EZB im Schlepptau des Bankensektors.

22.3.2012 – von Thorsten Polleit.

Thorsten Polleit

Die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB), den Euro-Bankensektor mit einer unlimitierten Basisgeldmenge und dann noch offeriert zu Tiefstzinsen zu subventionieren, ist alles andere als ungefährlich. Eine solche Geldpolitik mag zwar den Begünstigten kurzfristig Linderung verschaffen, doch sie löst nicht die Urasche der Finanz- und Wirtschaftskrise, die ja letztlich die Zentralbanken durch zu viel Kredit und Geld, bereitgestellt zu künstlich gedrückten Zinsen, verursacht haben. Schlimmer noch: Der angerichtete Schaden – der zusehends sichtbarer wird in Form von überschuldeten Staaten und Banken – wird durch solche Politikmaßnahmen weiter in die Höhe getrieben.

Markt wird ausgehebelt

Die EZB hebelt nämlich mit ihrer Politik die lenkenden Kräfte des Marktes aus. Die Bank verlangt für ihre dreijährigen Refinanzierungsgeschäfte einen Zins, der den Banken bei Fälligkeit in Rechnung gestellt wird, und zwar als der sich über die Laufzeit ergebene durchschnittliche Leitzins. Damit ist absehbar, dass die EZB die Refinanzierungskosten unterbietet, welche die Banken alternativ im Kapitalmarkt zu bezahlen hätten. Folglich verlagern Banken ihre Geldaufnahme zusehends vom Kapitalmarkt weg und hin zur EZB. Weil so schlechte Banken, die besser aus dem Markt ausscheiden sollten, über Wasser gehalten werden, ist die Aussicht, dass sich die Lage am Bankenrefinanzierungsmarkt „normalisiert“, gering. Wahrscheinlich ist, dass die Abhängigkeit vom EZB –Geld weiter wächst und dass weitere langfristige Refinanzierungsoperationen notwendig werden.

Durch die großvolumigen Bankenrefinanzierungen steigt zudem das Kreditrisiko der EZB gegenüber einem weiterhin wackeligen Euro-Bankensektor drastisch. Das finanzielle Wohl oder Wehe des Geschäftsbankensektors bestimmt damit zusehends auch die Solidität der EZB – beziehungsweise der Eurosystem-Bilanz. Die EZB begibt sich folglich in das „Schlepptau“ des Bankensektors – zu Lasten ihrer Unabhängigkeit. Denn vor die Wahl gestellt, Zahlungsausfälle bei Banken hinzunehmen und damit die eigene Bilanz zu ruinieren, oder neues Geld bereitzustellen, ist absehbar, dass sich die Geldpolitiker für Zweiteres, nicht aber für Ersteres entscheiden.

Anschub für Inflation

Zudem werden die Finanzmarktkonditionen, die die Marktakteure ihren Dispositionen zugrunde legen, immer stärker durch die von der Zentralbank verzerrten Kapitalkosten bestimmt, so dass ein Beenden der Geldmengenausweitungspolitik ökonomisch und politisch immer schmerzlicher wird, je länger sie andauert. Und was heute gescheut wird – die Pleite von Banken und Staaten -, wird künftig erst recht gescheut. Das erklärt auch, warum die schon seit September 2008 angekündigte „Exit-Strategie“ mit der die EZB ihre „ungewöhnlichen Politikmaßnahmen“ beenden wollte, vergeblich auf sich warten lässt.

Die erste Inflationswirkung des neuen Geldes wird bereits sichtbar. Die Banken kaufen Staatsanleihen auf, Staatsschulden werden also „monetisiert“. Bereits im Januar 2012 nahm der Bestand an Staatsanleihen, die Euroraum-Banken hielten, um 11% gegenüber dem Vorjahr auf 2083 Mrd. Euro zu. Weil die EZB bereits zu „ungewöhnlichen Maßnahmen“  gegriffen hat, wird sie wohl weiter unter Druck geraten, bei dieser Politik zu bleiben: also zum Beispiel noch mehr Staatsanleihen kaufen, wenn die Bankkreditvergabe nachlassen sollte, um die Geldmenge in der Volkswirtschaft auszuweiten. Wenn die Geldpolitik Zahlungsausfälle von Staaten und Banken um jeden Preis zu verhindern sucht, ist hohe Inflation, im Extremfall Hyperinflation, die logische Folge.

Aus der Finanz- und Wirtschaftskrise, die im Kern eine Krise des Geldsystems ist, in dem Geld per Kredit, gewissermaßen „ex nihilo“, in Umlauf gebracht wird, führt kein leichter Weg heraus. Das Drucken von immer neuem Geld ist der volkswirtschaftlich teuerste Weg, gleichzeitig ist er leider auch politisch attraktiver als Pleiten von Banken und Staaten hinzunehmen, wie die Währungsgeschichte leidvoll zeigt. Es ist zwar nie zu spät, für die Rückkehr zur Politik des stabilen Geldes zu plädieren. Aber wie die Dinge derzeit stehen, sind Investoren gut beraten, die Inflationsgefahr, welche die EZB-Geldpolitik heraufbeschwört, in ihre Anlagestrategie einzubeziehen.

Thorsten Polleit ist Chief German Economist von Barclays Capital und Honorarprofessor an der Frankfurt School of Finance & Management.

Dieser Artikel erschien am 13. März 2012 in der Börsen-Zeitung.

 

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