Theo Waigel spricht an der Universität Passau: Euro ist stabiler denn je!

16.9.2011 – von Ralp Bärligea.

Wer an eine Währungsreform glaubt, braucht keinen Anlageberater, sondern einen Psychiater

Auf Einladung des Lehrstuhls für Politikwissenschaft von Professor Winand Gellner sprach der ehemalige Finanzminister und „Vater des Euro“ am 21.07.2011 über die „Idee, Geschichte und Zukunft der europäischen Währungsunion“ in Bezug auf die „aktuelle Krise“.

Theo Waigel fand während des Vortrags zustimmendes Gelächter, große Sympathie und abschließend langwährenden Applaus bei den Studenten, den Passauer Bürgern und dem akademischem Personal. Manch eine traute sich wohl auch nicht, dem so renommierten und charismatischen Waigel Kritik entgegenzubringen. Der folgende Bericht versucht Theo Waigels Vortrag möglichst vollständig und objektiv wiederzugeben. Der Bericht wird zum besseren Verständnis an einigen Stellen um zusätzliche Anmerkungen ergänzt.

Der Euro ist stabil, aber „Schwätzer“ beunruhigen die Märkte

Theo Waigel beklagte sich einleitend über die „Schwätzer“, welche die „Märkte beunruhigt haben“. Ähnliche Krisen wie die heutige Euro-Krise wurden ja bereits im Europäischen Währungssystem (EWS) durch Interventionen der Notenbanken in hundertstelliger Milliardenhöhe erfolgreich gemeistert. Allein der französische Franc wurde durch Aufkäufe der Bundesbank in Höhe von 90 Milliarden Euro gestützt, um eine Abwertung des Franc zu verhindern. Vorschläge von Ökonomen, den Euro in einen Süd-Euro unter Leitung von Frankreich und in einen Nord-Euro unter Leitung von Deutschland zu teilen, seien verantwortungslos und negierten die jahrzehntelange Arbeit der Deutsch-Französischen Freundschaft.

Waigel im persönlichen Umgang mit Eurokritikern

Einen Mann, der ihn beim Geldabheben in seiner lokalen Bank anschrie, er sei an der ganzen Euro-Krise schuld, habe er am Ärmel gepackt und ihm gesagt: „Der Euro steht heute 22 Cent stärker zum Dollar als die D-Markt damals!“. In Bezug auf eine Bekannte, die bei ihm um Rat fragte, wie sie ihr Geld anlegen soll, das ja wegen der Euro-Krise bald kaum noch etwas Wert sei, meinte Theo Waigel: „Wer an eine Währungsreform glaubt, braucht keinen Anlageberater, sondern einen Psychiater!“

Eurokritische Zeitungen sind unverantwortlich

Kein Verständnis zeigte Theo Waigel für die Massenmedien und die führenden Zeitungen des Landes. Selbst seriöse Zeitungen wie die „Süddeutsche“, die „Welt“ oder die „FAZ“ stellten den Euro auf verantwortungslose Weise in Frage und lassen unnötigerweise Euro-Kritiker zu Wort kommen, meinte Theo Waigel erbost. Die Medien seien eben einfach nur an Bad-News interessiert, weil sich diese gut verkaufen ließen.

Eine Weltwährung zusammen mit China

Deutschland habe nur durch den Euro die Chance, ein währungspolitischer „Global Player“ zu sein, der mit dem US-Dollar und dem chinesischen Yuan mithalten könne. Erst kürzlich habe er sich mit dem chinesischen Notenbankpräsident Zhou Xiaochuan unterhalten. Klar sei, dass die Chinesen jetzt wegen ihren 4.000 Milliarden US-Dollar-Reserven mehr Einfluss hätten. Sie seien jedoch nun daran interessiert, ihre Macht zu nutzen und ihre Währung in eine multilaterale Welt einzubinden und kompatibel zu einem globalen Wechselkurssystem zu gestalten.

