„Der erste Keynesianer“ oder „Wie man ein Land in vier Jahren ruiniert“ – Teil 3

16.12.2016 – von Michael Ladwig.

[Dieser Beitrag wird in drei Teilen veröffentlicht, Teil 1 ist am 2.12. erschienen, Teil 2 am 9.12.]

Michael Ladwig

Das Jahr 1720 war das, was 1923 für die deutsche Wirtschaft war. Eine Katastrophe, die die Menschheit bis dahin noch nicht erlebt hatte. Die emporschnellenden Geldmengen kulminierten in immer höheren Aktienkursen der MG. Um die Kurskapriolen einzudämmen, setzte Law kurzerhand den Kurs bei 9.000 Livre fest, nachdem er bereits auf 10.000 gestiegen war. Kurz vor seiner Zwangskursfestsetzung hatte er den Handel mit Aktien ausgesetzt, was die Unzufriedenheit steigerte. Dann ließ er den Handel wieder zu und wurde förmlich von den Massen überrannt, die nun die Schalter der Bank und der Börse stürmten. Den Menschen war in der Zwischenzeit klargeworden, dass in Louisiana keine prosperierende Wirtschaft in Gang kam, weder hatte man Gold noch andere wertvolle Rohstoffe gefunden. Der Handel mit Louisiana blieb ebenfalls aus.

Da die Zentralbank jedoch über keine nennenswerten Bestände an Banknoten verfügte, war sie gezwungen die Ansprüche der Aktienverkäufer mit frisch gedrucktem Geld zu bedienen. Die Geldmenge geriet völlig außer Kontrolle. Allein von Ende März bis Anfang Mai 1720 verdoppelte sich die Geldmenge um den Aktienkurs seiner Mississippi-Gesellschaft bei 9.000 Livre zu stützen.

Die umlaufende Geldmenge (inkl. Aktien der Mississippi-Gesellschaft)[1] entwickelte sich wie folgt:

  • August 1719        1,3 Mrd.
  • Oktober 1719    2,3 Mrd.
  • November 1719    5,2 Mrd.
  • Dezember 1719    5,1 Mrd.
  • Februar 1720        5,2 Mrd.
  • März 1720        5,1 Mrd.
  • April 1720        6,1 Mrd.
  • Mai 1720        6,1 Mrd.
  • Juni 1720        3,6 Mrd.
  • Juli 1720        3,2 Mrd.
  • August 1720        3,1 Mrd.
  • September 1720    3,1 Mrd.
  • Oktober 1720    3,4 Mrd.
  • November 1720    3,2 Mrd.
  • Dezember 1720    3,1 Mrd.

Ende Mai 1720 kam es zu gewalttätigen Unruhen gegen Law und seine Bank. Britische Investoren sandten Eilbriefe an ihre Pariser Korrespondenten und baten um Rücküberweisung ihrer Gelder. Sie wiesen ihre Agenten an, ihre Papiere mit bis zu 80% Verlust zu verkaufen. Die Bank Royale genoss im Ausland keinerlei Vertrauen mehr. Eine Rolle beim Abzug des Geldes spielte aber auch der blasenartige Aufstieg der Aktien der South Sea Company in London. Dort wollten selbstverständlich auch alle mit dabei sein, die den kometenhaften Aufstieg der Mississippi-Gesellschaft miterlebt oder verpasst haben. Im Juni wurde Law als Generalkontrolleur der Finanzen vom Regenten entlassen. Er wurde unter Hausarrest gestellt. Die Bank wurde geschlossen und von drei kommissarischen Buchprüfern durchleuchtet. Da sie nur wenige Tage zur Verfügung hatten, konnten sie keine Betrügereien ausmachen, bemängelten aber gleichzeitig diese kurze Frist, um diese komplexe Milliarden-Buchhaltung auf Herz und Nieren zu prüfen.

Weniger als eine Woche nach dem Hausarrest durfte Law die Bank wieder führen, weil man nicht wusste, wie das System „Law“ funktionierte und hoffte, dass er es wieder auf ein Normalmaß würde herunterfahren können. Doch wenn die Zahnpasta einmal aus der Tube ist, bekommt man sie nicht mehr ohne Schweinerei und Verluste wieder dahin zurück. Ein geordneter Rückzug war nicht mehr möglich, was den Druck auf den Regenten und seine Höflinge erhöhte und diese wiederum erhöhten den Druck auf Law, der hier um sein Leben bangen musste. Jeden Tag drohte die Verhaftung, vielleicht sogar die Todesstrafe. Law wirkte nach außen wie die Ruhe in Person, was auch nötig war, aber er konnte nur noch improvisieren. Durch sein Verhandlungsgeschick und seine manipulative Eloquenz war es ihm zwar immer wieder möglich, Gönner aufzutun und offene Feindschaft zu mildern. Diese Beruhigungspillen hielten jedoch nur wenige Tage, da sich täglich neue Katastrophen abspielten. So z. B. als am 10. Juli eine so ungeheure Menge an Menschen die Bank stürmte, um Papiergeld in Münzen zu tauschen, dass es fast zu Toten unter den Wartenden kam. Am 17. Juli gab es dann tatsächlich einen Toten (andere Quellen behaupten 15 Tote!), den der Mob dann zum Palast Laws trug, um dort gegen sein Schuldgeldsystem zu demonstrieren. Man forderte nichts Geringeres als Law aufzuknüpfen.

