„Das System ist unreformierbar“

30.9.2016 – Interview mit Bruno Bandulet zu seinem neuen Buch „Beuteland“.

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Herr Bandulet, Sie sagen, in der neueren Geschichte sei kein besiegtes Land so gründlich ausgeplündert worden wie Deutschland nach 1945. Was haben unsere Regierungen falsch gemacht?

Bruno Bandulet

Nach 1945 hatten die Deutschen zunächst keine eigene Regierung. Auf die Parteidiktatur des Nationalsozialismus folgte die Militärdiktatur der Alliierten, was übrigens die Behauptung widerlegt, die Siegermächte hätten 1945 Deutschland die Demokratie gebracht. In diesen Nachkriegsjahren wurden die vier Besatzungszonen in einem Ausmaß geplündert, das mich bei meinen Recherchen selbst überrascht hat. Allein was an Forschungsergebnissen, Betriebsgeheimnissen, Patenten und auch an Wissenschaftlern ins Ausland geschafft wurde, summierte sich zum größten Wissenstransfer aller Zeiten.

1949 kam die Regierung Adenauer. Sie hat zäh und geschickt daran gearbeitet, die Besatzungshoheit zu beenden und ein gewisses Maß an Selbstbestimmung durchzusetzen. Nicht zu vergessen der enorme Zuwachs an Freiheit, der mit der Einführung der Marktwirtschaft verbunden war.

Den entscheidenden Fehler machte die Regierung Kohl im Dezember 1991, als sie sich auf den Vertrag von Maastricht einließ. Per Saldo geht und ging der Euro zu Lasten Deutschlands, nicht zu reden von der besonders in den Jahren nach der Wiedervereinigung forcierten Umverteilung innerhalb der EU, wobei Deutschland den Hauptfinanzier spielt. Die genauen Zahlen zur EU als „regulärer Transferunion“ werden erstmals in meinem Buch veröffentlicht. Ich zitiere außerdem den britischen Historiker Niall Ferguson. Er nannte die von Deutschland finanzierte EU-Umverteilung ein „einvernehmliches System von Kriegsreparationen“. Da drängt sich doch die Frage auf, warum Deutschland einerseits Exportweltmeister ist, andererseits aber die Deutschen gemessen an ihrem Privatvermögen im europäischen Mittelfeld rangieren. Dass die Europäische Währungsunion seit dem Ausbruch der Finanzkrise auch den Interessen der Südeuropäer zuwiderläuft, ist wieder eine andere Geschichte.

Der frühere französische Präsident Francois Mitterand hat im Jahr 1988 nach Ihren Schilderungen für den Vertrag von Maastricht mit dem Argument geworben, dieser sei besser für Frankreich als der Vertrag von Versailles, nämlich ein „Super-Versailles“. Erläutern Sie das bitte näher?

Das sagte er tatsächlich vor französischen Kriegsveteranen. Auch die Tageszeitung „Le Figaro“ zog den Vergleich mit dem Vertrag von Versailles. Gemeint war in beiden Fällen der deutsche Verzicht auf die D-Mark. Damit verlor Deutschland sein monetäres Souveränitätsmerkmal. Aus französischer Sicht wog das offenbar ähnlich schwer wie der Vertrag von Versailles, mit dem die Weimarer Republik für den verlorenen Ersten Weltkrieg zahlen musste.

In Zusammenhang mit der Europäischen Union schreiben Sie von einem „Interesse des Auslandes an der Zähmung deutschen Potenzials“. Wer hat dieses Interesse und warum?

Ein Interesse daran haben sowohl unsere europäischen Partner als auch die USA. Die britische und französische Regierung, auch die italienische, waren bekanntlich besorgt und geschockt, als im Winter 1989/90 plötzlich die Wiedervereinigung auf der Tagesordnung stand. Aus Sicht unserer Nachbarn dienten die europäische Integration und eben auch die Währungsunion nicht zuletzt dem Zweck, Deutschland einzubinden und unter Kontrolle zu halten. Den Amerikanern kam es darauf an, Deutschland in der NATO zu behalten, eine enge deutsch-russische Partnerschaft zu verhindern und das deutsche Potential weiterhin in den Dienst ihrer Geopolitik zu stellen. Daher auch die Beteiligung der Bundeswehr am sinnlosen Krieg in Afghanistan.

Über das Target2-System der Eurozone wird nur selten berichtet. Welche Rolle spielt dieser „Rettungsschirm der anderen Art“, wie sie ihn nennen, bei der Ausbeutung Deutschlands? Warum, glauben Sie, musste erst Hans-Werner Sinn kommen und Target2 zum Thema machen?