„Wort ist Währung, je härter desto wahrer!“

Dann meinte Theo Waigel, dass er gerne den Dichter Reiner Kunze mit „Wort ist Währung, je härter desto wahrer!“ zitiere und scherzte, dass sich dieser aber beschwert habe, es anders herum gesagt zu haben. Anmerkung des Autors: Tatsächlich sagte Reiner Kunze, „Wort ist Währung – Je wahrer desto härter“. Reiner Kunze war übrigens Lyriker und engagierter Systemkritiker innerhalb der DDR-Diktatur. Der große Fehler sei in diesem Zusammenhang gewesen, dass die Amerikaner Lehman Brothers auf kapitalistische Weise haben pleite gehen lassen. Ohne diesen Wendepunkt hätte es keinerlei Krise gegeben, so Waigel.

Dem Finanzminister geht es wie Moses

Die Finanzminister wollten immer so gerne, wie Moses das gelobte Land erreichen wollte, einen ausgeglichenen Haushalt erreichen. So, wie Moses nie das gelobte Land sah, so bekämen die Finanzminister auch nie einen ausgeglichenen Haushalt hin. Er selbst habe 1989 davor gestanden, doch dann kam die Wiedervereinigung. Eichel und Steinbrück hätten 2002 und 2008 davor gestanden, doch dann kam 2002 das Platzen der New Economy Blase und dann 2008 die weltweite Finanzkrise.

Das Europa der EU ist unumkehrbar: Die vereinigten Staaten von Europa

Als „irreversibel“ bezeichnete Theo Waigel das Europa der EU. Die EU sei „die stärkste Demokratiebewegung überhaupt“. Ohne die EU hätte es keine Wiedervereinigung Deutschlands geben können, weil unter anderem Gorbatschow dieser sonst nicht zugestimmt hätte. Man hätte Volksabstimmungen über die Wiedervereinigung und die EU machen können, doch diese seien im Grundgesetz nicht vorgesehen. Dazu hätte man das Grundgesetz mit Zwei-Drittel-Mehrheit ändern müssen, was man nicht getan hat. Heute sind wir in der EU umgeben von Freunden und Partnern. Die Verfassungsgerichte befinden sich bei der Bewertung der EU noch bei der eher unbefriedigenden Einschätzung, dass die EU nicht mehr nur ein Staatenbund, sondern ein Staatenverbund sei. Was wir jedoch bräuchten, sei ein „Bundesstaat Europa“, so Theo Waigel wörtlich. 90 Prozent seiner Wünsche, die er als 18-Jähriger bezüglich Europa gehabt habe, seien in Erfüllung gegangen. Besonders betonte er, wie wichtig der Frieden in Europa sei.

Der geistige Überbau der EU ist wichtig

Theo Waigel zufolge komme es vor allem auf den geistigen Überbau der EU an, der aus der gemeinsamen Wertegemeinschaft in Europa bestünde. Die Nationale Identität hinsichtlich Sprache, Erbe und Geschichte ginge in Europa nicht verloren, sondern mache Europa aus. Diese Identitäten werden beibehalten, die Kräfte daraus jedoch in der EU gebündelt. Wichtiger als eine Präambel auf das Christentum in der europäischen Verfassung sei die Bezugnahme auf die unveräußerlichen Menschenrechte, was ihm auch Vertreter der Kirche persönlich bestätigt hätten. Erst der Amerikaner Jeremy Rifkin habe uns mit seinem Buch „Der europäische Traum“ gezeigt, was wir an Europa überhaupt haben (Anmerkung: Rifkin popularisierte den Begriff der proteischen Persönlichkeit. Er versteht darunter die durch moderne Kommunikationsmittel vernetzte Personen, die sich auf dem Weg zur Entindividualisierung befinden.). Nicht die klassischen Vereinigten Staaten von Amerika seien heute das Vorbild für die Welt, so Waigel, sondern das Europa der EU, wie dies auch Rifkin beschreibe.

