Bertelsmann-Prognos-Studie kann negative Folgen einer Rückkehr zur D-Mark nicht belegen

17.5.2013 – von Ulrich van Suntum.

Ulrich van Suntum

Ende April erschien eine von Prognos erstellte Studie[1] mit dem Titel „Wirtschaftliche Vorteile der Euro-Mitgliedschaft für Deutschland“. Demnach profitiere Deutschland „in erheblichem Maße“ vom Euro, selbst wenn bis zu 60% der Forderungen gegenüber den vier südeuropäischen Krisenländern Griechenland, Portugal, Spanien und Italien abgeschrieben werden müssten. „Eine Rückkehr zur D-Mark würde erheblichen volkswirtschaftlichen Schaden anrichten. Die Deutschen würden Einkommen und Arbeitsplätze verlieren“, heißt es dazu in einer Presseerklärung. Im Einzelnen wird ein langfristig um 0,5 Prozentpunkte niedrigeres Wachstum des BIP prognostiziert, verbunden mit dem Verlust von 200.000 Arbeitsplätzen. Dagegen ergebe sich bei Beibehaltung des Euro ein „Gewinn“ von fast 1,2 Billionen Euro (aufaddiert für die Jahre 2013 bis 2025). Werde dieser Betrag auf alle Bundesbürger verteilt, so heißt es weiter, ergebe dies für den Fall eines Euroaustritts „einen kumulierten Einkommensverlust von 14.000 Euro pro Bundesbürger“.[2] Und weiter: „Verließe Deutschland den Euro, würde die Währungsunion mit hoher Wahrscheinlichkeit vollständig zusammenbrechen. Die Folgen wären unkalkulierbar.“[3]

In der Öffentlichkeit haben diese Aussagen hohe Aufmerksamkeit erfahren. Sie sind auch für den Bundestagswahlkampf von hoher Relevanz, denn es gibt mit der Alternative für Deutschland zumindest eine ernstzunehmende Partei, welche sich explizit für eine geordnete Auflösung des Euroraums ausspricht. Im Folgenden wird geprüft, inwieweit sich für die oben zitierten Thesen tatsächlich Belege in der Studie finden und wie die wissenschaftliche Vorgehensweise einzuschätzen ist.

Berechnungsmodell ist nicht dokumentiert

Es handelt sich hier um kein umfassendes Gutachten, sondern um eine lediglich 40 Seiten umfassende „Kurzstudie“, die zudem nur Ergebnisse, aber keine detaillierten Angaben zu den Berechnungsmethoden enthält. Die zentralen Ergebnisse wurden mithilfe eines Prognos-eigenen, sogenannten VIEW-Modells ermittelt. Dazu wird lediglich mitgeteilt, es handele sich um ein „umfassendes makroökonomisches Modell, das 42 Länder und damit 90 Prozent der Weltwirtschaft“ abdecke. Zur Konstruktion und den Wirkungsmechanismen im Einzelnen erfährt man nur so viel: „Es behandelt neben der Entstehung und Verwendung der produzierten Güter und Dienstleistungen auch den Arbeitsmarkt und die öffentlichen Finanzen und verbindet dabei alle beteiligten Länder systematisch über Exporte, Importe, Wechselkurse etc. miteinander“.[4] Weder im Quellenverzeichnis noch im Text noch auf der Prognos-website finden sich nähere Angaben zu diesem VIEW-Modell. Es handelt sich insoweit bei dem zentralen Baustein der Studie um eine Black Box, die keiner wissenschaftlichen Beurteilung zugänglich ist. Es ist auch nicht erkennbar, ob das Modell überwiegend auf keynesianischen Multiplikatoren beruht oder ob es auch angebots- und zahlungsbilanztheoretische Zusammenhänge wie die Substituierbarkeit von Exporten durch inländische Investitionen enthält, obwohl dies für die Beurteilung der Ergebnisse von entscheidender Bedeutung ist.

