10 gute Gründe für eine Entstaatlichung des Geldes

2.1.2013 – von Guido Hülsmann.

Guido Hülsmann

(Lesen Sie nachfolgend die gekürzte Fassung eines am 29. Oktober 2012 in Zürich gehaltenen Vortrags – „Economic Conference on the Denationalization of Money“, veranstaltet von der Progress Foundation. Am Ende des Beitrages können Sie die ungekürzte Fassung herunterladen.)

In besseren Zeiten haben sich die westlichen Staaten darauf beschränkt, die vom Markt geschaffenen Silbermünzen und Goldmünzen zu regulieren. Im 20. Jahrhundert aber haben sie die Geldarten des Marktes durch ihre eigenen willfährigen Geschöpfe ersetzt. Sie haben den Bürgern, den Kirchen, den Vereinen und Verbänden, den Unternehmen und allen anderen nicht-staatlichen Organisationen ein Geld aufgezwungen, das sich besonders leicht und praktisch kostenlos vermehren lässt.

Dieses Zwangsgeld (Englisch: fiat money) hat dem Staat ungekannte Entwicklungsmöglichkeiten verschafft. Aber die gesamtwirtschaftliche Entwicklung geriet dadurch auf eine schiefe Bahn. Die auf Zwangsgeld beruhenden Wirtschaftsordnungen befinden sich heute in einer tiefen Krise. Es handelt sich nicht lediglich um eine Schuldenkrise. Es ist eine Krise des völlig aus dem Ruder gelaufenen Etatismus.

1. Das Zwangsgeldsystem ist die Hauptursache der gegenwärtigen Staatsschuldenkrise

Das staatliche Zwangsgeldsystem hat einer umfassenden und beispiellosen Verschuldung Vorschub geleistet. Diese Schuldenorgie betrifft zwar auch die privaten Marktteilnehmer, aber in erster Linie steht dennoch der Staat. Ein großer Teil der gesamten Geldvermögen ist infolge unseres Zwangsgeldsystems in die staatlichen Kassen geflossen. Die Gläubiger gehen nämlich sehr richtigerweise davon aus, dass der Staat jederzeit in der Lage ist, seine Schulden mit Hilfe der Notenpresse zu begleichen.

Das wäre unter einer halbwegs natürlichen Geldordnung unmöglich gewesen.

In einer auf Silber- oder Goldmünzen basierenden Geldordnung haben die Regierungen keinen Zauberstab, mit dem sie Silber oder Gold einfach aus dem Nichts schaffen können. Und allen anderen Marktteilnehmern ist das völlig klar. Entsprechend vorsichtig würden die Gläubiger mit staatlichen Schuldnern umgehen. Es würde keine Kredite gegeben, die den öffentlichen Jahreshaushalt um das Fünf- bis Zehnfache übersteigen.

Heute aber haben unsere Regierungen solche Zauberstäbe. Sie verfügen über eine Notenpresse.

Sie geben natürlich vor, nicht selber über diese wundervolle Einrichtung verfügen zu dürfen – das sei das ausschließliche Recht der unabhängigen Zentralbanken. Aber diese vermeintliche Unabhängigkeit ist nicht sehr viel mehr als ein Feigenblatt.

Die nackte Wahrheit ist, dass die Zentralbanken durch und durch politische Geschöpfe sind. Sie könnten sich bei echtem Wettbewerb kein Jahr auf dem Markt behaupten. Ihre Unabhängigkeit ist ganz von Staates Gnaden und kann im Prinzip von einen Tag auf den andern durch einfache parlamentarische Mehrheiten vom Tisch gefegt werden. Wer wollte ernsthaft behaupten, dass die Mitglieder des Gouverneursrates der EZB den Nerv hätten, eine Politik zu verfolgen, die den Interessen aller Nationalstaaten entgegenliefe?

Wir halten somit fest: Das verstaatlichte Währungssystem ist die Hauptursache der gegenwärtigen Staatsschuldenkrise. Das allein wäre ein sehr guter Grund, dieses System zu beseitigen und an seine Stelle eine freiheitliche Geldordnung zu setzen. Aber es gibt noch eine ganze Reihe von anderen Gründen, die zum Teil noch schwerwiegender sind und die allesamt die gleiche Schlussfolgerung nahelegen. In der mir verbleibenden Zeit werde ich mich auf die wichtigsten Punkte konzentrieren.

2. Zwangsgeld ist unnötig

Zunächst einmal wollen wir feststellen, dass es keine wie auch immer geartete Notwendigkeit gibt, dem Staat die Oberhoheit über das Geldwesen anzuvertrauen.

