Mythos unregulierte Finanzmärkte

18.4.2012 – von Michael v. Prollius.

Michael von Prollius

Hartnäckig hält sich die Mär von weltweit unregulierten Finanzmärkten, die mangels Aufsicht und Kontrolle die Welt an den Rand des Abgrunds gebracht hätten. In einer derartigen Zone des laissez-faire Kapitalismus habe die Gier gewissenloser Manager nach immer höheren Boni schließlich auch die Realwirtschaft „vor die Wand gefahren“. Ausgerechnet die Politik sei nun in der Lage, für Nachhaltigkeit und Langfristorientierung zu sorgen.

Tatsächlich sind diese Behauptungen nichts anderes als blühender Unsinn: Weder ist Gier eine entscheidende Krisenursache – es gibt keinen einzigen Beleg für eine heute höhere Gier als vor zehn, zwanzig oder dreißig Jahren – noch kann eine weitere Politisierung der Finanzbranche künftige Krisen vermeiden. Hier schwingt sich der Bock zum Gärtner auf.

Mit der staatlichen Monopolisierung der Geldproduktion wurde ein Finanzsystem geschaffen, das vom ersten Euro, Dollar, Yen und Pfund an auf einer Allianz von „Big Government“ und „Big Business“ beruht. Hinzu kommt eine unüberschaubare Fülle von Vorschriften. In den USA sind es allein 85.000 Verordnungen und Gesetze, auf die sich die Regulierer des Bankensektors stützen können. Die Regierungen des Westens haben Eigenkapitel- und Liquiditätsanforderungen festgelegt, (jedes) einzelne Geschäft wie beispielsweise das Kreditgeschäft reguliert, und für eine umfassende Überwachung durch Auskünfte und Prüfungen gesorgt. Zehntausende Staatsbedienstete in eigens eingerichteten Behörden wie in Deutschland der BaFin (Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht) leben von der Regulierung, Kontrolle, Überwachung und Genehmigung. Zudem unterliegen Einlagen häufig einem üppigen Versicherungsschutz. Auch hierfür wurden in der Regel spezielle Aufsichtsbehörden geschaffen. Die Kontrolle umfasst natürlich auch die Börsen und den Wertpapierhandel, in den USA ist dafür beispielsweise die SEC („Securities and Exchange Commission“) zuständig. Entfesselte Marktkräfte? Unregulierte Turbokapitalisten? Fehlanzeige! Kumpanei zwischen „großen“ Staatsmännern und –frauen sowie Großunternehmen? Ja!

Die Konstruktion des staatlichen Regulierungssystems beruht darauf, dass das haftende Vermögen der Banken im Vergleich zu ihren Schulden winzig ist. Infolgedessen können Banken schon Verluste von mehr als fünf bis acht Prozent des Wertes ihrer Aktiva nicht mehr tragen. Allerdings können sie sicher sein, dass sie gerettet werden. Die große Lehre der sogenannten  Finanzkrise lautet: Man muss nur groß genug sein, um mit Steuergeldern gerettet zu werden – oder kurz: „too big to let fail“. In staatlichen Geldsystemen wird auch künftig schon ein Großkredit oder eine Beteiligung in großem Stil zu einem systemgefährdenden Risiko. Lediglich ein Zehntel des Gesamtvermögens eines Finanzinstituts muss auf dem Spiel stehen, um für den nächsten großen „Run“ zu sorgen. Latenter Vertrauensverlust und staatliche Geldproduktion gehen Hand in Hand. Das gilt umso mehr als die staatlich gewollte Geld- und Kreditschöpfung auf einem Mindestreservesystem beruht, das tatsächlich nur ein Bruchteilreservesystem ist, weil soviel Eigenkapital wie Mohn auf einem Mohnbrötchen vorhanden sein muss. Schließlich werden Risiken lediglich durch Behörden und nicht, was unerlässlich ist, durch das Verlustrisiko des Marktes in Schach gehalten.

In der Vergangenheit sind die Regulierungsbehörden daran gescheitert, drei selbst gesteckten Prinzipien Geltung zu verschaffen:

  1. Alle Investitionen unterliegen der Aufsicht.
  2. Alle Risiken müssen angemessen mit Eigenkapital unterlegt werden
  3. Risiken sind soweit offen zu legen, dass die durch den Markt diszipliniert werden.

In der Zukunft werden die Regulierungsbehörden absehbar wieder scheitern. Es ist naiv zu glauben, dass die Möglichkeit, besser zu regulieren, auch tatsächlich zu einer besseren Regulierung führt. Bürokratien und Behörden sind Märkten unterlegen, zumal in einem Geldsystem, das auf „Fiat Money“ beruht. Die beste Regulierung besteht darin, den Gewinn- und Verlustmechanismus des Marktes zuzulassen sowie eine Rahmenordnung durchzusetzen. Dazu gehört der Schutz des Eigentums, die Durchsetzung der Haftung und – im bestehenden System – eine verlässlich Wirtschafts- und Geldpolitik.

Allein die letzte Forderung muss erfahrungsgemäß als schier unüberwindbare Hürde angesehen werden, denken Sie nur an die ständigen Forderungen nach einer wachstumsorientierten Geldpolitik, die ohnehin zur Aufgabe der Zentralbanken gehört.

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Dr. phil. Michael von Prollius ist Publizist und Gründer der Internetplattform Forum Ordnungspolitik, die für eine Renaissance ordnungspolitischen Denkens und eine freie Gesellschaft wirbt. Er ist Autor zahlreicher Veröffentlichungen zum Geldsystem. Seine finanzwissenschaftlichen Beiträge und Rezensionen erscheinen zumeist in wissenschaftlichen Zeitschriften, aber auch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, der Fuldaer Zeitung, der Neuen Zürcher Zeitung sowie in der Internetzeitung Die Freie Welt.

Der Beitrag wurde entnommen aus seinem neuesten Buch “Die Euro-Misere – Essays zur Staatsschuldenkrise”, erschienen im TvR Medienverlag, Jena.

Lesen Sie auch das Interview mit Michael v. Prollius zum Buch.

Zum Buch “Die Euro-Misere” finden Sie hier.

 

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