Der Kapitalismus wird schlechtgeredet

26.1.2018 – von James Davenport.

James Davenport

Als Collegeprofessor bin ich immer wieder vollkommen entsetzt über den Verständnismangel, den die meisten Studenten bei dem Thema „Kapitalismus“ vorweisen. Trotz der Bedeutung für das tägliche Leben, haben relativ wenige Menschen ein Gespür dafür, wodurch Wirtschaftswachstum erzeugt wird und warum Märkte für einen stetig steigenden Lebensstandard von zentraler Bedeutung sind.

Während meiner Lehrtätigkeit sind mir sowohl von Studenten als auch von Personen außerhalb des Unterrichts jede Menge Mythen oder Fehleinschätzungen über den Kapitalismus zu Ohren gekommen. Diese Mythen zu widerlegen, ist zu einem Schwerpunkt meines Unterrichts geworden.

Mythos 1: Kapitalismus wurde „geschaffen“

Ein sehr weit verbreitetes Missverständnis über den Kapitalismus ist die Idee, dass er von jemandem „geschaffen“ wurde. Einiges davon kann der Sprache zugeschrieben werden, die verwendet wurde, um Adam Smiths (1723-1790) Rolle bei der Erklärung der Marktprozesse zu beschreiben. Der allgemeine Verweis auf Smith als „den Vater der modernen Volkswirtschaft“ kann dazu führen, dass Menschen davon ausgehen, er habe die Marktordnung in irgendeiner Weise erschaffen. Da der Sozialismus allgemein von Planung abhängig ist, verleitet es allzu viele zu der irrigen Vermutung, beim Kapitalismus verhält es sich genauso.

Wie jedoch Friedrich A. von Hayek (1899-1992) darlegte, ist die Marktordnung nicht wirklich „erschaffen“ worden, sondern vielmehr eine Ordnung, die sich aus menschlichem Austausch und Entdeckungen heraus entwickelt hat. Ähnlich wie bei der Sprache wurde die Marktwirtschaft nicht durch eine einzelne Person oder eine Gruppe erschaffen, sondern entwickelte sich über einen langen Zeitraum durch das Zusammenwirken vieler Menschen. Die Regeln und Institutionen, die die Marktwirtschaft stützen, entstanden aus diesem Zusammenwirken.

Diese Vorstellung einer spontanen Ordnung – entstehend aus Einzelhandlungen von Millionen von Menschen und die Entdeckung von Regeln und Institutionen, die den stetigen Fortschritt dieser Ordnung erleichtern –  ist möglicherweise der wichtigste Aspekt am Kapitalismus. Der Kapitalismus ist erfolgreich, weil er aus den Menschen selbst hervorgeht.

Im Gegensatz zum Sozialismus, der versucht, Regeln und Institutionen unabhängig davon durchzusetzen, ob sie im Einklang mit der menschlichen Natur oder Wünschen stehen, entwickeln sich Märkte aus unseren menschlichen Eigenschaften. Und die Regeln und Institutionen, die die Leistungsfähigkeit von Märkten ermöglichen, werden entdeckt, so wie wir uns selbst entdecken und miteinander interagieren.

Mythos 2: Kapitalismus erzeugt Armut

Dies ist möglicherweise das schädlichste aller Missverständnisse, dem ich in Bezug auf Märkte begegne. Die Idee, die Abwesenheit einer freien Marktwirtschaft führt zu mehr gemeinsamen Wohlstand in der Gesellschaft, ist noch immer im Denken vieler Menschen verankert. Die Menschen unterliegen dieser Fehlannahme, obwohl zunehmend der Beweis erbracht wird, dass die weltweite Armut stetig abnimmt, wenn die Marktwirtschaft sich in immer mehr Ländern durchsetzt.

Der Beweis ist eindeutig, dass der Armutsrückgang sich vollzog, als Länder sich der Marktwirtschaft als Weg des Fortschrittes öffneten – allen voran China und Indien. So wie andere Länder den Erfolg dieser beiden ehemals sehr armen Länder sehen und beginnen, ihrem Beispiel zu folgen, ist zu erwarten, dass sich die Armut in der sich entwickelnden Welt deutlich reduziert.

In Der Wohlstand der Nationen erklärte Adam Smith, wie Märkte mit dem stetigen Ausbau von angebotenen Waren und Dienstleistungen für eine immer größer werdenden Zahl von Menschen einen, wie er es nannte, „allumfassenden Überfluss“ entstehen lassen würden. Seit Karl Marx und Friedrich Engels jedoch ihren Frontalangriff auf den Kapitalismus begonnen haben, haben viele Intellektuelle, Unterhaltungskünstler und selbst Politiker die Idee übernommen, der Kapitalismus verursache Armut oder zumindest verhindere er, dass Menschen ihm entkommen. Noch beunruhigender ist die Behauptung, Sozialismus führe zu größerem Wohlstand für die Massen.

Es ist daher wenig verwunderlich, dass diese Ideen auf die breite Öffentlichkeit abfärbten. Diese Vorstellung, der Kapitalismus führe zur Armut für die Massen während Sozialismus zu deren Wohlstand führe, widerspricht grundlegend allen bekannten Belegen.

Diejenigen Entwicklungsländer mit dem größten Wachstum haben marktwirtschaftliche Grundsätze übernommen. Welch ein Unterschied zu jenen Ländern, die den Sozialismus vollständig eingeführt haben, wie beispielsweise Venezuela oder Nordkorea. Es ist beunruhigend, dass Erstsemester dies nicht begreifen.