Geld ist ein allgemeinverwendetes Tauschmittel. Es ist ein wirtschaftliches Gut, das von den Marktteilnehmern gekauft und verkauft wird. Es kann von spezialisierten Firmen und auch von Vereinen oder Verbänden ohne Erwerbsabsichten hergestellt und vertrieben werden. Jede Person, jeder Verein, jedes Unternehmen hat ein Interesse daran, möglichst gutes Geld zu verwenden. Auf dem Markt würden sich daher im Laufe der Zeit die besten Geldarten durchsetzen. Wenn die geschichtliche Erfahrung hier irgendeinen Anhaltspunkt bietet, so werden dies letztlich die Edelmetalle sein.

Produktion, Verteilung und Gebrauch von Geld können grundsätzlich den gleichen Gesetzmäßigkeiten folgen, auf die wir uns in allen möglichen anderen Bereichen unseres Lebens verlassen. Wie es auch sonst überall der Fall ist, würde der frische Wind des Wettbewerbs auch hier dafür sorgen, dass die besten Produkte zu den bestmöglichen Konditionen erhältlich wären, und er würde auch hier die ineffizienten und korrupten Produzenten in Rekordzeit aus dem Markt drängen.

3. Zwangsgeld bietet keine gesamtwirtschaftlichen Vorteile

Die gesamte europäische Wirtschaftsentwicklung war bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts auf einigermaßen natürlichen Geldordnungen gegründet. Silbermünzen waren jahrhundertelang die praktisch einzige Geldart. Ab dem Hochmittelalter traten auch Goldmünzen hinzu, und letztere gewannen unter dem Einfluss des staatlichen Interventionismus in den Jahrzehnten vor dem Ersten Weltkrieg sogar die Oberhand.

Welchen Anlass gab es, dieses erfolgreiche Modell durch staatliches Papiergeld zu ersetzen?

Das wurde und wird weiterhin mit einem ganzen Arsenal von pro-inflationistischen Argumenten begründet, die meistenteils aus der Waffenkammer des Neo-Merkantilismus – heute auch bekannt als Keynesianismus – stammen. Demzufolge wären die traditionellen Edelmetallwährungen nichts als ein paar schreckliche Fesseln der wirtschaftlichen Entwicklung. Da sie nur unter hohen Kosten zu produzieren sind, und auch dann nicht in unbegrenzter Menge, würden sie die gesamtwirtschaftliche Nachfrage drosseln. Vor allem aber würden sie es dem Staat unmöglich machen, solchen Tendenzen entgegenzuwirken.

Dies alles ändert sich durch Einführung von uneinlöslichem Papiergeld bzw. Giralgeld. Da solches Geld prinzipiell in unbegrenzter Menge hergestellt werden kann, wird es möglich, die Wirtschaft zu entfesseln. Insbesondere ist es jetzt auch möglich, die fehlerhaften Entwicklungen der Marktwirtschaft auszubügeln, indem man die Notenpresse in Gang setzt. Wenn die Unternehmer und die Haushalte sich aus unbotmäßiger Furchtsamkeit weigern, selber genügend Geld auszugeben, so kann der Staat – bzw. die von ihm beauftragten Institutionen – dies nun an ihrer Stelle tun. Dadurch wird die gesamtwirtschaftliche Nachfrage stabilisiert und sogar stimuliert, mit günstigen Folgen für Beschäftigung und Wachstum.

Wir können an dieser Stelle die einzelnen Argumente dieser schönen Theorie nicht näher zerpflücken. Wir wollen aber feststellen, dass keines dieser Argumente einer Prüfung auf Herz und Nieren standhält. Im besten aller Fälle handelt es sich hier um mögliche Szenarien, die in Einzelfällen zutreffen mögen, aber nicht verallgemeinert werden können.

Es ist beispielweise sehr wohl möglich (d.h. man kann es nicht ausschließen), dass eine expansive Geldpolitik hier und dort günstige Folgen für den Arbeitsmarkt zeitigt. Aber das lässt sich nicht verallgemeinern. Mehr noch, manchmal steigt die Arbeitslosigkeit sogar infolge expansiver Geldpolitik, weil die Marktteilnehmer die zu erwartenden Preissteigerungen überschätzen.

Es gibt weder theoretische, noch empirische Beweise für die Existenz irgendwelcher gesamtwirtschaftlichen Vorteile, die sich aus einem staatlichen Währungssystem ergeben. Gewiss gibt es einzelwirtschaftliche Vorteile. Zu den Nutznießern der staatlichen Währungssysteme gehört insbesondere der Staat selbst. Seine Finanzierung wird erleichtert, insbesondere auch dann, wenn seine umfangreichen Tätigkeiten keine demokratische Unterstützung finden. Zu den Nutznießern gehört auch die Finanzwirtschaft. Aber diese einzelwirtschaftlichen Vorteile sind nicht repräsentativ für die Gesamtwirtschaft.

