Das staatliche Zwangsgeld: Dämon unserer Zeit

6.10.2014 – von Christoph Braunschweig.

Christoph Braunschweig

Viele Menschen glauben, dass der Markt – abgesehen von einigen zugestandenen Vorteilen – ein Bild der Unordnung und des Chaos biete. Nichts sei „geplant“, alles so zufällig. Die meisten Menschen lehnen den Marktmechanismus alleine schon deshalb rein instinktiv ab, weil das menschliche Gehirn ihn nicht abbilden kann. Die dezentrale, unpersönliche Systemintelligenz des freien Marktes ist ihnen nicht geheuer. Staatliche Anweisungen und Bevormundung scheinen hingegen einfach und geordnet und obendrein „sozial“ zu sein. In keinem anderen Bereich der Wirtschaft ist dieser Aberglaube weiter verbreitet als im Bereich des Geldes. Scheinbar muss auf jeden Fall das Geldwesen unter schärfste staatliche Kontrolle gestellt werden. Im Gegensatz zur allgemein herrschenden Meinung wäre ein freier Markt für Geld alles andere als chaotisch. In Wahrheit wäre er ein Muster an Ordnung und Effizienz – wie überall dort, wo der freie Markt wirkt. Denn dort, wo der freie Markt vorherrscht, läuft alles rund. Über die Versorgung von Herrenoberhemden, Wurstwaren oder Autos hat sich noch nie jemand beschwert. Wo jedoch der Staat mitmischt, gibt es allenthalben Grund zur Klage, ob nun im Schulwesen, im öffentlichen Verkehrswesen, im öffentlichen Gesundheitswesen, im Energiebereich oder eben im Geldwesen. Es zeigt sich stets, dass staatliche Einmischung nicht Ordnung und allgemeine Zufriedenheit, sondern Konflikt und Ineffizienz erzeugt. Im Bereich des Geldwesens gilt das selbstverständlich auch.

Das Volumen der Güterproduktion der Industrieländer hat sich in den letzten 30 Jahren vervierfacht – das Geld- und Kreditvolumen aber vervierzigfacht! Inzwischen beziehen sich nur noch 10 Prozent der täglich gehandelten Dollar auf reale Güter- und Dienstleistungen, die restlichen 90 Prozent auf Derivate, Futures und ähnliche Finanzwetten. Die Weltwirtschaft bewegt sich in einer riesigen Finanzblase. Unter dem Goldstandard herrschte in den vereinigten Staaten 136 Jahre lang Preisstabilität. Die Kaufkraft des US-Dollars lag 1913/1914 bei Abschaffung des Goldstandards und Gründung des Federal Reserve Systems, sogar um 11 Prozent höher als im Jahr 1776. Seit 1913/1914 ist die Kaufkraft des Dollars allerdings um 95 Prozent gesunken – fast eine Totalzerstörung der ursprünglichen Kaufkraft. Die Ursache lag und liegt in der Geldmengenexplosion seit 1913/1914. Im Vergleich zu 1959 würde heute ein Hamburger in Amerika etwa 10 Cent statt 4 Dollar kosten. Um den tatsächlichen Gesamteffekt der Geldmengenausdehnung auf die Preise abzuschätzen, müsste man zusätzlich noch das potenzielle Sinken der Preise mit ins Kalkül ziehen, das eingetreten wäre, wenn es die staatliche Geldpolitik nicht gegeben hätte. Wie jeder Betriebswirt weiß, sinken die Herstellungskosten und somit dann auch die Angebotspreise der meisten Waren und Güter im Laufe der Zeit. Dieses natürliche Sinken der Preise im Verlaufe der Lebenskurve eines Produktes wird von Volkswirten oft als Deflation missverstanden, da sie die betriebswirtschaftlichen Zusammenhänge der Kosten-und Leistungsrechnung/Kalkulation nicht kennen.

Die Geschichte des staatlichen Papiergeldes ist eine Geschichte des Scheiterns, von den historischen Anfängen bis heute. Alle staatlichen Papiergeldwährungen sind entweder kläglich gescheitert oder spektakulär zusammengebrochen. Schon bei Voltaire heißt es: „Der Wert des Papiergeldes kehrt früher oder später zu seinem inneren Wert zurück: null.“ Deckungsloses staatliches Papiergeld kann eben beliebig vermehrt werden. Es ist zwar eine Binsenweisheit, aber man kann es nicht oft genug wiederholen: Angebot und Nachfrage bestimmen nicht nur die Güterpreise einer Volkswirtschaft, sondern auch den Preis des Geldes – also die Kaufkraft. Je mehr davon angeboten wird, desto wertloser wird es.

