„Die Durchführung der Steuergesetze … wurde zu einer Waffe politischer und wirtschaftspolitischer Willkür“

7.12.2012 – Die Befürworter des staatlichen Handelns wollen es nicht wahrhaben: doch Staatseingriffe in das Marktgeschehen erweisen sich als kontraproduktiv. Das gilt für allem für die Besteuerung. Im folgenden Absatz (Quelle: Ludwig von Mises (1940), Nationalökonomie, Theorie des Handelns und des Wirtschaftens, Sechster Teil, Die gehemmte Marktwirtschaft, 2. Kapitel, III. Finanzpolitische und sozialpolitische Ziele der Besteuerung, S. 660 – 662) legt Mises die zerstörerische Wirkung der Besteuerung von Einkommen und Vermögen offen.

Thorsten Polleit

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Ludwig von Mises

Die Beschäftigung mit steuerpolitischen Problemen reicht in die Zeit zurück, da es noch keine Nationalökonomie gab. Man hat dann später die Ergebnisse der nationalökonomischen Forschung mit großem Eifer für die Erfassung der Wirkungen der Besteuerung zu verwenden gesucht. Man hat die Finanzwissenschaft als selbständiges Fach auszubauen getrachtet, und man hat sich bemüht, wissenschaftlich Grundsätze gerechter und zweckmäßiger Besteuerung zu finden.

Der Gang der Steuerpolitik ist jedoch in erster Linie von politischen und nicht von nationalökonomisch-wissenschaftlichen Gesichtspunkten bestimmt worden. Die Erweiterung der Staatsaufgaben und die Entwicklung der modernen Formen der Kriegsbereitschaft haben die Staatsausgaben gewaltig ansteigen lassen. Zur Deckung dieses Bedarfs suchte man die Mittel dort zu holen, wo man sie finden konnte. Während die Gelehrten Bücher über richtige, gerechte und zweckmäßige Besteuerung schrieben, hielt sich die finanzpolitische Praxis nur an den einen Grundsatz, die Steuern dort umzulegen, wo man sie im Hinblick auf die politischen Verhältnisse umlegen durfte.

Man hat zunächst die Verbrauchsbesteuerung ausgebaut, weil sie in der Einhebung am einfachsten und bequemsten war. Als dann die Kritik, die die Verbrauchsbesteuerung als unsozial verwarf, weil sie die minderbemittelten Schichten stärker belastet als die wohlhabenderen Teile der Bevölkerung, bei den politischen Parteien Widerhall fand, wurde es immer schwerer, die Zustimmung der Volksvertretungen für den Ausbau der indirekten Abgaben zu finden. Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts wollte man in der progressiven Besteuerung der Einkommen und Vermögen das steuerpolitische Ideal erblicken. Man hat die Besteuerung des Einkommens, die Besteuerung des Ertrages von Unternehmungen, besonders von Aktiengesellschaften, die Erbschaftsbesteuerung und die Vermögensteuern so ausgebaut, dass in vielen Staaten die Kapitalbildung ernstlich behindert wurde. Man hat schließlich Steuern geschaffen, bei denen der fiskalische Zweck hinter der Absicht, die Produktion und die Verteilung zu beeinflussen, ganz zurücktreten musste. Die Steuerpolitik sollte die Entwicklung der Großbetriebe hemmen, Unternehmungen, die sich im Wettbewerbe des Marktes nicht zu behaupten wussten, gegen die leistungsfähigeren Betriebe schützen und politisch unbeliebte Personengruppen benachteiligen. Die Durchführung der Steuergesetze, die dem Ermessen der Veranlagungsbehörden freies Spiel ließ, wurde zu einer Waffe politischer und wirtschaftspolitischer Willkür.

Die Besteuerung wurde so zu einem der wirksamsten Mittel interventionistischer Wirtschaftspolitik gestaltet. Mit ihrer Hilfe will man die Ergebnisse des Marktgetriebes korrigieren. Man will einigen nehmen. um dafür anderen geben zu können, oder um sie zumindest von der Heranziehung zur Steuerleistung verschonen zu können. Man will die Produktion, die Verteilung und den Verbrauch von den Wegen ablenken, die ihnen der unbehinderte Markt gewiesen hätte.

Die fiskalischen Ziele der Besteuerung vertragen sich schlecht mit den sozialpolitischen. Keine Steuer kann neutral sein, jede stellt im Getriebe des Marktes ein Datum dar, das die Ergebnisse des Kräftespiels verschieben muss. Man hat mithin bei jeder steuerpolitischen Verfügung zwei Gesichtspunkte zu erwägen: die finanzpolitischen und die sozialpolitischen. Man muss sich entscheiden, ob die finanzpolitischen Vorteile der Steuer so groß sind, dass sie die sozialpolitischen Wirkungen, die sie auslöst, aufwiegen. Wenn man aber darauf ausgeht, durch die Steuer sozialpolitische Wirkungen zu erzielen, muss man den finanzpolitischen Ertrag der Steuer vernachlässigen.

Man nehme etwa die Getränkesteuern. Wenn man sie rein finanzpolitisch betrachtet, dann will man sie so umlegen, dass der Steuerertrag möglichst hoch werde. Es kann dabei nicht ohne Einschränkung des Getränkeverbrauchs abgehen, weil die durch die Steuer bewirkte Preiserhöhung den Verbrauch drosseln muss. Es gilt eben, durch Hin- und Herexperimentieren tastend den Steuersatz ausfindig zu machen, bei dem der Steuerertrag den höchsten Wert ergibt. Wenn man aber der Steuer die Aufgabe zuweisen wollte, den Verbrauch alkoholischer Getränke so stark als möglich herabzumindern, dann erscheint der Steuerzweck umso besser erreicht, je höher der Steuersatz erstellt wird. Dann sinkt wohl der Verbrauch sehr stark, mit ihm aber auch der Ertrag der Steuer. Hat die Steuer ihren sozialpolitischen Zweck durch vollständige Beseitigung des Alkoholgenusses ganz erreicht, dann erfüllt sie überhaupt keinen fiskalischen Zweck mehr. Geradeso liegen die Dinge bei der Tabakbesteuerung, bei der Besteuerung von Glücksspielen und bei den Zöllen.

Bei der Besteuerung der Vermögen, gleichviel ob sie in Gestalt von direkten Vermögensabgaben, von Erbschafts- und Schenkungssteuern oder von Verkehrssteuern (z. B. Besteuerung der Errichtung von Unternehmungen, der Aufnahme und der Rückzahlung von Anleihen, des Umsatzes von Vermögensobjekten) erfolgt, ist der Gegensatz der finanzpolitischen und der sozialpolitischen Zwecke nicht minder offenkundig. Wenn die Vermögen fortgesteuert werden, dann schwindet die Grundlage künftiger Besteuerung. Die Vermögensbesteuerung erschöpft, wenn sie über ein bescheidenes Maß hinausgeht, die Quelle, aus der sie gespeist werden will. Auch hier verlangt der finanzpolitische Zweck Maßhalten, während der sozialpolitische die Steuer oft umso besser findet, je stärker sie das Vermögen fortsteuert.

Die beiden Zwecke der Besteuerung, der sozialpolitische und der finanzpolitische, lassen sich auf die Dauer nicht vereinen. Man muss zwischen ihnen wählen.

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