Es handelt sich hier vielmehr – bestenfalls – um ein Nullsummenspiel. Die vermehrten realen Ressourcen, die der Staat aufgrund der erleichterten Refinanzierung beanspruchen kann – die Leute, die er als Beamte und öffentliche Angestellte beschäftigen kann, die Gebäude, die er mietet oder bauen lässt, die Rohstoffe, Zwischenprodukte und Anlagen, die er verwendet – all dies bleibt der übrigen Wirtschaft nun vorenthalten.

Es handelt sich daher wie gesagt bestenfalls um ein Nullsummenspiel. Realistisch gesehen müssen wir eher annehmen, dass die Gesamtsumme negativ ist. Das liegt zum einen daran, dass staatliche Ausgaben ihrem ganzen Wesen nach konsumtiv sind. Zum anderen liegt es daran, dass sich aus der Verstaatlichung der Geldordnung verschiedene äußerst schädliche Nebenwirkungen ergeben. Diese wollen wir nun näher betrachten.

4. Schuldenwirtschaft

Wir haben bereits darauf hingewiesen, dass das staatliche Zwangsgeld die wichtigste Ursache jener Schuldenorgie ist, in die die gesamte westliche Hemisphäre – und auch andere Teile der Weltwirtschaft – verfallen ist.

Warum finden sich Gläubiger, die das alles mitmachen? Warum befeuern sie die Schuldenmaschine, auch wenn immer deutlicher wird, dass ein großer Teil dieser Schulden nicht zurückerstattet werden kann? Die Antwort ist, in einem Wort, dass unser Zwangsgeldsystem eine Rationalitätsfalle erzeugt, die ein solches Verhalten einzelwirtschaftlich ratsam – rational – erscheinen lässt, und zwar selbst auch angesichts der gesamtwirtschaftlichen Probleme, die sich aus ihm ergeben.

Um diesen Zusammenhang zu verstehen, müssen wir uns zunächst vor Augen halten, dass die ständige Geldproduktion der Zentralbanken eine ständige Preisinflation hervorbringt. Selbst in den Ländern mit vermeintlich stabiler Währung steigen die Verbraucherpreise jahraus jahrein, selten um weniger als 2 Prozent. Unter diesen Bedingungen ist es nicht ratsam, irgendwelche Ersparnisse in der Geldkasse zu behalten. Wer hortet, verliert die Kaufkraft, die er sich in der Vergangenheit abgespart hat.

Es gibt daher im wesentlichen zwei Möglichkeiten, diesen Verlust zu vermeiden. Entweder spart man gar nicht, sondern gibt sein Geld lieber gleich für schöne Reisen, schnelle Autos, schöne Kleider oder andere Konsumgüter aus. Oder man schlachtet das noch magere Sparschwein und kauft Güter, deren Geldwert mit der Preisinflation steigt. Dazu zählen insbesondere Immobilien und Wertpapiere.

Dieser Zusammenhang wird noch dadurch verstärkt, dass die Zentralbanken alles tun, um die Finanzmärkte zu stabilisieren. Viele Ökonomen – gerade im deutschsprachigen Raum – meinen, dies gehöre nicht zu den eigentlichen Aufgaben der Zentralbanken. Sie irren sich. Die Stabilisierung der Finanzmärkte ist eine mehr oder weniger direkte Folge der währungspolitischen Kernaufgabe der heutigen Zentralbanken, nämlich der Stabilisierung der Preisinflationsrate.

Dieses Ziel kann nur unter Stabilisierung der gesamten Geldmenge erreicht werden, aber der größte Teil der Geldmenge wird nicht von den Zentralbanken, sondern von den Geschäftsbanken produziert. Um also die Preisinflationsrate zu stabilisieren, müssen die Zentralbanken dafür sorgen, dass die Geschäftsbanken nicht zusammenbrechen. Dies wiederum geschieht unter anderem dadurch, dass ein Wertverfall der Aktiva, die von den Geschäftsbanken gehalten werden, verhindert wird.

Diese Aktiva sind hauptsächlich festverzinsliche Wertpapiere, zum Teil auch Aktien. Um ihre Mission zu erfüllen, müssen die Zentralbanken somit darauf achten, dass der Wertpapiermarkt nicht einbricht. Dies betrifft insbesondere den Markt für festverzinsliche Wertpapiere und unter diesen vor allem die Wertpapiere der öffentlichen Hand.