Der Staat ist ein Konsum-Monster, er teilt die ihm (zwangsweise) gewährten Gelder an seine Beamten, Angestellten, an Sozialhilfeempfänger, Rentner und Soldaten aus. Und diese Empfänger tätigen damit keine Investitionen, sondern bestreiten ihren Lebensunterhalt davon. Weil das normale Fiskal-Aufkommen aus Steuern, Abgaben, Gebühren und sonstigen Zwangseinnahmen nie ausreicht, hat der Staat folgerichtig das Monopol auf die Papiergelderzeugung an sich gezogen, um riesige Geldmengen aus dem Nichts erzeugen zu können (sog. „Fiat-Geld“). Konsequenterweise wird das staatliche Zwangsgeld zum einzig gesetzlich zugelassenen Zahlungsmittel erklärt. Es war kein Zufall, dass der Goldstandard bei Ausbruch des Ersten Weltkrieges in allen beteiligten Ländern abgeschafft wurde und man mittels der schon bestehenden oder neu geschaffenen Zentralbanken auf das beliebig vermehrbare, ungedeckte Geld überging. Mit Gold als Geld hätte weder der Erste noch der Zweite Weltkrieg geführt werden können – allenfalls ein paar Wochen lang (Roland Baader).

Ludwig von Mises zeigte zudem, dass die Geldmengenausweitung durch die Vergabe von Bankkrediten, die nicht durch Ersparnisse gedeckt sind, – so wie es im heutigen Teildeckungsbankensystem der Fall ist – zwangsläufig nicht nur inflationär wirkt, weil die damit finanzierbare Nachfrage das Angebot an Ressourcen übersteigt, sondern die Zinsen durch die Geldmengenausweitung künstlich sinken, was wiederum zu Investitionsmaßnahmen führt, die unter normalen Umständen richtigerweise unterblieben wären. Die aufgeblähte Geldmenge (ver)führt zu Fehlinvestitionen, die wiederum zu einem Scheinwohlstand führen, der sich dann zwangsläufig durch das Platzen der Vermögenspreisblasen selbst korrigiert.

Die Kombination aus Geldmengenexpansion und entsprechender Niedrigzinsen erklärt somit auch die übermäßig starken Konjunkturschwankungen von Investitionsübertreibung (Boom) und Abstürzen (Bust). Denn die Geldmengenexpansion zerstört den Grundpfeiler der freien Wirtschaft: die Wirtschaftsrechnung. Da die Preise nicht mehr die realwirtschaftlichen Knappheitsverhältnisse anzeigen, wird es für die Unternehmen zum Beispiel immer schwieriger, Bleibendes von Vorübergehendem zu unterscheiden und ihre Betriebskosten oder die Nachfrage der Verbraucher richtig zu beurteilen. Zum Beispiel werden die Kosten eines Gutes vom betrieblichen Rechnungswesen in Höhe seiner Anschaffungskosten verbucht. Doch durch die Geldmengenexpansion werden die Wiederbeschaffungskosten weit höher sein als es in den Büchern steht. Daher wird das Rechnungswesen viel zu hohe Gewinne ausweisen – und es kommt zum Kapitalverzehr, gleichwohl man im Boom glaubt, die Investitionen erhöhen zu sollen. Indem die Geldmengenexpansion illusionäre Gewinne erzeugt und die Wirtschaftsrechnung verzerrt, hält sie den Markt davon ab, ineffiziente Unternehmen zu bestrafen und effiziente zu belohnen. Beinahe alle Unternehmen werden scheinbar profitieren. Die Geldmengenexpansion bestraft Sparsamkeit und ermuntert zum Schuldenmachen – auch in Bereiche, die ohne die Geldmengenexpansion längst als unrentabel identifiziert wären. Zwangsläufig sinkt dadurch die Gesamtproduktivität der Volkswirtschaft. Und die dem ungedeckten staatlichen Papiergeldsystem anhaftende Geldmengenexpansion verursacht darüber hinaus eine immer größere Schere zwischen Arm und Reich: Die Niedrigzinspolitik verbilligt künstlich den Kapitaleinsatz gegenüber dem Faktor Arbeit. Dies geht zu Lasten der Geringverdiener. Die Kaufkraftminderung (zur Zeit vor allem durch die permanente Erhöhung der Vermögensgüterpreise) trifft vor allem Geringverdiener (sowie  Rentner), während sich die Vermögenden durch entsprechende Kapitaldispositionen vor Inflation schützen können.

