Bitcoins und Blockchain ist es egal, wer an der Regierung ist

13.2.2017 – von Jeffrey Tucker.

Jeffrey Tucker

Es ist immer das Gleiche, sobald der Bitcoinpreis (sein Kurs in Dollar) steigt, wird mein Email-Postfach überflutet.

„Was ist Bitcoin und wie kann ich es kaufen?“

Fällt der Preis, herrscht wieder Funkstille, mit Ausnahme der Leute, die sich beschweren, ihre Investition habe sich nicht ausgezahlt.

Was sich hier abspielt, ist das klassische Muster. Amateure kaufen zu hohen Kursen ein (aufgrund der gestiegenen öffentlichen Aufmerksamkeit) und verkaufen, nur um dann nicht wieder zu niedrigen Kursen zu kaufen (weil niedrige Preise es nicht in die Nachrichten schaffen). Das ist bei einer Kryptowährung nicht anders wie bei jeder anderen Aktie.

Was viele Menschen nicht begreifen, ist, dass es bei Bitcoin um weit mehr geht als nur um ihr Anlageportfolio. Jeder, der bei dieser Innovation nur an seine möglichen Gewinnchancen denkt, hat die grundsätzliche Bedeutung der Sache nicht im Ansatz verstanden.

Jede neue Technologie, selbst revolutionäre wie die Eisenbahn oder die Luftfahrt, muss Einzug in das Leben der Menschen durch alltägliche Markterfahrungen erhalten. Versuch und Irrtum, Versagen und Erfolg, respektable Unternehmen und Betrüger, zusammen mit Investoren, die einen Reibach machen und andere die sich verspekulieren, gehören dazu.

Das sind Themen, die die Schlagzeilen beherrschen. Was keine öffentliche Beachtung erhält, sind die tieferen Implikationen der Technologie, auf der Bitcoin basiert: Eines Tages könnte es die Beziehung zwischen Bürger und Staat rund um den Globus auf fundamentale Art verändern.

Blockchain > Politik

Nach einem hitzigen Wahlkampf könnte man eventuell den Eindruck gewinnen, die Zukunft Amerikas oder gar der ganzen Welt hänge von der Qualität und der Weltanschauung der obersten Führungsebene ab. Nichts könnte falscher sein. Im Wahlkampf wurde fast gar nicht über digitale Technologien gesprochen. Die Distributed-Ledger-Technologie und die beeindruckende Erfindung einer vollkommen privaten Währung, die im Internet beheimatet ist und ohne eine dritte Vermittlungsinstanz auskommt, wurden nie angesprochen.

Es ist ein beispielhafter Fall dafür, wie das Vorhandensein der Technologie in unserem Zeitalter das traditionelle Modell der Funktionsweise einer Gesellschaft und davon, was Geschichte vorantreibt, umgedreht hat. Präsidenten und Parteien kommen und gehen, was bleibt und sich kontinuierlich unabhängig von politischen Trends weiterentwickelt, sind die Werkzeuge, mit denen das Alltagsleben der Menschen verbessert wird. Das ist es, worauf es wirklich ankommt.

Bitcoin Miami

Diese segensreiche Einsicht wurde mir in den letzten Tagen in Erinnerung gerufen.

Ich nahm an einer Reihe von Sitzungen im Rahmen einer industrienahen Konferenz in Miami, Florida, teil und sprach auf einigen von ihnen (hier eine schöne Zusammenfassung). Keine politische Partei oder Richtung war auf der Veranstaltung vertreten. Ich kann mich nicht daran erinnern, ein Wort von Podiumsteilnehmern über politische Programme, Wahlen oder notwendige Gesetzgebungen gehört zu haben. Vielmehr handelten die Vorträge von neuen Möglichkeiten über den Einsatz von Kryptowährungen und die Distributed-Ledger-Technologie, um Menschen auf der ganzen Welt einen stetig besseren Service bieten zu können.

Die Diskussionen waren technisch geprägt und gingen ins Detail, mit Vorträgen, Wortbeiträgen und vereinzelt gegensätzlichen Meinungen von einigen der besten Köpfe aus der Bitcoinszene. Ich empfand die Atmosphäre als extrem anregend.

