Wie man die Zivilisation zerstört

8. Juli 2019 – von Jeffrey Harding

Es gibt zahlreiche Methoden, eine Zivilisation zugrunde zu richten – durch Kriege, durch Politik oder durch einen Zusammenbruch der Wirtschaft zum Beispiel. Aber was geschieht dabei genau? Es könnte hilfreich sein, zu wissen, ob wir gerade auf den Abgrund zusteuern.

Das alte Rom eignet sich hierfür gut als Vergleich. Dort gab es eine fortschrittliche Zivilisation, einschließlich fließendem Wasser, einer Kanalisation, Toiletten, Beton, Straßen, Brücken; es gab Dämme, ein internationales Fernstraßensystem, mechanische Mähmaschinen, Wassermühlen, öffentlichen Bäder, Seife, Banken, Freihandel, geschriebene Gesetze, Gerichte, Wissenschaft, Literatur und einen republikanischen Staat. Außerdem gab es eine starke Armee, die für Sicherheit und Frieden sorgte (Pax Romana). Nichts war perfekt, aber man war damals auf direktem Weg in die Moderne.

Eines meiner Lieblingszitate stammt von Marcus Tullius Cicero, einem Staatsmann, Erzähler und Autor (106 – 43 v.Chr.):

Die Zeiten sind schlecht. Kinder gehorchen ihren Eltern nicht mehr, und jeder schreibt ein Buch.

Wenn das kein Zeichen einer zivilisierten Gesellschaft ist, was ist es dann?

Aber Rom ist zusammengebrochen. Ich frage mich oft, wie es den Lauf der Dinge verändert hätte, wenn das nicht passiert wäre. Hätte wir das tausendjährige dunkle Zeitalter vermeiden können? Hätten wir dann im Jahr 1000 bereits Autos fahren und Flugzeuge fliegen können?

Was zum Teufel geschah damals mit Rom?

Nach 500 Jahren endete die berühmte römische Republik mit der Machtergreifung des Diktators Julius Cäsar. 400 Jahre später richteten seine Nachkommen und Usurpatoren das Imperium zugrunde und lieferten es einfallenden Barbarenhorden aus.

Die Standarderklärung für den Fall und Untergang Roms lautet, es hätte sich zu einer Diktatur entwickelt (was zwar stimmt, aber alleine nicht ausreicht). Oder die Römer wurden dekadent und korrupt (was ebenfalls stimmt, aber alleine auch keine ausreichende Erklärung ist). Oder sie fielen der Invasion durch Barbaren zum Opfer (dies ist auch nicht der Grund).

Rom fiel, weil die Diktatoren die römische Wirtschaft und die römischen Institutionen zugrunde richteten, die zuvor für Roms Wohlstand gesorgt hatten. Rom zerfiel schon vor der Barbareninvasion.

Wie schafften die Kaiser das? Sie gaben Geld verschwenderisch aus. Sie dachten groß, wie absolute Herrscher das gewöhnlich tun: sie gaben Unsummen aus für Infrastruktur (Straßen, Tempel, Paläste), eine gewaltige Bürokratie, und – der Schlüssel ihres Machterhalts – für eine große, loyale und gut bezahlte Armee. Deshalb überstiegen die Staatsausgaben die Steuereinnahmen bei weitem. Sie hatten ein Problem mit dem, was wir heute als Staatsdefizit bezeichnen.

Und sie unternahmen zwei katastrophale Dinge, um dieses Problem zu lösen.

Zum einen erhöhten sie die Steuern auf ein halsabschneiderisches Niveau. Sie erfanden immer neue Mittel und Wege, um ihren Bürgern Geld abzunehmen, ohne Rücksicht auf die Folgen für Händler, Kleinbauern und das gemeine Volk. Erdrückende Steuerlasten führten zu Steuerflucht. Die Antwort des Staates darauf waren neue Regulierungen, die die wirtschaftliche Freiheit weiter einschränkten, um noch mehr Steuern einzunehmen. Hohe Steuern vertrieben sowohl große als auch kleine Grundeigentümer von ihrem Land. Große Ländereien im Besitz politischer Günstlinge traten an ihre Stelle. Es wurden Gesetze erlassen, die praktisch zur Versklavung von Kleinbauern führten. Geschäftseigentümern und ihren Kindern wurde untersagt, den Beruf zu wechseln oder in eine andere Stadt zu ziehen. Und sie mussten Steuern entweder in Gold oder in Naturalien entrichten, sonst verloren sie alles. Gold wurde knapp. Nur der Staat, das Militär oder Bürokraten hatten rechtmäßigen Zugriff auf Gold.

