Rechtverstandener Liberalismus ist mehrheitsfähig

18.2.2013 – von Gerd Habermann.

Gerd Habermann

Man sollte Anliegen und Schicksale des organisierten Liberalismus in Deutschland (FDP) von der ursprünglichen liberalen Botschaft unterscheiden. Dies war eine Botschaft gerade für den, der nichts mitbrachte als seine Begabung, seinen Stolz und seinen Aufstiegswillen. Sie wendete sich gegen die etablierten Mächte: die privilegierten Monopole und Zunftkartelle, gegen die geschützte Staatswirtschaft, gegen Grundherrschaft und Schollenbindung, gegen Bürokratie und schließlich auch gegen Glaubens- und Meinungsmonopole. Sie war damit nicht zuletzt eine frohe Botschaft gerade für den vielberufenen „kleinen Mann“. Ihn hat der Liberalismus befreit und in den zwei Jahrhunderten seiner Dominanz für die Überwindung der Armut als Massenerscheinung, für Gleichberechtigung und universelle Aufstiegsmöglichkeiten gesorgt. Die Kernideen waren und sind: Vertragsfreiheit statt Zwang, freier Tausch statt Raub, die Marktwirtschaft als moralischer Disziplinierungsmechanismus: Aufstieg und Wohlstand nur durch Dienste am anderen im Rahmen der Arbeitsteilung; der Unternehmer als Diener der Konsumenten, von deren täglichem Plebiszit am Markt sein Schicksal und seine Macht abhängen; die Idee einer sozialen Ordnung durch moral- und regelgebundene Freiheit, das Recht auf den Ertrag der eigenen Arbeit, das Recht auf die eigene Lebensplanung. Was sollen gegen diese unvergängliche, schlichte Botschaft all die Sonderanliegen dienenden Vorstellungen von Sozial-, National-, Wirtschafts-, Bürgerrechts-, Öko-, Rechts-, Links- oder gar „mitfühlendem“ Liberalismus? Es gibt nur die eine und ungeteilte Freiheit. An diese Botschaft knüpfte seinerzeit Ludwig Erhard an, der gewiss nicht nur ein „Wirtschaftsliberaler“ war, wenn er auch meistens so wahrgenommen wurde (und wird).

Wer meint, die Ideen des Liberalismus hätten sich „zu Tode gesiegt“, die historische Mission dieser Idee sei erfüllt, verkennt die soziale Wirklichkeit, die uns seit dem Aufstieg des Wohlfahrtsstaates umgibt: der (bei realistischer Rechnung) 1/3-Netto-Staat, die umfassende Zwangsvorsorge durch Sozialversicherung, welche die Bürger mit ihrem eigenen Geld von der Bürokratie abhängig gemacht hat; die umfassende (Wieder-) Einschränkung der Vertragsfreiheit in der Eigenvorsorge, auf dem Arbeitsmarkt, selbst manchmal bei der Produktwahl; die Sozialisierung der Familie, was ihre Finanzierung und sogar ihre Funktionen betrifft; eine allumfassende Zwangssolidarität, ohne jeden moralischen Wert (Motto: „Und willst du nicht mein Bruder sein…“); die Einschränkung von Meinungs- und Vertragsfreiheit durch eine fehlgehende Antidiskriminierungs- politik im Arbeits- und Zivilrecht: die freie Wahl des Mitarbeiters, des Mieters, des Käufers gehört zu den liberalen Urrechten; auch die um sich greifende Brandmarkung von persönlichen Ansichten und Meinungen, die töricht sein mögen, aber auf die jeder, auch ein Narr, ein Recht hat („politische Korrektheit“); die wiedererstarkende Sittenpolizei hinsichtlich persönlicher Konsumgewohnheiten (Rauchen etc.); die Zentralisierung der Staatsgewalt, die mit alldem einhergeht – bis hinauf zur Planierungspolitik der Europäischen Union. Diese ganze Bevormundungspolitik gerät, mitsamt ihrer begleitenden Verschuldung, verdientermaßen in die Krise. Aber mit dieser wachsen auch die Chancen einer Wiedererstarkung der liberalen Idee. Hier liegen die Chancen einer FDP, die sich wieder auf die geschilderte Kernidee besinnt und sich dezidiert gegen das sozialdemokratische Parteienkartell wendet: von der CDU/CSU, SPD und „Grüne“ bis zu den „Piraten“. Eine wirkliche Freiheitspartei hätte Chancen bei den Wählern aller Parteien, die anachronistische „Linke“ vielleicht ausgenommen. Wir haben die Wahl zwischen zwei oder drei Modellen: dem forcierten Ausbau des Fiskal- und sozialen Zwangsstaates (sagen wir: Modell Roosevelt), einer Rückbesinnung auf die Grundlagen einer freien Gesellschaft (Modell Thatcher, Erhard, Roger Douglas) oder im schlimmsten Fall: der unheilvollen Wiederkehr jener Typen, die uns bei sozialen Unruhen mit den totalitären Visionen einer „Neuen Ordnung“ locken. Nur der echte, nicht-opportunistische Liberalismus bietet den Weg zur Wiedergesundung. In diesem Sinn ist die liberale Idee „alternativlos“. Sie stützt sich auf die Logik der Dinge und auf die historische Erfahrung.

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Gerd Habermann ist liberaler Wirtschaftsphilosoph und Publizist. Er ist Initiator und Sekretär der Friedrich A. von Hayek-Gesellschaft und Vorstandsvorsitzender der Friedrich A. von Hayek-Stiftung für eine freie Gesellschaft, ferner Honorarprofessor an der Universität Potsdam und ordnungspolitischer Berater der Familienunternehmer – ASU, deren Unternehmerinstitut er bis 2010 geleitet hat. Gerd Habermann ist Mitglied der Mont Pelerin Society und Autor von über 400 Publikationen – darunter: Der Wohlfahrtsstaat. Die Geschichte eines Irrwegs (3. Aufl. in Vorbereitung), Philospohie der Freiheit – ein Friedrich August von Hayek-Brevier (4. Aufl. 2005) und Mitherausgeber des Bandes “Der Liberalismus – eine zeitlose Idee”. Er ist ferner regelmäßig Autor in der Neuen Zürcher Zeitung, der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und der Welt.

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