Ist Gold das bessere Geld?

16.2.2012 – von Thorsten Polleit. (Dieser Artikel ist erschienen in Schweizer Monatshefte – Dezember 2010). Weltbankchef Robert Zoellick hat eine Debatte über die Rückkehr zum Goldstandard lanciert. Eigentlich interessant. Doch nun gewinnen die Skeptiker wieder die Oberhand. Was taugen deren Vorbehalte?

Vorbehalt I. Jede internationale Währung muss mit dem globalen Handel Schritt halten können. Das kann Gold nicht leisten, denn das Wachstum der Goldmenge (durch Förderung) hält nicht Schritt mit der Zunahme des internationalen Handels.
Geld ist das allgemein akzeptierte Tauschmittel. Es ist kein Konsum- oder Investitionsgut, sondern ein Tauschgut. Seine Vermehrung bringt keinen allgemeinen Nutzen. Steigt die Geldmenge an, so vermindert das notwendigerweise nur die Kaufkraft des Geldes. Es lässt sich kein notwendiges ökonomisches Gesetz formulieren wie: «Die Geldmenge muss wachsen, damit die Wirtschaft wachsen kann.»

Vorbehalt II. Wenn die Geldmenge nicht wächst, kommt es irgendwann zu Geldknappheit.
So etwas wie «Geldknappheit» kann es, recht bedacht, gar nicht geben. Steigt bei gegebener Geldmenge die Geldnachfrage, so bieten die Marktakteure verstärkt Güter gegen Geld an. Die Preise der Güter sinken so lange, bis die gewünschte Geldnachfrage dem Geldangebot entspricht. Anders gesagt: Bei gegebener Geldmenge und grosser Geldnachfrage steigt die Kaufkraft des Geldes, doch wird es nicht knapp.

Vorbehalt III. Staatliches Geld bewahrt uns vor dem Chaos und ist gerecht.
Staatsgeld wird per Staatsprivileg durch Bankkredite (insbesondere der Zentralbanken) «aus dem Nichts» geschaffen. Es sorgt für eine systematische Begünstigung einiger weniger zu Lasten vieler. Die ersten, die das neugeschaffene Geld ohne produktive Leistung erhalten, profitieren auf Kosten jener, die das neugeschaffene Geld erst zu einem späteren Zeitpunkt erhalten («Cantillon-Effekt»). Insbesondere der Staat selbst und von ihm begünstigte Gruppen profitieren vom staatlichen Geld- schöpfungsmonopol. Das Staatsgeld sorgt für Krisen und öffnet dem Ausweiten des Staates zu Lasten der Freiheit der Bürger Tür und Tor. Das staatliche Papiergeld ist unvereinbar mit einer freien Gesellschaft und Marktordnung und deshalb ethisch fragwürdig.

Vorbehalt IV. Der Goldstandard ist ein Relikt aus längst vergangenen Tagen.
Der Goldstandard steht im Kern für Sachgeld: Geld, das von den Bürgern frei gewählt und das durch die Gesetze des freien Marktes produziert wird. Goldgeld kann nicht aufgrund politischer Motive durch eine Zentralbank beliebig vermehrt werden. Die Aversion gegenüber dem Goldgeld ist nicht ökonomischer, sondern politisch-ideologischer Natur. Sie speist sich aus der Auffassung, der Staat müsse die Hoheit über die Geldmenge innehaben und in der Lage sein, die Konjunktur zu steuern, indem er den Geldwert manipuliert.

Vorbehalt V. Der Goldstandard wurde abgeschafft, weil er sich nicht bewährt hat.
Am 15. August 1971 kündigte der amerikanische Präsident Richard Nixon die Verpflichtung, US-Dollars in Gold zu tauschen (Bretton Woods). Die Amerikaner hatten immer mehr Dollars produziert, die nicht durch Gold gedeckt waren. Als die Halter von Dollars von dem Schwindel erfuhren, tauschten sie zusehends ihre US-Dollars in Gold – wobei die Amerikaner schlicht nicht über genügend Goldreserven verfügten. Die letzten Überreste des Goldstandards wurden also abgeschafft, weil sie der Politik – insbesondere der amerikanischen – im Wege standen. Goldgeld ist eben unvereinbar mit Nationalismus, Protektionismus und einer national ausgerichteten Konjunkturpolitik.

Vorbehalt VI. Geld wird zunehmend elektronisch, um der Komplexität der Schuld- und Kreditbeziehungen gerecht zu werden. Physisches Gold aber ist schwer und taugt nicht für die Praxis.
Mit einem Goldgeld wären alle heutigen modernen Zahlungsmitteltechniken verwendbar: Internet-Banking, Schecks, Kreditkarten, Lastschriften etc. Auch im Sachgeldsystem kann es natürlich komplexe Kredit- und Finanzprodukte geben. Der entscheidende Unterschied gegenüber dem Staatsgeld ist ein anderer – dass die Geldmenge nicht mehr durch Kredit «aus dem Nichts» ausgeweitet werden kann. Die Geldproduktion achtet die Eigentumsrechte der Marktakteure. Dieses Prinzip wird im Staatsgeldsystem verletzt, weil es durch Staatsmonopol produziert und durch Inflation laufend entwertet wird.

