Im freien Markt gibt es keine exzessiven Gewinne

3.2.2017 – von Ludwig von Mises.

Ludwig von Mises (1881 – 1973)

Gewinne sind nie normal. Sie entstehen nur dann, wenn es Ungleichgewichte oder Unterschiede gibt zwischen der tatsächlichen Produktion und der Produktion, die stattfinden sollte, um die vorhandenen materiellen und geistigen Ressourcen zur bestmöglichen Befriedigung der Bedürfnisse der Menschen zu nutzen. Sie sind die Belohnung für die, die das Ungleichgewicht beseitigen; sie verschwinden, sobald das Ungleichgewicht vollständig beseitigt ist. In einem imaginären, gleichmäßigen Wirtschaftssystem gibt es keine Gewinne. Hier entspricht die Summe der Kosten aller Produktionsfaktoren exakt der Summe der Kosten aller Produkte, mit den entsprechenden Aufschlägen, die der Zeitpräferenz geschuldet sind.

Je größer die vorherigen Ungleichgewichte sind, desto höhere Gewinne winken für ihre Beseitigung. Ungleichgewichte kann man manchmal durchaus als „zu hoch“ bezeichnen. Es ist jedoch unangemessen, diese Bezeichnung für Gewinne zu verwenden.

Den Menschen kommt in den Sinn, dass es zu hohe Gewinne geben könne, weil sie die Gewinne dem eingesetzten Kapital gegenüberstellen und erstere als Prozentsatz von letzterem betrachten. Das kommt daher, dass dies die übliche Methode ist, um Gewinne bei Partnerschaften und Aktiengesellschaften auf die einzelnen Partner oder Aktionäre aufzuteilen. Diese Menschen haben in unterschiedlichem Umfang zum Unternehmen beigetragen, und werden nun entsprechend ihres Beitrages an Gewinnen und Verlusten beteiligt.

Das eingesetzte Kapital ist jedoch nicht für Gewinne und Verluste verantwortlich. Kapital „erzeugt“ keine Gewinne, wie Marx dachte. Die Kapitalgüter an sich sind leblose Dinge, die von alleine gar nichts erreichen. Erst wenn sie gemäß einer sinnvollen Idee eingesetzt werden, entstehen Gewinne. Wenn sie hingegen gemäß einer fehlerhaften Idee eingesetzt werden, entstehen keine Gewinne, oder sogar Verluste. Die Entscheidung des Unternehmers sorgt für Gewinne oder Verluste. Es sind geistige Leistungen, der Geist des Unternehmers, die letztendlich die Quelle der Gewinne sind. Gewinne sind das Ergebnis von Denkanstrengungen, von erfolgreicher Vorhersage zukünftiger Märkte. Sie sind ein geistiges und intellektuelles Phänomen.

Die Absurdität des Verurteilens irgendwelcher Gewinne als „zu hoch“ lässt sich leicht aufzeigen. Ein Unternehmen mit einer Kapitalausstattung c erzeugt eine bestimmte Produktmenge p, die es zu Preisen verkauft, die einen Überschuss von Einnahmen gegenüber Ausgaben von s als Folge haben. So erwirtschaftet das Unternehmen einen Gewinn von n Prozent. Wäre der Unternehmer weniger fähig, hätte er 2c benötigt, um dieselbe Menge p zu herzustellen. Für unser Beispiel können wir sogar vernachlässigen, dass sich so auch die Produktionskosten erhöht hätten, weil sich die Zinsen für das eingesetzte Kapital verdoppelt hätten, und wir annehmen können, dass s gleichgeblieben wäre. S wäre jedoch 2c anstellen von c gegenübergestanden, und folglich würde der Gewinn nur n/2 Prozent des eingesetzten Kapitals betragen. Der „zu hohe“ Gewinn wäre auf ein „faires“ Niveau reduziert worden. Warum? Weil der Unternehmer ineffizienter gewirtschaftet hat, und weil sein Mangel an Effizienz seine Mitmenschen um all die Vorteile gebracht hat, die ihnen das Vorhandensein der Kapitalgütermenge c für die Produktion weiterer Güter gebracht hätte.

Die Menschen schaden sich selber, wenn sie Gewinne als zu hoch bezeichnen und effiziente Unternehmer durch diskriminierende Steuern bestrafen. Die Besteuerung von Gewinnen ist gleichbedeutend mit der Besteuerung von Erfolg darin, der Gesellschaft am besten zu dienen. Das einzige Ziel aller Produktionsaktivitäten besteht darin, die Produktionsfaktoren so einzusetzen, dass man die größtmögliche Menge an Endprodukt erhält. Je weniger man zur Herstellung eines Endproduktes benötigt, desto mehr knappe Produktionsfaktoren stehen zur Herstellung anderer Güter zur Verfügung. Je mehr Erfolg ein Unternehmer jedoch in dieser Hinsicht hat, desto mehr wird er verteufelt, und unter umso höherer Besteuerung hat er zu leiden. Höhere Kosten pro Einheit hergestellten Endproduktes, Verschwendung also, werden als Tugend gepriesen.

