Der Euro und der „Nationalismus“

27.7.2012 – Prof. Dr. Gerd Habermann.

Prof. Dr. Gerd Habermann

Bei der gegenwärtigen Debatte um den Euro wird jenen, die nicht um jeden Preis (also auch um den massiver Inflation und eines europäischen Gesamtbankrotts) an dieser offenbaren Fehlkonstruktion unvermindert festhalten wollen, „Nationalismus“ vorgeworfen, z. B. Thilo Sarrazin, der in seinem jüngsten, nüchternen Buch ungeschminkt die Tatsachen bringt. Es sind dies vor allem jene, die aus dem zweckmäßigen europäischen Staatenverbund mit offenen Grenzen, der sich bewährt hat, partout ein zentralistisches Gebilde nach Art eines Imperiums machen wollen. In Deutschland ist die politische Elite aus historisch verständlicher Angst vor sich selbst eher bereit, in einem größeren Ganzen aufzugehen als andere europäische Völker mit selbstgewisser Identität – einer Art politischer Erlösungssehnsucht, besonders bei der SPD und den Grünen, aber auch bei vielen „Bürgerlichen“. Begründet wird dies einerseits mit der deutschen Schuld (Krieg, Auschwitz), aber auch mit einer heimlichen Sehnsucht nach Größe und Weltgeltung, als „Reichsersatz“. Indessen ist es ein Fehler zu übersehen, dass es Europa nur in seinen Völkern gibt – das ist ja gerade das Europäische an Europa; dass nicht imperialer Zentralismus, sondern Wettbewerb Europas Aufstieg bewirkt hat und es heute nur darauf ankommt, dass der Wettbewerb friedlich bleibt!

Es gibt kein europäisches Volk, das die Basis für eine echte Staatswerdung bilden könnte. Und natürlich ist die Massierung von Macht bei den 27 demokratisch nicht legitimierten Kommissaren in Brüssel oder einem diktatorischen Gouverneursrat („ESM“) oder einem fragwürdig konstruierten Europa-Parlament kein liberales Projekt: Liberale sind für eine Nichtzentralisierung der Macht nach dem Subsidiaritätsprinzip, für den Vorrang der unteren Einheiten – Gemeinde, Land, Nation – weil nur hier echte Solidarität über starke Gemeinschaftsgefühle vorhanden ist und darum die Voraussetzungen echter Demokratie gegeben sind, während die Gefühle für imperiale Konstrukte eher lau sind. Die nun verlangte hochherzige materielle Aufopferung der deutschen Bürger für Europa gehört darum in die Geschichte deutscher politischer Phantasterei. Deutschland in finanzieller Haftung für ausländische Banken und die Haushalte anderer Staaten – das ist der alte Größenwahn in anderer Richtung: niemals kann das Klima zwischen einem starken Gläubiger und dem abhängigen Schuldner freundlich sein.

Unsere braven deutschen „Europäer“ sind auf dem Weg, im Namen der Euro-Rettung das europäische Projekt zu kompromittieren. Kaum werden sich andere, selbstbewusste Völker einem deutschen Finanzdiktat beugen (es wird z. B. keine „Schuldenbremse“ in Frankreich geben!). Mit ESM und Fiskalpakt (letzterer ziemlich zahnlos) geht die Europäische Union ein Abenteuer ein, dessen wahrscheinliches Ende allen, die sich näher mit dem Problem von Anreiz, Haftung und falscher Solidarität beschäftigen und sich in europäischer Geschichte etwas auskennen, ziemlich klar ist. Und wieso ist eigentlich der demokratische Nationalstaat ein überholtes Konstrukt? Sind nicht erst vor wenigen Jahrzehnten diverse imperiale Gebilde zerbrochen (Österreich-Ungarn, Sowjetunion, Jugoslawien), gab es nicht die geglückte Sezession in der Tschechoslowakei, gibt es nicht das belgische, das schottische Problem, die Bestrebungen der Frankokanadier, davor das Ende der Kolonialreiche? Es gibt derzeit 193 von der UNO anerkannte Nationalstaaten, die überwältigende Mehrheit davon kleiner als Deutschland – bis hinunter zu Ministaaten wie San Marino und die meisten erst nach dem zweiten Weltkrieg entstanden – das sollte den deutschen „Europäisten“ zu denken geben: die Zeit der Imperien ist erst einmal vorbei.

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Lesen Sie auch das Interview mit Prof. Dr. Gerd Habermann: “Es zieht ein Sturm auf.”

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