wenn du dich seinen Befehlen widersetzt. Aber es kann keinen Zweifel daran geben, dass es gerecht ist, seine Steuern nicht zu zahlen.

NC: Wie kann man feststellen ob eine Steuer “fair” ist? Gibt es da irgendwelche Kriterien? Ist eine progressive Besteuerung z. B. “besser” als eine proportionale Besteuerung?

Wir wissen, dass keine Steuer fair ist, weder eine progressive noch eine proportionale (“flat”) Steuer. Wie kann Diebstahl und Raeuberei fair sein? Die “beste” Steuer ist immer die niedrigste Steuer – aber selbst die niedrigste Steuer ist immer noch eine Steuer. Die “beste” weil niedrigste Steuer ist eine Kopfsteuer, bei der jede Person denselben absoluten Steuerbetrag zahlen muss. Da selbst die aermste Person in der Lage sein muss, diesen Betrag zu zahlen, muss diese Steuer niedrig sein. Aber auch eine Kopfsteuer ist und bleibt Diebstahl und nichts an Diebstahl ist fair. Eine Kopfsteuer behandelt keineswegs jedermann gleich und etabliert eine Gleichheit aller vor dem Gesetz. Denn irgendetwas wird ja mit dieser Steuer gemacht. Die Gehaelter aller Staatsangestellten und -abhaengigen (wie z. B. der Pensionaere und aller sogenannten “Wohlfahrtsunterstuetzungsempfaenger”) werden aus dem Steueraufkommen bezahlt. Staatsbedienstete und –abhaengige zahlen von daher ueberhaupt keine Steuern, Vielmehr stammt ihr gesamtes Nettoeinkommen (nach Abzug der Kopfsteuer) aus Steuereinnahmen und sie sind von daher nicht Steuer-zahler, sondern Steuer-konsumenten, die ihr Einkommen aus von anderen Personen, den Steuer-produzenten, gestohlenen Mitteln bestreiten. Was ist daran fair, dass eine Gruppe von Personen parasitaer, auf Kosten einer anderen Gruppe, leben kann?

NC: Sehen das alle Philosophen so?

Nein. Aber das ist keine Ueberraschung. Beinahe alle professionellen Philosophen sind heutzutage Steuer-konsumenten. Sie produzieren keine Gueter oder Dienstleistungen, die sie auf dem Markt an freiwillig zahlende (oder nicht-zahlende) Philosophie-Konsumenten verkaufen. In der Tat, gemessen an der tatsaechlichen Konsumentennachfrage muss man zu dem Urteil kommen, dass die Arbeit der meisten gegenwaertigen Philosophen wertlos ist. Ihre Arbeit wird fast ausschliesslich aus Steuereinnahmen bezahlt. Sie leben vom Geld, das anderen Personen gestohlen worden ist. Und wenn der Lebensunterhalt einer Person von Steuern abhaengig ist, ist es wenig wahrscheinlich, dass diese Person die Institution der Besteuerung grundsaetzlich in Frage stellt. Das ist nicht notwendigermassen der Fall. Unser Bewusstsein wird nicht von unserem Sein determiniert, a la Marx. Aber eine grundsaetzliche Opposition ist eben nicht gerade sehr wahrscheinlich. Philosophen leiden, wie die meisten sogenannten Intellektuellen, an Selbstueberschaetzung. Sie glauben, ihre Arbeit sei von grosser Bedeutung und beklagen sich staendig ueber die Tatsache, dass die “Gesellschaft” sie nicht entsprechend honoriert. Dementsprechend wird das Thema Besteuerung von ihnen entweder stillschweigend ausgeblendet oder sie ergehen sich in der Erfindung abwegig-abstruser “Rechtfertigungen” von Steuern – und insbesondere ihrer eigenen, steuer-finanzierten Philosophengehaelter – als etwas irgendwie, “gesamtgesellschaftlich,” “Gutes” und “Nuetzliches.”

NC: Sollten Philosophen ausser ethischen Erwaegungen die wirtschaftliche Effizienz von Steuermassnahmen in Betracht ziehen?