Im Gegensatz zu anderen Zentralbanken wie der amerikanischen Federal Reserve hatte die EZB nie ein besonderes Interesse an Transparenz. Denken Sie nur an das berüchtigte Anfa-Geheimabkommen der Euro-Notenbanken, das diesen ermöglicht, auf eigene Rechnung Geld zu drucken und damit das Eurosystem zum Zweck der inländischen Staatsfinanzierung zu missbrauchen. Dass das Abkommen überhaupt existiert, sickerte erst vor einem Jahr durch. Und tatsächlich hatten die politisch Verantwortlichen über die mysteriösen Target-Salden nichts gewusst …

Die haben nichts davon mitbekommen, dass sich da eine Forderung von über einer halben Billion Euro aufbaute?

Genau, bis dann Professor Sinn diese extrem komplizierte Materie durchleuchtete und publik machte. Bei den Target-Salden handelt es sich, kurz gesagt, um Forderungen und Verbindlichkeiten der Euro-Zentralbanken untereinander, die nicht regelmäßig ausgeglichen werden, wie es zum Beispiel die regionalen Banken der amerikanischen Federal Reserve tun. Sie sind Ausdruck der gravierenden Zahlungsbilanzungleichgewichte innerhalb der Eurozone und damit zugleich ein sehr brauchbares Gefahrensignal. Die Target-Forderungen der Deutschen Bundesbank bewegen sich jetzt wieder in Richtung 700 Milliarden Euro und sind damit wieder fast so hoch wie am Höhepunkt der Eurokrise. Anders ausgedrückt: Von den Exportüberschüssen der Bundesrepublik bleiben elektronische Buchungen, von denen niemand weiß, was sie wert sind. Zum Vergleich: Nach den Regeln der früheren Europäischen Zahlungsunion mussten die Defizitländer Gold und Devisen herausgeben. Aus dieser Zeit stammen übrigens die Goldreserven der Bundesbank, bis heute der solideste Posten ihrer Bilanz. Auch Target ist eine Form der Ausbeutung, wenn Sie so wollen.

Manfred Brunner, der Kabinettschef des früheren EU-Kommissars Bangemann, sagte einmal zu Ihnen, in Brüssel würden keine Gehälter gezahlt, sondern Schweigegeld. Schweigegeld klingt nach Korruption … was meinte er damit?

Dass in allen EU-Institutionen, selbst beim EuGH, Kungelei und Patronage blühen, dass es bei nicht wenigen Kommissaren an beruflicher Qualifikation fehlt, dass das Europäische Parlament einem Selbstbedienungsladen gleicht, dass die EU-Hauptstadt Brüssel als eine regelrechte Steueroase bezeichnet werden muss – das alles kann man sehr schön zum Beispiel bei Hans Herbert von Arnim („Das Europakomplott“) nachlesen. In meinem Buch zitiere ich Schätzungen aus Brüssel, wonach 10 bis 15 Prozent des EU-Haushaltes illegal ausgegeben werden und in der Korruption versickern. Dazu kommen die Milliarden, die einfach nur sinnlos verpulvert werden. Das kann bei einer derartigen Hyperbürokratie gar nicht anders sein. Es ist systemimmanent. Die Funktionäre wissen es und halten den Mund. Das ist nur menschlich bei diesen Gehältern. Es lässt sich ja ohnehin nichts ändern. Das System ist unreformierbar.

Vielen Dank, Herr Bandulet.

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Das Interview wurde im September 2016 per e-mail geführt. Die Fragen stellte Andreas Marquart.

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Dr. Bruno Bandulet war Mitglied der Chefredaktion von Quick und Die Welt und lange Jahre Herausgeber des auf Edelmetalle und Devisen spezialisierten Finanzdienstes GOLD&MONEY INTELLIGENCE. Er gründete 1995 den politischen Hintergrunddienst DeutschlandBrief, der seit 2009 als regelmäßige Kolumne im liberalen Monatsmagazin “eigentümlich frei” erscheint. Zuletzt veröffentlichte er im Kopp Verlag „Das geheime Wissen der Goldanleger“ und „Die letzten Jahre des Euro“. Ende Juni 2012 klagte Dr. Bandulet zusammen mit den Professoren Schachtschneider, Starbatty, Hankel und Nölling vor dem Bundesverfassungsgericht gegen den Vertrag über den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM), mit dem der Euro “gerettet” werden soll. Bandulet ist Mitglied der Friedrich A.  von Hayek-Gesellschaft.

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Hinweis: Die Inhalte der Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Ludwig von Mises Institut Deutschland wieder.

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