Vorbehalt VII. Auch mit Goldstandard könnte die Regierung oder ihre Zentralbank das Umtauschverhältnis von Geldeinheit zu physischem Geld verändern und so weiterhin für Inflation sorgen. Der Goldstandard sichert nicht gegen Wertverlust des Geldes.
In einem Sachgeldsystem ist Geld Eigentum des Geldhalters. Im Goldstandardsystem repräsentiert eine Banknote (im Betrag von z.B. CHF 10’000) den Anspruch, diese jederzeit in eine entsprechende Menge Feingold eintauschen zu können (z.B. in eine Feinunze Gold). Verändert der Staat dieses Umtauschverhältnis (auf z.B. 1:20’000), so enteignet er den Banknotenhalter zu Gunsten des Emittenten der Banknote. Ein Sachgeldsystem, das von der breiten Bevölkerung getragen und verstanden wird, schützt weitaus besser gegen staatliche Enteignungsakte als ein Staatsgeldsystem.

Vorbehalt VIII. Der Goldstandard funktioniert nicht, weil es zu wenig Gold gibt. Wie gross die Kluft ist, zeigt eine Studie von McKinsey für das Jahr 2008. Damals betrugen die weltweiten Einlagen im Bankensystem 61’000 Milliarden Dollar, denen die Notenbanken Goldreserven von nur 1300 Milliarden Dollar entgegenstellen konnten. Eine solch massive Unterdeckung würde lediglich die Tür zu noch grösseren Manipulationen öffnen.
Eine Rückkehr zum Goldstandard – etwa indem die ausstehenden Papiergeldmengen in einem festen Verhältnis an die Goldreserven gebunden werden, die noch in den Kellern der Zentralbanken lagern – hätte zweifellos erhebliche «System-wechselkosten» zur Folge. Würde beispielsweise die amerikanische Geldmenge M1 zu 100 Prozent durch das Gold gedeckt, das die US-Notenbank Fed offiziell als Goldreserve ausweist, so würde sich ein Umtauschverhältnis von ungefähr 6800 US-Dollar pro Feinunze Gold ergeben. Da aber auch Gold ausserhalb der Fed von Privaten gehalten wird, erhalten auch diese Bestände Geldfunktion. Die Geldmenge steigt also einmalig an, und das wird den Tauschwert einer Geldeinheit (z.B. US-Dollar) absenken.
Solche «Umstellungskosten» sind jedoch nicht dem Goldgeld zuzuschreiben, sondern der Jahrzehnte währenden Inflationierung des Papiergeldes.

Vorbehalt IX. Berkeley-Ökonom Brad de Long sprach von der Gefahr einer beschleunigten Deflationsspirale in einem Geldsystem mit Goldstandard und verlieh dem Weltbankchef den Titel des «stupidest man alive».
Deflation – also das Schrumpfen der Geldmengen und das Absinken der Preise auf breiter Front – ist alles andere als unheil-stiftend. Sie ist die Gegenreaktion auf eine vorangegangene Geldmengeninflation. Deflation bringt die Volkswirtschaft, deren Produktionsstruktur durch die Geldmengeninflation verzerrt wurde, zurück ins Gleichgewicht. Im Zuge der Deflation werden Investitionen, die aufgrund der Geldmengenvermehrung künstlich in Gang gesetzt wurden, als unrentabel entlarvt. Sie müssen liquidiert werden, und die knappen Ressourcen werden dann neuen Verwendungen zugeführt. Schuldner, die sich übernommen haben, gehen pleite, und Kreditgeber, die leichtsinnig Geld geliehen haben, machen Verluste, soweit die Kredit-forderung höher ist als die Zahlungen, die sie aus der Konkursmasse erhalten. Gleichzeitig profitieren die Geldhalter. Sie können nun mehr kaufen angesichts gesunkener Preise.

Vorbehalt X. Ein Goldstandard führt letztlich dazu, dass die Wechselkurse unter verschiedenen Währungen starr sind – und das wiederum verwehrt Volkswirtschaften die nötige (politische) Flexibilität (wie Wechselkursabwertung).
Unternehmen bedürfen keiner staatlichen Währungspolitik. Dadurch werden – erstens – bloss bestimmte Unternehmer (z.B. Export) zugunsten anderer (z.B. Import) privilegiert bzw. indirekt subventioniert. Zweitens kann staatliche Währungs- politik zu einem schädlichen «Abwertungswettlauf» führen, wie gegenwärtig zu beobachten ist. Unternehmen haben einen Wettbewerbsparameter: den Preis ihrer Güter. Jedes Unternehmen wird, wenn es im Wettbewerb erfolgreich sein will, seine Güter zu den tiefstmöglichen Preisen anbieten. Das kann es mit seiner Preispolitik national (in heimischer Währung) genauso wie international (in ausländischer Währung) bewirken. Dazu bedarf es keines staatlichen Eingreifens in die Devisenmärkte.

Vorbehalt XI. Das Papiergeldsystem bleibt, wie es ist. Es gibt letztlich keine Alternative.
Die Geschichte hat gezeigt, dass planwirtschaftliche Apparaturen nicht funktionieren können. Das wird auch für das heutige Staatsgeld gelten. Soll die freie Marktwirtschaft erhalten bleiben, liegt die Zukunft des Geldes in der Rückkehr zum Sachgeld, das frei gewählt und produziert werden kann.

THORSTEN POLLEIT, geboren 1967, ist Honorarprofessor für Finanzökonomie an der Frankfurt School of Finance & Management und Autor von «Geldreform. Vom schlechten Staatsgeld zum guten Marktgeld» (2010)

 

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