Die staatlichen Zentralbanken reagieren auf zu hohe Staatsschulden fatalerweise mit noch mehr billigem Geld, was zwar der Politik die Bedienung der Schulden erleichtert, aber noch größere Blasen verursacht und zudem die kalte Enteignung der Anleger und Sparer antreibt, da diese kaum noch Zinsen erhalten und somit ihre Altersversorgung zusammenbricht. Viele Rentner haben in der Vergangenheit Staatsanleihen gezeichnet, doch sie können nur solange mit Verzinsung und Rückzahlung rechnen, wie sie und ihre Kinder dem Staat als Steuerzahler genügend Mittel dafür zur Verfügung stellen – sie ihre Forderungen an den Staat also indirekt selbst bezahlen. Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass die an den Staat fließenden Gelder von besseren (produktiveren) Verwendungen in der Privatwirtschaft abgezogen werden. Wird die Schuldenlast dann eines Tages für den Staat zu groß, erklärt er sich einfach zahlungsunfähig. Die Gläubiger und Geldvermögensbesitzer verlieren alles oder fast alles.

Praktisch alle Ökonomen sind sich darüber einig, dass Monopole schlecht sind. Warum ist dann kaum ein Ökonom gegen das Zentralbankmonopol? Stattdessen wird allenthalben behauptet, dass das Geld kein normales Gut darstelle und deshalb nur vom Staat verwaltet werden könne. Aus übergeordneten Gründen würden für gewisse Güter und Institutionen die ökonomischen Marktgesetze nicht gelten. Diese unsinnige Behauptung kümmert die ökonomische Gesetzmäßigkeiten allerdings herzlich wenig. In Wahrheit kann man die ökonomischen Gesetzmäßigkeiten genauso wenig beeinflussen und steuern wie die Erdumdrehung. Staatliche Systeme können in einer Welt, die sich der Wirkung ökonomischer Gesetzmäßigkeiten nun mal nicht entziehen können, nur denkbar ungeeignete Systeme sein. Der Staat als Unternehmer und Befehlshaber über wirtschaftliche Prozesse ist immer und überall ein Bankrotteur. Dies gilt, wie die Geschichte eindrucksvoll beweist, insbesondere hinsichtlich des Geldes. Ausgerechnet das Management des Geldes ist dem Staat, dem unfähigsten Unternehmer überhaupt, anvertraut. Während die reale Güterwirtschaft aus guten Gründen privatwirtschaftlich organisiert ist, ist das spiegelbildlich zu sehende Geldsystem ein staatliches Monopol. Realwirtschaft und Finanzwirtschaft können deshalb nicht reibungslos miteinander verzahnt werden, sie sind in dieser Verschiedenheit einfach nicht kompatibel. Aus dieser Diskrepanz resultieren letztlich die immer wiederkehrenden Probleme: Überschuldung, Rezession, Depression, Inflation, Deflation und übertriebene Konjunkturschwankungen.

In Wahrheit bedarf das Geldangebot einer Volkswirtschaft weder einer Herrschaftsmacht (Staat) noch eines hoheitlichen Regulators. Der freie Markt sorgt automatisch für die Menge des umlaufenden Geldes geradeso wie er die Mengen der Konsum- und Kapitalgüter erzeugt, nämlich nach den Gesetzmäßigkeiten von Angebot und Nachfrage und nach Maßgabe des Preises. Ludwig von Mises betonte, dass es überhaupt keinen sinnvollen Grund gibt, die Geldmenge von außen (von außerhalb des Marktes) zu vermehren; jede vorhandene Geldmenge ist „optimal“, und jede vom Staat angestoßene Geldmengenerhöhung kann nur Unheil anrichten. Geld ist weder ein Konsumgut noch ein Kapitalgut. Deshalb kann man bei einer Vermehrung oder Verminderung seiner Menge auch nicht auf den Zuwachs oder einer Minderung von Wohlstand und Reichtum sprechen. Wohlstand ist eine Frage der vorhandenen Menge an Konsum- und Kapitalgütern, nicht jedoch der vorhandenen Geldmenge. Die Keyensianer werden das wohl nie verstehen.