Zweitens entwerteten sie das Geld, was zu Inflation führte. Sie praktizierten die damalige Variante des Gelddruckens, um ihre Ausgaben bezahlen zu können. Die folgenden Phasen hoher Inflation sorgten für großen Schaden in Handel und Landwirtschaft. Wie die meisten Diktatoren dachten sie, sie könnten die steigenden Preise mit Preiskontrollen aufhalten, was aber nur dafür sorgte, dass Gold und Waren aus der Wirtschaft verschwanden. Der Schwarzmarkt blühte, trotz Androhung der Todesstrafe. Arbeits- und Obdachlosigkeit nahmen zu. Dem ausufernden Wohlfahrtssystem drohte das Geld auszugehen. Wirtschaftliche, rechtliche und moralische Institutionen zerfielen. Die Korruption grassierte. Die Folge war ein Wechsel von Booms und Krisen, der die Wirtschaft zerstörte.

Als Goten und Westgoten kamen, war Rom schon so geschwächt, dass es sie nicht mehr aufhalten konnte. Zum Schluss betrachteten die Römer ihren eigenen Staat als Feind und die einfallenden Barbaren als Retter. Rom fiel 410 n. Chr. Danach kam, was wir heute als Mittelalter bezeichnen – mit einer Dauer von tausend Jahren. Und wie es damals war, wissen wir. Man nennt es nicht umsonst das Dunkle Zeitalter.

Der größte Teil der römischen Wirtschaftsgeschichte klingt heute nur allzu vertraut. Selbst nach tausenden Jahren erwiesenen Scheiterns sterben die falschen Rezepte einfach nicht aus. Ihre Verfechter sind entweder ignorant gegenüber der Geschichte, oder schlicht ignorant. Oder es sind Politiker (oder wie Mark Twain zu sagen pflegte: „Aber ich wiederhole mich.“).

Ein schlechtes Rezept mit uralten Wurzeln ist die Modern Monetary Theory (MMT). MMT ist unter Progressiven in den USA sehr angesagt. Politiker wie Alexandria Ocasio-Cortez (AOC) und Bernie Sanders sind sehr begeistert von MMT. Sie glauben, sie hätten den Heiligen Gral der Wirtschaft entdeckt.

Progressive glauben, dass der Staat für Wirtschaftswachstum und Wohlstand sorgen kann und auch sorgen sollte. Sie glauben, dem Staat stünden dafür eine Vielzahl an Kontrollmechanismen, Regulierungen, Ausgabenprogrammen und geldpolitischen Mechanismen zur Verfügung. Sie glauben, die richtigen staatlichen Ausgaben würden die Nachfrage ankurbeln, für Konsumausgaben sorgen, die Produktion anregen und so zu Vollbeschäftigung und Wohlstand führen. Nebenher ließen sich auch noch diverse soziale Probleme lösen.

MMT geht noch einen Schritt weiter. Demnach kann der Staat kaufen, was immer er möchte, und dafür mit bunten Papierfetzen bezahlen. Der Staat muss uns nicht einmal besteuern oder sich Geld leihen – er druckt einfach so viel davon, wie er für seine Ausgaben braucht. Es gibt kein Defizitproblem mehr, da jedes Defizit mit frisch gedrucktem Geld sofort ausgeglichen werden kann. Die MMT-Anhänger glauben voller Arroganz, dass sie – wie der Zauberer von Oz – den Lauf der Wirtschaft bis ins Detail managen und so Wohlstand schaffen, Inflation verhindern, Ungleichheit beenden und auch noch den Planeten retten können.