Um von einer Handlung als “effizient” sprechen zu koennen, ist es zunaechst erforderlich, einen Zweck oder ein Ziel zu bestimmen. Etwas kann nur im Hinblick auf ein als gegeben angenommenes Ziel als effizient oder ineffizient beurteilt werden. Es ist die Aufgabe von Oekonomen und der sogenannten “positiven” bzw. “wertfreien” Oekonomie, zu bestimmen, welche Massnahmen hinsichtlich eines gegebenen Ziels effizient oder ineffizient sind. Ist es zum Beispiel das Ziel, Massenarbeitslosigkeit zu erzeugen, dann informiert uns die positive Oekonomie darueber, dass es effizient ist, einen moeglichst hohen gesetzlichen Mindestlohn einzufuehren. Ein Mindestlohn von, sagen wir, 100 Euro pro Stunde, ist eine effiziente Methode gegenwaertig Massenarbeitslosigkeit zu erreichen. Umgekehrt: Ist es das Ziel, die Arbeitslosigkeit zu minimieren, dann informiert uns die Oekonomie darueber, dass jede Form der Mindestlohngesetzgebung zu unterbleiben hat. Aber als “wertfeier” Wissenschaftler hat der Oekonom nichts hinsichtlich der Wuenschbarkeit oder Nicht-Wuenschbarkeit der betreffenden Ziele zu sagen. Das ist die Aufgabe des Philosophen: zu bestimmen, welche Ziele gerecht und wuenschenswert sind und welche nicht. (Der Oekonom informiert den Philosophen dann darueber, welche Mittel effizient oder ineffizient sind, um solche rechtfertigbaren Ziele zu erreichen.)

Doch wie ich schon angedeutet habe: die Profession der Philosophen erfuellt schlicht und einfach nicht ihren Auftrag. Natuerlich geben Philosophen jede Menge Ratschlaege, was zu tun und was zu unterlassen ist. Aber diese Ratschlaege haben wenig oder kein intellektuelles Gewicht. Fast immer handelt es sich bei diesen Ratschlaegen nur um blosse Meinungen, um Ausdruck persoenlichen Geschmacks, nicht mehr. Fragt man nach der “Theorie der Gerechtigkeit,” von der ihre Empfehlungen angeblich hergeleitet werden, so haben sie keine derartige Theorie anzubieten. Alles, was sie anzubieten in der Lage sind, ist eine ad-hoc Ansammlung von persoenlichen Werturteilen, die normalerweise nicht einmal der Erfordernis interner Konsistenz genuegt.

Jede Theorie der Gerechtigkeit, die ihr Salz Wert ist, muss zunaechst einmal die Grundgegebenheit menschlichen Lebens erkennen und anerkennen: die Knappkeit von Guetern bzw. die Abwesenheit von Ueberfluss. Denn es ist nur aufgrund der Tatsache von Knappheit, dass Personen miteinander ueberhaupt in Konflikt geraten koennen: ich moechte dies mit einer gegebenen, knappen Resource machen, und eine andere Person will mit derselben Resource etwas anderes anstellen. Ohne Konflikte gibt es ueberhaupt keinen Bedarf an Regeln oder Normen. Der Zweck von Normen ist darum die Konflikt-vermeidung. Und bei Abwesenheit einer prae-stabilierten Harmonie aller Interessen gibt es nur eine Moeglichkeit der Konfliktvermeidung: naemlich die, dass saemtliche knappen Gueter immer und stets im Privateigentum genau einer identifizierbaren Person (und niemand sonst) befindlich sind. Und um Konflikt von Anbeginn der Menschheit an zu vermeiden, muss jede Theorie der Gerechtigkeit mit einer Norm beginnen, die die erste, urspruengliche Aneignung knapper Gueter als Privateigentum regelt.

Die meisten zeitgenoessischen politischen Philosophen scheinen von all dem keine Ahnung zu haben. Tatsaechlich habe ich oft den Eindruck, dass sie nicht einmal begreifen was Knappheit bedeutet und impliziert.

NC: Was sollte das Ziel der Steuerpolitik sein? Gleichheit? Armutsverminderung?