Seit 2009 hat sich der Bitcoin prächtig entwickelt. Die Phase des „ungläubig bestaunt werden“ hat er längst hinter sich gelassen, gleichwohl wird es immer Skeptiker geben. Gegenwärtig lässt sich die massenhafte Verbreitung und Entwicklung industrieller Anwendungen auf allen Gebieten beobachten, von der Zahlungsabwicklung bis hin zu Unternehmensgründungen im Bereich der Vertrags- und Titelbesicherung.

Für Menschen, die mit Leib und Seele für Bitcoin brennen, mag dieser Fortschritt langsam erscheinen. Aus einer historischen Perspektive aber ist der zeitliche Abstand zwischen Erfindung und dem breitenwirksamen Zugang außergewöhnlich schnell. Die Geburtsstunde liegt immerhin gerade einmal 8 Jahre zurück! Mit der Zeit wurden immer mehr Menschen auf die außergewöhnliche Technologie aufmerksam.

Was ist Bitcoin und warum er wichtig ist

Demjenigen, der Bitcoins besitzt, mit Anwendungen zur Blockchain arbeitet und sich stetig zu dem Thema informiert, ist das Folgende längst bekannt. Dennoch ist dieses Wissen noch nicht in der breiten Bevölkerung angekommen. Jedes Mal, wenn ich interviewt werde, kommt die Frage auf: Was ist Bitcoin und wie funktioniert es?

Mein bester Ansatz: Bitcoin ist ein marktbasiertes Geld- und Zahlungssystem, das unabhängig ist und ohne Eingriffe von Zentralbanken, regulatorische Eingriffe oder Finanzintermediäre auskommt. Es ist aber nicht nur ein Geld- und Zahlungssystem, es ist auch ein System zur Bündelung, Dokumentation und Tausch unveränderlicher Informationspakete mit jedwedem Inhalt, seien es Verträge, Eigentumstitel oder jede andere Form von Verträgen, unabhängig vom geografischen Standortes der Vertragspartner. Das sich daraus ergebende Währungs- und/oder Informationssystem operiert vollständig außerhalb staatlicher Grenzen und der Einflusssphäre von Nationalstaaten.

Und das alles zu extrem niedrigen Kosten.

Woher stammt das System? Hier wird es erst richtig interessant. Die erste Erklärung kam über einen freizugänglichen E-Mailverteiler, gefolgt von der Veröffentlichung des ersten „Genesisblocks“, von dem jedoch nur sehr wenige Menschen Notiz nahmen. Es vergingen zehn Monate, bis Bitcoin zum ersten Mal bepreist wurde.

Die Personen hinter der Technologie sind sicherlich brillant, aber sie hatten keinerlei politische Macht. Der Bauplan wurde in keinem akademischen Journal veröffentlicht. Weder die US-amerikanische Zentralbank noch das Finanzministerium hatten ihre Hände bei der Erschaffung der Währung im Spiel. Kein politischer Entscheidungsträger wurde konsultiert. Die Computerfreaks hinter der Erfindung fragten niemanden um Erlaubnis, sie vertrauten auf den Markt, also die Menschen, um über Erfolg oder Misserfolg zu bestimmen.
Warum spielt das eine Rolle? Jeder hat seine Meinung zu dem Thema. Ich habe eine monetäre Perspektive auf das Thema. Wenn es neben nationalen Währungen eine Parallelwährung gibt, die sich nebeneinander entwickeln können, wird der Weltwirtschaft eine Zukunft jenseits des gegenwärtigen Miasmas offenbart. So viele Probleme und Erschütterungen dieser Zeit lassen sich auf staatliches Geld zurückführen: wirtschaftliche Depressionen, sinkende Einkommen, Kriege, Staatswachstum und –verschuldung, kultureller Zerfall usw. Für dieses Problem eine Lösung und einen Reformansatz zu finden, ist von höchster Dringlichkeit für diejenigen, die sich der Sache der Freiheit verschrieben haben.

