Es knirscht gehörig im EU-Gebälk

29.3.2017 – von Andreas Marquart.

Andreas Marquart

Seit sich die Briten mehrheitlich für den Brexit ausgesprochen haben und Donald Trump zum 45. Präsidenten der USA gewählt wurde, sehen die Befürworter eines Europäischen Einheitsstaates ihr Projekt bedroht. Es ist still geworden in Brüssel. Nun spricht Bundeskanzlerin Angela Merkel gar vom Europa der verschiedenen Geschwindigkeiten. Wir müssten den Mut haben, dass einige Länder vorausgingen, wollten nicht alle mitmachen – das sei notwendig, „ansonsten werden wir steckenbleiben“. Ob sie das aus Überzeugung oder aus wahltaktischen Gründen sagt, um den in vielen Teilen Europas aufstrebenden, nationalistischen und protektionistischen Stimmen den Wind aus den Segeln zu nehmen, sei dahingestellt. Tatsache ist: Es knirscht gehörig im EU-Gebälk.

In der öffentlichen Diskussion existieren im Moment nur zwei, sich diametral gegenüberstehende Alternativen: mehr oder weniger Europa. Mehr Europa bedeutet im heutigen Verständnis mehr Zentralismus, was nachweislich nicht funktioniert und von den Bürgern erkennbar auch nicht gewollt ist. Weniger Europa wird gleichgesetzt mit Nationalismus und im schlimmsten Fall Protektionismus. Dabei werden von den EU-Oberen Schreckensszenarien an die Wand gemalt, dass bei Beschreitung dieses Weges sogar wieder Krieg in Europa möglich würde.

Ein Blick auf eine erstrebenswerte Zukunft Europas eröffnet sich dem, der einen Blick in die Vergangenheit Europas wagt. In der Geschichte steht Europa nämlich für Vielfalt und für Wettbewerb, genauer Wettbewerb kleiner und kleinster politischer Einheiten. Die Politik meidet diesen Blick oder verwirft ihn als antiquarisch. Der Grund: Politiker mögen keinen politischen Wettbewerb, denn er bedroht ihre Macht.

Was also liegt näher, als sich diesen vom Hals zu schaffen: Die Zentralisten versuchen das, indem sie einen Europäischen Einheitsstaat schaffen wollen, die Nationalisten, indem sie ihren potenziellen Wählern vormachen, sich einzuigeln brächte das Heil auf Erden. Weniger Politik ist bei beiden Alternativen nicht vorgesehen. Das aber war und ist noch heute der Schlüssel zu Wohlstand. Wettbewerb, freier Handel, niedrige Steuern und kompromissloser Schutz privaten Eigentums sind die Zauberwörter, mit denen sich Politiker heute sehr schwer tun, schränken sie doch allesamt ihre Macht ein.

Wir brauchen keinen europäischen Flächenstaat. Was wir brauchen, sind viele kleine Liechtensteins. Ein Zurück zu kleineren politischen Einheiten ist kein Rückschritt, sondern lediglich eine Rückkehr zu dem, was Europa großgemacht hat. Warum? Kleine Staaten bringen Regierungen unter Wettbewerbsdruck. Der Staat muss sich zu einer Art „Dienstleister“ entwickeln, um sich für die Bürger attraktiv zu machen, wie eine Urlaubsregion, sonst stimmen die Bürger mit den Füßen ab und wandern aus. Die Grenzen sind ja nah.

Kleine Staaten sind friedlicher. Sie verhalten sich neutral, haben sie alleine schon nicht die Geldmittel, ein großes Militär zu unterhalten. Sollte ein kleiner Staat aber wirklich einmal aggressiv werden gegenüber seinen Nachbarn, dann richtet er nur wenig Schaden an.

Kleine Staaten sind weniger fragil. Gesellschaften und Volkswirtschaften sind komplexe Systeme, die sich nicht wie Maschinen konstruieren und steuern lassen. Wer klein ist, der ist flexibler und wendiger als Großstaaten, die wie Supertanker ewig für ein Wendemanöver brauchen und dadurch schneller Schiffbruch erleiden. Und in Kleinstaaten kann sich zudem Bürokratie und Korruption weniger breitmachen.

Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832) war den heutigen Zentralismus-Befürwortern nicht nur in der Zeit, sondern auch im Erkennen der Vorteilhaftigkeit kleiner, politischer Einheiten weit voraus. Im Jahre 1828 schrieb er:

„Frankfurt, Bremen, Hamburg, Lübeck sind groß und glänzend, ihre Wirkungen auf den Wohlstand von Deutschland gar nicht zu berechnen. Würden sie aber wohl bleiben, was sie sind, wenn sie ihre eigene Souveränität verlieren und irgendeinem großen deutschen Reich als Provinzialstädte einverleibt werden sollten? – Ich habe Ursache, daran zu zweifeln.“

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Dieser Beitrag ist am 20.3.2017 zuerst in der Fuldaer Zeitung erschienen.

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Andreas Marquart ist Vorstand des “Ludwig von Mises Institut Deutschland”. Er ist Honorar-Finanzberater und orientiert sich dabei an den Erkenntnissen der Österreichischen Geld- und Konjunkturtheorie. Im Mai 2014 erschien sein gemeinsam mit Philipp Bagus geschriebenes Buch “WARUM ANDERE AUF IHRE KOSTEN IMMER REICHER WERDEN … und welche Rolle der Staat und unser Papiergeld dabei spielen”. Im März ist sein neues Buch, ebenfalls gemeinsam mit Philipp Bagus erschienen: Wir schaffen das – alleine!

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Hinweis: Die Inhalte der Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Ludwig von Mises Institut Deutschland wieder.

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