Mit anderen Worten: Alles wird perfekt sein, „vertrauen Sie uns einfach“, die Dinge zu managen. Das klingt zu schön, um wahr zu sein.

AOC, Bernie Sanders und ihre Anhänger sind große Freunde der MMT. Sie wollen sich von altmodischen Konzepten wie solider Steuerpolitik, ausgeglichenen Budgets und monetärer Stabilität verabschieden, weil ihre Utopie in keinster Weise eingeschränkt werden soll.

MMT ist eine verrückte Idee. Sie ist das monetäre Äquivalent zum Perpetuum Mobile – sie ignoriert die Gesetze der Ökonomie. Sie ist ungefähr so, als ob man Drittklässler bitten würde, Geld zu erschaffen. („Ich druck mir einfach einen Haufen Geld und kauf mir einen Ferrari und ein Flugzeug und all die coolen Videospiele, und und und … “). MMT-Anhänger verwechseln bedruckte Papierfetzen mit Wohlstand. Die Geschichte hat allerdings ein ums andere Mal bewiesen, dass sich Wohlstand nicht drucken lässt.

Die Modern Monetary Theory ist nicht „modern“. Sie ist in den vergangenen Jahrhunderten immer wieder ausprobiert worden und hat nie funktioniert. Jedes mal, wenn der Staat Geld gedruckt hat, um für Dinge zu bezahlen, waren das Ergebnis Boom- und Krisenphasen, Inflation (und Hyperinflation), wirtschaftliche Stagnation und soziales Chaos. MMT’ler verstehen einfach nicht das Wesen des Geldes und auch nicht die Gesetze der Wirtschaftszyklen und das Konzept der Fehlinvestition und der Kapitalvernichtung.

Warum soll es unmöglich sein, dass wir dem Beispiel Roms folgen? Franklin D. Roosevelts New Deal hatte eine 20 Jahre andauernde, wirtschaftliche Stagnation zu Folge. Erst die Wirtschaftspolitik nach ihm – mehr wirtschaftliche Freiheit, Investments und finanz- und geldpolitische Vernunft – sorgten dann wieder für Wirtschaftswachstum.

AOCs Green New Deal – kombiniert mit MMT – wäre um einiges schlimmer als der ursprüngliche New Deal, weil es keine Grenzen für die Staatsausgaben geben würde. Das würde bedeuten, dass der Staat die komplette Kontrolle über die Wirtschaft hätte. Die Geschichte hat gezeigt, dass Staaten darin nicht sehr gut sind. Absolute Macht in den Händen weniger ist keine gute Idee.

Wie viel Schaden könnten MMT und utopische Phantasien wie AOCs Green New Deal anrichten in unserer Zivilisation? Das ist schwer zu sagen, aber ich hoffe, wir werden nicht eines Tages zurückblicken und sagen, dass das Ende damals seinen Anfang nahm.

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Aus dem Englischen übersetzt von Florian Senne. Der Originalbeitrag mit dem Titel How to Destroy a Civilization ist am 24.6.2019 auf der website des Mises-Institute, Auburn, US Alabama erschienen.

Jeffrey Harding ist Immobilieninvestor in Santa Barbara, Kalifornien. Er schreibt gegenwärtig für An Independent Mind. Seine Artikel wurden von Internetseiten wie Zero Hedge, Seeking Alpha und Minyanville sowie von Medien-Websites wie Huffington Post, Real Clear Politics, Real Clear Markets, Wall Street Journal, MarketWatch, Business Insider, Yahoo! Finance, The Street und Forbes.com zitiert, neu veröffentlicht oder verlinkt. Er ist mit seinen Beiträgen auch in Fox Business News und auf dem Marktplatz Money von NPR vertreten. Derzeit ist er außerordentlicher Professor am Santa Barbara City College, wo er zum Thema ‘Immobilieninvestitionen’ unterrichtet.

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Hinweis: Die Inhalte der Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Ludwig von Mises Institut Deutschland wieder.

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