Nur der Finanzminister darf lügen

Ein Finanzminister müsse nicht immer die Wahrheit sagen, meinte Waigel. „Du sollst nicht lügen!“, gelte in diesem Fall für alle, jedoch für den Finanzminister nicht, was ihm ein befreundeter österreichischer Bischof bestätigt hätte. Schließlich könnten durch die Wahrheit ja die Finanzmärkte beunruhigt werden, was im Interesse des Staates zu vermeiden ist. „Der Minister des Krieges sieht keine Siege, Der Minister des Äußeren darf sich nicht äußern, der Minister des Inneren kann sich nicht erinnern, der Minister der Kriege kennt keine Siege, nur nach der Pfeife des Ministers der Finanzen müssen alle tanzen“, scherzte Theo Waigel anschließend.

Den Stabilitätspakt hat Deutschland selbst nicht eingehalten

Die Kriterien des Stabilitäts- und Wachstumspakts von maximal 60 Prozent Staatsverschuldung im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt sowie maximal drei Prozent des BIP-Haushaltsdefizits, also Neuverschuldung pro Jahr, seien, als sie 1997 eingeführt wurden, einfach der europaweite Durchschnitt der Staaten gewesen, so Waigel. Anmerkung: Bei angenommenen 3 Prozent nominalem Wachstum des BIP (indem etwa einfach die Geldmenge jedes Jahr um 3 Prozent erhöht wird; tatsächlich stieg die Geldmenge M3 im Durchschnitt seit Euroeinführung pro Jahr um knapp 7 Prozent), würde das dann bedeuten, dass der Staat, um seine Zinsen von maximal 5 Prozent (tatsächliche Zinslast für Deutschland ist fast nur die Hälfte davon) auf seine Schuldenlast zu begleichen, einfach neue Schulden aufnehmen könnte, ohne dass die Schuldenlast im Verhältnis zum BIP dadurch stiege oder mehr als 3 Prozent Neuverschuldung nötig wären. Theo Waigel ging von 5 Prozent nominalem BIP-Wachstum aus und meinte, dass damit sogar die Schulden prozentual zum BIP reduziert werden könnten. Obwohl das so einfach klingt, sind die Schulden jedoch immer weiter gestiegen, wie auch Waigel feststellte. Unter anderem Deutschland und Frankreich hätten die Kriterien schließlich selbst nicht eingehalten und dann gemeinsam den Stabilitätspakt ausgesetzt. Darum könne man nun jetzt etwa gegenüber Griechenland nicht nach dem Motto vorgehen, „Die Großen wenn sündigen kommen durch, die Kleinen wenn sündigen werden verprügelt“, so Waigel.

Ich brauche keine Nachhilfe in Sachen No-Bail-Out-Klausel

Griechenland sei mit einem blinden Passagier an Bord eines Schiffs bei der Überquerung des Ozeans zu vergleichen, sagte Waigel. Natürlich hätten die Griechen „getrickst und betrogen“, so Waigel, doch was solle man nun mit ihnen tun? Ein Ausstieg der Griechen aus dem Euro sei so undenkbar, wie den blinden Passagier an Bord des Schiffs einfach ins Meer zu werfen. Man müsse den Passagier nun mitnehmen und Griechenland helfen, ob schuldig oder nicht. Theo Waigel meinte auch, dass er keine Nachhilfe in Sachen No-Bail-Out-Klausel von vor dem Verfassungsgericht klagenden Professoren brauche. Er wisse, dass die Rettung Griechenlands und anderer rechtswidrig sei, jedoch handele es sich bei den Rettungen um Ausnahmen, die man so schnell wie möglich durch Konsolidierung wieder rückgängig machen würde. Überhaupt stehe „ein Jahrzehnt der Konsolidierung vor uns“.

