Märkte funktionieren ohne Staat

16.11.2016 – von Andreas Marquart.

Andreas Marquart

Wenn es um volkswirtschaftliche Themen geht, dann winken die meisten Menschen ab, nach dem Motto „das ist mir alles viel zu kompliziert“. Sie sind der Meinung, das sei die Angelegenheit von Experten. Andere wiederum lieben es, Diskussionen über das Geschehen in Wirtschaft und Politik zu führen. Interessant zu beobachten ist dabei stets, dass bei wirtschaftspolitischen Themen die meisten glauben, sie hätten die Lösung für alle Probleme parat. Offensichtlich ist jedoch kaum jemandem bewusst, dass die Wirtschaftspolitik Themen diskutiert und Probleme lösen will, die weder ein Einzelner, noch ein Expertengremium zu lösen in der Lage ist.

Im Grunde handeln diejenigen richtig, die abwinken, ihre Begründung aber müsste vielmehr lauten: „Das ist alles viel zu komplex!“ Denn Volkswirtschaften sind nicht kompliziert, sie sind komplex.

Ein Laserroboter beispielsweise ist etwas sehr Kompliziertes. Wenn Ingenieure und Techniker bei der Konstruktion keine Fehler machen, dann reagiert der Roboter auf Knopfdruck genauso wie erwartet. Wenn der Roboter bei einem Automobilhersteller eingesetzt und in der Fabrik auf ein neues Fahrzeugmodell umgestellt wird, lässt er sich jederzeit umprogrammieren und – wenn der Programmierer keine Fehler macht – verrichtet er weiter ordnungsgemäß seine Arbeit.

In einer Volkswirtschaft spielen dagegen Informationen und Wissen eine tragende Rolle. Dabei ist nicht „Expertenwissen“ gemeint, das zum Beispiel für den Bau eines Roboters erforderlich ist. Gemeint sind Informationen und Wissen, das Menschen exklusiv besitzen. Dieses Wissen ist in einer Volkswirtschaft dezentral verteilt und lässt sich nur zu einem geringen Teil zentralisieren. Die dezentrale Wissensverteilung ist es, die Volkswirtschaften zu komplexen Systemen macht. Tritt in einem komplexen System eine Störung auf, kann man nicht einfach eine Software umschreiben, um das Problem zu beheben.

Die moderne Volkswirtschaftslehre und mit ihr die Wirtschaftspolitik gibt aber genau vor, das zu können, nämlich Regierungen und Politikern die Informationen liefern zu können, die diese zur Lenkung und Steuerung einer Volkswirtschaft benötigen. Doch dieses Wissen lässt sich nicht beschaffen. Für die Planer kommt erschwerend hinzu, dass jeder Marktteilnehmer nicht nur exklusives Wissen besitzt, sondern auch individuelle Präferenzen hat. Und selbst wenn jemand die Präferenzen aller Marktteilnehmer kennen würde und Wissen sich zentralisieren ließe, ergäbe sich ein weiteres Problem: Präferenzen und Wissen unterliegen nämlich einem stetigen Wandel … Menschen machen täglich neue Erfahrungen und lernen hinzu. Sie lernen aus Fehlern, aus eigenen und aus den Fehlern anderer. Und natürlich haben gerade politische Entscheidungen wiederum selbst Einfluss auf die Präferenzen der Menschen.

Wirtschaftspolitische Diskussionen würden sich erübrigen, wären sich die Menschen bewusst, dass es die in Märkten durch die Interaktion der Menschen spontan entstehende Ordnung ist, die bewirkt, dass komplexe Systeme gerade dann am besten funktionieren, wenn man möglichst nicht in sie eingreift. Das System der Preisbildung in Märkten spielt dabei die entscheidende Rolle. Preise sind für die Marktteilnehmer Orientierung, wie sie ihre Ziele am effektivsten erreichen können. Sie zeigen an, wo Kapital und Ressourcen am effizientesten eingesetzt werden können. Darum ist es von großer Bedeutung, dass sich in Märkten Preise frei und unbehindert bilden können. Mindestpreise oder Preisobergrenzen für Güter oder Arbeit sind schädlich und führen stets zu Störungen – beispielsweise in Form von Überangeboten oder Engpässen.