Und was die keynesianische Geldmengenexpansion im Rahmen der Konjunkturbelebung („deficit spending“) anrichtet, ist am Beispiel Japans ablesbar: Seit über 20 Jahren versucht die japanische Regierung, die Wirtschaft des Landes mit gigantischen, schuldenfinanzierten „Wachstumspaketen“ aus dem Sumpf zu holen, in dem es nach dem Platzen der Immobilienblase versunken ist. Das Ergebnis ist ebenso schockierend wie charakteristisch für diese keynesianische Politik: Noch immer ist die japanische Wirtschaft in einem komatösen Zustand – und die Staatsschuldenquote ist dabei auf Weltrekordhöhe gestiegen. Analysen in den USA haben ergeben, dass ein Dollar Schuldenzuwachs nur noch 15 Cent Sozialproduktzuwachs erbringen, was übrigens nicht bedeutet, dass dieses Sozialproduktwachstum nicht auch ohne Schuldenwachstum stattgefunden hätte.

Peter Sloterdijk: „Die größte Gefahr für die Zukunft des Systems geht gegenwärtig von der Schuldenpolitik der keynesianisch vergifteten Staaten aus. Sie steuert so diskret wie unvermeidlich auf eine Situation zu, in der die Schuldner ihre Gläubiger wieder einmal enteignen werden – wie schon so oft in der Geschichte der Schröpfungen, von den Tagen der Pharaonen bis zu den Währungsreformen des zwanzigsten Jahrhunderts. Neu ist an den aktuellen Phänomenen vor allem die pantagruelische Dimension der öffentlichen Schulden. Ob Abschreibungen oder Insolvenz, ob Währungsreform, ob Inflation – die nächsten Großenteignungen sind unterwegs.“

Das staatliche Zwangsgeld führt laut Thorsten Polleit zu einer „kollektiven Korruption“: Immer mehr Menschen werden aus ihrem Eigennutzkalkül heraus zu Befürwortern staatlicher Zwangsmaßnahmen zum Erhalt des staatlichen Geldsystems. Um Staats- und Bankenpleiten infolge der systemimmanenten Schuldenmacherei des Wohlfahrtsstaates möglichst lange hinauszuzögern, erfolgen sogar weitreichende Einschnitte in die Eigentums- und Freiheitsrechte. Es sind genau die  Krisen, die vom staatlichen Zwangsgeld verursacht werden, die der Marktwirtschaft bzw. dem Kapitalismus angelastet werden, obwohl sie in Wahrheit auf deren mutwilliger Missachtung und Pervertierung beruhen.

Das staatliche Geldmonopol ist der Dämon unserer Zeit, es verursacht ständige Finanz- und Wirtschaftskrisen; es ist der finanzielle Treibstoff für die schamlose Wählerbestechungsdemokratie unseres schuldeninduzierten Wohlfahrtsstaates, der ständig umverteilt und nivelliert, seine Bürger entmündigt, überwacht und kujoniert. Das staatliche Zwangsgeld muss deshalb durch ein freies Marktgeld ergänzt werden. Durch einen Währungswettbewerb würde automatisch Druck auf die EZB ausgeübt, den Euro möglichst stabil zu halten. Nach Friedrich A. von Hayek gibt es keinen wirksameren Schutz gegen den inflationistischen Missbrauch des Geldes durch die Regierungen und gegen eine allzu nachgiebige Geldpolitik der nationalen Zentralbanken, als wenn die Bürger jeden Landes jenes Geld, dem sie kein Vertrauen (mehr) entgegenbringen, zurückweisen und sich stattdessen jener Währung uneingeschränkt bedienen dürfen, zu denen sie Vertrauen haben. Da Staaten und Geschäftsbanken bei einem Währungswettbewerb nicht mehr davon ausgehen können, dass die EZB ihnen zu niedrigen Zinsen unbegrenzt Geld zur Verfügung stellt, würde der Druck auf die nationalen Regierungen massiv steigen, endlich ihre Haushalte zu sanieren, und die Banken würden freiwillig ihre Geschäftsrisiken begrenzen (müssen).

Quellen:

Roland Baader: Geld, Gott und Gottspieler, Gräfeling 2007
Roland Baader: Geldsozialismus, Gräfeling 2010
Christoph Braunschweig: Wohlfahrtsstaat – leb wohl!, Münster/Berlin 2013
Ludwig von Mises: Die Theorie der Umlaufsmittel, Berlin 2005
Thorsten Polleit: Der Fluch des Papiergeldes, München 2011
Murray N. Rothbard: Das Scheingeld-System, Gräfeling

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Christoph Braunschweig ist ehemaliger studentischer Hörer von Friedrich A. von Hayek und heute Professor der Staatlichen Wirtschaftsuniversität Jekaterinburg. Er ist Autor zahlreicher Fachbücher und war unter anderem als Geschäftsführer im Medien-Handelsbereich tätig.

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