Folgen einer Rückkehr zur D-Mark werden gar nicht behandelt

Es stellt sich zudem bei näherer Lektüre heraus, dass die Studie die Folgen einer Rückkehr zur D-Mark ausdrücklich gar nicht behandelt.[5] Dazu heißt es vielmehr, diese könnten „nicht seriös geschätzt“ werden, da es dann „mit hoher Wahrscheinlichkeit“ zu einem Zusammenbruch des Eurosystems insgesamt komme mit „unkalkulierbar(en)“ Folgen.[6] Keine dieser Aussagen wird belegt, weder mit eigenen Berechnungen noch mit Verweis auf andere Studien. Es handelt sich mithin um reine Mutmaßungen, die keinen Zusammenhang mit dem eigentlichen Inhalt der Studie haben. Dieser bezieht sich nämlich ausdrücklich nur auf die langfristigen Vorteile des Euro für Deutschland, und zwar für den Zeitraum bis 2025. Problematisch ist dabei die Verwendung des doppeldeutigen Begriffs „unkalkulierbar“, der sowohl „immens hoch“ als auch „nicht seriös berechenbar“ bedeuten kann. Während sich die Autoren der Studie offenbar auf die zweite Interpretation beziehen, ist in der Öffentlichkeit überwiegend die erste Interpretation angekommen, mit erheblichem Effekt auf die politische Diskussion.

Teilweise nicht nachvollziehbare Berechnung der Vorteile des Euro

Was die Studie tatsächlich behandelt, sind zwei Langfristszenarien, das eine mit Beibehaltung des Euro, das andere unter der Hypothese, dass es den Euro gar nicht gebe. Die Verfasser beziehen sich hier methodisch und inhaltlich ausdrücklich auf entsprechende Untersuchungen u.a. des BDI und des Sachverständigenrates, welche vor Einführung des Euro erstellt wurden. Dabei stellen sie drei Vorteile einer gemeinsamen Währung in den Vordergrund:

  • Der Euro senkt die Transaktionskosten für Verbraucher und Unternehmen, da die Kosten und Mühen der Währungsumrechnung innerhalb des Euroraums entfallen. Dieser ohne weiteres plausible und jedermann einsichtige Effekt wird unter Bezugnahme auf ältere Studien mit 0,5% des BIP bzw. 12 Mrd. € pro im Jahr 2013 angesetzt. Das mag in der Größenordnung plausibel sein, ergibt sich aber nicht aus eigenen Berechnungen, sondern geht als reine Setzung in das Modell ein.[7]
  • Als zweiten Vorteil nennen die Autoren den vermutlich geringeren Wechselkurs des Euro gegenüber anderen Währungen, verglichen mit der D-Mark. Erwartet wird eine reale Aufwertung der D-Mark um 23%, während für den Euro eine reale Abwertung von 7% angenommen wird. Mithin werde der deutsche Export durch den Euro begünstigt, und dies scheint auch der wesentliche Wirkungskanal zu sein, der dann im VIEW-Modell zu den erwähnten Wachstums- und Arbeitsplatzeffekten führt. Wie weiter unten zu zeigen sein wird, wird dabei aber zum einen der Aufwertungseffekt der D-Mark in nicht nachvollziehbarer Höhe abgeleitet. Zum anderen und vor allem aber wird nicht berücksichtigt, dass eine Rückführung der deutschen Exportüberschüsse sowohl aus deutscher Sicht als auch aus Sicht der Defizitländer durchaus erwünscht wäre (und ja auch politisch vehement von letzteren eingefordert wird).[8]
  • Ein dritter Vorteil der Währungsunion wird darin gesehen, dass die internationale Preistransparenz und Wettbewerbsintensität dadurch steige. Das ist aber ein quantitativ schwer zu ermittelnder und wahrscheinlich minder bedeutsamer Effekt, zumal den höheren Konsumentenpreisen entsprechende Mehreinnahmen der Unternehmen gegenüberstehen. Es ist den Autoren zwar zuzustimmen, dass unter dem Strich daraus ein volkswirtschaftlicher Nachteil verbleibt. Der Preissteigerungseffekt wird aber im Modell offenbar gar nicht berechnet, sondern ist durch einfache Setzung eines Preisaufschlages bzw. mark-ups (in nicht genannter Höhe) von außen eingefügt worden.[9]