Neben der Tatsache, dass sich Wissen nicht zentralisieren lässt, ist es im komplexen System „Volkswirtschaft“ auch gar nicht nötig, möglichst viel oder möglichst über alles Bescheid zu wissen. Beispielsweise zeigt der Preisanstieg eines Rohstoffes den Marktteilnehmern an, dass dieser am Markt knapper geworden oder die Nachfrage danach angestiegen ist. Aus welchen Gründen dies geschehen ist, ist für die Verwender des Rohstoffes von untergeordnetem Interesse. Sie müssen es nicht wissen. Sie wissen aber – und das zeigt ihnen der Preisanstieg an -, dass sie fortan sparsamer mit dem Rohstoff umgehen müssen.

Leider herrscht die Meinung vor, es bedürfe staatlicher Lenkung, damit Märkte funktionieren. Gerade seit Ausbruch der Finanz- und Eurokrise gewinnt diese Einschätzung immer mehr die Oberhand. Einerseits, so wird argumentiert, weil Märkte dazu tendierten, störungsanfällig zu sein, andererseits, welch eine Ironie, wird sogar als Begründung angeführt, die Märkte seien heute zu komplex, um sich selbst überlassen zu werden.

In seinem Werk Die verhängnisvolle Anmaßung: Die Irrtümer des Sozialismus schreibt der Ludwig von Mises-Schüler und Nobelpreisträger Friedrich A. von Hayek (1899 – 1992):

Je mehr Wirtschaftsgeschichte man lernt, desto irreführender erscheint einem die Vorstellung, die Schaffung eines durchorganisierten Staates hätte den Höhepunkt der frühen Entwicklung der Kultur bedeutet. Die Rolle des Staates wird in historischen Darstellungen weit übertrieben, weil wir natürlich so viel mehr darüber wissen, was organisierte Staatstätigkeit bewirkt, als was durch die spontane Koordination individueller Anstrengungen erreicht wurde.

Neben den wirtschaftspolitischen Eingriffen von Regierungen sind die Politiken der Geldwertstabilisierung und der Nullzinsen der Europäischen Zentralbank extrem schädliche, wissensanmaßende Eingriffe. Die Zentralbankräte geben vor, über Wissen zu verfügen, das sie nicht besitzen, das sie gar nicht besitzen können. Beispielsweise nehmen sie mit der Manipulation von Zinsen den Marktteilnehmern die Orientierung, wie diese die ihnen zur Verfügung stehenden Ressourcen am besten und effektivsten einsetzen können. Es werden Investitionen angestoßen, die in einem „normalen“ Zinsumfeld nicht rentabel wären. Überkapazitäten werden geschaffen und erforderliche Marktbereinigungen nicht zugelassen.

Die Schäden, die Geldwertstabilitätspolitik und Nullzinspolitik im komplexen System Volkswirtschaft anrichten, sind nicht zu beziffern. In einigen Ländern der Eurozone zeigen sich die Folgen bereits in Form von anhaltender Rezession und hoher Arbeitslosigkeit. Dort leiden die Menschen nun schon seit Jahren unter den Schäden, die entstehen, wenn sich vermeintliche Experten Wissen anmaßen. Hält die Anmaßung von Wissen an, ist zu befürchten, dass noch weit schlimmeres Leid die gesamte Eurozone heimsuchen wird.

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Dieser Beitrag ist unter der Überschrift „Von der Unmöglichkeit, Wissen zu zentralisieren“ zuerst erschienen im „Edelmetall- & Rohstoffmagazin 2016/2017“.

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Andreas Marquart ist Vorstand des „Ludwig von Mises Institut Deutschland“. Er ist Honorar-Finanzberater und orientiert sich dabei an den Erkenntnissen der Österreichischen Geld- und Konjunkturtheorie.

Im Mai 2014 erschien sein gemeinsam mit Philipp Bagus geschriebenes Buch “WARUM ANDERE AUF IHRE KOSTEN IMMER REICHER WERDEN … und welche Rolle der Staat und unser Papiergeld dabei spielen”.

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Hinweis: Die Inhalte der Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Ludwig von Mises Institut Deutschland wieder.

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