Daraus ergibt sich also, dass die Sparer einen weiteren guten Grund haben, ihr Geld in Wertpapieren – vor allem in staatlichen Wertpapieren – anzulegen, auch wenn sie wissen, dass die Bonität der Schuldner nicht besonders gut ist. Sie können davon ausgehen, dass auch die Wertpapiere der schlechten Schuldner durch die Notenpresse der Zentralbanken gestützt werden.

Wir können diesen gesamten Sachverhalt in einem Satz zusammenfassen: Das Zwangsgeldsystem erzeugt Anreize zu verantwortungslosem Verhalten (Englisch: moral hazard), und zwar insbesondere in der Finanzwirtschaft, aber letztlich auch in allen anderen Lebensbereichen. Die aus der Zwangsinflation entspringenden Gewinne sind privat, während die Kosten sozialisiert werden. Für jeden Bürger bestehen daher starke wirtschaftliche Anreize, sich auf die Gewinnerseite dieser staatlichen geförderten Politik zu stellen.

Die einfachste Art und Weise, dies zu tun, besteht in der Verschuldung. Neue und zusätzliche Schulden erlauben uns, bereits jetzt Ausgaben zu tätigen und dabei Immobilen und Wertpapiere zu erwerben – Güter also, deren Preise aller Voraussicht nach infolge der unablässigen Geldproduktion früher oder später steigen werden.

Das ist die Quelle der berühmt-berüchtigten Spielchen mit den Hebelwirkungen der Schuldenfinanzierung. Das ist auch die Quelle der Verschuldung der Haushalte, und nicht zuletzt ist es die Quelle der übermäßigen Staatsverschuldung. Es gibt kein Einhalten und kein Ende, weil die fortgesetzte Teilnahme an diesem bösen Spiel einzelwirtschaftlich rational ist, auch wenn das große Ganze dadurch in den Abgrund schlittert.

5. Ungerechtfertigte Bereicherung

Jede Geldproduktion schafft Gewinner und Verlierer.

Die Gewinner sind diejenigen, die das neue Geld zuerst ausgeben können, denn zu diesem Zeitpunkt sind die Geldpreise der anderen Güter noch relativ niedrig. Durch diese Ausgaben steigen Zug um Zug die Preise und Einkommen, und das neue Geld verbreitet sich somit in der Wirtschaft.

Die Verlierer dieses Prozesses sind diejenigen, die erst spät – oder gar zuletzt – in den Genuss eines höheren Einkommens gelangen. Sie müssen nämlich aus ihrem früheren, niedrigeren Einkommen bereits die höheren Preise bezahlen, die durch die erhöhten Geldausgaben der frühen Benutzer des neuen Geldes zustande kommen.

Das Zwangsgeldsystem schraubt die Geldproduktion weit über das Niveau hinaus, das sie bei freiem Markte erreichen würde. Sie erzeugt dadurch eine Umverteilung der Einkommen und Geldvermögen, die weit über das hinaus geht, was bei freiem Markte zu erwarten wäre. Im Jahr 2011 hat die EZB die Grundgeldmenge um sage und schreibe ein Drittel erhöht, von etwa 2 auf etwa 3 Billionen Euro (das ist eine Zahl mit zwölf Nullen).

Das ist etwa vergleichbar mit einem Croupier im Casino, der einem Pokerspieler gleich eingangs ein paar zusätzliche Asse zuschiebt. Das Spiel ist zwar noch nicht gespielt, aber er hat bereits die Oberhand.

Genauso verhält es sich hier. Das zusätzliche Geld ist zwar noch nicht ausgegeben und die Preise somit noch nicht gestiegen, aber einige Marktteilnehmer haben ihre relative Position enorm verbessert.

Wir vermerken zudem, dass die Einkommens- und Vermögenszuwächse, die aus der Notenpresse kommen, keinerlei Anstrengung entspringen, sondern einzig und allein der Monopolstellung der Zentralbanken.

6. Konzentration wirtschaftlicher und politischer Macht

Aus dieser Umverteilung entspringt mehr oder weniger zwangsläufig eine nachhaltige Konzentration wirtschaftlicher und politischer Macht. Dies betrifft zum einen natürlich den Staat, zum anderen aber auch die privaten Nutznießer des Zwangsgeldsystems, insbesondere diejenigen Firmen der Finanzwirtschaft, die besonders eng mit den Zentralbanken zusammenarbeiten.