Bereits im Juni bekundete das Parlament sein Misstrauen gegenüber Law und stimmte für die Rücknahme vieler seiner Verordnungen und diese in ihr Gegenteil zu verkehren, was nicht zur Stabilisierung der Lage beitrug, sondern eher das Chaos begünstigte. Der Edelmetallbesitz wurde wieder erlaubt, obwohl Law dies untersagt hatte. Rentenpapiere zu 2,5% Zinsen wurden wieder in Umlauf gebracht (ca. 1 Mrd. Livre), obwohl Law diese eigentlich in Aktien der Mississippi-Gesellschaft umwandeln wollte und zwar vollständig!

Ab November 1720 durften Steuerzahlungen nicht mehr in Banknoten geleistet werden, was der letzte Sargnagel für das Law´sche Schneeballsystem gewesen sein dürfte. Denn wenn der Staat sein eigenes Geld nicht mehr für Steuerzahlungen annehmen will, was sollte man noch mit dem Papiergeld? Der Staat veranstaltete öffentliche Verbrennungen von Papiergeld, um der Bevölkerung glaubhaft zu machen, dass hier tatsächlich die Geldmenge vernichtet wurde. Ende Juli 1720 wurden bereits 554 Millionen Livre von damals bekannten 2,6 Mrd. verbrannt. 200 weitere lagen in der Bank zur Vernichtung bereit.

Ab Juli 1720 verschlechterte sich die Lage dermaßen, dass der Regent einem Versammlungsverbot zustimmte und die Einlösung von Banknoten vorübergehend aussetzte. Gleichzeitig zog er 6.000 Soldaten am Pariser Stadtrand zusammen. Er ließ desweiteren Münzgeld, vornehmlich für die Bäckereien in Paris, zurückhalten, damit die Bäcker nicht in den Arbeitsstreik traten. Die Nahrungsversorgung war somit vorerst sichergestellt. Eine Krisensitzung folgte der nächsten. Am 21. Juli ließ der Regent die einzelnen Parlamentsmitglieder mithilfe seiner zusammengezogenen Truppen aufsuchen und sie ins Umland von Paris ausweisen. Das Parlament stand traditionell nicht auf der Seite von Law und war damit dem Regenten ein Dorn im Auge. Frankreich mutierte von einer Monarchie zu einem totalen Staat.

Die Münzgeldreserven schmolzen dahin. Ende Juli waren nur noch neun Millionen Livre an Warengeld vorhanden. Diese Menge konnte an jedem beliebigen Tag durch die Bevölkerung abgehoben werden und hätte den König genötigt, den Bankrott zu erklären. Nach und nach schwand der Rückhalt Laws beim Regenten, der allmählich des wachsenden Drucks überdrüssig wurde. Er hielt im September mehrere Geheimtreffen mit Laws Gegner ab und beriet mit ihnen die Lage.

Die Bevölkerungsteile, die nicht mit Gewalt auf die neuen Verordnungen reagierten, verbrachten ihre freie Zeit damit, die Häuserwände in Paris mit sarkastischen Sprüchen zu beschmieren. Dem Regenten war das nicht einerlei, er ließ kurzerhand Kopfgelder auf die Ergreifung des- bzw. derjenigen aussetzen. Aber diese reagierten wiederum mit Spott und schrieben: „Sie versprechen viel, oh Königlein, wird´s in Papier- oder Münzgeld sein?“

Viele Adlige die zuvörderst vom Law´schen System profitierten, aber aufgrund ihrer Nähe zum Hof um die Zahlungsschwierigkeiten wussten, deckten sich mit Waren wie Talg und Wachs (zur Kerzenherstellung) ein, um ihr Geld vor dem Verfall zu retten. Dies wiederum verknappte diese begehrten elementaren Waren und trieb deren Preise in Höhe, was dem allgemeinen Unmut in der Bevölkerung nur weiteren Zündstoff lieferte.