Ergänzend wird noch (in nur einem Satz und ohne Berechnung) die These aufgestellt, eine (reale) Aufwertung der wiedereingeführten D-Mark führe zu Verlusten bei den in Euro nominierten Auslandsvermögen der Deutschen.[10] Das ist jedoch ein Denkfehler, da es nur auf den Wert der Auslandsforderungen in realen Gütereinheiten ankommt. Dieser aber bleibt bei einer realen Aufwertung der D-Mark unverändert, so dass dieses Argument zu Recht offenbar keinen weiteren Eingang in die Berechnungen der Prognos-AG (wohl aber öffentliche Aufmerksamkeit) gefunden hat.[11]

Insgesamt werden die Vorteile der gemeinsamen Währung in der Studie zwar qualitativ überwiegend zutreffend beschrieben. Die Quantifizierung beruht jedoch mit Ausnahme der verhältnismäßig geringen Transaktionskostenersparnisse überwiegend auf nicht nachvollziehbaren Setzungen. So wird der erwartete (langfristige!) Aufwertungseffekt der D-Mark wie folgt abgeleitet:[12]

„Zur Abschätzung des hypothetischen Wechselkurses einer heutigen D-Mark greifen wir auf die historische Entwicklung des realen Wechselkurses seit 1999 zurück. Seit Einführung der Gemeinschaftswährung fiel der reale Wechselkurs Deutschlands um 23 Prozent. Der reale Wechselkurs des übrigen Euro-Raums als Aggregat wertete hingegen um sieben Prozent auf. Würde eine eigene deutsche Währung entsprechend aufwerten und der Euro (ohne Deutschland) entsprechend abwerten, wäre das reale Wechselkurs-Niveau von 1999 wieder erreicht.“

Hier wird also einfach die Preisniveauentwicklung von Deutschland bzw. dem übrigen Euroraum seit 1999 als Prognose für die vermutete reale D-Mark-Aufwertung genommen. Abgesehen davon, dass dafür keinerlei nähere Begründung oder ökonometrische Berechnung geliefert wird, ist das Vorgehen auch theoretisch wenig sinnvoll. Denn der reale Wechselkurs beschreibt ja gerade solche Aufwertungen, die nicht auf Inflationsdifferenzen zurückzuführen sind. Zwar kann man für eine plötzliche Rückkehr zur D-Mark durchaus ein erhebliches Überschießen ihres Wechselkurses gegenüber den Inflationsdifferenzen vermuten. Aber dieser Effekt müsste völlig anders abgeschätzt werden und steht zudem hier gar nicht zur Debatte, da es in der Studie ja gerade um langfristige Wirkungen gehen soll. Damit ist die zentrale Annahme für die Prognos-Berechnungen unmotiviert.

Vernachlässigung zentraler zahlungsbilanztheoretischer Zusammenhänge

Wie bereits erwähnt, resultieren die behaupteten Wachstumseinbußen von 0,5 Prozentpunkten pro Jahr (nicht zu verwechseln mit dem Einmaleffekt der Transaktionskosten in gleicher Höhe) offenbar hauptsächlich aus Exportrückgängen infolge einer aufwertenden D-Mark. Die Autoren erwähnen zwar die berechtigte Kritik von Sinn an dieser Sichtweise, dass nämlich die Finanzierung von Exportüberschüssen inländisches Kapital bindet, welches ebenso gut in Inlandsinvestitionen fließen könnte und vielleicht sogar sollte. Dann käme es aber keineswegs zwangsläufig zu Arbeitsplatzverlusten, das Inland würde vielmehr die von ihm produzierten Güter vermehrt selbst verbrauchen und wohlstandsmäßig im Zweifel dabei sogar besser stehen, als wenn es diese gegen bloße Targetsalden quasi ohne reale Gegenleistung exportiert.[13] Zudem weist Sinn völlig zu Recht auf den wohlfahrtssteigernden Effekt sinkender Importpreise im Falle einer realen Aufwertung hin.