Am verblüffendsten zeigt sich dieses Unverständnis der Aufgabe der Produktion und des Wesens und der Funktion von Gewinn und Verlust im verbreiteten Aberglauben, dass der Gewinn den Produktionskosten untergeordnet sei, deren Höhe alleine im Ermessen der Verkäufer läge. Regierungen lassen sich von dieser Vorstellung leiten, wenn sie Preiskontrollen anwenden. Außerdem bringt diese Vorstellung viele Regierungen dazu, mit ihren Lieferanten Verträge einzugehen, die sie dazu verpflichten, für die Produkte des Lieferanten die Herstellungskosten zuzüglich eines festgesetzten Prozentsatzes zu bezahlen. Als Folge davon ist der Gewinn des Herstellers umso höher, je erfolgloser er darin ist, überflüssige Kosten zu vermeiden. Diese Art von Verträgen haben die Kosten der Vereinigten Staaten für die beiden Weltkriege enorm in die Höhe getrieben. Die Bürokraten allerdings, allen voran die Ökonomieprofessoren in den diversen Kriegsbehörden, rühmten sich ihrer schlauen Vorgehensweise.

Alle Menschen, Unternehmer wie Nicht-Unternehmer, beäugen die Gewinnen anderer argwöhnisch. Neid ist eine verbreitete Schwäche der Menschen. Kein Mensch gesteht sich gerne ein, dass er die selben Gewinne hätte erwirtschaften können, wenn er nur die selbe Voraussicht und das selbe Urteilsvermögen gehabt hätte wie der erfolgreiche Unternehmer. Ihre Missgunst ist umso ausgeprägter, je eher sie unterbewusst diese Tatsache verstehen.

Es gäbe keine Gewinne, würde die Öffentlichkeit nicht die Produkte begehren, die die erfolgreichen Unternehmer anbieten. Aber dieselben Menschen, die diese Produkte begehren, verteufeln den Unternehmer und bezeichnen seinen Gewinn als illegitim.

Dieser Neid äußert sich in der Unterscheidung zwischen rechtmäßigem und unrechtmäßigem Einkommen. Sie zieht sich wie ein roter Faden durch die Lehrbücher, die Gesetzestexte und die Verwaltungspraxis. So wird beispielsweise im offiziellen New Yorker Steuererklärungsformular nur das Einkommen aus angestellter Tätigkeit als „Verdienst“ bezeichnet, und alles andere Einkommen, inklusive dem aus beruflicher Tätigkeit, gilt somit implizit als „unverdientes“ Einkommen. Diese Art von Terminologie verwendet ein Staat, der einen republikanischen Gouverneur hat und in dessen Abgeordnetenversammlung Republikaner die Mehrheit stellen.

Die öffentliche Meinung akzeptiert Gewinne nur so lange, wie sie nicht das Einkommen eines Angestellten überschreiten. Alles darüber hinaus wird als unfair abgelehnt. Das Ziel der Besteuerung, gemäß dem Prinzip „jeder so viel er kann“, besteht darin, alles darüber hinaus gehende Einkommen zu konfiszieren.

Eine der Hauptfunktionen von Gewinnen besteht darin, dafür zu sorgen, dass das Kapital in die Hände derer gelangt, die es bestmöglich für die Befriedigung der Öffentlichkeit einsetzen. Je mehr Gewinne jemand erwirtschaftet, desto wohlhabender wird er infolge dessen, und desto einflussreicher wird er auch in der Wirtschaft. Gewinn und Verlust sind die Mittel der Konsumenten, mit denen sie den Unternehmern, die ihnen am besten dienen können, mitteilen, in welche Richtung ihre Produktionsaktivitäten gehen sollen. Alle Schritte, die unternommen werden, um die Gewinne einzuschränken oder zu konfiszieren, sorgen dafür, dass diese Fähigkeit der Konsumenten beeinträchtigt wird. Dadurch verlieren die Konsumenten die Kontrolle über die Produktionsvorgänge. Die Wirtschaft wird vom Standpunkt der Öffentlichkeit aus ineffizienter und geht weniger auf ihre Bedürfnisse ein.

Der Neid des Mannes von der Straße betrachtet Gewinne, als ob sie ausschließlich verkonsumiert würden. Auf einen Teil trifft das natürlich zu. Aber nur die Unternehmer, die nur einen geringen Teil ihrer Gewinne verkonsumieren und den Rest wieder in ihr Unternehmen investieren, gelangen zu Wohlstand und Einfluss in der Geschäftswelt. Kleine Unternehmen entwickeln sich nicht durch Ausgaben zu großen Unternehmen, sondern durch Sparen und Kapitalakkumulation.

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Entnommen aus The Mises Reader, Chapter 7 Profit and Loss. Aus dem Englischen übersetzt von Florian Senne.

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Ludwig von Mises, geb. 1881 in Lemberg, war der wohl bedeutendste Ökonom und Sozialphilosoph des 20. Jahrhunderts. Wie kein anderer hat er die (wissenschafts)theoretische Begründung für das System der freien Märkte, die auf unbedingter Achtung des Privateigentums aufgebaut sind, und gegen jede Form staatlicher Einmischung in das Wirtschafts- und Gesellschaftsleben geliefert. Seine Werke sind Meilensteine der Politischen Ökonomie. Das 1922 erschienene “Die Gemeinwirtschaft” gilt als erster wissenschaftlicher und umfassender Beweis für die “Unmöglichkeit des Sozialismus”. Sein Werk “Human Action” (1949) hat bei amerikanischen Libertarians den Rang einer akademischen “Bibel”. Mises war Hochschullehrer an der Wiener Universität und Direktor der Österreichischen Handelskammer. Ab 1934 lehrte er am Institut des Hautes Etudes in Genf. 1940 Übersiedlung nach New York, wo er nach weiteren Jahrzehnten der Lehr- und Gelehrtentätigkeit 1973 im Alter von 92 Jahren starb.

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