In seiner Verzweiflung rief John Law den Bankier Richard Cantillon aus Irland zur Hilfe, den er noch kurz zuvor hatte ausweisen lassen, um mit ihm die Restauration des Law´schen Systems voranzutreiben. Doch Cantillon wies das Ansinnen von Law zurück. Laws Haus wurde währenddessen fast täglich von Banden herumstreifender Personen belagert. Er befürchtete übergriffige Handlungen und sorgte sich zurecht um die Gesundheit seiner Familie. Der 1. September gab einen kleinen Vorgeschmack auf die Ereignisse in den kommenden Monaten. An diesem Tag lauerte eine Meute von erbosten Menschen der Kutsche von Laws Lebensgefährtin auf und griffen diese unvermittelt an. Sie kam jedoch mit dem Schrecken davon. Zwei Tage später bewarfen aufgebrachte Bürger Laws Kutsche mit Kot und Steinen.

Eine Katastrophe ganz anderer Art verschlimmerte die Stimmung in Paris und wandelte sie in blanke Angst. In Marseille breitete sich seit Ende Juli 1720 die Pest aus, die offenbar aus dem Nahen Osten per Schiff eingeschleppt wurde. Die Stadt wurde daraufhin abgeriegelt. Etwa 15 bis 20.000 Menschen starben an der Pest und an Hunger. Plünderungen und Mord waren an der Tagesordnung. Die Pest breitete sich auf andere Städte wie Aix und Toulon aus und noch Anfang September geriet die Lage außer Kontrolle, da kaum noch Ärzte zu finden waren. Die Pest war scheinbar nicht zu stoppen. Es machten Gerüchte die Runde, nach der der verhasste Law dem Regenten riet, die Stadt Marseille niederbrennen zu lassen. Tatsächlich jedoch spendete er 100.000 Livre, um den Menschen dort zu helfen. Die Obrigkeit ließ alle Häfen schließen, was den auswärtigen Handel lahmlegte und die wirtschaftliche Situation – einem Pulverfass gleich – dramatisch verschlechterte. Später schob Law der Pest eine große Mitschuld an der Zerstörung seines Systems zu. Der Grad der Wahrnehmungsstörung hatte Law von Anfang an ergriffen, aber in der Schuldfrage schien auch er von allen guten Geistern verlassen worden zu sein.

Der Kurs der Aktien der MG stürzte derweil ins Bodenlose (lag nur noch bei 200 Livre) und der Livre verlor ebenso drastisch an Wert. Law stand im Grunde vor einer unlösbaren Aufgabe.

Die Angriffe steigerten sich von Tag zu Tag. Law sah keine Zukunft mehr für sich in Frankreich und bat Anfang Dezember 1720 um Entlassung aus seinen Ämtern. Der Regent stellte ihm Passierscheine und Geleitbrief aus und war froh, ihn los zu sein. Aber nicht nur ihn, sondern auch die Staatsschulden!

In der Nacht vom 17. Dezember 1720 flüchtete Law mit seiner Entourage nach Brüssel. Ihm wurden Leibwächter und Kutschen vom Hochadel zur Verfügung gestellt. Seine Feinde versuchten, ihn zu fassen und vor Gericht zu stellen. Daher konnte er nur mit einem gefälschten Pass die Grenze überqueren. Unerkannt bleiben war das Gebot der Stunde. Der Tross setzte sich in Bewegung und hatte – man höre und staune – 800 Louis d´or an Bord, immerhin 5,5 kg Gold![2] Ein unnützes Material, deren Ausführung Law einst untersagte. Aber der Grenzübertritt kam anders, als Law sich dies erhofft hatte. An der Grenze wurde der Fluchttross unerwartet angehalten. Dem Grenzkommandanten kam der gefälschte Pass verdächtig vor. Er ließ Law 24 Stunden festsetzen und benachrichtigte Paris. War es Zufall oder Fügung? Der Grenzbeamte, der Law festhielt, war der älteste Sohn eines Adligen, der Law zutiefst hasste. Die anfängliche Verwirrung über die Reisegruppe wich unverhohlener Freude, als klar war, wen er dort an der Grenze erwischt hatte. Der Vater des Beamten wurde vor Jahren wegen Law seiner Ämter enthoben und hatte nun alle Möglichkeiten, ihn zu schikanieren. Er beließ es allerdings dabei, ihm alle Unterlagen und natürlich das Gold abzunehmen. Schließlich, so sagte der Beamte, hatte Law einst verfügt, dass es nicht außer Landes gelangen dürfe. Law musste mittellos weiterreisen.