Die Verfasser zitieren zwar diese Kritik, relativieren sie aber sofort als wissenschaftlich umstritten, wobei als einziger Beleg dafür eine Publikation des gewerkschaftsnahen Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung angeführt wird.[14] Vor allem aber hat der von Sinn völlig zu Recht in die Diskussion gebrachte Zusammenhang offenbar keine Berücksichtigung in den Berechnungen des VIEW-Modells gefunden, obwohl er keineswegs umstritten ist, sondern zum volkswirtschaftlichen Grundwissen gehört.[15]

Berücksichtigt wird lediglich ein anderer Effekt zugunsten der D-Mark, nämlich das dann vermutlich niedrigere Zinsniveau in Deutschland gegenüber dem Euro-Szenario. Dieser Effekt führt sogar zu einem kurzfristigen Wachstumsschub im VIEW-Modell, tritt dann aber zugunsten der negativen Wirkungen des Exportrückgangs stark zurück. Warum das so ist und welche Vorgänge sich in dieser zentralen Frage im VIEW-Modell abspielen, bleibt leider unerläutert. Ebenso werden keinerlei Sensitivitätsrechnungen vorgelegt, man erfährt buchstäblich nichts über die im Modell verwendeten Gleichungen, Parameter und Wirkungskanäle, geschweige denn über die Empfindlichkeit der Ergebnisse bezüglich eventueller Variationen. Angesichts der politischen Bedeutung der Ergebnisse sind das unverzeihliche Versäumnisse.

Verwechslung von Brutto und Netto, Umsatz und Gewinn

In mehrfacher Hinsicht fehlerhaft ist auch die Berechnung der Vorteile, welche sich nach der Studie für den einzelnen Bürger aus dem Euro ergeben sollen. So wird für das Prognoseendjahr 2013 ein um rd. 2.200 € höheres Bruttoinlandsprodukt pro Kopf ausgewiesen als im D-Mark-Fall. Kommentiert wird dies wie folgt:[16]

„Im Jahr 2025 stehen einem durchschnittlichen Bundesbürger in der Basisprognose im Durchschnitt rund 2.200 Euro mehr an jährlichem Einkommen zur Verfügung als im D-Mark-Szenario“

Hier wird zum einen brutto mit netto und zum anderen Produktion mit Verfügbarem Einkommen verwechselt. Denn das BIP gibt lediglich die inländische Bruttoproduktion (d.h. vor Abschreibungen) an und nicht das verfügbare Einkommen, schon gar nicht das der Privaten Haushalte. Ein Blick in das Rechenwerk der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung zeigt, dass z.B. für 2012 dem BIP in Höhe von 2.644 € ein Verfügbares Einkommen der Privaten Haushalte von nur 1.697 (= 64% des BIP) gegenübersteht, das Verfügbare Einkommen der Gesamtwirtschaft betrug 2.262 € (=86% des BIP). Daher wären die ausgewiesenen Einkommensvorteile, sofern sie denn überhaupt existieren, entsprechend zu kürzen gewesen. Darüber hinaus ist die Rechnung aber auch deswegen schief, weil für diese Einkommenszuwächse ja auch gearbeitet und gespart werden muss. Sie können also z.B. nicht einfach gegen die Verluste aufgerechnet werden, welche aus Forderungsausfällen gegenüber den Problemländern oder aus der Entwertung von Ersparnissen durch finanzielle Repression infolge der aktuellen Niedrigzinspolitik resultieren. Einfach ausgedrückt: Wenn der deutsche Bäcker 1000.- € seines Vermögens für die Rettung von Griechenland verliert, wird dies nicht schon dadurch kompensiert, dass er dann vielleicht auch für 1000 € mehr Brötchen an griechische Kunden verkaufen kann.

Es kommt hinzu, dass die errechneten Einkommenszuwächse überwiegend erst in künftigen Jahren anfallen und dementsprechend abgezinst werden müssen. In der Studie findet sich aber kein Hinweis darauf, dass eine Abdiskontierung erfolgt wäre. Das hat erheblichen Einfluss auf die Größenordnungen. So sind die für 2025 genannten 2.200 € pro Bundesbürger selbst bei vorsichtiger Abzinsung mit lediglich 3% pro Jahr aus heutiger Sicht nur mit 1543 € bzw. rd. 70% ihres Nominalwertes anzusetzen.

Insgesamt sind schon alleine diese handwerklichen Fehler ausreichend, um die in der Studie angegebenen Zahlenangaben zu disqualifizieren.