Friedrich August von Hayek schrieb 1976 folgendes:

„Was wir nun brauchen, ist eine Freigeld-Bewegung, die der Freihandels-Bewegung des 19. Jahrhunderts vergleichbar ist. Diese muß nicht nur auf den durch akute Inflation verursachten Schaden hinweisen, der, wie man mit Recht argumentieren könnte, selbst mit gegenwärtigen Institutionen vermeidbar wäre. Sie muß auch die schwerer wiegenden Folgen der Inflation aufzeigen, daß sie nämlich zu Perioden der Stagnation führt, Folgen, die in der Tat dem gegenwärtigen Geldsystem inhärent sind. (…)

Es wird notwendig sein, daß das Problem und die dringende Notwendigkeit einer Reform allgemein verstanden werden. Es handelt sich nicht, wie es dem Laien zunächst scheinen mag, um ein unbedeutendes technisches Detail der Geldordnung, die er nie richtig verstanden hat. Der Vorschlag deutet den einzigen Weg an, auf dem wir noch hoffen können, der anhaltenden Entwicklung aller Regierungen hin zum Totalitarismus, der vielen scharfen Beobachtern unvermeidbar erscheint, Einhalt zu gebieten. Ich wünschte, ich könnte den Rat geben, langsam vorzugehen. Aber die Zeit mag kurz sein. Dringend erforderlich ist jetzt nicht die Konstruktion eines neuen Systems, sondern die sofortige Beseitigung aller gesetzlichen Hindernisse, die während zweitausend Jahren den Weg für eine Evolution versperrt haben, die bestimmt segensreiche Ergebnisse zu Tage fördern wird, die wir jetzt nicht vorhersehen können.“

Niemand, nicht einmal Hayek, konnte die Genialität von Blockchain in seiner Anwendung und möglichen Auswirkungen auf die Welt vorhersehen. Wir haben das außerordentliche Glück, in der Zeit seiner Entstehung und Entwicklung zu leben.

Die Blockgrößen-Debatte

Auf der Konferenz, an der ich teilnahm, gab es eine hitzige Debatte um die richtige Größe der Blöcke auf der Kette. Gegenwärtig ist sie auf ein Megabyte begrenzt. Viele bemängeln aber, dies sei nicht genug, damit das System universell anwendbar werde. Andere wiederum sind der Überzeugung, ein Eingriff in den Basiscode sei zu gefährlich, Fragen der Skalierung sollten durch Erweiterungen (Add-ons) und externe Schichten im gegenwärtigen Protokoll gelöst werden.

Ich habe alle Argumente gehört, maße mir aber nicht an, zu sagen, welche Position die beste ist. Was ich vielmehr erstaunlich finde, ist, mit welcher Methode in diesem Fall eine Lösung gefunden wird. Nicht ressourcenstarke und einflussreiche Experten oktroyieren eine Lösung von oben auf. Dies wurde immer wieder versucht und die Ergebnisse waren verheerend (Stichwort Bretton Woods oder Nixons Währungsreform).

Das Bitcoinsystem wird im Rahmen eines Konsenses von echten Beteiligten vorangetrieben und auf dem Markt getestet. Der eingeschlagene Weg ist der richtige. Wie auch immer die Sache ausgeht, die Bitcoingemeinde hat eine wesentlich größere Chance, die Weltwirtschaft auf dem Weg in die Zukunft zu führen als dies irgendein Gesetzesakt oder irgendeine Durchführungsverordnung einer Regierung oder politischen Partei tun könnte.

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Aus dem Englischen übersetzt von Arno Stöcker. Der Originalbeitrag mit dem Titel The Blockchain Matters More than the President ist am 19.1.2017 auf der website der Foundation of Economic Education erschienen.

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Jeffrey Tucker ist verantwortlicher Director of Content für the Foundation for Economic Education and CLO des Startups Liberty.me. Er ist Autor von fünf Büchern und tausender Artikel. Er spricht regelmäßig beim FEE Sommer Seminar. Sein neustes Buch ist Bit by Bit: How P2P Is Freeing the World.

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Hinweis: Die Inhalte der Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Ludwig von Mises Institut Deutschland wieder.

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