7. Fragilität, Abhängigkeit, Wirtschaftskrisen

Die größere Konzentration und auch der größere Umfang wirtschaftlicher und politischer Macht darf nicht mit einer größeren Solidität der betreffenden Organisationen verwechselt werden. Ihre Größe ist schließlich ganz wesentlich auf einem Berg von Schulden errichtet. Sie sind daher grundsätzlich strukturschwach. Die meisten großen Geschäftsbanken arbeiten mit einer Eigenkapitalquote von weniger als 5 Prozent, und ihre Liquidität ist in der Regel geringer als 1 Prozent, gemessen an der Bilanzsumme. Das hört sich nicht solide an, und es ist auch nicht solide. Solche Unternehmen operieren nur gut bei schönem Wetter. Bei widrigen Bedingungen werden sie recht schnell umgeblasen und müssen durch Zentralbanken und Staat gestützt werden. Wir kennen das schon: private Gewinne, sozialisierte Verluste.

Der Staat wiederum schlüpft zunehmend in die Rolle eines „Problemlösers letzter Instanz“. Zum einen erlaubt ihm die Leichtigkeit, mit der er sich verschulden kann, dass er sich immer neue Aufgaben zumisst. Zum anderen führt die Schuldenwirtschaft tendenziell zu immer größeren finanziellen Problemen auf Seiten der Unternehmen und Haushalte, und somit ertönt auch immer häufiger der Ruf nach dem Vater Staat.

8. Entmutigung des Sparens

Wer die Zentralbanken und den Staat hinter sich weiß, braucht weniger eigene Vorsorge zu treffen.

Daraus entspringen wie gesagt die geringen Eigenkapitalquoten und die praktisch nicht vorhandene Liquiditätsvorsorge der großen Geschäftsbanken.

Daraus entspringt auch die Konsumfreude der Haushalte. Warum soll man sich den gegenwärtigen Konsum entsagen, um die Rente vorzubereiten, wenn der Wohlfahrtsstaat sowieso für alle Bürger Sorge trägt?

Die wichtigste Folge aus gesamtwirtschaftlicher Sicht besteht darin, dass auf diese Weise der verfügbare Kapitalstock schrumpft. Das verfügbare Kapital wird zudem in großem Umfang konsumtiv verwendet. 42 Prozent der von den Monetären und Finanzinstitutionen (MFI) der Eurozone erteilten Darlehen sind Kredite an Haushalte und die öffentliche Hand, nur 31 Prozent der Darlehen ergehen an nicht-finanzielle Unternehmen.[1]

9. Moralische Zersetzung

Wir haben diesen Punkt im dreizehnten Kapitel unserer Ethik der Geldproduktion (Leipzig: Manuscriptum, 2007) erörtert. Der interessierte Leser sei also insbesondere darauf verwiesen. Wir legen dort u.a. dar, dass eine Bevölkerung, die lange einem Zwangsgeldsystem ausgesetzt ist, zu unselbständigem Denken, Selbstsucht, Gleichgültigkeit und Materialismus neigt. Moralische Lebensentwürfe werden anachronistisch. An ihre Stelle werden staatliche Fürsorgeanstalten gesetzt, und somit stirbt die Familie, und mit ihr verwelkt auch die Hinwendung zu Gott und Kirche.

10. Demokratisches Defizit und der Weg zur Knechtschaft

Zu guter letzt – oder vielmehr: zuletzt – muss mit aller Deutlichkeit festgestellt werden, dass die erleichterte Staatsfinanzierung, die durch das Zwangsgeldsystem möglich wird, die Grundfeste der demokratischen Politik unterhöhlt und letztlich zerstört.

Durch die direkte oder indirekte Alimentierung aus der Notenpresse sind die staatlichen Organe Staat nicht mehr darauf angewiesen, für ihre Politik die nötige Unterstützung der Bevölkerung zu erhalten. Sie sind nicht mehr gezwungen, eine Ausgabenerhöhung durch eine Erhöhung der Steuern absegnen zu lassen, sondern können ihre Vorhaben verwirklichen, indem sie sie durch höhere Kredite oder auch direkt aus der Notenpresse finanzieren.

Die ungekürzte Fassung können Sie hier herunterladen.

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Jörg Guido Hülsmann ist Mitglied des wissenschaftlichen Beirates des “Ludwig von Mises Institut Deutschland”. Er ist Professor für Ökonomie an der Universität Angers in Frankreich und Autor von «Ethik der Geldproduktion» (2007) und «Mises. The Last Knight of Liberalism» (2007).

Seine Website ist guidohulsmann.com

 


[1] Vgl. EZB, Monthly Bulletin (April 2012), Seiten S15 und S16.

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