Theo Waigel steht zu dem Projekt Euro und EU

Abschließend meinte Theo Waigel noch einmal, dass man den Frieden im vereinten Europa nicht als selbstverständlich ansehen dürfe. Die Kosten der EU wären in Anbetracht dessen nur eine Nebensächlichkeit. Über Menschen die dies nicht einsehen, könne er sich nur ärgern, denn „eine besser Zukunft als Europa kann es für eine junge Generation nicht geben“. Theo Waigel: „Ich stehe zu diesem Projekt!“ In Klartext übersetzt ist es offenbar Waigels Ansicht, dass Deutschland eine Nation sei, die ihre nationale politische Souveränität in den Vereinigten Staaten von Europa aufgeben müsse und Tribut an andere Länder zahlen müsse, um damit Frieden zu erreichen, weil Frieden für Deutschland und damit wohl auch für die anderen Nettozahlerländer etwas nicht selbstverständliches sei. Frieden ist demnach kein Grundrecht, sondern etwas, wofür gezahlt werden und man seine individuelle und nationale Souveränität aufgeben muss.

Abschließende Bemerkungen

Theo Waigel ist Mitglied im Aufsichtsrat der Deutsche Vermögensberatung AG, die für ihren aggressiven Strukturvertrieb bekannt ist und von sinnlosen Anlagen in Euroforderungen profitiert und dabei für den Anleger undurchsichtige Provisionen kassiert. Unseriöser geht es nicht. Theo Waigels Sohn ist Honorarkonsul des Fürstentums Lichtenstein. Man kann darum behaupten, dass Theo Waigel mit der Finanzindustrie bestens vernetzt ist und zusammen mit seiner Clique vom Euro persönlich profitiert. Der Euro ist ein Schneeballsystem. Geld entsteht als mit Zinsforderungen belegte Schuld. So ist nie genügend Geld vorhanden, damit Schulden und Zinsen jemals beglichen werden können, und es müssen immer neue Schulden gemacht werden. Das Geldmengenwachstum des Euros und seiner ungedeckten Vorgängerwährungen verlief und verläuft exponentiell. Der Wert des Euro steht darum nun kurz vor dem Zusammenbruch. Bereits die Tagesschau in der Hauptsenderzeit sowie die Bildzeitung auf ihrer Titelseite raten zu Gold und warnen vor dem Zusammenbruch des Euros. Der Euro wird wie bei jedem Schneeballsystem (Ponzi Scheme) nur noch so lange halten, wie sich Dummköpfe finden, die ihn annehmen. Der Preis von Gold hat sich in Euro in den vergangenen 10 Jahren deutlich mehr als verdoppelt, die Eurogeldmenge M3 ebenso. Eine Währungsreform, die Waigel für ein Hirngespinst von Psychopathen hält, hat es im Mai 2010 längst gegeben. Seit dann wurden die grundlegenden Regeln des Euro aufgehoben, nämlich Unabhängigkeit der Zentralbank, kein Ankauf von Staatsanleihen und keine kollektive Haftung für Staatsanleihen. Deutschlands größte Wirtschaftszeitschrift titelte damals mit einer Todesanzeige für den Euro. Neben Blasphemie hat Herr Theo Waigel in seiner Rede auch ein totalitäres Staatsverständnis bewiesen. Die direkte Demokratie wie in der Schweiz sei seiner Meinung nach hinderlich, weil die Schweiz ja dem Beitritt zur EU nicht zugestimmt habe, so Waigel auf meine Rückfrage diesbezüglich. Dass mit der Schweiz auf Basis der direkten Demokratie schon im Mittelalter ein kleines freies Europa geschaffen wurde, das unterschiedliche Sprachräume friedlich und auf freiwillig demokratischer Basis miteinander vereint, scheint Theo Waigel wohl nicht aufgefallen zu sein. Das zustimmende Publikum, das über Waigels verniedlichende Witze und verdrehten Argumente lachte, scheint ihm mit seinen Ansichten Recht zu geben. Zum Betrügen gehören schließlich zwei, einer der betrügt und einer der sich betrügen lässt. Warum Theo Waigel auch seine Zielgruppe bzw. seine Kunden neiden oder den Kunden nicht das Angebot gönnen, dass ihr „Vater des Euro“ für sie schafft? Mein Fazit: Wer Theo Waigel glaubt und wer in den Euro investiert, dem kann kein Politiker, kein Anlageberater, kein Anwalt und auch kein Psychiater mehr helfen.

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