Buchrezension: Der Überflüssige Mensch

5.5.2014 – von Andreas Tögel.

Andreas Tögel

Wer – als außerhalb des Musikbetriebes stehender Zeitgenosse – die Ehre hat, vom „Kultursender“ des Österreichischen Rundfunks, Ö1, zum Interview gebeten zu werden, ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit weder ein Konservativer noch ein Liberaler. Denn im „Radiokulturhaus“ weht der Geist der langsam senil werdenden 68er. Hier bestimmen stramme Kommunisten und heiligmäßige Linkskatholiken den Kurs. Wer keine revolutionäre Botschaft zu verkünden hat, bleibt jedenfalls draußen.

Ilja Trojanow, in Wien lebender Autor mit bulgarischen Wurzeln, ist ein idealer Gast des dunkelroten Staatssenders. Das besprochene, dort zu Beginn des Jahres vorgestellte Werk aus der Residenzverlags-Reihe „Unruhe Bewahren“ ist der Systemkritik gewidmet.

Überraschungen oder neue Perspektiven bietet das schmale Bändchen nicht. Keine einzige Überlegung, die man – von Jean Ziegler bis Sahra Wagenknecht – nicht schon ad nauseam gehört oder gelesen hätte. Unsinn bleibt indes Unsinn – auch nach der 476. Wiederholung. Für Trojanow besteht, das gilt für faktisch alle ökonomiefernen Autoren, kein Zweifel daran, daß kapitalistisches Wirtschaften auf ein Nullsummenspiel hinausläuft: Ist einer materiell besser gestellt, dann nur deshalb, weil er einem anderen etwas weggenommen hat. Daß in freiwilliger Kooperation etwas – zum gemeinsamen Vorteil aller daran Beteiligten – produziert werden könnte, liegt jenseits des Denkhorizonts. Systembedingte „Ungerechtigkeiten“ auszugleichen, ist die Aufgabe einer wohlmeinenden und fürsorglichen Staatsbürokratie – wer sonst sollte sich darum kümmern? Gähn. Eine Auswahl der in Serie präsentierten Plattitüden:

► Der Dienstleistungssektor bietet nur niedrig bezahlte, stupide bis erniedrigende Arbeiten,

► Ein Amalgam aus „neomalthusianischen“ und „sozialdarwinistischen“ Vorstellungen bestimmt das Denken der wirtschaftlichen Eliten,

► Die „schwerreichen“ Westler sind die wahren Parasiten dieser Welt,

► Wer mittels „dubioser Methoden Geld vor den Staat versteckt, schadet dem Gemeinwohl“,

► Die Westler müssen ärmer werden, damit alle übrigen wenigstens etwas zu Essen haben,

► Weltweit blüht die Konjunktur der „sozialen Ungerechtigkeit“,

► Unser System ist gekennzeichnet durch die „Ausbeutung spottbilliger Arbeitskraft“.

Überflüssig zu betonen, daß für keine dieser Behauptungen auch nur die Spur einer Begründung oder eines Beweises vorgelegt wird.

Selbstverständlich kommt auch die obligate Kritik an der weltweit ungleichen Vermögensverteilung nicht zu kurz. Was für ein Glück, daß es Statistiken gibt, die man nach Belieben auswählen und interpretieren kann, wie man sie eben braucht. Stoßrichtung: Gleich = gerecht, ungleich = ungerecht. Daß Menschen aufgrund ihrer unterschiedlichen Talente, Begabungen und Lebensentwürfe, niemals auch nur annähernd gleiche wirtschaftliche Erfolge verbuchen werden, ist für totalitäre linke Gleichmacher unerträglich. Daraus folgt: „…höchste Zeit, daß wir massives Vermögen [ob damit ein Häuschen im Grünen oder ein bar bezahlter Mercedes gemeint ist, bleibt das Geheimnis des Autors, Anm.] grundsätzlich in Frage stellen, denn es gefährdet das Gemeinwohl“. Bingo! Damit befindet sich Trojanow – wohl ohne sich dessen bewusst zu sein – in der erstbesten Gesellschaft, denn auch die deutschen Nationalsozialisten propagierten: „Gemeinnutz geht vor Eigennutz“. Hier offenbart sich ein grundlegendes Problem: Linke Intellektuelle zeigen sich erkenntnisresistent. Denn die Geschichte lehrt: Wer sich gewaltsam an privatem Eigentum vergreift, macht am Ende auch vor der Integrität des Besitzers nicht halt. Und wer sich an die Vergangenheit nicht erinnert (z. B. an 170 Millionen Todesopfer diverser Umverteilungsaktionen allein während des 20. Jahrhunderts), der ist gezwungen, sie zu wiederholen. Oder sind neuerliche Gewaltorgien am Ende gar nicht unerwünscht, sondern gar Bestandteil des Plans…?

Natürlich plagt den Autor, wie alle verzagten linken Spießer, deren Elaborate die Sachbereiche Politik und Philosophie der Buchhandlungen dominieren, die brennende Sorge, daß uns die Arbeit ausgehen, oder diese künftig von Robotern übernommen werden könnte. Dieses Unglück sahen weiland schon die Maschinenstürmer kommen, als die ersten Dampfmaschinen eingeführt wurden. Bis heute wimmelt es daher von arbeitslosen Leinenwebern und landwirtschaftlichen Hilfsarbeitern.

Eine „apokalyptische Gier“ führe (im Kapitalismus) zur „Entmenschlichung der anderen“. Klar, in sozialistischen Ameisenstaaten mit zentral geplanten Kommandowirtschaften war und ist Menschlichkeit bekanntlich Trumpf – wer könnte daran zweifeln?

Wenn es auf den letzten paar Seiten des in jeder Hinsicht dürren Bändchens um „Auswege“ geht, geht die Wortgewalt des Autors deutlich zurück. Viel mehr als ein lahmer Aufruf „…die noch bestehenden Allmenden mit Zähnen und Klauen zu verteidigen“ (?) und die von hohlem Pathos triefende Phrase „Wir benötigen utopische Entwürfe, wir brauchen Träume, wir müssen Verwegenes atmen“ (Großer Gott!) ist da nicht zu finden. Der Titel schreit demnach nach einer kleinen Korrektur: „Das überflüssige Buch“ würde gut passen. Fazit: das Leben ist zu kurz, um es an die Lektüre dieses Elaborats zu verschwenden.

Der Überflüssige Mensch
Ilja Trojanow
Residenz-Verlag 2013
90 Seiten, broschiert
ISBN: 978-3-7017-1613-5
€ 17,90

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Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist gelernter Maschinenbauer, ausübender kaufmännischer Unternehmer und überzeugter “Austrian”.

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