Privatisierung von Währungen zum Schutz vor Schuldenkrisen.

2.3.2012 – Wer das Unmögliche wolle und wer das Undenkbare denke, der müsse das Unleidliche leiden, schrieb – verkürzt zitiert – bereits Franz Grillparzer im 19. Jahrhundert. An den österreichischen Schriftsteller muss unwillkürlich denken, wer mit Thorsten Polleit über Währungen diskutiert. Der Chefökonom von Barclays Capital in Deutschland sieht die Geschehnisse in Europa und an anderen Orten der Welt nämlich nicht nur als Schuldenkrise, sondern vor allem als Währungssystem-Krise. Das Grundübel liege in der herrschenden monetären Architektur, die vom Papiergeld geprägt sei, sagt Polleit.

Thorsten Polleit - Chefökonom von Barclays Capital Deutschland

Fiat-Währungen sind Währungen, die nicht gegen einen Sachwert wie Gold einlösbar sind, sondern von Regierungen geschaffen und kontrolliert werden. Sie existieren also bloss auf Anordnung (lateinisch: Fiat) einer Regierung bzw. ihrer Notenbank, womit Dollar, Euro, Franken und andere derzeitige Währungen ebenfalls Fiat-Währungen sind. Das Problem in derlei Systemen sei, sagt Polleit, dass die Inverkehrsetzung von Geld durch die Ausweitung der Bankkreditvergabe erfolgt. Damit werde Geld aus dem Nichts geschaffen. Das Fiat-Geldsystem, das währungshistorisch einmalig sei, sorge nicht nur für Wirtschaftsstörungen, sondern lasse die Schulden in einer Volkswirtschaft kontinuierlich relativ zum Realeinkommen steigen, führe zu „Boom and bust“- Zyklen und habe entscheidend zur Schuldenkrise beigetragen. Insofern sieht Polleit die derzeitigen Massnahmen der Regierungen und Zentralbanken nur als Symptombekämpfung, nicht aber als Heilung der Ursachen.

Doch jetzt, da das Problem vorhanden sei, stelle sich die Frage, wie man es löse. Dafür sieht Polleit drei Möglichkeiten. Erstens könnte man die Hoffnung haben, durch stärkeres Wachstum aus der Schuldenspirale zu kommen, was aber wenig wahrscheinlich sei. Zweitens könnte man irgendwann – wie auch im Fall von Griechenland – einen Schuldenschnitt erwägen. Und drittens könnte noch mehr Geld gedruckt werden, um offene Rechnungen zu bezahlen, was aber zu hoher Inflation führen dürfte. Die Wahl zwischen den Szenarien zwei und drei sei letztlich ein politischer Entscheid. Polleit verweist darauf, dass Inflation wohl mit den höchsten volkswirtschaftlichen Kosten verbunden sei. Starke Teuerung sei zudem ein soziales Übel, weil primär ärmere Bevölkerungsschichten  und der Mittelstand darunter litten. Nach den Erfahrungen der Vergangenheit halte er jedoch die Lösung der Krise über Inflation für die wahrscheinlichste Variante.

Selbst wenn eine Lösung und dann ein Neustart im herrschenden Fiat-Geldsystem gelängen, würde die Welt jedoch ceteris paribus langfristig wieder in die gleiche Falle tappen. Die zu sehr niedrigen Zinsen neigenden und von den Regierungen beeinflussten Notenbanken würden nämliche erneut eine Schuldenspirale in Gang setzen. Polleit erkennt eine weltweite Gleichschaltung der Geldpolitik. Einen Wettbewerb um die bessere Geldpolitik gebe es derzeit nicht. Polleit sieht zudem die Europäische Zentralbank (EZB) längst nicht mehr in der Tradition der Deutschen Bundesbank, Dies gelte nicht erst seit Beginn des Kaufs von Staatsanleihen durch die EZB im Mai 2010, der für die Bundesbank undenkbar gewesenen wäre. Die Abkehr von der Bundesbankpolitik, die ja gerade durch die Euro-Einheitswährung ermöglicht werden sollte, sei schon 2003 eingeleitet worden, als die monetäre Säule innerhalb der Zwei-Säulen-Strategie der EZB, welche die übermässige Ausweitung der Geldmenge begrenzte, de facto abgeschafft worden sei.

Der deutsche Chefökonom in Diensten der britischen Investmentbank Barclays Capital favorisiert eine Privatisierung der Währungen, wie sie schon die österreichischen Nationalökonomen von Hayek und von Mises empfohlen haben. Er sei sich bewusst, dass diese Empfehlung für viele Menschen erklärungsbedürftig sei, da sie mit der Idee des Währungswettbewerbs wenig vertraut sind – doch das spreche nicht gegen das Konzept. Auch an die Privatisierung von Post, Telekom, Bahn und gewissen Versicherungen habe sich die Bevölkerung gewöhnt und die wohlstandsmehrenden Vorteile des Wettbewerbs erkannt. Ein funktionierender Wettbewerb unter privaten Währungen würde zu werthaltigeren Währungen sowie einer Abkehr von der Schuldenwirtschaft und grossen Krisen führen, ist Polleit überzeugt. Bis sich diese denkbare Idee durchsetzt, dürfte es aber noch eine Weile dauern, und die Menschen werden noch unter den Folgen der Fiat-Währung leiden.

Dieser Artikel ist am 23.2.2012  in der Neuen Zürcher Zeitung erschienen.

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