Mythos 3: Der Kapitalismus dreht sich um das Kapital

Der Begriff „Kapitalismus“ wurde durch Marx geprägt, um einen abwertenden Begriff für die Marktwirtschaft zu erzeugen. Der Begriff blieb haften und führte zu einer gewissen Verwirrung darüber, warum Märkte sich tatsächlich durchsetzen. Wie die Wirtschaftshistorikerin Deirdre McCloskey feststellte, haben die Menschen zu allen Zeiten versucht, Kapital anzuhäufen (Land, Rohstoffe und Geld). Aber diese gemeinschaftlichen Versuche haben nicht zu jener Art gesamtgesellschaftlichen Wirtschaftswachstum geführt, das seit 1800 zu beobachten ist.

Die grundlegende Basis des Kapitalismus ist die menschliche Freiheit. Adam Smith erkannte: Wenn es jedem Einzelnen möglich ist, seinen Eigeninteressen an den Märkten nachzugehen, ist er erstaunlich gut darin Wege zu finden, nicht nur sich selbst zu helfen, sondern auch der Gesellschaft.

Ebenso wichtig ist, wie es der Ökonom Joseph Schumpeter (1883-1950) erklärte, dass aus dieser Freiheit ein kontinuierlicher Prozess der Verbesserung entsteht – er nannte dies: „kreative Zerstörung“. Es ist diese ständige Weiterentwicklung – das Entdecken und das auf den Markt Bringen neuer Waren und Dienstleistungen, Wege zu finden, bestehende Erzeugnisse und Dienstleistungen zu verbessern und kostengünstigere Möglichkeiten zu entwickeln, diese Waren und Dienstleistungen auf den Markt zu bringen –, die letztlich das Wirtschaftswachstum treibt und den Lebensstandard steigert.

Tatsache ist: Während die Anhäufung von Kapital ein Merkmal einer Marktwirtschaft ist, beschränkt sich diese Erscheinung nicht auf die Marktwirtschaft. Es ist die persönliche Freiheit und die Neuerungen, die daraus entstehen, die den Motor des Kapitalismus antreiben.

Mythos 4: Kapitalismus schafft „Gewinner“ und „Verlierer“

Es stimmt zwar, einige Einzelpersonen und Unternehmen sind erfolgreich im Kapitalismus, während andere es nicht sind, aber dies ist kein Alleinstellungsmerkmal von Märkten. In allen Wirtschaftssystemen haben einige Einzelpersonen Erfolg, andere eben nicht.

Der Kapitalismus unterscheidet sich in dieser Hinsicht jedoch in zwei wesentlichen Punkten. Erstens, der Kapitalismus erhöht die Anzahl der „Gewinner“. Im Gegensatz zu anderen Wirtschaftsordnungen verringert der Kapitalismus die Eintrittshürden in das Marktgeschehen für eine größere Zahl von Personen. Der daraus entstehende Wettbewerb bietet größere Erfolgsmöglichkeiten (sowohl größere als auch kleinere) als jede andere Ordnung.

Zweitens, die Gesellschaft in ihrer Gesamtheit gewinnt durch Märkte auf lange Sicht. Das liegt daran, dass Märkte, wie oben erwähnt, mehr Güter und Dienstleistungen für mehr Menschen zugänglich machen als jede andere Ordnung.

Märkte bringen auch Waren und Dienstleistungen hervor, die das Leben auf eine Art und Weise verbessern, von der unsere Vorfahren nie zu träumen gewagt haben. Allein der Vergleich mit dem, was heute und was vor 30 Jahren vorhanden war, genügt. Die schlichte Tatsache ist, heutzutage haben die ärmsten Amerikaner mehr Güter und Dienstleistungen zu ihrer Verfügung als es Könige und Königinnen vor nur zweihundert Jahren hatten.

Auch wenn einzelne Unternehmen scheitern und einzelne Menschen keinen großen Reichtum erwirtschaften können: Auf lange Sicht gewinnen alle, indem sie einen höheren Lebensstandard als frühere Generationen genießen.

Es braucht bessere Bildung

Wenn die Vereinigten Staaten ihre Wirtschaft weiterhin wachsen und die Lebensbedingungen der Bürger verbessert sehen wollen, ist es wichtig, Schüler und Studenten die Grundlagen der Wirtschaftsordnung zu lehren, die es ihnen erlaubt, Adam Smiths „allumfassenden Überfluss“ zu genießen. Ohne dieses grundlegende Wissen werden sie leicht dazu gebracht, die Mythen zu glauben, die ich erwähnt habe, und Politiker und Politikansätze zu wählen, die letztlich die Ordnung untergraben, die ihr Leben wesentlich besser gemacht hat als das ihrer Vorfahren und das der meisten anderen ihrer Zeitgenossen auf der ganzen Welt.

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Aus dem Englischen übersetzt von Arno Stöcker. Der Originalbeitrag mit dem Titel 4 Common Capitalism Myths Debunked ist am 9.1.2018 auf der website der Foundation of Economic Education erschienen.

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James Davenport ist Professor für Politikwissenschaft am Rose State College und lehrte Wirtschaftswissenschaften an der University of Central Oklahoma. Hier können Sie mehr über James Davenport erfahren.

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Hinweis: Die Inhalte der Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Ludwig von Mises Institut Deutschland wieder.

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