Nicht-Berücksichtigung zentraler Nachteile des Euro

Die Prognos-Studie stellt den behaupteten Vorteilen des Euro auch einige vermeintliche Nachteile gegenüber. Insbesondere wird ein Schuldenschnitt von 60% für die privaten und öffentlichen Forderungen der vier Problem-Euroländer Griechenland, Portugal, Spanien und Italien angenommen und berechnet, was zu entsprechenden Abschreibungen der deutschen privaten und öffentlichen Gläubiger führe. Diese Abschreibungen werden dann aber nicht als Vermögensverlust von den „Wachstumsgewinnen“ aufgrund des Euro abgezogen, sondern es werden lediglich ihre indirekten Wirkungen auf das Wirtschaftswachstum berücksichtigt.[17] Diese sind ausweislich der Berechnungen vernachlässigbar gering und relativieren daher kaum die positiven Wirkungen eines Verbleibs im Euroraum.

Dieses Vorgehen ist aus mehreren Gründen fehlerhaft:

  • Einerseits müsste man Abschreibungen auf Auslandsforderungen, wenn man sie als Kosten des Euro interpretiert, nicht nur mit ihren Wachstumswirkungen, sondern mit dem vollen Abschreibungsbetrag in Ansatz bringen, denn es handelt sich um reale Vermögensverluste.
  • Andererseits fallen diese Abschreibungen aber auch dann an, wenn Deutschland zur D-Mark zurückkehrt, so dass sie eigentlich wenig mit der in der Studie behandelten Frage zu tun haben.
  • Allerdings wäre es ohne den Euro und die damit verbundenen, billigen Verschuldungsmöglichkeiten der früheren Schwachwährungsländer vermutlich gar nicht zu der Staatsschuldenkrise in Europa gekommen. Die Rückkehr zur D-Mark kann an dem bereits eingetretenen Schaden zwar nichts mehr ändern, wohl aber zukünftige Schäden zumindest für Deutschland begrenzen.

Die wichtigsten ökonomischen Argumente der Befürworter einer Rückkehr zur D-Mark werden in der Prognos-Studie dagegen gar nicht behandelt:

  • Insbesondere gäbe eine eigene Währung der Deutschen Bundesbank die Kontrolle über die deutschen Zinsen und die deutsche Inflationsrate zurück.
  • Der Kauf deutscher Produkte durch andere Länder mit inflationär vermehrten Euro im Austausch gegen marode Schuldpapiere wäre nicht mehr möglich.
  • Die schleichende Enteignung der Sparer durch künstlich erzeugte Niedrigzinsen, welche nicht einmal die Inflationsrate kompensieren, hätte zumindest in Deutschland ein Ende.
  • Der Gefahr eines deutlichen Anstiegs der Inflationsrate aufgrund der aufgeblähten Euro-Geldmenge könnte durch Wiedereinführung der D-Mark entgegengewirkt werden.
  • Die Erpressbarkeit Deutschlands für immer neue Rettungsaktionen über ESM, EFSF und EZB würde abnehmen.
  • Der Weg für andere Euroländer, durch Einführung eigener Parallelwährungen wieder wettbewerbsfähiger zu werden, würde erleichtert.

Auch auf die wichtige Frage, wie denn eine Rückkehr zur D-Mark konkret überhaupt aussehen könnte, geht die Studie nicht ein. So ist es sicher ein großer Unterschied, ob ein solcher Schritt abrupt oder verteilt über viele Jahre erfolgen würde, etwa durch Einführung der D-Mark zunächst als Parallelwährung, wie es verschiedentlich vorgeschlagen wird. Man kann hier der Studie zugutehalten, dass sie ja explizit gerade nicht die Übergangsprobleme behandeln will. Damit geht sie aber auch gezielt an den wirklich entscheidenden Fragen vorbei.