Wenn Steuern Diebstahl sind, dann folgt vom Standpunkt der Gerechtigkeit, dass es ueberhaupt keine Steuern und damit auch keine Steuerpolitik geben sollte. Alle Diskussionen ueber die Ziele der Steuerpolitik und ueber Steuerreformen sind Diskussionen unter Dieben und Befuerwortern des Diebstahls, die sich um Gerechtigkeit nicht scheren. Sie scheren sich um Diebstahl. Es geht bei diesen Debatten und Disputen darum, wer wie hoch besteuert werden soll und was mit den Steuern geschehen soll, d.h. wer wieviel des Diebesgutes erhalten soll. Aber alle Diebe und Empfaenger von Diebesgut sind sich in einer Sache einig: je groesser die Menge des Diebesgutes und je niedriger die Kosten, dieses Diebesgut einzukassieren, umso besser ist man selbst dran. Nur darum geht es heutzutage in allen westlichen Demokratien: Steuerraten und Steuerformen zu waehlen, die das Steueraufkommen maximieren. Alle gegenwaertigen Diskussionen ueber Steuern und Steuerreformen, ob in Frankreich, Deutschland, den USA oder sonstwo, – Eroerterungen z. B. darueber, ob Vermoegenssteuern oder Erbschaftssteuern eingefuehrt oder abgeschafft werden sollen, ob das Einkommen progressiv oder proportional besteuert werden soll, ob Kapitalzuwaechse als versteuerbares Einkommen gelten sollen oder nicht, ob indirekte Steuern wie die Mehrwertsteuer direkte Steuern ersetzen sollen, und ob die Raten dieser Steuern dann erhoeht oder gesenkt werden sollen – es sind niemals Diskussionen ueber Gerechtigkeit. Sie sind niemals von einer prinzipiellen Opposition gegenueber Steuern geleitet, sondern von der Absicht, die Besteuerung effizienter zu gestalten, und das heisst, das Steueraufkommen zu maximieren. Jede Steuerreform, die nicht zumindest “einkommensneutral” ist, wird als ein Fehler betrachtet. Und nur Reformen, die dazu fuehren, dass das Steueraufkommen steigt, gelten als ein Erfolg.

Ich muss nochmal fragen: Wie kann irgend jemand das als “fair” bezeichnen? Natuerlich, vom Standpunkt der Steuer-konsumenten ist all dies “gut.” Aber vom Standpunkt der Steuer-produzenten, d.h. derjenigen Personen, die tatsaechlich Steuern zahlen, ist dies mit Sicherheit nicht “gut,” sondern “schlechter als schlecht.”

Eine letzte Bemerkung hinsichtlich des oekonomischen Wirkung der Besteuerung: Jede Steuer bedeutet eine Umverteilung von Vermoegen und Einkommen. Vermoegen und Einkommen werden ihren Eignern und Produzenten zwangsweise genommen und an Personen umverteilt, die dies Vermoegen nicht besessen und dies Einkommen nicht produziert haben. Jede zukuenftige Akkumulation von Vermoegen und jede zukuenftige Produktion von Einkommen wird damit ent-mutigt, und umgekehrt wird die Konfiskation und der Konsum bestehender Vermoegenswerte und produzierten Einkommens er-mutigt. Als Resultat wird eine Gesellschaft aermer. Und was die Wirkung insbesondere der stets und ueberall populaeren egalitaeren Umverteilungspolitik angeht, d.h. die “Reichen” zu besteuern um angeblich den “Armen” zu helfen, so gilt: hierdurch wird das Problem der Armut nicht vermindert oder gemildert sondern, ganz im Gegenteil, die gesellschaftliche Armut wird vergroessert. Denn man reduziert mit einer derartigen Umverteilungspolitik den Anreiz reich zu bleiben oder zu werden und produktiv zu sein und umgekehrt erhoeht man den Anreiz arm zu bleiben oder zu werden und unproduktiv zu sein.

NC: Sollten reiche Personen anders behandelt werden als arme Personen?

Jede Person, ob reich oder arm, sollte vor dem Gesetz gleich sein. Es gibt reiche Personen, die reich sind, ohne irgend jemanden bestohlen oder betrogen zu haben. Sie sind reich, weil sie hart gearbeitet haben, fleissig gespart haben, produktiv gewesen sind und unternehmerische Erfindungsgabe bewiesen haben, oft ueber viele Familiengenerationen hinweg. Solche Personen sollten nicht nur in Ruhe gelassen werden, sondern sie sollten als Helden gepriesen werde. Und es gibt reiche Personen, meistens aus dem Kreis der politischen Fuehrer, die den Staatsapparat kontrollieren, und der mit ihnen verbuendeten und verbandelten Eliten von Banken und Grossindustrie, die reich sind, weil sie entweder direkt an Konfiskation, Diebstahl und Betrug beteiligt waren oder indirekt davon profitiert haben. Solche Personen sollte man nicht in Ruhe lassen, sondern statt dessen als Gauner verurteilen und verachten. Das gleiche gilt fuer arme Personen. Es gibt arme Personen, die ehrenwerte Menschen sind und die deshalb in Ruhe gelassen werden sollten. Sie moegen keine Helden sein, aber sie verdienen unseren Respekt. Und es gibt arme Leute, die Gauner sind und die als Gauner behandelt werden sollten, ungeachtet ihrer “Armut.”

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Neu erschienen im Holzinger-Verlag: »Der Wettbewerb der Gauner – Über das Unwesen der Demokratie und den Ausweg in die Privatrechtsgesellschaft« von Hans-Hermann Hoppe

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