1721, als das Kartenhaus bereits zusammengebrochen war, konnte der vom Regenten eingesetzte Konkursverwalter feststellen, um wie viel Law über das gesetzliche Maß die Geldmenge ausgeweitet hatte. Die Buchprüfer fanden mehrere geheime königliche Erlasse, die Geldmenge zugunsten der Krone auszuweiten. Law konnte sich nicht weigern, diese Anordnungen zu ignorieren, also tat er es. Doch auch unter Berücksichtigung dieses Faktes hatte Law auch eigenmächtig, nämlich 600 Millionen Livre, drucken lassen, von denen der Regent wiederum nichts ahnte. Diese peinlichen Elemente des Konkursberichtes durften nicht an die Öffentlichkeit gelangen. Um sich das Schweigen zu erkaufen, ließ der Regent daraufhin zwei Prüfer zu Generalkontrolleuren ernennen und den einen Aufmüpfigen entlassen.

Ein wahrer Keynesianer gibt nicht auf, sein System zu preisen und anzuempfehlen. Im Mai 1722 lobt Law es in einem Brief an den serbischen Finanzminister Rosemberg in den höchsten Tönen. Eine Einladung freilich zur Gründung einer serbischen Monopolbank schlägt er jedoch aus, ebenso wie er eine Einladung des russischen Zaren ausschlägt. Seine Staatsentschuldungsexzesse machten offensichtlich Eindruck auf den europäischen Hochadel. Sie wollten unbedingt sein „Geheimnis“ kennenlernen und es ebenso durchexerzieren und das obwohl sie Law noch vor 1715 alle für verrückt hielten.

Laws Bemühungen, den Handel zu beleben und von Anfang an die Erschließung der Kolonien voranzutreiben, wird ihm heute noch hochangerechnet. Bekanntlich ließ er zu diesem Zweck 500 Handelsschiffe und einige überseeische Häfen bauen. Er warb um Pioniere, die dort die nötige Arbeit erledigen würden. Aber was war das Problem? Fehlende Menschenkenntnis! Wer geht in ein unbekanntes, tausende km entferntes Land, um unter klimatisch schwierigen Bedingungen und ungeklärten Gefahren körperlich harte Arbeit zu verrichten, wenn er in der Heimat mit wenig Geld in der Tasche zum Millionär werden kann?

Zu den Staatsschulden ist noch folgendes erwähnenswert. Als Law seinen Posten 1715 antrat, war der Staat mit 2 Mrd. Livre belastet. Anfang 1721 waren es immer noch 2 Mrd. (aber nun mit um 80% geringerer Kaufkraft!) und das obwohl Law Unmengen an Staatsanleihen hat vernichten lassen. Das lag natürlich daran, dass der Regent keine Zurückhaltung kannte. Er war ein Spieler wie Law selbst und sah das Spiel als perpetuum mobile an. Warum sollte er Zurückhaltung üben, wenn man ihm die Schulden doch immer wieder durch wundersame Aktienverkäufe abnahm? In der Frage der Besiedlung der Kolonien und in Sachen Abspracheeinhaltung durch den Regenten war Law ein Opfer seiner eigenen Geldpolitiken. Er hatte eben keine Ahnung vom anreizgesteuerten Wesen namens Mensch.

Hier lassen wir die Geschichte des Mannes enden, der Frankreich eine nie dagewesene Hochkonjunktur samt Megabust bescherte. Wir haben alles gesehen, was so ein keynesianischer Boom mit sich bringt: Geldmengenvermehrung, Staatswucher, Bargeldverbote, Bankrun, Intrigen, wilde Spekulationen, Spekulantenbekämpfung, Freiheitsbeschränkungen, Verhaftungen und nicht zuletzt Tumulte und Unruhen.

Die Fehler der Vergangenheit erleben zwar im Moment ein Revival, die die Hoffnungen auf eine bessere Zukunft scheinbar zunichtemachen. Aber eine bessere Welt benötigt schlichtweg die besseren Ideen, deren Zeit gekommen ist, wenn alle Gewaltmittel ausprobiert wurden und versagt haben.

[1] Murphy, S. 370.
[2] Gleeson. Der Mann, der das Geld erfand. Goldmann, 2003. S. 251 f.

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Michael Ladwig ist Finanzbuchhalter, Controller und »Misesianer«. Er ist 1978 im größten Freiluftgefängnis der Welt – der Deutschen Demokratischen Republik geboren. Nach dem Abitur, Wehrdienst, BWL-Studium und Familiengründung, hat er sich bereits seit dem Crashjahr 2008 mit den Ursachen großer Verwerfungen im Finanzsystem beschäftigt. Er ist Gründer des Oeconimus-Verlages. Für sein Ludwig von Mises Lexikon hat er fast fünf Jahre intensiv die Werke von Mises studiert.

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Hinweis: Die Inhalte der Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Ludwig von Mises Institut Deutschland wieder.

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