Fazit

Die vorliegende Studie ist aus mehreren Gründen nicht geeignet, zur Diskussion um die Rückkehr zur D-Mark Relevantes beizutragen. Zum einen hat sie eine solche Rückkehr gar nicht zum Inhalt, sondern beschränkt sich ausdrücklich auf eine allgemeine Berechnung der langfristigen Vorteile der gemeinsamen Währung in Europa. Zum zweiten sind diese Vorteile nicht in wissenschaftlich nachvollziehbarer Weise dokumentiert, sondern beruhen entweder auf reinen Setzungen oder auf von außen nicht nachvollziehbaren Berechnungen eines undokumentierten makroökonomischen Modells. Zum dritten werden die dabei angenommenen Wirkungskanäle weder genannt noch kritisch diskutiert. Sie beruhen offensichtlich auf einem recht kruden keynesianischen Denken, das zentrale Zahlungsbilanzzusammenhänge negiert. Zum vierten gibt es keine Sensitivitätsberechnungen, keine Dokumentation der verwendeten Gleichungen und Parameter und mithin auch keine Möglichkeit, die Ergebnisse des verwendeten Modells wissenschaftlich zu überprüfen oder auch nur gedanklich nachzuvollziehen. Hinzu kommen handwerkliche Fehler wie die Verwechslung von Bruttoinlandsprodukt und Verfügbarem Einkommen und das Versäumnis, künftige Erträge abzuzinsen.

Insgesamt vermittelt die Studie den Eindruck, mit zu heißer Nadel gestrickt worden zu sein. Das ist umso bedauerlicher, als ihre publizistische und politische Resonanz beträchtlich gewesen ist.

Professor. Dr. Ulrich van Suntum lehrt Volkswirtschaftslehre an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Er leitet dort das Centrum für angewandte Wirtschaftsforschung. http://www.wiwi.uni-muenster.de/insiwo/organisation/17ulvs.html

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[1] Bertelsmann Stiftung (Hg.), Vorteile Deutschlands durch die Währungsunion. Szenarienrechnungen bis zum Jahr 2025. In der Studie selbst tritt die Prognos AG als Ersteller nicht auf, sie wurde jedoch dem Impressum zufolge von drei Prognos-Mitarbeitern erstellt und auch in der Öffentlichkeit als Prognos-Studie wahrgenommen. I.f. wird sie als „Studie“ zitiert.

[2] Vgl. Bertelsmann Stiftung (Hg.), Wirtschaftliche Vorteile der Euro-Mitgliedschaft für Deutschland. Policy Brief 2013/01 (i.f. zitiert als Policy Brief), S.1.

[3] Vgl. Studie, a.a.O., S.4

[4] Bertelsmann Stiftung, Vorteile Deutschlands durch die Währungsunion,. Szenarienrechnungen bis zum Jahr 2025, (i.f. zitiert als Studie), o.O. o.Jg. , S. 8.

[5] Darauf wird sowohl in der Studie (S. 4) als auch im Policy Brief (S.3) zwar ausdrücklich hingewiesen, es ist aber in der öffentlichen Wahrnehmung überwiegend nicht angekommen.

[6] Studie, S. 4

[7] Studie, S.10.

[8] Vgl. dazu auch Teil II dieses Beitrags.

[9] Studie, S.10.

[10] Studie, S.11.

[11] Den Zusammenhang verdeutlicht folgendes Beispiel: Anfangs sei 1 DM = 1 Euro, dann werte die D-Mark um 25% auf, d.h. 100 € nominales Auslandsvermögen sind nur noch 80 DM wert. Da es sich um eine reale, d.h. nicht durch Inflationsdifferenzen bewirkte Aufwertung handeln soll, kann man aber für 80 DM immer noch die gleiche Gütermenge kaufen wie für 100 €. Es ist also durch die Aufwertung kein realer Verlust eingetreten.

[12] Studie, S.11.

[13] Vgl. z.B. H.W. Sinn, Sonderausgabe Euro-Krise, ifo Schnelldienst 63 (10), 2010, siehe hier.

[14] Studie, S.11.

[15] Vgl. auch das einfache formale Außenwirtschaftsmodell im zweiten Teil des vorliegenden Beitrags.

[16] Vgl. Studie, S. 23

[17] Vgl. Studie, S. 27

Hinweis

Den vollständigen Text finden Sie in der Serie “Beiträge zur angewandten Wirtschaftsforschung” des CAWM
VAN SUNTUM, U. (2013): Prognos-Studie kann negative Folgen einer Rückkehr zur D-Mark nicht belegen, Beiträge zur angewandten Wirtschaftsforschung Nr. 35, Centrum für angewandte Wirtschaftsforschung Münster.

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